Schlagwort-Archive: Horror

William Peter Blatty – Der Exorzist (Lesung)

Die junge Tochter einer erfolgreichen Schauspielerin wird zunehmend von einem Dämon in Besitz genommen. Die moderne Wissenschaft versagt bei der Diagnose und Heilung. Der verzweifelten Mutter bleibt nur die Zuflucht zu einem professionellen Teufelsaustreiber. Pater Merrin weiß, gegen wen er kämpft… (Verlagsinfo)
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Barker, Clive / Niles, Steve / Bolton, John – Ein höllischer Gast

Eine höllische Weihnachtsgeschichte

Ein exzellentes Comic-Book von Starautor Clive Barker, kongenial illustriert von Starzeichner John Bolton. Es ist die spannend-witzige Geschichte eines Duells, das am Weihnachtsabend seinen Höhepunkt findet. (Wer die Story nachlesen möchte, findet sie im [„1. Buch des Blutes“ 538 unter dem Titel „Das Geyatter und Jack“.)

Handlung

Die Herren der Hölle haben das Geyatter, das auf den netten Namen Cuazzel hört, in das Haus des Essiggurken-Importeurs Jack J. Polo abkommandiert, weil Polos Familie sie um eine Seele betrogen hat. Rache ist Blutwurscht, ist die Devise – Polos Seele muss her!

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Lovecraft, H. P. – Der Ruf des Dämon. Horrorgeschichten (Inszenierte Lesung)

Grusel-Hörbuch: Wahnsinn reitet den Sternenwind

H. P. Lovecrafts bizarre und hintergründige Geschichten „Der Hund“ und „Das Fest“ führen an sehr unterschiedliche Orte im Kosmos des Grauens und tauchen dabei hinab in die Abgründe der Angst. (aus dem Klappentext)

Das Hörbuch bietet eine deutsch-englische Lesung mit Musik vom „Orchester der Schatten“, die eigens hierfür eingespielt wurde.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber wie in den Zusatztexten zu „Innsmouth“ zu erfahren war, reicht Lovecrafts Grauen weit über die landläufige Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

Kurz und bündig mehr über Lovecraft: http://www.orchesterderschatten.de/autor.htm.

Die Sprecher

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u. a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty und River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu der kleinen Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“ oder „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur. (Homepage-Info)

Simon Newby, geboren 1961 in Long Eaton, England, studierte an der Guildhall School of Music & Drama (Bachelor-Abschluss in Dramatic Arts). Seit 1990 erledigte er zahlreiche Regiearbeiten an verschiedenen Bühnen Berlins, war als Voice-over- und Synchronsprecher sowie als Dialog-Coach tätig, seine Hobbys sind Trompetespielen und Tauchen. Zu seinen Sprachkenntnissen zählt er: „Englisch (Britisch und Amerikanisch), Deutsch (perfekt)“.

Die Musik: Das „Orchester der Schatten“

„Das Orchester der Schatten präsentiert klassische Geschichten von Kultautoren wie H. P. Lovecraft und E. A. Poe, die mit ihren bizarren Welten des Grauens schon Generationen von Lesern begeistert haben. Ohne vordergründige Effekte wird von Mythen, fremden Mächten oder einfach von dem Horror erzählt, der sich in der menschlichen Seele verbirgt. Begleitet werden die Erzählungen vom Orchester der Schatten, dessen Live-„Filmmusik“ komponierte Scores, Klangeffekte und improvisierte Elemente vereint.“ (Homepage-Info)

Matthias Manzke:

* 4.10.1971; Jazzstudium an der HdK Berlin sowie an der New School New York; Unterricht u. a. bei David Friedman, Peter Weniger, Richie Beirach, und Jane-Ira Bloom; Rumänien-Tournee 1997; Teilnahme am Jazzfestival Hradec Kralove, Engagements bei Theater- und Filmproduktionen; CD-Aufnahmen mit der Berliner Big Band JayJayBeCe (BIT-Verlag 1997), mit dem Sänger Robert Metcalf (Dt. Grammophon 1998) sowie mit dem FRAW FRAW Saxophon4tett (2002); zzt. regelmäßige Konzerttäigkeit mit dem FRAW FRAW Saxophonquartett in ganz Deutschland und mit Projekten im Berliner Planetarium am Insulaner

Stephan Wolff:

1956 in Berlin geboren; Jurastudium; Dirigierstudium, Kompositions-Unterricht bei N. Badinski; tätig als Komponist, Dirigent, Keyboarder; seit 1994 Lehrtätigkeit an der Leo-Borchard-Musikschule; stilübergreifende Kompositionen zwischen Klassik, Jazz und Pop. Produktion und Mitgestaltung diverser Live-Elektronik-Projekte, u. a. „Dialogues“ (1998), „Losing One’s Head“ (1999), Filmmusiken, Bühnenmusiken, Traumspiel-Oper „Abaddon“ (1998/2001); Zahlreiche Songs und Lieder, auch für Kinder, z. B. „Erdenklang & Sternenbilder“ (1996), „Songs aus dem All“ (2000/2001), „Cool & Cosi“ (2000)

Sven Hinse:

* 1974, Absolvent der UdK Berlin und des „Kontaktstudiengangs Popmusik“ an der Hamburger Musikhochschule, CD-Produktionen u. a. mit dem Berliner LandesJugendJazzOrchester (1998) und mit der Band „tritorn“ (2002), Konzertreisen u. a. nach Südamerika, Rumänien, Spanien

Merle Ehlers:

geb. 1974 in Hamburg, lebt in Berlin. Schlagzeugstudium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Langjährige Bühnenerfahrung mit dem zeitgenössischen Tanzensemble „Contact 17“. Spielt Kompositionen für Gitarre und Schlagzeug im Duo „rant“ mit dem Gitarristen Torsten Papenheim, improvisierte Musik im Trio „Tunar“ mit Sabine Vogel (Flöten und electronics) und Dave Bennett (Gitarre) sowie dem Trio „Nom“ mit Dave Bennett und Antoine Chessex (Saxophone). Seit Sommer 2004 existiert das Trio „Tranceducer“ mit Tony Buck (hier:Gitarre, Voc) und Derek Shirley (Bass) für Songs von Tony Buck. Zusammenarbeit mit dem Performer Sten Rudstrøm. Mitinhaberin des Plattenlabels „schraum“ für gegenwärtige Musik.

Mehr Infos: http://www.orchesterderschatten.de.

Handlung von „Der Hund“ (Länge: ca. 36 Min.)

Der Berichterstatter hält während der Niederschrift der zurückliegenden Ereignisse bereits den Revolver bereit, um sich nach Abschluss dieser Aufgabe eine Kugel durch den verzweifelten Schädel jagen zu können. Denn die zurückliegenden Ereignisse lassen ihm keine andere Wahl …

Es muss sein Kumpel Saint John gewesen sein, der damit angefangen hat; ganz bestimmt. Zunächst waren sie nur vom Dasein gelangweilt, dann reichten ihnen auch der Nervenkitzel durch die verstiegenen Erzählungen und Gedichte der Dekadenten Baudelaire, Huysmans und wie sie alle heißen nicht mehr. Es war ganz bestimmt St. John, der auf die Idee mit der Grabräuberei verfiel, oder?

Sie richteten ein gut verstecktes Museum bei sich ein, in dem sie die Statuen von Dämonen, antike Mumien, Grabsteine und Schrumpfköpfe sammelten, natürlich auch Schmuckstücke aller Art. Es gab eine Mappe aus Menschenhaut, Musikinstrumente, die seltsame Disharmonien erzeugten. Die Raubzüge, die sich über die ganze Welt erstreckten, waren von der Umgebung, der Stimmung und der Jahreszeit bestimmt: Ein zugefrorenes Grab aufhacken zu müssen, ist sicherlich kein Vergnügen. Schließlich hörten sie von dem wertvollen Amulett im Grab eines 500 Jahre zuvor begrabenen holländischen Kapitäns. Das war der Anfang vom Ende.

Die holländischen Bauern erzählten ihnen, der Seemann sei seinerzeit von einer Bestie zerfleischt worden und seine Leiche verfluche jeden, der ihre letzte Ruhestätte berauben wolle. Sie hätten darauf hören sollen. Den Sarg zu öffnen, war erstaunlich leicht, doch dann grinste sie ein gut erhaltenes Gerippe an. Das Amulett auf seiner Brust ist aus grüner Jade und in Form eines Hundes oder einer Sphinx geformt, die Augen scheinen voll Bosheit zu funkeln. Die beigelegte Inschrift können sie leider nicht entziffern, doch offensichtlich sind sie auf einen Schatz gestoßen, der nur im verbotenen Buch „Necronomicon“ als Talisman eines Körperfresserkultes aus Zentralasien erwähnt wird.

Als sie sich gegenseitig auf die Schulter klopften, begann das Grauen. Fledermausschwärme stiegen auf, und ein großer Hund begann in der Ferne zu heulen …

Die drei Gedichte (ca. 7:40 Min.)

Lovecrafts Gedichte werden von Simon Newby vorgetragen. Die drei englischsprachigen Texte sind im Booklet abgedruckt (allerdings mit einem Druckfehler, auf den ich später zu sprechen komme.) Eine Übersetzung fehlt.

|The Cats|

In der erfundenen Albtraumstadt Arkham streunen nur die Katzen durch die nächtlichen Gassen. Alles ist öde und verlassen, von Verfall erfüllt, ein Inbild des Untergangs. Nichts geschieht außer dem unheilvollen „Heulen“ und „Schreien“ der geisterhaften Katzen.

|The Wood|

Der uralte majestätische Wald, der hier einst stand, hat dem Wald der hochragenden Wolkenkratzer weichen müssen; nur wenige Jahrhunderte waren dazu nötig. Doch der alte Wald war keineswegs unbewohnt. Die Bewohner der Marmortürme feierten bis zu jenem Tag, als ein unvorsichtiger Troubadour mit fluchwürdigen Worten einen alten Schrecken aus den Tiefen weckte. Nun steht hier, wo sich die Stadt einst befand, wieder ein urtümlicher Wald. Doch die Morgensonne weigert sich, dort zu scheinen.

|Festival|

Die Toten feiern das Julfest zur Wintersonnenwende an einem Altar, der inmitten von Druidengräbern in einem Eichenwald liegt. Und der Hörer mag ein Abt oder Priest sein, der sich dem Satan geweiht hat und dem Altar das „Zeichen des Tiers“ zeigt, von dem der Evangelist berichtet.

Handlung von „Das Fest“ (Länge: 44:44 Min.)

Unser Chronist ist ein junger Mann, der zur Stadt seiner Väter am Ostmeer (= Providence an der US-Ostküste) gereist ist, von der er nur aus seinen Träumen weiß, aber wohin man ihn gerufen hat. Es ist die Zeit des Julfestes, das unter Christenmenschen als „Weihnachten“ bekannt ist. Nur ist unser Berichterstatter alles andere als ein Christenmensch. Das Land wurde vor 300 Jahren besiedelt, doch sein Volk ist weit älter und kam aus dem Meer, weshalb es noch die alten Riten ehrt.

Er trifft in Kingsport ein, der uralten, verwinkelten Stadt unter dem kirchengekrönten Berggipfel, wo der Friedhof noch viele alte Grabsteine beherbergt, darunter auch die von vier Verwandten, die im Jahr 1692 wegen Hexerei hingerichtet wurden. Er findet das Haus an der Green Lane, das noch vor dem Jahr 1650 erbaut worden ist.

Auf sein Klopfen öffnet ein alter Mann, doch weil der stumm ist, schreibt er dem Besucher seinen Willkommensgruß auf ein Stück Papier. Sein Gesicht ist so wächsern bleich, dass es aussieht, als trage er eine Maske. Zwischen Möbeln aus dem 17. Jahrhundert sitzt eine Alte an einem Spinnrad, die ihm zunickt. Nach der Lektüre bekannter Bücher wie dem verbotenen „Necronomicon“ schließt sich der junge Mann seinen Gastgebern an. In Kapuzenmäntel gehüllt, machen sich die drei auf den Weg, um am Julfest teilzunehmen. Er wundert sich, dass er und seine Begleiter im Schnee keine Fußabdrücke hinterlassen …

((Weiterlesen auf eigene Gefahr!))

Auf dem Friedhof brennen Totenlichter, und sie betreten zusammen mit anderen Bewohnern der Stadt ein Kellergewölbe oder eine Krypta, in der eine Wendeltreppe weit hinab in die Tiefe des gewachsenen Felsens führt, durch die stinkenden Katakomben, bis zu einer ausgedehnten Höhle. Hier fließt träge ein Fluss, dessen ölig schwarzes Wasser im Schein einer grünlich leuchtenden Flammensäule glitzert. Neben Giftpilzen werden Pflanzenopfer dargebracht: Das Fest hat begonnen. Da kommen geflügelte Wesen an, die die Gläubigen besteigen, um in weitere Tiefen der Unterwelt zu fliegen, wer weiß, zu welchem Ziel.

Doch unser junger Mann ist mittlerweile derart von Grauen erfüllt, dass er sich weigert, den letzten geflügelten Vorboten des wahren Gottes zu besteigen. Zum Beweis dessen, dass er ein Teil dieser Bevölkerung ist und mitkommen muss, zeigt ihm der stumme Alte, offenbar ein Anführer, zuerst einen Siegelring und eine alte Taschenuhr – sie stammen aus dem Jahr 1698 – dann entfernt er seine Maske. Entsetzen packt den Erzähler, und er wirft sich in den Styx. Nur um im Krankenhaus von Kingsport zu erwachen, wo eine unangenehme Überraschung ihn erwartet …

Mein Eindruck

In diesen beiden frühen Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung des von ihm glühend verehrten Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet („unity of effect“) sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – teilweise verbürgte, meist aber gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins [„Hexer von Salem“ 249 wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: „Xenophobie“ nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb.

Degenerierte Antihelden

Degeneration ist das Hauptthema in „Die Ratten im Gemäuer“, eine Story, die 1924 im gleichen Jahr wie „Der Hund“ entstand und nur ein Jahr vor „Das Fest“. In „Der Hund“ sind die beiden frevlerischen Grabräuber moralisch so weit herabgesunken, dass ihre Sünden einen rächenden Fluch heraufbeschwören, der für ihre Bestrafung sorgt. In „Das Fest“ gehört der junge Chronist, ohne es zunächst zu ahnen, einem uralten Geschlecht von Humanoiden an, das seit alters her einem unheiligen Gott opfert, der vermutlich mit Cthulhu gleichzusetzen ist. Denn an einer Stelle heißt es, dass dieses Volk aus dem Meer kam, genau wie die sinistren Bewohner des unseligen Innsmouth. Und in Lovecrafts Meer herrscht immer nur „der träumende Cthulhu“ in der Unterwasserstadt R’lyeh.

Während die erste Story ebenso gut von Wolfgang Hohlbein (vgl. dazu seinen Roman [„Anubis“) 1356 stammen könnte und mit ihrer Grusel-Action jedem modernen Leser gefallen dürfte, ist „Das Fest“ doch ein ganz anderes Kaliber. Sie ist auf sehr spezifische Weise Teil des Lovecraft-Mythos, wonach in der Gegend von Providence und dem nahe gelegenen Salem im 17. Jahrhundert – historisch belegte – Hexenprozesse stattgefunden haben. Dabei habe es sich um echte Hexer und echte Hexen gehandelt, die und deren Verwandte jedoch überlebt haben. Und wenn nicht in Fleisch und Blut, so doch als Gespenst: als untote Erinnerung.

Unheilige Riten

Diese Geister, behaupten diese und andere Storys, versammeln sich zum Julfest, um unheilige Riten in den Tiefen der Hügel Neuenglands etc. zu feiern. Neuengland ist bei HPL der Hort von Dimensionstoren, aus denen die Großen Alten, die einst von Göttern vertrieben wurden, wieder in unsere Welt einbrechen, manchmal um unheiligen Nachwuchs zu zeugen („Das Grauen von Dunwich“), manchmal um Menschen zu ihren Jüngern zu machen („Der Fall Charles Dexter Ward“). Dass die alten Salem-Hexer („Das Ding auf der Schwelle“) ihnen helfen, dürfte klar sein. Und dass Cthulhus Nachkommen hier ihre Feste feiern, ebenfalls.

Das alles kann aber nicht verhindern, dass dieser Story irgendwie die Pointe abhanden kommt. Denn was ganz am Schluss folgt, ist viel zu schwach in der Wirkung, um aus der Story viel mehr als eine stimmungsvolle Studie in Horrorphantasien zu schmieden.

Die Gedichte

Auch den Gedichten mangelt es eklatant an Handlung. Dies sind allerdings keine Balladen von Goethe („Erlkönig“ lässt sich auch als Grusel interpretieren) oder Schiller (der hatte mit „Der Geisterseher“ richtig guten Grusel-Trash geschrieben), sondern eine Art pseudoviktorianische Dekadenzlyrik, wie man sie vielleicht von einem Epigonen Baudelaires erwarten könnte. Baudelaire schrieb richtig gute Vampirstorys in seinen Gedichten, die in „Die Blumen des Bösen“ veröffentlicht wurden (ab 1861 in mehreren, teils verbotenen und zensierten Ausgaben).

HPL zieht die gleichen Sujets heran, doch hat er es nicht so mit Vampiren (in keiner einzigen Story), sondern mit uralten Flüchen („The Wood“), mit pittoreskem Verfall („The Cats“) und den degenerierten Anhängern verbotener Riten („Festival“). Alle drei Themen gehören zu HPLs Standardrepertoire und bieten dem Kenner nichts Neues. Neu ist jedoch die Tatsache, dass sie erstmals in der Originalsprache auf einem deutschen Medium präsentiert werden, noch dazu von jemandem, der der englischen Sprache mächtig ist.

Leider weist der abgedruckte Text von „Festival“ einen bedauerlichen Druckfehler auf. In der ersten Zeile der vierten und letzten Strophe sollte es statt „myst“, welches kein englisches Wort ist (höchstens der Name eines Computer-Spiels), korrekt „mayst“ heißen. Diese archaische Form könnte direkt aus der King-James-Bibel von anno 1621 stammen und lautet übersetzt „mögest du“. Dazu passt auch das folgende „thou“, das alte englische Wort für „du“. „Mayst“ wird natürlich im Vortrag korrekt ausgesprochen.

Die Sprecher / Die Inszenierung

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diese gruseligen Texte. In der actionbetonten Story „Der Hund“ hat mir sein Vortrag besser gefallen als in „Das Fest“, aber das liegt vor allem an der grundverschiedenen Machart der beiden Erzählungen. In „Das Fest“ muss die Musik einen ungleich größeren Beitrag zur gewünschten Wirkung leisten, was dazu führt, dass Jägers Vortrag ständig von Musik unterbrochen wird.

Auch Simon Newby, der in viel größerem Maße als Jäger als Schauspieler tätig gewesen ist, verfügt über eine ausdrucksstarke Stimme, die es ihm erlaubt, auch so schwierige Texte wie die auf alt getrimmten Gedichte HPLs vorzutragen. Über die korrekte Aussprache solcher exotischen Ausdrücke wie „fungi“ (= Pilze) und „foetor“ (eine Übersetzung dafür konnte ich in meinen Wörterbüchern nicht finden, aber es klingt nicht nach etwas Gesundem [Anm. d. Ed.: vermutlich „fetor“ = Gestank]) lässt sich wohl streiten.

Schwächen

Die Freude über die Premiere der Gedichtvorträge wird dadurch getrübt, dass der Englischkenner statt des erwarteten britischen Akzents, der der britischen Schreibweise der Texte („colour“ und „splendour“ statt des amerikanischen „color“ und „splendor“) angemessen wäre, einen Akzent zu hören bekommt, der mit dem amerikanischen R viel mehr gemeinsam hat als das Britische. Stellt man sich vor, ein BBC-Schauspieler wie, sagen wir mal, Ian Holm würde die Gedichte vorgetragen, so erhielten sie eine ganz andere Versmelodie, die einem kalte Schauer den Rücken hinunterjagen würde. Statt der vorhandenen, gewollt düsteren Wirkung bekäme ich einen nobel erhabenen Vortrag. So jedoch ließen mich die Gedichte unberührt.

Die Forderung nach einem britischen Akzent ist nicht abwegig, denn HPL war erstens ein äußerst gebildeter Bewohner Neuenglands (wo man eher die britische Aussprache pflegte), kein Hinterwäldler aus Texas, und zweitens ein Verehrer von anderen Horrorschriftstellern wie etwa Poe, der ebenfalls sehr klang-abhängige Gedichte („quoth the raven ›Nevermore‹“) verfasste, die für den Vortrag in einer Teegesellschaft bestimmt waren, nicht fürs Lesen. (Horror, richtig vorgetragen, packt das Gemüt des Zuhörers an Stellen, von denen dieser nicht einmal deren Existenz ahnte, und zerrt ihn dann unbarmherzig über die Kante des Abgrunds.)

Dass diese These hinsichtlich der Akustik zutrifft, belegt schon ein kurzer Blick auf das Klangschema der Verse von „The Cats“: Da wimmelt es nicht nur von streng ausgeführten Kreuzreimen, sondern auch von Alliterationen wie „Babels of blocks“ und „High heavens“. Verse wie „Colour and splendour, disease and decaying“ erwachen erst im angemessenen Vortrag zu Leben, um ihre gruselige Wirkung zu entfalten. Der Knackpunkt ist lediglich der „angemessene Vortrag“. An diesem hapert es. Eine Sache der Einstellung zum Text.

Die Musik

Da es keinerlei Geräuschkulisse außer ein paar Spezialeffekten (Hundegeheul etc.) gibt, beruht die emotionale Wirkung der Akustik einzig und allein auf dem Vortrag des Sprechers und auf der Musik. Die Musik stellt so etwas wie ein experimentelles Novum dar (wie so einiges auf dem Hörbuch). Sie wurde nicht von einem einzelnen Komponisten zwecks Aufführung durch ein Orchester geliefert, sondern wird von einem Musikerkollektiv erstellt und zugleich aufgeführt: dem „Orchester der Schatten“.

Wie uns ein Blick auf die Biografien von Stephan Wolff und Matthias Manzke informiert, so sind beide Komponisten, Wolff noch viel mehr als Manzke. Der Musikdozent Wolff bewegt sich als Komponist in Jazz und Pop ebenso gewandt wie in Klassik oder Filmmusik. Ja, selbst für Kinder hat er Songs und Lieder komponiert. Er spielt Keyboards. Manzke trat in Jazzensembles und Bigbands auf, dirigiert und komponiert; auf dem Foto hält er ein Saxophon, das auf der CD ebenso erklingt wie seine Flöte. Neben diesen beiden Herrschaften gehören zum „Orchester der Schatten“ noch Lady Merle Ehlers (drums, perc), Sven Hinse (bass) und Bernhard Suhm (cello).

Über den Einsatz von jazzbasierten Instrumenten und Musikmotiven in einer Gruselproduktion ließe sich trefflich streiten. Das Booklet behauptet, es handle sich um ein „Stummfilmorchester“. Ich für meinen Teil konnte mich nach einer Weile daran gewöhnen, besonders an die einfühlsam eingesetzte Percussion und an das in unheimlichen Kadenzen schwelgende Piano.

Soundqualität (DDD)

Da alle Produktionsstufen auf digitaler Technik basieren, ist der Qualitätsverlust beim Aufnehmen und Übertragen sowie bei der Wiedergabe absolut minimal. Der Zuhörer bekommt folglich optimale Qualität zu hören, sofern er über das angemessene Equipment verfügt. Einem Computerlautsprecher aus China würde ich die CD nicht unbedingt überantworten, eher schon meiner HiFi-Anlage oder auch meinem DVD-Spieler.

Unterm Strich

„Der Ruf des Dämon“ bietet dem Liebhaber gepflegten Grusels aus dem Hause Lovecraft eine interessante Mischung aus total Traditionellem – die Storys und Gedichte – und innovativ Neuem: die akustische Untermalung durch das „Orchester der Schatten“. Nicht jedem wird dieser zweite Aspekt schmecken, muss man doch erst einmal eingefahrene Hörgewohnheiten ablegen oder umstellen, um sich für das Neue zu öffnen.

Abgesehen von einigen kritischen Punkten hinsichtlich der Gedichte halte ich das Hörbuch für eine herausragende Produktion. Das Textmaterial ist ebenso anregend wie die kreativ gestaltete Musik, und das achtseitige Booklet wartet mit umfangreichen, ausreichenden Informationen zu Autor, Orchester, den Machern und mit den Gedichttexten (inkl. Druckfehler) auf. Mehr kann man zu diesem Preis kaum verlangen. Für Lovecraft-Puristen dürfte das ganze Ding der Horror sein.

89 Minuten auf 2 CDs
ins Deutsche übertragen von Susanne Althoetmar-Smarczyk
ISBN-13: 978-3821853918

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Peter Straub – Haus der blinden Fenster. Schauerroman

Break on through to the other side*

Ein Serienmörder versetzt die Jugendlichen der Kleinstadt Millhaven in Angst und Schrecken. Den 15-jährigen Mark Underhill, der gerade seine Mutter verloren hat, jedoch beschäftigt etwas ganz anderes: Er ist besessen von dem verfallen aussehenden und verlassenen Haus, das an die Rückseite seines eigenen Hausgrundstücks grenzt, getrennt nur durch eine hohe Mauer. Er meinte, hinter den schmutzigen Fensternscheiben ein Mädchen gesehen zu haben, und sein Freund Jimbo hat darin angeblich einen dicken Mann mit silbernen Augen gesehen. Eines Nachts brechen sie zusammen in das Gebäude ein und machen eine grausige Entdeckung.
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Lovecraft, H. P. – Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer

Das Hörbuch kombiniert zwei bekannte und sehr wirkungsvolle Horror-Erzählungen: „Das Ding auf der Schwelle“ (1937) und „Die Ratten im Gemäuer“ (1924). Wie schon bei „Der Schatten über Innsmouth“ spricht Lars Riedel die Rolle des Erzählers. Seine Intonation wird dem Hörer unweigerlich kalte Schauder über den Rücken jagen.

|Der Autor|

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die |Großen Alten|, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber wie in den Zusatztexten zu „Innsmouth“ zu erfahren war, reicht Lovecrafts Grauen weit über die landläufige Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als Liebe spendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton („James Bond“ u. a.). Er zeigt auf diesem Hörbuch seine „herausragenden Sprecherqualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern“. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie.

_Die Erzählungen_

a) |Das Ding auf der Schwelle|

„Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin. Zunächst wird man mich einen Wahnsinnigen nennen – wahnsinniger noch als der Mann, den ich in seiner Zelle in der Heilanstalt von Arkham niedergeschossen habe.“

Also spricht Daniel Upton, der Berichterstatter des grausigen Unglücks, das seinem Jugendfreund Edward Pickman Derby zugestoßen ist. Dieser Dichter des Absonderlichen und Student des Okkulten weist, wie etwa auch Charles Dexter Ward, autobiografische Züge auf. Auch er wurde verhätschelt und in eine seltsame Familie geboren. Er trieb sich lieber mit den Bohemiens und Säufern von der verrufenen |Miskatonic Uni| in Arkham herum, statt einem ordentlichen Beruf nachzugehen.

Jedenfalls solange, bis er mit 38 die Frau seines Lebens (oder seines Todes?) traf und heiratete: Asenath White ist die Tochter des alten Hexenmeisters Ephraim White aus dem verrufenen Innsmouth, wo man um 1850 einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen hatte (vgl. dazu unbedingt [„Der Schatten über Innsmouth“ 424 ). Daniel Upton erinnert sich an White als „wölfisch“ und „gestorben im Wahnsinn“. Asenath, gerade mal 23 Jahre alt, scheint dessen Kräfte geerbt zu haben. Insbesondere als Hypnotiseurin leistet sie Ungewöhnliches, nämlich den Austausch der Persönlichkeit des Hypnotisierten, so dass dieser sich selbst durch Asenaths Augen sehen kann.

In Ed Derby hat sie ihr ideales Opfer gefunden. Sie hypnotisiert ihn und bemächtigt sich zeitweilig seines Körpers. Das geht über Jahre hinweg, und beide verändern sich so stark, dass sich Upton wundert: Während sich Derby von einem schlaffen Lethargiker zu einem dynamischen, lebensfrohen Macher entwickelt, sieht Asenath von Jahr zu Jahr älter aus. Doch die Wirklichkeit ist weitaus grauenerregender. Denn es ist nicht Asenath, die ihren Körper bewohnt, sondern ihr Vater, der sie schon im Kindesalter übernommen hat. Und dieser bemächtigt sich wiederum des Körpers ihres Mannes, Ed Derby. Sein Ziel besteht darin, wieder zum Mann und unsterblich zu werden, damit er in Kooperation mit den Großen Alten, die im Untergrund des hintersten Berglandes hausen, weiterhin seine okkulte Herrschaft ausüben kann.

Doch diesen Persönlichkeitsverlust verkraftet das zeitweilig übernommene Opfer nicht lange. Nach einem schrecklichen Zusammenbruch vertraut sich Derby seinem Freund an. Aus Verzweiflung erschlägt er schließlich seine Frau. Doch dies ist nicht ihr Ende. Aus dem Keller heraus, in dem er sie verstaut hat, zwingt sie ihn, den Körper mit ihr zu tauschen. Nun gelingt es Derby gerade noch, als „das Ding auf der Türschwelle“ bei seinem Freund zu erscheinen und ihm einen warnenden Brief zu geben, mit einer dringenden Bitte: „Töte das Wesen, das in der Heilanstalt von Arkham als Edward Derby gilt.“

b) |Die Ratten im Gemäuer|

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De La Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert (genauer: 1610) nach Virginia auswandern musste. Dort nahm die Familie die Namensform Delapore an, denn Adlige waren in der neuen Demokratie nicht gern gesehen …

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter als das 13. Jahrhundert. Sie stammen, wie der letzte Spross herausfindet, sogar noch von den Römern des 2. Jahrhunderts. Wie an Inschriften abzulesen, wurden hier abscheuliche Riten für die „magna mater“, die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele, und für den dunklen Gott Atys abgehalten. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher, „druidischer“ Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel alles geopfert wurde …

Nach einer Woche hört De la Poer bzw. sein treuer Kater „Nigger“ das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe.

Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterirdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten. Angeführt werden sie von Nyarlathotep, einem der Großen Alten, der im bodenlosen Abgrund haust und nun auch auf de la Poer seinen Einfluss ausübt …

Wie „Schatten über Innsmouth“ ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechlich.

_Mein Eindruck_

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet („unity of effect“) sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins [„Hexer von Salem“ 249 wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“, aber auch in den beiden hier gesammelten Erzählungen.

Edward Derby ist der dekadente Sprössling, der sich dem verderblichen Einfluss schwarzer Magie zuwendet und so an Asenath White bzw. ihren Vater Ephraim, den unsterblichen Hexenmeister, gerät. Der Letzte der de la Poer stößt, wie der Protagonist in „Innsmouth“, unversehens auf die schrecklichen Wurzeln seiner eigenen Familie, allerdings natürlich nicht in der Neuen, sondern in der Alten Welt, in England. Immer wieder wird bei Lovecraft das Grauen importiert: von anderen Weltgegenden, aber wichtiger noch – aus der alten Zeit. Denn in grauer Vorzeit, so HPLs Privatmythos, herrschten die Großen Alten auf der Erde, bevor sie vertrieben wurden. Daher bleiben von ihnen nur Spuren ihres Einflusses. Und wer lange genug nach seinen eigenen Wurzeln sucht, wird auf diese Wurzeln stoßen. Das „kosmische Grauen“ verschlingt den unseligen Sucher.

Ähnlich passiert dies auch Edward Derby, aber auf ganz andere Weise. Denn die verhängnisvollen Wurzeln verbergen sich in seiner Gattin Asenath, die wiederum von ihrem Vater besessen ist. Dieser wiederum ist ein Diener der Großen Alten, denen er die Unsterblichkeit per Seelenübertragung durch Körpertausch verdankt. Für den armen Ed kommt jede Hilfe, die ihm sein entsetzter Freund, unser Reporter vor Ort, gewähren könnte, häufig zu spät. Mit zwei Ausnahmen: Als Ed aus den Bergen und Wäldern Maines taumelt, fährt Dan ihn nach Hause, wobei Ed ihm die (vermutete) Wahrheit erzählt – bis zu einem gewissen Punkt, an dem Asenaths Geist ihn wieder übernimmt, sozusagen per Fernsteuerung. Die andere Ausnahme ist natürlich der Gnadenschuss für Edward Derby, das heißt: für seinen Körper.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel liefert eine tolle, überragende Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Beide Erzählungen steigern sich in ihrer Wirkung allmählich zu einem Höhepunkt, „Die Ratten im Gemäuer“ sogar noch eindeutiger, unkomplizierter als „Das Ding auf der Schwelle“. Am Höhepunkt steigert sich Riedels Stimme in solche Höhen, dass ich sie einem Mann nicht zugetraut hätte. Doch dieses Stilmittel ist – nur in diesem Augenblick – völlig angemessen. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szene lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. (Ich stelle mir dazu gerne einen schwarzweißen Stummfilm aus der Ära von Bela Lugosi und Boris Karloff vor.)

Die Musik von Andy Matern und die Ansage durch Helmut Krauss entsprechen dem Motto des Verlegers, Regisseurs, Produzenten und Dramaturgen Lars Peter Lueg ebenfalls in vollkommener Weise: „Gänsehaut für die Ohren“ hat man selten wirkungsvoller erlebt – mit Ausnahme der anderen LPL-Produktionen wie etwa „Necroscope“.

_Unterm Strich_

Ist „Das Ding auf der Schwelle“ auch vielschichtiger aufgebaut als die frühe Erzählung „Die Ratten im Gemäuer“, so bieten beide doch garantiert Grauen höchster Qualität und Wirkung, wie man es nur in den besten Erzählungen von Autoren wie Lovecraft finden kann. Ist „Das Ding …“ eine Art längerer Sinfonie, die sich in Phasen der An- und Entspannung dem Finale nähert, so besticht „Ratten“ durch die strenge Ausrichtung auf die sich stetig steigernde, absolut einheitliche Wirkung, ohne lange nach rechts oder links abzuschweifen. Die Wirkung auf mich war entsprechend größer: wie ein Schlag in die Magengrube (ich wollte gar nicht mehr hinhören!). Der Hörer sollte sie sich als krönenden Abschluss des Hörbuchs gönnen – denn Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Lutz Riedel erweist sich als optimaler Sprecher der unterschiedlichen Stimmungen in den beiden Erzählungen. Seine stimmliche Modulationsfähigkeit ist wirklich beeindruckend und verhilft den Geschichten zu optimaler Wirkung. Die Aufnahmequalität ist ausgezeichnet, die Umrahmung angemessen düster. |LPL records| hat wieder einmal eine sehr gelungene Produktion vorgelegt, die sich jedem Lovecraft- und Horror-Freund bedenkenlos empfehlen lässt.

|Hinweis|

Ein umfangreiches zweites Booklet stellt die weiteren LPL-Produktionen vor, zu denen auch eine Reihe von Erzählungen gehört, die „Alien“-Schöpfer H.R. Giger unter dem Label [„Vampirric“ 581 zusammenstellte. Diese Erzählungen stammen von bekannten Autoren wie Guy de Maupassant („Der Horla“, ein echter Klassiker) und Thomas Ligotti, einem modernen Amerikaner, der stark von Poe und HPL beeinflusst ist („Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“). Das Design der Hörbücher ist, einem Giger angemessen, bizarr und düster.

|Umfang: 153 Minuten auf 2 CDs|

Wolfgang Hohlbein – Dunkel (Lesung)

Vampirjagd in Neuss

Ein actionreicher Vampirroman, den uns der deutsche Bestsellerautor da auftischt: komplett mit Zweikämpfen zwischen Vampyr und Vampjäger, die meist in irgendwelchen Wohnungen oder Anlagen stattfinden. Und stets spielen ein Fotoapparat (auch digital) und ein Spiegel eine wichtige Rolle …

Der Autor

Wolfgang Hohlbein, geboren 1953, ist bekanntlich der erfolgreichste deutschsprachige Autor von Unterhaltungsliteratur für jugendliche und erwachsene Leser. Seine Heimatstadt Neuss zwischen Düsseldorf und Köln ist auch im Hörbuch Schauplatz des Geschehens.

Der Sprecher
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H. P. Lovecraft – Die Farbe aus dem All (Gruselkabinett 90)

Außerirdischer Besuch auf der verfluchten Heide

Amerika in den 1930er Jahren: In den Hügeln westlich von Arkham gehen seit dem Einschlag eines Meteoriten auf dem Gelände einer Farm äußerst seltsame, geradezu beunruhigende Dinge vor. Nun soll genau dort, unter anderem in dem von den Einheimischen „verfluchten Heide“ genannten Gebiet, ein gewaltiger Stausee entstehen, um die Wasserversorgung der Stadt auf Jahrzehnte hinaus zu sichern… (Verlagsinfo)

H. P. Lovecraft – Die Farbe aus dem All (Gruselkabinett 90) weiterlesen

Stephen King – Puls (Lesung)

Wie Silvester in der Hölle

Das Grauen kommt nicht aus Gräbern oder aus dem Weltraum. Es ist mitten unter uns und steckt in jeder Handtasche. Das Handy ist ein moderner Heilsbringer, doch in Stephen Kings „Puls“ kommt mit dem Klingelton Wahnsinn und Tod. Der neue große Roman von Stephen King, dem „brillanten Geschichtenerzähler aus Maine“ (SPIEGEL) ist nichts für schwache Nerven. (Verlagsinfo)

Dieses Buch ist Richard Matheson, Autor der verfilmten Endzeitvision „Ich bin Legende“, und dem Zombie-Spezialisten George Romero gewidmet. Der kundige Leser ist gewarnt.

Der Autor

Stephen King, geboren 1947 in Portland, Maine, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Schon als Student veröffentlichte er Kurzgeschichten, sein erster Romanerfolg, „Carrie“ (verfilmt), erlaubte ihm, sich nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Mio. Büchern in mehr als 40 Sprachen verkauft. Im November 2003 erhielt er den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk. (Verlagsinfo) Er lebt in Bangor, Maine, und Florida. Seine Erstleserin ist immer noch seine Frau Tabitha King.
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Stephen King – Die Arena / Under the Dome

Armageddon im Dampfkochtopf

An einem gewöhnlichen Herbsttag wird die Stadt Chester’s Hill, Maine, auf unerklärliche Weise durch ein unsichtbares Kraftfeld vom Rest der Welt abgeriegelt. Klingt nach den Simpsons und Marlen Haushofer, ist aber echt: Flugzeuge zerschellen daran, einem Gärtner wird beim Herabsausen der Kuppel die Hand abgehauen, Familien werden auseinandergerissen, Autos explodieren beim Aufprall.

All dies ist nicht sonderlich lustig, doch alle rätseln, was diese Wand ist, woher sie kommt und ob sie bald wieder verschwindet. Ein Entrinnen ist unmöglich, deshalb gehen bald die Vorräte zur Neige. Der bestialische Kampf ums Überleben in dieser unerwünschten Arena tobt zunehmend stärker. Wird es Überlebende geben?
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Clark Ashton Smith – Saat aus dem Grabe. Phantastische Geschichten

smith-saat-cover-kleinAcht Kurzgeschichten und eine Novelle aus den 1930er Jahren, verfasst von Clark Ashton Smith (1893-1961), dem Meister des Bizarren und Morbiden, der europäische Dekadenz mit amerikanischer Fabulierkunst kreuzt und dem Ergebnis morgenländische Märchenhaftigkeit beimischt; es entsteht eine schwüle, von unguter Fruchtbarkeit geprägte Atmosphäre drastischen Grauens – und ein von der Zeit mit nostalgischer Patina geadeltes, aber weiterhin kraftvolles Lese-Erlebnis, das schon den großen H. P. Lovecraft beeindruckte.
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David Morrell – Das Ebenbild

Tödliche Schönheit

Der Fotograf Mitch Coltrane kommt bei Aufnahmen von Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien nur knapp mit dem Leben davon. Um den Schrecken zu entkommen, kehrt er nach Los Angeles zurück, doch die Kriegsverbrecher spüren ihn dort auf. Auf der Flucht vor seinen eigenen hässlichen Erinnerungen und seinen realen Verfolgern stößt Mitch auf das Foto einer wunderschönen Frau aus dem Hollywood der 30er Jahre. Er macht sich auf die Suche nach ihrer Identität. Als er eine junge Frau kennen lernt, die der Fotografie zum Verwechseln ähnlich sieht, beginnt eine bedrohliche Verwicklung von Vergangenem und Gegenwärtigem. (verlagsinfo)
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Marion Zimmer Bradley – Geisterlicht (Truth Jourdemayne 1)

Dem Magier auf der Spur

Was zuvor geschah: Das Tor zu den Göttern zu öffnen, Menschenwelt und Götterwelt wieder zu vereinen und dadurch unermessliche Macht zu erreichen, ist sein Ziel. Julian Pilgrim weiß genau, dass er dazu ein Ritual wiederholen muss, das vor dreißig Jahren der charismatische Magier Thorne Blackburn vorbereitet hatte. Doch in jener stürmischen Gewitternacht brach in Shadow`s Gate das Chaos aus, und Blackburns Lebensgefährtin kam damals unter mysteriösen Umständen ums Leben. Was Julian Pilgrims Pläne jedoch durchkreuzt: Blackburns Tochter Truth Jourdemayne will den Geschehnissen von damals auf die Spur kommen. (Verlagsinfo)

Die Autorin von „Die Nebel von Avalon“ begann mit „Geisterlicht“ einen neuen Zyklus. Im Mittelpunkt steht eine Magierin, die an sich und ihren Fähigkeiten zweifelt. Kein Wunder, denn schließlich ist Truth eine ausgebildete Wissenschaftlerin für statistische Parapsychologie an einer angesehenen Privatuniversität. Wie sie im ersten Band herausfindet, hat sie einen richtigen Magier zum Vater. Und sie hasst ihn. Mit Recht?
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Lovecraft, H. P. – Cthulhu. Geistergeschichten


Kosmisches Grauen oder nur Xenophobie?

Seine grundlegende Idee, daß der Mensch sich fürchtet vor dem Unbekannten und Unheimlichen aus den unermeßlichen Tiefen des Universums, verwendete Lovecraft erfolgreich bei der Schöpfung seiner Cthulhu-Mythologie, die in den Erzählungen des vorliegenden Bandes Cthulhu das Kernstück bildet. Der Cthulhu-Mythos ist eine Wiederbelebung alter Sagen und Dämonengeschichten im kosmischen Rahmen und stellt eine Verbindung zwischen Weird- und Science-Fiction her. (Verlagsinfo) Diese Sammlung enthält einige der wichtigsten der 55 Erzählungen, die Lovecraft geschrieben hat. „Cthulhus Ruf“ und „Das Grauen von Dunwich“ sind zentrale Geschichten des Cthulhu-Mythos.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Die Erzählungen

1) Cthulhus Ruf (1928): Dies ist die grundlegende Erzählung, die jeder kennen muss, der sich mit dem Cthulhu-Mythos und den Großen Alten, die von den Sternen kamen, beschäftigt.

Der Erzähler untersucht die Hintergründe des unerklärlichen Todes seines Großonkels Angell, eines Gelehrten für semitische Sprachen, der mit 92 starb. Angel hatte Kontakt zu einem jungen Bildhauer namens Wilcox, der ein Flachrelief sowie Statuen erschuf, die einen hockenden augenlosen Oktopus mit Drachenflügeln zeigten. Wie sich aus anderen Quellen ergibt, ist dies der träumende Gott Cthulhu (sprich: k’tulu), einer der Großen Alten. Er wird in Westgrönland ebenso wie in den Sümpfen Louisianas verehrt, wo man ihm Menschenopfer darbringt. Am wichtigsten aber ist der Bericht eines norwegischen Matrosen, der im Südteil des Pazifiks auf eine Insel stieß, wo der grässliche Gott inmitten außerirdischer Architektur hervortrat und die Menschen verfolgte – genau zu jenem Zeitpunkt, als Angells junger Bildhauer (und viele weitere Kreative) verrückt wurden. – Der Erzähler hat alle Beweise zusammen: Cthulhu und seine Brüder warten darauf, die Erde zu übernehmen, alle Gesetze beiseite zu fegen und eine Herrschaft totaler Gewalt und Lust zu errichten. Man brauche sie nur zu rufen, und sie würden in unseren Träumen zu uns sprechen …

Mein Eindruck

Die Geschichte ist trotz ihres recht verschachtelten Aufbaus durchaus dazu angetan, die Phantasie des Lesers/Hörers anzuregen und ihn schaudern zu lassen. Das Erzählverfahren ist überzeugend, denn zuerst werden mehrere Berichte eingesammelt und überprüft, bevor im Hauptstück, dem Augenzeugenbericht eines Matrosen, das Monster endlich selbst auftreten darf, um seinen langen Schatten durch die Geschichte/Historie zu werfen.

2) Pickmans Modell (1927)

Der Großmeister des Horrors bemüht diesmal keine Großen Alten mit unaussprechlichen Namen, sondern ein paar simple Maler. Denkt man. Der Malerverein von Boston, Massachusetts, steht offenbar kurz davor, sein Mitglied Pickman auszuschließen. Seine Ansichten sind ja schon absonderlich, doch seine Motive sind – ja was? – grauenerregend.

Doch ein Kollege namens Thurber, der Ich-Erzähler, hält zu Pickman durch dick und dünn. Und so wird ihm die Ehre zuteil, Pickmans anderes Haus besuchen zu dürfen. Es liegt in einem uralten und verwinkelten Viertel, dem North Hill, nahe dem Copse-Hill-Friedhof. Man sagt, das Viertel stamme aus dem 17. Jahrhundert, als im nahen Salem die Hexen gehängt wurden. Pickmans Ahnin sei eine davon gewesen, bestätigt der Künstler.

Die Motive der Gemälde und Studien, die Thurber zu sehen bekommt, sind noch um einiges erschreckender als das bislang Gesehene: Leichenfresser aus der Spezies von Mischwesen aus Mensch, Hund und Ratte, die Schläfern auf der Brust hocken (à la Füßli) und sie würgen.

Das Beste wartet aber im Keller, wo sich ein alter Ziegelbrunnen befindet, der möglicherweise mit den alten Stollen und Tunneln verbunden ist, die North Hill und den Friedhof durchziehen. Hier fallen Revolverschüsse, und Thurber gelingt es, ein Foto zu erhaschen, das die Vorlage zu Pickmans neuestem Gemälde zeigt. Was Thurber bislang für Ausgeburten einer morbiden Fantasie gehalten hat, ist jedoch konkrete, unwiderlegbare Realität …

3) Die Ratten im Gemäuer (1924)

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De la Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert nach Virginia auswandern musste.

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter. Sie stammen angeblich von den Römern des 2. Jahrhunderts, und hier wurden abscheuliche Riten für die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele abgehalten und für den dunklen Gott Atys, der ebenfalls aus Kleinasien stammte. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel geopfert wurde.

Nach einer Woche hört De la Poer das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe. Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten, angeführt von Nyarlathotep, einem der Großen Alten …

Mein Eindruck

Wie [„Schatten über Innsmouth“ 506 ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann.

4) Die Musik des Erich Zann (1925)

Diese kurze Geschichte ist sehr stimmungsvoll und detailliert erzählt. Sie spielt in Paris, und der „Student der Metaphysik“, der uns berichtet, findet die bewusste enge Straße nicht mehr, in der er in einem Mietshaus zum ersten Mal die Musik jenes stummen deutschen Geigers gehört hatte, den er als Erich Zann kennen lernte. Die Musik, die Zann ihm vorspielte, wenn sein Besucher im Zimmer war, ist normal: Fugen. Doch sobald er gegangen war, spielte er so unheimliche Melodien, dass den Studenten grauste. Bis zu jenem Tag, da der Besucher den Vorhang vor dem Fenster entfernte und die gähnende Schwärze des gierigen Kosmos dahinter schaute – und von dort eine Antwort erklang …

5) Der leuchtende Trapezoeder (1936: The Haunter of the Dark)

Wurde der Anthropologe Robert Blake in der Nacht des 8.8.1935 vom Blitz erschlagen? Oder hat ihn sich eine Kreatur der Großen Alten geschnappt? Die Meinungen der Gelehrten und Experten gehen auseinander. Was hier also erzählt wird, hält sich an Blakes Tagebuch. Darin berichtet er von seiner Faszination mit dem düster emporragenden Kirchturm aus dem Federal Hill des Städtchens Providence (wo auch HPL lebte). Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass das verwahrloste Gebäude schon seit fast 60 Jahren keinen sakralen Charakter mehr hat. Ab 1846 hatte ein Archäologe hier einen Sektenkult namens Starry Wisdom (Weisheit von den Sternen) eingerichtet.

Blake findet in der Turmstube, wo eigentlich Glocken sein sollten, nur sieben leere Stühle und Steinplatten, ein Reporter-Skelett aus dem Jahr 1897 – und eine Schatulle mit einem leuchtenden Stein darin. Hineinschauend erblickt er grauenerregende kosmische Weiten und schwarze Planeten, wo die Großen Alten hausen. Dann begeht er einen schwerwiegenden Fehler: Von einem Geräusch über sich erschreckt, klappt er die Schatulle zu. Da nun kein Licht mehr das Ding im Turmhelm fernhält, treibt es alsbald lautstark sein Unwesen in der entweihten Kirchen, so dass die gläubigen italienischen Einwanderer das Zähneklappern kriegen. Doch das Ding weiß, wo sich Blake aufhält und holt ihn …

Mein Eindruck

Dies ist eine sehr dicht aufgebaute und stimmungsvoll erzählte Geschichte, die zielbewusst auf den grauenerregenden Schluss zusteuert, der nur aus panischem Gestammel des Tagebuchschreibers besteht. Aus dem, was Blake in der alten Kirche fand, haben andere Autoren ganze Erzählungen geschmiedet. Und weil so viele Fragen offen blieben, schrieb Robert Bloch eine Fortsetzung (abgedruckt in [„Hüter der Pforten“, 235 Bastei-Lübbe).

6) Das Grauen von Dunwich (1929)

In der ländlichen Gegend der Aylesbury-Hügel Neuenglands soll es laut der Story mehrere Opferstätten gegeben haben, mit stehenden Steinen und Felsplatten, auf denen satanische Riten vollzogen wurden. (Merke: Nahe dem englischen Aylesbury befindet sich Stonehenge, und die Story kann als Kommentar auf englische Verhältnisse gedeutet werden.) Die wichtigste davon ist der Sentinel Hill: Hier stinkt es, und der Berg grollt – besonders zu Walpurgis (30.4.) und Halloween (31.10.).

Die Menschen, die hier siedeln, sind einfache Bauern – mit zwei Ausnahmen: den bessergestellten Sippen der Whateleys und der Bishops, die beide aus Salem stammen, wo im 17. Jahrhundert die berühmten Hexenprozesse stattfanden. Es geht um einen Sippenzweig, den man allgemein die Hexen-Whateleys nennt und der abgelegen wohnt.

Am 2.2.1913 kommt Wilbur Whateley zur Welt, und sein Vater ist unbekannt. Seine Mutter ist die albinoweiße und entstellte Lavinia, die im Haus ihres Vaters, des Alten, lebt. Wilbur wächst rasend schnell, nicht nur körperlich, sondern auch geistig, und sieht aus wie ein Ziegenbock. Er versetzt alle Hunde in Wut und erschießt auch den einen oder anderen. Schon mit vier Jahren ist er so groß wie ein 15-Jähriger. Sein Vater lehrt ihn die Geheimnisse der Großen Alten. Im Obergeschoss lebt aber noch ein weiteres Wesen, das man nie zu Gesicht bekommt, sondern nur hören und – leider – riechen kann.

Als der Alte stirbt, bekommt der junge Wilbur, inzwischen über 2,10 Meter groß, ein Problem: Er muss die Verbindung zwischen dem Wesen im Obergeschoss und dessen Vater Yog-Sothoth herstellen, damit es gelenkt werden kann. Leider fehlt ihm dazu die korrekte Beschwörungsformel in seiner Ausgabe des verbotenen Buches „Necronomicon“. Durch seinen (vergeblichen) Besuch in der Uni-Bibliothek von Arkham alarmiert er die dortigen Gelehrten, der sofort alle anderen Bibliotheken verständigt. Daher versucht Wilbur eines Nachts, das Buch aus der Uni zu rauben – und der Anblick, der sich den Gelehrten bietet, ist nicht abdruckfähig.

Während der Bibliotheksleiter Dr. Henry Armitage fieberhaft das Tagebuch Wilburs zu entschlüsseln versucht, um der Wahrheit auf den Grund zu gehen, bricht das Wesen in Dunwich aus und verbreitet Angst und Schrecken: Durch Unsichtbarkeit unangreifbar, frisst es nicht nur Viehherden, sondern auch deren Besitzer.

Doch dann findet Armitage eine Gegenbeschwörung, und zusammen mit zwei Kollegen sowie den Bauern der Gegend ziehen die Ghostbuster aus, dem dämonischen Ungeheuer, das bislang niemand gesehen hat, aber groß wie ein Haus sein muss, den Garaus zu machen.

Mein Eindruck

Dieser fast 70 Seiten lange Kurzroman ist in zehn Kapitel eingeteilt und konsequent auf die Erzielung eines bestimmten Effektes – kosmischen Grauens – ausgerichtet. Der Horror kommt in sich steigernden Stufen, eine unheilvoller als die vorangegangene – bis zum Finale und einer Pointe, die auf den Anfang verweist, wodurch sich die schauderhafte Wirkung noch einmal potenziert (also nichts für zarte Gemüter).

Die Übersetzung

Erst die Übersetzung durch H. C. Artmann in den 1970er Jahren machte Lovecraft im deutschsprachigen Raum richtig bekannt, davor war er nur ein Geheimtipp gewesen. Von da an galt Lovecraft als eine der drei Stützen der amerikanischen Horrorliteratur, neben E. A. Poe und Ambrose Bierce.

Artmanns Leistung liegt in der vielfältigen Beschreibung des Grauens, das Lovecraft vermittelt möchte, in der Nachahmung der etwas altertümlichen Diktion und in der Übertragung von Dialekt und Akzent einzelner Sprecher.

Dennoch stehe ich Artmann kritisch gegenüber. Beim Vergleich von „Cthulhus Ruf“ mit der modernen Übersetzung von Andreas Diesel erweist sich nämlich, dass Artmanns Fassung unvollständig, altertümelnd (absichtlich?) und stellenweise verfälschend ist: Für moderne Leser, die ohne Vorbereitung darauf stoßen, ist sie stellenweise wohl unverständlich.

Die Übersetzung von Andreas Diesel findet sich der Ausgabe des Festa-Verlags, die die Grundlage für das Hörbuch [„Der Cthulhu-Mythos“ 524 bildet, das bei |Lübbe Audio| & |LPL records| Ende 2003 erschien.

Unterm Strich

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys [„Necroscope“ 779 oder Hohlbeins „Hexer von Salem“ wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“.

Aber wie im Vorwort dieses Buches von Giorgio Manganelli zu lesen ist, reicht Lovecrafts Grauen weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

Bezeichnend ist, dass selbst Kirchen wie die in Providence längst „verfallen“ und „entweiht“ sind: ebenso Zeichen für den menschlichen wie religiösen Verfall wie der schreckliche Gestank, der von solchen Stätten ausgeht. Managanelli drückt es so aus: „Der Geruch ist die Glorie der Auflösung.“ Er ist ebenso wichtig wie die Deformation, die das Böse und jedwede Entartung bei Lovecraft aufweisen.

Geprägt von einer sehr unglücklich verlaufenden Familiengeschichte, die er auf Dekadenz und Degeneration zurückführt, beschreibt Lovecraft in seinen Monstren letzten Endes denjenigen, den er am besten aus eigener Erfahrung kennt: sich selbst. Also sprach Manganelli.

Stephen King – Briefe aus Jerusalem (Lesung)

Schaurig: der Untergang des Hauses Boone

Als Charles Boone sich nach Chapelwaite in Neu-England aufmacht, ahnt er noch nicht, dass auf dem ererbten Landsitz ein verhängnisvoller Fluch lastet. Doch schon bald, so verraten seine Briefe, wecken seltsame Geräusche und hartnäckige Gerüchte in der Nachbarschaft seinen Argwohn: ein verschollenes Dorf, wo das Böse regiert, ein mysteriöses Schattenwesen, das Blutzoll fordert – über kurz oder lang gerät Charles Boone an den Rand des Wahnsinns …

Der Autor
Stephen King – Briefe aus Jerusalem (Lesung) weiterlesen

Lovecraft, Howard Phillips / Naumann, Gerd – Berge des Wahnsinns (Hörspiel)

_Poe lässt grüßen: Horror in der Antarktis_

In Form eines Tagebuchs und in Dialogen mit seinem Professor zeichnet der Geologe William Dyer den Verlauf seiner letzten, unglückseligen Expedition in die Antarktis anno 1930/31 nach. Zunächst suchten er und sein Team, darunter ein Anthropologe, nach ungewöhnlichen Gesteinsarten. Doch dann türmt sich vor ihren Augen ein Gebirge von gewaltigen Ausmaßen auf, das seltsamerweise quaderförmige Auswüchse und eckige Höhlen aufweist.

In einer solchen Höhle macht der Anthropologe eine beunruhigende Entdeckung: vierzehn tonnenförmige Gebilde. Als der Funkkontakt zu dessen Lager abbricht, muss sich Dyer mit einem Suchtrupp dorthin begeben. Was sie vorfinden, lässt Dyers Studenten Danforth wahnsinnig werden …

_Der Autor_

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen.

Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman [„Der Flüsterer im Dunkeln“. 1961

Mehr zu Lovecraft kann man in unserer [Rezension 345 seiner Biographie von Lyon Sprague de Camp nachlesen.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

William Dyer, Expeditionsleiter: Lutz Harder („Perry Rhodan“, „Doppelter Einsatz“, „Tatort“)
Pabodie: Herbert Fux (Schauspieler, geb. 1927, „Woyzeck“, „Das Schlangenei“ u. v. a.)
Danforth, Student: David Nathan (dt. Stimme von Johnny Depp, L. DiCaprio, Christian Bale)
Professor, dem Dyer berichtet: Friedrich Schoenfelder (dt. Stimme von David Niven, Vincent Price, Edgar-Wallace-Filme u. a.)
Prof. Lake: Christian Rode (dt. Stimme von Christopher Plummer, Michael Caine, Telly „Kojak“ Savalas)
Kapitän Douglas: Jan Pröhl
Moulton, Lakes Assistant: Michael Jackenkroll
Und andere.

Gerd Naumann bearbeitete den Text und führte Regie. Die musikalischen Motive trug Akki Schulz bei (auf Didgeridoo, Cello, Kontrabass etc.) Die Tonaufnahme führte Ahmed Choraqui im On Air Studio, Berlin, aus und Martin Bochmann bearbeitete sie. Das Cover-Artwork stammt von Peter Grossöhme, die Illustrationen von Sonja Marterner.

Das Booklet enthält einen kurzen Essay von Michel Houellebecq („Elementarteilchen“).

_Handlung_

Was geschah auf der Expedition in jenes Bergtal in der Antarktis, dass der Student Danforth dem Wahnsinn verfiel? Als der Expeditionsleiter William Dyer Danforth in der Nervenheilanstalt besucht, berichtet Danforth wieder von den Alten Wesen, die in Wahrheit seit jeher über die Erde geherrscht hätten. Dyer widerspricht ihm nicht, denn er hat sie ja selbst gesehen.

Genau deshalb besucht er einen Professor in Boston, um ihn zu bitten, dass die neuerliche Expedition, die Starkweather und Moore 1932 organisiert haben, in die Antarktis aufbricht. Er warnt ihn eindringlich vor den Gefahren, nicht zuletzt vor dem schier unaussprechlichen Horror, auf den er und Danforth dort gestoßen sind. Dyer warnt ebenso vor dem Versuch, die Eismassen abzuschmelzen oder gar Bohrungen vorzunehmen, waren diese doch seiner eigenen Expedition zum Verhängnis geworden. Da der Professor mehr und vor allem deutlichere Begründungen fordert, muss Dyer genauer berichten, was sich vor zwei Jahren, anno 1930, zugetragen hat …

|Dyers Expeditionsbericht|

Prof. William Dyer ist Geologe an der Miskatonic University von Arkham, unweit Boston. Da Prof. Frank Pabodie neuartige Bohrer hergestellt hat, sieht sich Dyer in der Lage, auch in der Antarktis nach ungewöhnlichen Gesteinen zu suchen. Er lädt den von ihm bewunderten Anthropologen Prof. Lake ein mitzukommen, und dieser sagt freundlich zu. Außerdem werden die drei Profs von ihren jeweiligen Assistenten begleitet, darunter Danforth, Moulton und Gedney. Lake hält Danforth für einen „Backfisch“, aber immerhin haben beiden das verfluchte Buch „Necronomicon“ des verrückten Arabers Abdul Alkazred gelesen, ein zweifelhaftes Vergnügen, das nicht jedem Menschen vergönnt ist, denn das Buch ist in einem verschlossenen Raum der Bibliothek der Miskatonic-Uni weggesperrt.

Die zwei Schiffe „Miskatonic“ und „Arkham“ gelangen schließlich unter dem Kommando von Kapitän Douglas ins Zielgebiet, dem Rossmeer. Hier ragt der immer noch aktive Vulkan Erebus empor, und der Rossschelfeisgletscher bricht hier ins Meer ab. Die Gegend gemahnt Danforth an die kalten Ebenen von Leng, über die er bei Alhazred gelesen hat. Er vermeint ein sonderbares Pfeifen zu hören, das sich mit dem Wind vermischt, der von den Perry-Bergen herunterbläst. Eine Luftspiegelung gaukelt ihm emporragende Burgen auf diesen steilen Höhen vor.

Am Monte Nansen weiter landeinwärts schlägt die Expedition ihr Basiscamp auf, und mit den vier Flugzeugen erkunden sie das Terrain ebenso wie mit Hundeschlitten. Schon bei den ersten Grabungen stößt Prof. Lake auf höchst ungewöhnliche Fossilien, die es hier gar nicht geben dürfte. Zwar ist bekannt, dass vor 50 Mio. Jahren die Erde sehr viel wärmer war und Dinosaurier auch Antarktika bewohnten, doch all dies endete vor spätestens 500.000 Jahren mit der ersten Eiszeit, der weitere folgten. Lake, dessen Funde bis ins Präkambrium zurückdatieren, setzt seinen Willen durch, noch weitere Stellen zu suchen. Auf einer weiteren Schlittenexkursion findet er mehr solche Fossilien, die es nicht geben dürfte.

|Lakes Expedition|

Am 24. Januar, mitten im Hochsommer der Südhalbkugel, startet Lake, um ein Camp 300 Kilometer entfernt auf einem Plateau zu errichten. Dem Expeditionsleiter berichtet er mit Hilfe des Funkgeräts. Seine Stimme ist gut zu verstehen. Sie mussten notlanden, und das Camp ist von quaderförmigen Strukturen und Höhlen umgeben. Eine Bohrung führt dazu, dass ihr Bohrer in eine Höhlung unter dem Eis fällt. Beim Eindringen in diese Höhle stoßen Lake und Moulton auf Specksteine, die fünf Zacken ausweisen, also eindeutig bearbeitet wurden – mitten zwischen Saurierknochen und Abdrücken von Palmblättern. Außerdem stoßen sie auf große tonnenförmige Gebilde, von denen sie vierzehn Stück bergen und aufs Plateau schaffen, um den Inhalt zu untersuchen.

Die Hunde reagieren sehr aggressiv auf diese Gebilde, und als Lake sie seziert, erinnern sie ihn an die Cthulhu-Wesen, die Alhazred beschrieb: ein fünfeckiger Kopf mit einem Kranz seitlich angebrachter Wimpern usw. Und es hat fünf Hirnareale. Lake erinnert sich: „Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ In seiner letzten Nachricht berichtet Lake, die Köpfe seien von der Sonne aufgetaut worden. Dann meldet er sich nicht mehr.

|Die Rettungsexpedition|

Mit dem zurückgehaltenen fünften Flugzeug fliegt Dyer mit Danforth und Pabodie zu Lakes Camp. Sie finden entsetzliche Verwüstung vor. Alle Hunde wurden zerfleischt, von den Männern ist zunächst keiner zu sehen, obwohl überall Blut ist – und Gestank. Sie stoßen auf sechs Gräber, die sternförmig angelegt sind, aber wo sind die restlichen acht Wesen? Die Leichen von elf Männern sind zum Teil seziert, doch von einem Mann fehlt jede Spur: Gedney. Er hat auch einen Hund mitgenommen. Können sie ihn noch retten?

Dyer und Danforth machen sich auf den Weg, um die ausgedehnte fremde Stadt, die sich beim Anflug entdeckt haben, zu erkunden und vielleicht eine Spur von Gedney zu finden. Welches Wesen mag das Camp derartig verwüstet haben? Sie werden es herausfinden und wenn es sie den Verstand kostet …

|In Boston|

Dyer schafft es nicht, den Professor davon zu überzeugen, die Starkweather-Moore-Expedition zurückzuhalten. Er ahnt das Schlimmste. Als er wieder einmal den verrrückten Danforth besucht, rezitiert dieser nur aus dem verfluchten „Necronomicon“: „Die Farbe aus dem All … der Ursprung, Ewigkeit, Unsterblichkeit …“

_Mein Eindruck_

Lovecraft setzte mit diesem Kurzroman das Romanfragment [„Der Bericht des Arthur Gordon Pym“ 781 von Edgar Allan Poe fort. Wo Poes Romanfragment abbricht, greift er die Szenerie, wenn auch nicht die Figuren, wieder auf, insbesondere den unheimlichen Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ Diesen Ruf stoßen zwar bei Poe weiße Vögel aus, doch bei Lovecraft wird der Ruf einem weitaus gefährlichen Wesen zugewiesen. Um was es sich dabei handelt, wird nie hundertprozentig klar, denn es ist protoplasmisch und somit formlos.

Innerhalb des umfangreichen Cthulhu-Mythos über die Großen Alten nimmt „Berge des Wahnsinns“ eine nicht allzu herausragende Rolle ein, denn der Geschichtsentwurf, den Lovecraft hier präsentiert, unterscheidet sich nur in geringem Maße von dem in [„Schatten aus der Zeit“, 2358 „Der Flüsterer im Dunkeln“ und anderen Erzählungen. Aber die Geschichte an sich bietet dem Leser mehr spannende Unterhaltung als andere Storys und vor allem einen weitgespannten Hintergrund, der im Vordergrund der Aktionen zum Tragen kommt.

Durch ihre Necronomicon-Lektüre wissen Lake und Danforth schon, womit sie es zu tun haben: mit den Großen Alten und ihren Vorgängern, den Alten Wesen. Die Stadt ist die der Alten Wesen, die vor Jahrmillionen zuerst landeten und ihre Kultur auf der Erde errichteten. Seltsamerweise ist Dyer nur mäßig darüber erstaunt, dass er nun über ausgedehnte Überreste einer versunkenen, prähistorischen Zivilisation stolpert. In der ersten großen Halle sind jedoch so etwas wie Wandmalereien und Hieroglyphen, die ihm die Geschichte der Vorzeit erzählen. Diese ist so komplex, dass ich empfehle, sie selbst nachzulesen.

Für Dyer und Danforth wird die Lage jedoch brenzlig, als sie auf die enthaupteten Überreste der entkommenen Alten Wesen stoßen, die Professor Lake aus der Höhle unter dem Eis geholt hatte. Was hat die Wesen getötet? Gibt es einen Wächter in der Tiefe, ähnlich einem Balrog in den Tiefen der Minen von Moria? Na, und ob! Die spannende Frage ist nun, wie dieses Wesen aussieht und ob sie es vielleicht besiegen können. Der Anblick des Wesens lässt Danforth wahnsinnig werden und von einem Sieg kann keine Rede mehr sein. Was wiederum den Schluss aufzwingt, dass die Starkweather-Moore-Expedition dem Tod geweiht ist, sollte sie im gleichen Gebiet forschen.

Dieses Gefühl des Verhängnisses überschattet den gesamten Text und suggeriert dem Leser bzw. Hörer, dass er allein schon durch die Kenntnis dieses geheimen Wissens, das ihm Dyer mitteilt, vielleicht in Gefahr sein könnte. Zweifellos wusste Lovecraft aus Zeitschriften nicht nur über Einsteins Forschungsarbeiten Bescheid, sondern auch über das Bestreben der Physiker, dem Atom seine Geheimnisse zu entlocken. Die Experimente von Rutherford und Nils Bohr waren ihm vielleicht bekannt, aber dürfte kaum gewusst haben, dass Enrico Fermi an einem Atomreaktor baute und die deutschen Physiker von Hitler für eine ganz besondere Aufgabe engagiert wurden: den Bau der ersten Atombombe. Verbotenes Wissen – möglicherweise hat Lovecraft ganz konkret solche Kenntnisse und Experimente darunter verstanden.

Das erzählerische Brimborum, dessen er sich im Original bedient, kommt uns heute überladen und bis zur Grenze des Lächerlichen überzogen vor. Der von Poe erfundene Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ wird x-mal wiederholt, und im Buch bildet er sogar den Schluss des letzten Satzes. Das verleiht ihm eine schaurige Bedeutungsschwere, die ich nicht nachzuvollziehen mag. Aber bei genauerem Nachdenken ist der Ruf eben jenem Wächter in der Tiefe zuzuordnen, und dann wird erklärlich, warum Danforth diesen Ruf nicht vergessen kann. Denn er weiß, dass wenn dieser Ruf erneut ertönt, es für die Menschheit zu spät sein wird. „Das ist nicht tot, was ewig liegt …“

|Die Inszenierung|

Es handelt sich um ein Hörspiel und nicht etwa um eine inszenierte Lesung. Während sich die Lesung penibel am vorliegenden Text orientiert und diesen mit Musik und Geräuschen garniert, so arbeitet das Hörspiel die Textvorlage vollständig um, um nach dramatischen Gesichtspunkten eine filmähnliche Handlung darbieten zu können.

Ein rascher Vergleich mit dem Buch fördert schon auf der ersten Seite gravierende Unterschiede zutage, was unter Berücksichtigung dieser Charakterisierungen nicht weiter überraschen dürfte. So sind die Gespräche mit dem namenlosen Professor, der die Starkweather-Moore-Expedition stoppen soll, nirgends im Buch zu finden. Das Buch ist in Tagebuchform geschrieben und somit ein Monolog. Das Hörspiel erwacht jedoch nur dann zum Leben, wenn es Dialoge gibt.

So verwundert es nicht, dass die schwächsten Szenen jene sind, in denen Dyer seinen Monolog fortsetzt oder wenn sich Dyer und Danforth in der Halle der Alten Wesen ihre Beobachtungen gegenseitig berichten. Ein richtiger Dialog kommt nicht zustande, und wenn die menschliche Interaktion nicht zustande kommt, so fehlt ein wesentliches dramatisches Moment. Zum Glück hat sich der Regisseur etliche Szenen einfallen lassen, um Monologe in Dialoge umzumünzen, so etwa Lakes Funksprüche aus seinem Lager.

|Die Sprecher|

Die Riege der Sprecher umfasst drei herausragende Namen: David Nathan, Christian Rode und Herbert Fux. (Friedrich Schoenfelder sollte ich nennen, doch sein Part ist so klein, dass er mir nicht weiter auffiel.) In der Tat erweisen sich ihre Darbietungen als die eindrücklichsten Beiträge zum Gelingen dieses außergewöhnlichen Hörspiels.

Christian Rode ist aus zahllosen Hörspiele bekannt, so etwa für Edgar-Wallace-Vertonungen von |Titania Medien| (vertrieben von |Lübbe Audio|). Er spielt stets den alten Gentleman, der durchaus mal zwielichtig sein darf, dabei aber stets auf der zupackenden Seite zu finden ist. Köstlich finde ich den Einfall, ihn eine Wasserpfeife rauchen zu lassen. Im Hörspiel wird seine Stimme während der Funksprüche künstlich durch einen Filter verzerrt, um der Szene Glaubwürdigkeit zu verleihen. Leider tritt er in der zweiten Hälfte nicht mehr auf, sondern wird abgelöst von dem namenlosen Bostoner Professor, den Friedrich Schoenfelder spricht.

Herbert Fux, Jahrgang 1927 (er wird also 80), spricht den Ingenieur Pabodie als einen knorrigen alten Typen, der lieber mit seinen Händen als mit seinem Kopf arbeitet. Aber auf Pabodie ist wenigstens Verlass, im Gegensatz zu Lake, Dyer und Danforth. Leider ist später im Buch noch im Hörspiel keine Rede mehr von Pabodie, obwohl er unter die Überlebenden zu zählen ist.

Für mich der beste Sprecher ist mit Abstand David Nathan. Das liegt nicht nur daran, dass er von Anfang bis Ende dabei ist, sondern vor allem deshalb, weil er seinen Danforth als menschliches Wesen mit einem erschütterten Innenleben porträtiert. Danforth, ein gieriger Leser des „Necronomicon“ und seit jeher der Metaphysik zugeneigt, ist durch die Funde in der Antarktis derart ver-rückt, dass er nicht mehr in die menschliche Gesellschaft einzugliedern ist. Tatsächlich hält er ebendiese für zum Untergang verurteilt. Natürlich behauptet er: „Ich bin nicht verrückt!“ Aber tun das nicht nur die Verrückten?

Nathan bemüht die ganze Palette von Keuchen, Schluchzen, Lachen, Weinen, Rufen, um die tiefe Erschütterung Danforths zu vermitteln. Im Kontrast erscheint sein Begleiter Dyer, der mit ihm die uralte Stadt unterm Eis erkundet, selbst wie ein Eisblock. Zwar ist es notwendig, dass der Chronist Dwyer stets die Nerven behält, damit wir ihn verstehen und ihm glauben können, doch wenigstens ein- oder zweimal könnte ja auch er genauso ausrasten wie Danforth. Stattdessen bewahrt er stets die Contenance, stößt zwar „Tekeli-li! Tekeli-li!“ aus, doch bei ihm klingt dies wie eine weitere Pflichtübung des Chronisten, der nur nichts unter den Tisch fallen lassen will. Dafür, dass Dyer so unerschütterlich agiert, klingt Lutz Hackers Stimme viel zu jung, nämlich gleich alt wie die Danforths/Nathans.

Von den Nebenfiguren ist mir noch die Stimme des Kapitäns Douglas in Erinnerung geblieben. Jan Pröhl porträtiert den alten Seebären mit rauer, heiserer Stimme recht glaubwürdig, aber dass ein Seebär stets zum Lachen neigt, finde ich ungewöhnlich – es verleiht der Figur des Douglas einen leicht durchgeknallten Zug. Vielleicht hat Pröhl genau dies beabsichtigt.

|Musik und Geräusche|

Die sparsam eingesetzten Geräusche verleihen den Dialogen einen Anstrich von Realismus. Schritte, Bellen, das ständige Heulen des Windes übers Eis – sie sind völlig passend. Doch es gibt auch dieses unirdische Pfeifen und Sirren, das Danforth in der unterirdischen Stadt hört. Es ist ebenso unwirklich, wie der Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ es ist.

Wesentlich verstärkt wird diese Note des Unwirklichen und Unheimlichen von den musikalischen Motiven, die Akki Schulz beitrug. Von Melodien oder gar Musikstücken kann keine Rede sein, vielmehr sollen die Motive verschiedene Stimmungen vermitteln. Das am häufigsten eingesetzte Instrument ist ein tiefer gestimmtes und elektronisch verstärktes Didgeridoo, wie es die Aborigines benutzen. Der Klang ist eindeutig gewöhnungsbedürftig, aber nicht gänzlich unpassend.

Weitere Instrumente, die ich gehört zu haben glaube, sind ein Cello und ein akustischer Kontrabass. Dieser Bass wird sowohl gezupft als auch gestrichen. Selbstredend wurden beide Instrumente elektronisch verstärkt, so etwa auch durch Hall. Im Vergleich zu anderen Horror-Hörspielen sind diese musikalischen Einlagen nur von sehr schwacher Wirkung, so dass sie im Gesamtwerk der schwächste Beitrag sind. Aber sie sind nicht als unpassend abzuweisen, sondern haben ihr Gegenstück in zwei anderen modernen Lovecraft-Produktionen: Vom „Orchester der Schatten“ kommen inszenierte [Lesungen, 3071 die durch ihre ähnliche Musik keinen schlechten Eindruck hinterlassen haben.

|Das Booklet|

Das Booklet enthält Informationen über den Autor (in dem Essay, s. u.), den Text und sämtliche Mitwirkenden, außerdem noch diverse Illustrationen. Als Druckbild wurde Schreibmaschinenschrift verwendet, eine alte Courierschrift, wie man sie früher für Manuskripte verwendete. Mit rotem „Bleistift“ wurden wichtige Namen etc. hervorgehoben. Hin und wieder finden sich Kleckse roter Tinte. Der optische Eindruck ist der eines handgemachten Produkts. Für manche Hörbuchkäufer könnte das einfach zu billig aussehen, aber ohne Zweifel hebt sich die CD von anderen Hörbüchern ab.

Der Essay von Michel Houellebecq erstreckt sich über immerhin fünf Seiten des Booklets – ein Viertel des Umfangs. Der Autor versucht, die Arbeitsweise Lovecrafts zu beschreiben, und bemüht dabei die Beispiele „Pickmans Modell“ und „Die Musik des Erich Zann“. Der Effekt, den HPL erzielen wollte, sei die „Furcht vor dem Unbekannten“. Um diese Wirkung zu erzielen, haben HPL eine Mythologie schaffen wollen, mit der er eine Art objektives Entsetzen erzeugen konnte, ein Entsetzen, das „von jeder psychologischen oder menschlichen Konnotation losgelöst war. Er wollte eine Mythologie schaffen, die auch noch einen Sinn für Intelligenzen hat, die aus dem Gas von Spiralnebeln bestehen.“ Houellebecq hält übrigens „Berge des Wahnsinns“ für einen herausragenden Text innerhalb des Cthulhu-Mythos, im Gegensatz zu mir.

Der Essay zeugt von tiefgehender Kenntnis literarischer Methoden wie etwa der objektiver Beglaubigung, aber auch von vielen Beispielen ihrer Anwendung, darunter natürlich auch bei Poe. Houellebecqs Artikel ist ein leicht verständlicher Beitrag zum Verständnis Lovecraft, im Gegensatz zu einigen schwierigen Texten, die ich hier nennen könnte.

_Unterm Strich_

„Berge des Wahnsinns“ ist einer der bedeutenden Kurzromane, die Lovecraft am Ende seines Lebens – er starb ein Jahr nach der Veröffentlichung – innerhalb seiner Privatmythologie schrieb. Die Antarktis-Expedition des Geologen Dyer stößt auf eine uralte Stadt, die von einer außerirdischen, vormenschlichen Zivilisation errichtet wurde. Und Andeutungen legen nahe, dass auf dem Meeresgrund noch viele weitere solche Städte auf ihre Entdeckung warten. Ob das für die heutige Menschheit so gut wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In der Stadt unter dem Eis vertreibt ein unheimlicher Wächter die neugieriger Forscher, und solche könnte es auch in weiteren Ruinen geben. Dyers Assistent Danforth hat den Wächter und dessen Brut gesehen und ist darüber verrückt geworden …

Ähnlich wie in „Schatten aus der Zeit“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“ entwirft Lovecraft die Grundzüge seiner Mythologie, wonach erst die Alten Wesen von den Sternen kamen und die Stadt unterm Eis bauten, bevor die Cthulhu-Wesen anlangten und mit ihnen einen Krieg führten, an dessen Ende Wasser und Land zwischen den Rassen aufgeteilt wurden. Überreste beider Zivilisationen sind für Expeditionen wie die Dyers noch aufzuspüren, natürlich nur an sehr verborgenen Orten.

Das Motiv der „Lost Race“, das Lovecraft in nicht weniger als 18 Erzählungen verwendet, war schon 1936 nicht mehr neu und vielfach erprobt worden. Am kommerziell erfolgreichsten waren dabei wohl Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer des Tarzan, und Henry Rider Haggard, der mit [„König Salomons Schatzkammer“, 484 „Allan Quatermain“ und „Sie“ einen sagenhaften Erfolg unter den Spätviktorianern verbuchte. Ob Poe mit „Arthur Gordon Pym“ diese Mode schuf, als er seinen Helden in der Antarktis eine unbekannte Zivilisation finden ließ, sei dahingestellt, aber sowohl Jules Verne mit „Eissphinx“ als auch Lovecraft mit „Berge des Wahnsinns“ folgten diesem Vorbild in den eisigen Süden. In letzter Zeit knüpfte auch Michael Marrak mit seinem Roman „Imagon“ erfolgreich an dieses Vorbild an.

Bei Lovecraft wird die Expedition zu einem Initiationsritus. Der moderne Mensch ist sowohl mit dem sehr Alten als auch mit dem Ungeheuerlichen konfrontiert, und beides scheint seinen Verstand zu übersteigen (siehe Danforths Wahnsinn). Unterschwellig vermittelt Lovecraft seinen Kulturpessimismus dadurch, dass er Dyer erkennen lässt, dass die Menschheit weder die erste Zivilisation auf diesem Planeten war, noch auch die letzte sein wird. Das wiederum könnte dem einen oder anderen Leser Schauer über den Rücken jagen. „Das ist nicht tot, was ewig liegt“ (oder „lügt“, denn das englische Verb ist doppeldeutig), wird immer wieder zitiert. Ein Menetekel, an das immer wieder mit dem Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ gemahnt wird.

|Das Hörbuch|

Den Machern von |Lauschrausch| ist ein dramatisch umgesetztes Hörspiel gelungen. Obwohl es hervorragende Sprecher und passende Geräusche vorzuweisen hat, so finde ich die musikalischen Motive zu schwach und den Sprecher des Dyer als unpassend, sowohl vom Ausdruck als auch vom Alter her. Das Booklet liefert mit Houellebecqs Essay sowohl Informationen zum Autor, dessen Werk als auch zu dessen Arbeitsmethode und ästhetischem Ziel: objektives Entsetzen. Ob es so etwas überhaupt geben kann, erörtert Houellebecq allerdings nicht.

|Originaltitel: At the Mountains of Madness, 1936 (gekürzt), 1939 ungekürzt
Aus dem US-Englischen übersetzt von Rudolf Hermstein
2 CDs, 94 Minuten|
http://www.lauschrausch.eu/

Pat Cadigan – Alien³ Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson

Mit knapper Not sind Ripley, Newt, der Androide Bishop und der schwer verletzte Corporal Hicks den Xenomorphen entkommen. Auf dem Rückweg vom Planeten LV-426 docken sie mit der Sulaco an der Raumstation Anchorpoint an, in Sicherheit sind sie deshalb aber noch lange nicht. Kaum haben die Marines die Sulaco betreten, um sie zu inspizieren, werden sie angegriffen. In höchster Bedrängnis können sich die Soldaten mit den Neuankömmlingen nach Anchorpoint zurückziehen. Doch dann kommen Gerüchte über eigenartige Experimente auf, die auf der Raumstation durchgeführt werden. Experimente, die ein Geschöpf hervorbringen könnten, das schrecklicher ist als alles, dem sich Ripley, Newt, Bishop und Hicks je entgegenstellen mussten …

Jetzt schon ein einzigartiges Werk der Science-Fiction – Hugo-Award-Preisträgerin Pat Cadigan hat aus dem nie verfilmten Drehbuch von William Gibson einen bis zur letzten Zeile fesselnden Roman gemacht.
(Verlagsinfo)

Wir erinnern uns:
Ein Facehugger verursacht einen Brand im Raumschiff Sulaco, wodurch die kälteschlafenden Passagiere in einer Rettungskapsel ausgestoßen werden und auf einem Strafplaneten notlanden. Corporal Hicks stirbt bei dieser Notlandung ebenso wie das Mädchen Newt, die in ihrer Kälteschlafkammer ertrinkt. Ripley überlebt als einzige – und natürlich der Facehugger, der seinerseits rasch ein Opfer in dem Rottweiler der Strafkolonie findet. Nun nimmt alles seinen Gang: Ripley wird von dem Alien verschont, da sie den Parasiten einer Königin trägt. Und in letzter Minute gelingt es ihr, dem Zugriff der gößenwahnsinnigen Firma Weyland-Yutani durch Tod zu entkommen.

Neu im Vergleich zu den beiden Vorgängern war hier die Erkenntnis, dass die Aliens auch Hunde befallen können, ihre Königin langsamer heran wächst und Weyland-Yutani immer noch nicht genug hat. Ansonsten ist der Film im Grunde nur ein Platzhalter zwischen Teil zwei und vier, und im krassen Gegensatz dazu siehtdas Drehbuch von William Gibson radikaleVeränderungen auf Seiten der Xenomorphen vor. Dies kann man nun in Pat Cadigans Roman nachlesen.

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Clive Barker – Die Bücher des Blutes IV-VI. Horror-Storys

Das Grauen der neuen irdischen Götter

Nichts für schwache Gemüter und zart besaitete Seelen – so lautet die Warnung im ursprünglichen Vorwort von Ramsey Campbell, ebenfalls ein renommierter Horrorautor. Für seine „Bücher des Blutes“ bekam Clive Barker 1985 den |World| und den |British Fantasy Award|. Seine Schrecken sind (meist) in der realen Welt angesiedelt, im Hier und Jetzt, oft sogar mitten in der Großstadt.

Das vorliegende Buch versammelt die „Bücher des Blutes“ IV bis VI, die im Internet häufig zu überhöhten Preise angeboten werden. Neuausgaben aus den achtziger und neunziger Jahren sind längst vergriffen beziehungsweise noch nicht in Sicht.

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Robert E. Howard – Tauben aus der Hölle (Gruselkabinett 52) (Hörspiel)

Rache für Gettysburg? Voodoo-Horror in den Südstaaten

Amerika 1935: Griswell und John, zwei Freunde, bereisen gemeinsam die Südstaaten der USA. Sie entdecken ein verlassenes Herrenhaus am Rande eines Sumpfgebietes und beschließen, dort die Nacht zu verbringen. Wie sich herausstellt, eine Entscheidung mit fatalen Folgen … (Verlagsinfo)

Der Autor
Robert E. Howard – Tauben aus der Hölle (Gruselkabinett 52) (Hörspiel) weiterlesen

Lovecraft, H. P. – Grusel-Box (Insz. Lesungen)

_Wahnsinn reitet den Sternenwind: Lovecraft en gros_

„Dunkle Geschichten“ bestreiten den ersten Teil der „Grusel-Box“ (CD 1+2). H. P. Lovecrafts bizarre und hintergründige Geschichten „Der Hund“ und „Das Fest“ führen an sehr unterschiedliche Orte im Kosmos des Grauens. In „Wälder der Finsternis“, dem zweiten Teil der „Grusel-Box“, jedoch melden sich hier weder Cthulhu noch andere Persönlichkeiten aus seinem Kosmos des Grauens zu Wort, auch das Necronomicon bleibt dieses eine Mal verschlossen. Das Grauen erscheint vielmehr als Monstrum in Menschengestalt bzw. in Form einer mitleidslosen wie unpersönlichen Macht aus dem All, die es nicht nötig hat, sich einen Namen zu geben, und dadurch umso beängstigender wirkt.

_Inhalt von CD 3+4:_

– |Das Bild im Haus| (gesprochen von Torsten Sense);
– |Astrophobos| / |The Messenger| / |The House| (Poems; gesprochen von Simon Newby);
– |Die Farbe aus dem All| (gesprochen von Simon Jäger)

Das Hörbuch bietet eine deutsch-englische Lesung mit Musik vom „Orchester der Schatten“, die eigens hierfür eingespielt wurde.

_Der Autor_

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber wie in den Zusatztexten zu „Innsmouth“ zu erfahren war, reicht Lovecrafts Grauen weit über die landläufige Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als Liebe spendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

Kurz und bündig mehr über Lovecraft: [www.orchesterderschatten.de]http://www.orchesterderschatten.de/autor.htm

_Die Sprecher _

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u. a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty, River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu, dem kleinen Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“, „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur. (Homepage-Info)

Simon Newby, geboren 1961 in Long Eaton, England, studierte an der Guildhall School of Music & Drama (Bachelor-Abschluss in Dramatic Arts). Seit 1990 erledigte er zahlreiche Regiearbeiten an verschiedenen Bühnen Berlins, war als Voice Over- und Synchronsprecher sowie als Dialog-Coach tätig, seine Hobbys sind Trompete spielen und Tauchen. Zu seinen Sprachkenntnissen zählt er: „Englisch (Britisch und Amerikanisch), Deutsch (perfekt)“.

_Die Musik: Das „Orchester der Schatten“_

„Das Orchester der Schatten präsentiert klassische Geschichten von Kultautoren wie H. P. Lovecraft und E.A. Poe, die mit ihren bizarren Welten des Grauens schon Generationen von Lesern begeistert haben. Ohne vordergründige Effekte wird von Mythen, fremden Mächten oder einfach von dem Horror erzählt, der sich in der menschlichen Seele verbirgt. Begleitet werden die Erzählungen vom Orchester der Schatten, dessen Live-„Filmmusik“ komponierte Scores, Klangeffekte und improvisierte Elemente vereint.“ (Homepage-Info)

Matthias Manzke:
*4.10.1971; Jazzstudium an der HdK Berlin sowie an der New School New York; Unterricht u.a. bei David Friedman, Peter Weniger, Richie Beirach, und Jane-Ira Bloom; Rumänien-Tournee 1997; Teilnahme am Jazzfestival Hradec Kralove, Engagements bei Theater- und Filmproduktionen; CD-Aufnahmen mit der Berliner Big Band JayJayBeCe (BIT-Verlag 1997), mit dem Sänger Robert Metcalf (Dt. Grammophon 1998) sowie mit dem FRAW FRAW Saxophon4tett (2002); zzt. regelmäßige Konzerttäigkeit mit dem FRAW FRAW Saxophonquartett in ganz Deutschland und mit Projekten im Berliner Planetarium am Insulaner

Stephan Wolff:
1956 in Berlin geboren; Jurastudium; Dirigierstudium, Kompositions-Unterricht bei N. Badinski; Tätig als Komponist, Dirigent, Keyboarder; seit 1994 Lehrtätigkeit an der Leo-Borchard-Musikschule; Stilübergreifende Kompositionen zwischen Klassik, Jazz und Pop. Produktion und Mitgestaltung diverser Live-Elektronik-Projekte, u.a. „Dialogues“ (1998), „Losing One’s Head“ (1999), Filmmusiken, Bühnenmusiken, Traumspiel-Oper „Abaddon“ (1998/2001); Zahlreiche Songs und Lieder, auch für Kinder, z.B. „Erdenklang & Sternenbilder“ (1996), „Songs aus dem All“ (2000/2001), „Cool & Cosi“ (2000)

Sven Hinse:
* 1974, Absolvent der UdK Berlin und des „Kontaktstudiengangs Popmusik“ an der Hamburger Musikhochschule, CD-Produktionen u.a. mit dem Berliner LandesJugendJazzOrchester (1998) und mit der Band „tritorn“ (2002), Konzertreisen u.a. nach Südamerika, Rumänien, Spanien

Merle Ehlers:
geb. 1974 in Hamburg, lebt in Berlin. Schlagzeugstudium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Langjährige Bühnenerfahrung mit dem zeitgenössischen Tanzensemble „Contact 17”. Spielt Kompositionen für Gitarre und Schlagzeug im Duo „rant“ mit dem Gitarristen Torsten Papenheim, improvisierte Musik im Trio „Tunar” mit Sabine Vogel (Flöten und electronics) und Dave Bennett (Gitarre) sowie dem Trio „Nom“ mit Dave Bennett und Antoine Chessex (Saxophone). Seit Sommer 2004 existiert das Trio „Tranceducer” mit Tony Buck (hier:Gitarre, Voc) und Derek Shirley (Bass) für Songs von Tony Buck. Zusammenarbeit mit dem Performer Sten Rudstrøm. Mitinhaberin des Plattenlabels „schraum” für gegenwärtige Musik.

_Handlung von „Der Hund“ (Länge: ca. 36 Min.)_

Der Berichterstatter hält während der Niederschrift der zurückliegenden Ereignisse bereits den Revolver bereit, um sich nach Abschluss dieser Aufgabe eine Kugel durch den verzweifelten Schädel jagen zu können. Denn die zurückliegenden Ereignisse lassen ihm keine andere Wahl …

Es muss sein Kumpel Saint John gewesen, der damit angefangen hat; ganz bestimmt. Zunächst waren sie nur vom Dasein gelangweilt, dann reichten ihnen auch der Nervenkitzel durch die verstiegenen Erzählungen und Gedichte der Dekadenten Baudelaire, Huysmans und wie sie alle heißen nicht mehr. Es war ganz bestimmt St. John, der auf die Idee mit der Grabräuberei verfiel, oder?

Sie richteten ein gut verstecktes Museum bei sich ein, indem sie die Statuen von Dämonen, antike Mumien, Grabsteine und Schrumpfköpfe sammelten, natürlich auch Schmuckstücke aller Art. Es gab eine Mappe aus Menschenhaut, Musikinstrumente, die seltsame Disharmonien erzeugten. Die Raubzüge, die sich über die ganze Welt erstreckten, waren von der Umgebung, der Stimmung und der Jahreszeit bestimmt: Ein zugefrorenes Grab aufhacken zu müssen, ist sicherlich kein Vergnügen. Schließlich hörten sie von dem wertvollen Amulett im Grab eines 500 Jahre begrabenen holländischen Kapitäns. Das war der Anfang vom Ende.

Die holländischen Bauern erzählten ihnen, der Seemann sei seinerzeit von einer Bestie zerfleischt worden und seine Leiche verfluche jeden, der ihre letzte Ruhestätte berauben wolle. Sie hätten darauf hören sollen. Den Sarg zu öffnen, war erstaunlich leicht, doch dann grinste sie ein gut erhaltenes Gerippe an. Das Amulett auf seiner Brust ist aus grüber Jade und in Form eines Hundes oder einer Sphinx geformt, die Augen scheinen voll Bosheit zu funkeln. Die beigelegte Inschrift können sie leider nicht entziffern, doch offensichtlich sind sie auf einen Schatz gestoßen, der nur im verbotenen Buch „Necronomicon“ als Talisman eines Körperfresserkultes aus Zentralasien erwähnt wird.

Als sie sich gegenseitig auf die Schulter klopften, begann das Grauen. Fledermausschwärme stiegen auf, und ein großer Hund begann in der Ferne zu heulen …

_Drei Gedichte (ca. 7:40 Min.)_

Lovecrafts Gedichte werden von Simon Newby vorgetragen. Die drei englischsprachigen Texte sind im Booklet abgedruckt (allerdings mit einem Druckfehler, auf den ich später zu sprechen komme.) Eine Übersetzung fehlt.

|The Cats|

In der erfundenen Alptraumstadt Arkham streunen nur die Katzen durch die nächtlichen Gassen. Alles ist öde und verlassen, von Verfall erfüllt, ein Inbild des Untergangs. Nichts geschieht außer dem unheilvollen „Heulen“ und „Schreien“ der geisterhaften Katzen.

|The Wood|

Der uralte majestätische Wald, der hier einst stand, hat dem Wald der hochragenden Wolkenkratzer weichen müssen; nur wenige Jahrhunderte waren dazu nötig. Doch der alte Wald war keineswegs unbewohnt. Die Bewohner der Marmortürme feierten bis zu jenem Tag, als ein unvorsichtiger Troubadour mit fluchwürdigen Worten einen alten Schrecken aus den Tiefen weckte. Nun steht hier, wo sich die Stadt einst befand, wieder ein urtümlicher Wald. Doch die Morgensonne weigert sich, dort zu scheinen.

|Festival|

Die Toten feiern das Julfest zur Wintersonnenwende an einem Alter, der inmitten von Druidengräbern in einem Eichenwald liegt. Und der Hörer mag ein Abt oder Priest sein, der sich dem Satan geweiht hat und dem Altar das „Zeichen des Tiers“ zeigt, von dem der Evangelist berichtet.

_Handlung von „Das Fest“ (Länge: 44:44 Min.)_

Unser Chronist ist ein junger Mann, der zur Stadt seiner Väter am Ostmeer (= Providence an der US-Ostküste) gereist ist, von der er nur aus seinen Träumen weiß, aber wohin man ihn gerufen hat. Es ist die Zeit des Julfestes, das unter Christenmenschen als „Weihnachten“ bekannt ist. Nur ist unser Berichterstatter alles andere als ein Christenmensch. Das Land wurde vor 300 Jahren besiedelt, doch sein Volk ist weit älter und kam aus dem Meer, weshalb es noch die alten Riten ehrt.

Er trifft in Kingsport ein, der uralten, verwinkelten Stadt unter dem kirchengekrönten Berggipfel, wo der Friedhof noch viele alte Grabsteine beherbergt, darunter auch die von vier Verwandten, die im Jahr 1692 wegen Hexerei hingerichtet wurden. Er findet das Haus an der Green Lane, das noch vor dem Jahr 1650 erbaut worden ist.

Auf sein Klopfen öffnet ein alter Mann, doch weil der stumm ist, schreibt er dem Besucher seinen Willkommensgruß auf ein Stück Papier. Sein Gesicht ist so wächsern bleich, dass es aussieht, als trage er eine Maske. Zwischen Möbeln aus dem 17. Jahrhundert sitzt eine Alte an einem Spinnrad, die ihm zunickt. Nach der Lektüre bekannter Bücher wie dem verbotenen „Necronomicon“ schließt sich der junge Mann seinen Gastgebern an. In Kapuzenmäntel gehüllt, machen sich die drei auf den Weg, um am Julfest teilzunehmen. Er wundert sich, dass er und seine Begleiter im Schnee keine Fußabdrücke hinterlassen …

((Weiterlesen auf eigene Gefahr!))

Auf dem Friedhof brennen Totenlichter, und sie betreten zusammen mit anderen Bewohnern der Stadt ein Kellergewölbe oder eine Krypta, in der eine Wendeltreppe weit hinab in die Tiefe des gewachsenen Felsens führt, durch die stinkenden Katakomben, bis zu einer ausgedehnten Höhle. Hier fließt träge ein Fluss, dessen ölig schwarzes Wasser im Schein einer grünlich leuchtenden Flammensäule glitzert. Neben Giftpilzen werden Pflanzenopfer dargebracht: Das Fest hat begonnen. Da kommen geflügelte Wesen an, die die Gläubigen besteigen, um in weitere Tiefen der Unterwelt zu fliegen, wer weiß, zu welchem Ziel.

Doch unser junger Mann ist mittlerweile derart von Grauen erfüllt, dass er sich weigert, den letzten geflügelten Vorboten des wahren Gottes zu besteigen. Zum Beweis dessen, dass er ein Teil dieser Bevölkerung ist und mitkommen muss, zeigt ihm der stumme Alte, offenbar ein Anführer, zuerst einen Siegelring und eine alte Taschenuhr – sie stammen aus dem Jahr 1698 – dann entfernt er seine Maske. Entsetzen packt den Erzähler, und er wirft sich in den Styx. Nur um im Krankenhaus von Kingsport zu erwachen, wo eine unangenehme Überraschung ihn erwartet …

|Mein Eindruck|

In diesen beiden frühen Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung des von ihm glühend verehrten Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet („unity of effect“) sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – teilweise verbürgte, meist aber gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins „Hexer von Salem“ wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: „Xenophobie“ nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), sodass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb.

|Degenerierte Hauptfiguren|

Degeneration ist das Hauptthema in „Die Ratten im Gemäuer“, eine Story, die 1924 im gleichen Jahr wie „Der Hund“ entstand und nur ein Jahr vor „Das Fest“. In „Der Hund“ sind die beiden frevlerischen Grabräuber moralisch so weit herabgesunken, dass ihre Sünden einen rächenden Fluch heraufbeschwören, der für ihre Bestrafung sorgt. In „Das Festival“ gehört der junge Chronist, ohne es zunächst zu ahnen, einem uralten Geschlecht von Humanoiden an, das seit alters einem unheiligen Gott opfert, der vermutlich mit Cthulhu gleichzusetzen ist. Denn an einer Stelle heißt es, dass dieses Volk aus dem Meer kam, genau wie die sinistren Bewohner des unseligen Innsmouth. Und in Lovecrafts Meer herrscht immer nur „der träumende Cthulhu“ in der Unterwasserstadt R’lyeh.

Während die erste Story ebenso gut von Wolfgang Hohlbein („vgl. dazu seinen Roman „Anubis“) stammen könnte und mit ihrer Grusel-Action jedem modernen Leser gefallen dürfte, ist „Das Fest“ doch ein ganz anderes Kaliber. Sie ist auf sehr spezifische Weise Teil des Lovecraft-Mythos, wonach in der Gegend von Providence und dem nahe gelegenen Salem im 17. Jahrhundert – historisch belegte – Hexenprozesse stattgefunden haben. Dabei habe es sich um echte Hexer und echte Hexen gehandelt, die und deren Verwandte jedoch überlebt haben. Und wenn nicht in Fleisch und Blut, so doch als Gespenst: als untote Erinnerung.

|Unheilige Riten|

Diese Geister, behaupten diese und andere Stories, versammeln sich zum Julfest, um unheilige Riten in den Tiefen der Hügel Neuenglands etc. zu feiern. Neuengland ist bei HPL der Hort von Dimensionstoren, aus denen die Großen Alten, die einst von Göttern vertrieben wurden, wieder in unsere Welt einbrechen, manchmal um unheiligen Nachwuchs zu zeugen („Das Grauen von Dunwich“), manchmal um Menschen zu ihren Jüngern zu machen („Der Fall Charles Dexter Ward“). Dass die alten Salem-Hexer („Das Ding auf der Schwelle“) ihnen helfen, dürfte klar sein. Und dass Cthulhus Nachkommen hier ihre Feste feiern, ebenfalls.

Das alles kann aber nicht verhindern, dass dieser Story irgendwie die Pointe abhandenkommt. Denn was ganz am Schluss folgt, ist viel zu schwach in der Wirkung, um aus der Story viel mehr als eine stimmungsvolle Studie in Horrorphantasien zu schmieden.

|Die Gedichte|

Auch den Gedichten mangelt es eklatant an Handlung. Dies sind allerdings keine Balladen von Goethe („Erlkönig“ lässt sich auch als Grusel interpretieren) oder Schiller (der hatte mit „Der Geisterseher“ richtig guten Grusel-Trash geschrieben), sondern eine Art pseudoviktorianische Dekadenzlyrik, wie man sie vielleicht von einem Epigonen Baudelaires erwarten könnte. Baudelaire schrieb richtig gute Vampirstorys in seinen Gedichten, die in „Die Blumen des Bösen“ veröffentlicht wurden (ab 1861 in mehreren, teils verbotenen und zensierten Ausgaben).

HPL zieht die gleichen Sujets heran, doch hat er es nicht so mit Vampiren (in keiner einzigen Story), sondern mit uralten Flüchen („The Wood“), mit pittoreskem Verfall („The Cats“) und den degenerierten Anhängern verbotener Riten („Festival“). Alle drei Themen gehören zu HPLs Standardrepertoire und bieten dem Kenner nichts Neues. Neu ist jedoch die Tatsache, dass sie erstmals in der Originalsprache auf einem deutschen Medium präsentiert werden, noch dazu von jemandem, der der englischen Sprache mächtig ist.

_Handlung von „Das Bild im Haus“ (gesprochen von Torsten Sense)_

Ein junger Archäologe interessiert sich für die unheimlichen einsamen Gehöfte, die in Neu-England verlassen und überwuchert vor sich hin schlummern. Doch sie bergen das Grauen und das Groteske. Und ihre Fenster blicken wie Augen auf den ahnungslosen Besucher, sie erinnern sich an Unaussprechliches …

Es ist November 1896, als der junge Ich-Erzähler Zuflucht vor einem Wolkenbruch sucht. Er ist durch das Miskatonic Valley nahe Arkham (= Salem/Massachusetts) geradelt. Ein Haus unter Ulmen bietet ihm Obdach, niemand antwortet auf seine Rufe, die Tür ist offen, und der Besucher tritt in eine andere Zeit.

Zuerst fällt ihm ein widerlicher Geruch auf. Sie entsteigt dem Inventar, das offenbar aus der Zeit vor 1776 stammt, als der amerikanische Unabhängigkeitskrieg ausbrach. Auf dem Tisch fällt ihm ein aufgeschlagenes Buch aus dem 16. Jahrhundert auf, das den Titel „Beschreibung des Kongo“ trägt und auf der Tafel 12 aufgeschlagen ist. Es zeigt den Metzgerladen von Menschenfressern auf drastischste Weise. Daneben steht ein Buch von Cotton Mather, der puritanischen Hauptfigur der Hexenprozesse von Salem.

Da hört er Schritte, die von oben kommen. Es ist ein alter, weißbärtiger Mann, doch erscheint er überraschend stämmig und kräftig, seine blauen Augen blicken wach, wenn auch ein wenig blutunterlaufen. Nur will sein lumpenartiges Äußeres gar nicht dazu passen. Der Besucher ist abgestoßen und verspürt Beklommenheit. Der Alte bietet höflich einen Stuhl an und erwähnt, es würden keine Postkutschen mehr von Arkham kommen und der Bezirkslehrer sei seit anno 84 verschwunden. Er setzt eine alte Brille mit achteckigen Gläsern auf. Dann bittet er seinen Besucher, aus dem „Regnum Congo“, das in Latein geschrieben ist, zu übersetzen.

Seine freundliche Geschwätzigkeit vermag das gierige Glitzern in den Augen kaum zu verbergen, mit der er seinen Gast belauert. Während des folgenden bizarren Gesprächs wächst in unserem jungen Besucher nicht nur der Ekel vor den sonderbaren Ausführungen seines Gastgebers, sondern auch die Gewissheit, dass der Alte ein böses Spiel mit ihm treibt und sein Opfer bereits in der Falle weiß …

|Mein Eindruck|

Diese frühe Erzählung aus dem Jahr 1920 wird selten abgedruckt, denn sie rührt an ein Tabu, der sehr unappetitlich ist: Kannibalismus. Der Alte verschlingt seine ahnungslosen Opfer, nach dem Vorbild der Bewohner des Kongo. Degeneration – ein häufig wiederkehrendes Motiv in Lovecrafts Erzählungen. Degeneration nicht so sehr im körperlichen Sinne (der Alte ist unnatürlich kräftig und gesund), sondern vielmehr im moralischen. Die Grenze zwischen Tier und Mensch existiert für den Alten nicht mehr.

Eingebettet in das Bild vom Haus des Menschenfressers ist die Warnung vor der unheiligen Vergangenheit Neu-Englands – der Verweis auf Cotton Mather spricht für den Eingeweihten Bände. Lovecraft entführt den Leser bzw. Hörer in diese andere Zeit, um ihn mit schaurigen Phänomenen zu konfrontieren und davor zu warnen.

Archäologen sind in dieser Phase seine bevorzugten Protagonisten – beispielsweise in „Der Hund“ in „Ruf des Dämon 1“, aber auch in vielen weiteren Erzählungen. Sie begegnen schrecklichen verbotenen Geheimnissen, denen ihr säkularisierter Verstand, der Gott entsagt hat, nicht entgegenzusetzen hat. Anfällig für alle Arten von „unheiligen“, blasphemischen und sonstigen Dingen, leisten sie auch selten Gegenwehr gegen die Großen Alten, von denen in der nächsten Geschichte die Rede sein soll.

_Handlung von „Die Farbe aus dem All“ (gesprochen von Simon Jäger)_

Es gibt eine Gegend am Miskatonic westlich von Arkham, wo die Berge steil emporsteigen, die man die „Verfluchte Heide“ nennt. Die früheren Bewohner sind fortgezogen, und Fremde werden hier nicht heimisch, weil schlechte Träume sie heimsuchen. Nur der alte Ammi Pierce, der unweit Arkham lebt, spricht über das, was hier einst blühte und gedieh, an der alten Straße, wo die Farm von Nahum Gardner lag. Die neue Straße macht einen großen Bogen nach Süden um dieses Gebiet herum.

Möge der geplante Stausee bald die verfluchte Heide bedecken und die seltsam unnatürlichen Farben auslöschen, in denen sie funkelt. Aber ob man vom Wasser dieses Sees trinken sollte, fragt sich der Landvermesser, der diese Gegend zuerst besucht hat. Die Heide mit ihrem stinkenden Moder, den verkrüppelten Bäumen und dem verdorrten Gras breitet sich jedes Jahr weiter aus.

Folgendes erfuhr er von Ammi Pierce, dem besten Freund der Familie Gardner: Dort, wo einst die florierende Farm von Nahum Gardner stand, umgeben von fruchtbarem Weideland und Obstanbau, existiert nur noch toter Staub, der das Sonnenlicht in merkwürdigen, unirdischen Farben reflektiert.

Alles begann, nachdem 1882 der Meteorit sich in der Nähe von Nahums Brunnen in die Erde gegraben hatte. Ammi ist überzeugt: Eine fremde Macht aus dem All versank in der Erde, kurz darauf setzten rätselhafte Veränderungen bei Tieren und Pflanzen ein. Die Natur schien aus dem Gleichgewicht, die armen Menschen – zuerst Mrs Gardner – wurden von einem Wahnsinn ergriffen oder verschwanden spurlos, und alle Dinge weit und breit begannen, in unbeschreiblichen, widerwärtigen Farben zu leuchten – bis heute …

|Mein Eindruck|

Dies ist eine der besten Geschichten des Meisters aus Providence. Sie besticht den Leser bzw. Hörer durch ihre reportagehafte Genauigkeit, die Kühlheit ihrer genauen Beschreibungen, die trotz des horriblen Inhalts dennoch von der Vernunft gesteuert werden, als habe Edgar Allan Poe selbst die Feder des Schreibers geführt. Auch die „Einheit der Wirkung“, eine zentrale Forderung Poes von der Kurzgeschichte, ist vollständig und vorbildlich erfüllt.

Diese Geschichte steigert sich in Stufen und mit Verschnaufpausen bis zu einem solch phantasmagorischen Moment kosmischen Schreckens, dass es ein Wunder wäre, wenn der Leser bzw. Hörer nicht davon ergriffen würde. Zuerst zeigen sich nur leise Andeutungen, die sich zunehmend verdichten, je schwerer die Beeinträchtigung von Nahum Gardners Farm wird. Ammi Pierce ruft auch Wissenschaftler der Miskatonic Universität herbei, die aber auch nicht allzu viel ausrichten können. Sie finden allerdings Kugeln in einer unirdischen Farbe, und es ist anzunehmen, dass diese Substanzen ihren Weg in den Brunnen und somit ins Trinkwasser der Gardners finden.

Schon bald ändert sich der Geisteszustand von Mrs Gardner. Ihr Mann sperrt sie auf den Dachboden, ihr folgen ihre drei Söhne. Das menschliche Drama nimmt seinen Lauf, bis selbst der Alte vom Wahnsinn ergriffen wird. Erst als Ammie Pierce Nachbarn und besorgte Bücher mobilisiert, um nach ihm zu sehen, erreicht der Horror seinen Höhepunkt. Sie blicken aus dem Farmhaus hinaus auf eine Vision der Hölle. Denn nun wächst das Grauen um eine weitere Dimension: das Grauen wird kosmisch. Es kommt von den Sternen und es kehrt zu den Sternen zurück, allerdings nicht ohne ein sinistres Erbe zu hinterlassen: die sich ausbreitende „verfluchte Heide“.

Diese Heide birgt etwas, das nicht nur physisch existiert, sondern auch die Träume des Heidebesuchers heimsucht. Wie schon Nahum Gardner sagte: „Es zieht einen an, man kommt nicht weg.“ Und deswegen blieb er auf seiner Farm bis zum bitteren Ende, ähnlich wie Ammi Pierce. Und ob der Landvermesser je davon loskommt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

_Die Gedichte (gesprochen von Simon Newby)_

|Astrophobos|

Das lyrische Ich beobachtet einen golden scheinenden Stern in der Nähe des Polarsterns und fabuliert von Schönheit, Heiterkeit, ja von himmlischer Herrlichkeit. Doch die Schönheit stellt sich als Trugbild heraus, als sich ein roter Schein darüber legt. Aus Hoffnung wird Hohn, aus Schönheit ein Zerrbild und aus Vergnügen Wahnsinn. Der Stern mag verschwinden, doch der Horror bleibt „forevermore“.

Das Gedicht hat in seiner gedanklichen und bildlichen Abfolge starke Ähnlichkeit mit Poes Gedicht „The Haunted Palace“, das in der Erzählung „Der Untergang des Hauses Usher“ nachzulesen ist.

Simon Newbys langsamer und gut verständlicher Vortrag erscheint mir sowohl falsch betont als auch falsch intoniert. Der Ton müsste nicht erschreckt klingen, sondern zunächst verzückt und in der zweiten Hälfte verrückt. Über die Aussprache der altertümlichen Wörter bin ich mit ihm als Anglist ebenfalls nicht einer Meinung.

|The Messenger| (|Der Bote|)

Dieses Gedicht lässt sich nur als Replik auf einen Journalisten verstehen. Bertrand Kelton Hart lebte fröhlich in Providence, Rhode Island, und arbeitete als Autor einer Kolumne für das Providence Journal, als er entdecken musste, dass das Wohnhaus der Figur Wilcox in HPLs berühmter Story „The Call of Cthulhu“ sein eigenes in Thomas Street Nr. 7 war.

Hart war nicht auf den Kopf gefallen und revanchierte sich in seiner Kolumne mit der Drohung, HPL in dessen Domizil in der Barnes Street einen Geist oder Ghoul auf den Hals zu schicken, der ihn täglich morgens um 3 mit dem Rasseln von Ketten wecken sollte.

Im Gedicht ist das lyrische Ich also vorgewarnt, glaubt aber nicht so recht an das Erscheinen des Gespenstes. Er fühlt sich vom Kreuz der Kirche (dem Elder Sign) beschützt. Die Kirchturmuhr schlägt drei, als auf einmal an der Tür ein Klirren und Rasseln von Ketten anhebt …

Simon Newby intoniert das Gedicht melodramatisch, doch ein koketter, zynischer Ton hätte zu der Haltung des Autors wohl besser gepasst.

|The House |

Gemeint ist das konkrete Haus auf Nr. 135 Benefit Street in Providence, Rhode Island. Dies hat HPL auch zu seiner bekannten und verfilmten Erzählung „The Shunned House“ („Das gemiedene Haus“) inspiriert.

Wie so viele Gruselhäuser in der Schauerliteratur ist auch dieses Haus entsprechend ausstaffiert, doch wird es lediglich von außen gezeigt, als wäre ein bewusstes Wesen von unermesslichem Alter, vor dem man sich fürchten sollte. Die Pointe ist jedoch die Haltung des Betrachters in der vierten Strophe. Ähnlich wie die Hauptfigur in der Story „Der Außenseiter“ wird sich der Betrachter bewusst, dass er schon einmal hier war, und zwar vor ziemlich langer Zeit. Wer oder was ist er?

|Mein Eindruck|

Diese Gedichte sind keine Balladen von Goethe („Erlkönig“ lässt sich auch als Grusel interpretieren) oder Schiller (der hatte mit „Der Geisterseher“ richtig guten Grusel-Trash geschrieben), sondern (außer in „The Messenger“) eine Art pseudoviktorianische Dekadenzlyrik, wie man sie vielleicht von einem Epigonen Baudelaires oder Poes erwarten könnte. Baudelaire schrieb richtig gute Vampirstorys in seinen Gedichten, die ab 1861 in „Die Blumen des Bösen“ veröffentlicht wurden.

Furcht vor den kalten und wankelmütigen Sternen gehört ebenso zu HPLs Standardrepertoire wie verfallende, sinistre Häuser und Geister. Die Gedichte bieten dem Kenner nichts Neues. Neu ist jedoch die Tatsache, dass sie erstmals in der Originalsprache auf einem deutschen Medium präsentiert werden, noch dazu von jemandem, der der englischen Sprache sehr gut mächtig ist.

|Die Sprecher|

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diese gruseligen Texte. In der actionbetonten Story „Der Hund“ hat mir sein Vortrag besser gefallen als in „Das Fest“, aber das liegt vor allem an der grundverschiedenen Machart der beiden Erzählungen. In „Das Fest“ muss die Musik einen ungleich größeren Beitrag zur gewünschten Wirkung leisten, was dazu führt, dass Jägers Vortrag ständig von Musik unterbrochen wird.

Auch Simon Newby, der in viel größerem Maße als Jäger als Schauspieler tätig gewesen ist, verfügt über eine ausdrucksstarke Stimme, die es ihm erlaubt, auch so schwierige Texte wie die auf alt getrimmten Gedichte HPLs vorzutragen. Über die korrekte Aussprache solcher exotischen Ausdrücke wie „fungi“ (= Pilze) und „foetor“ (eine Übersetzung dafür konnte ich in meinen Wörterbüchern nicht finden, aber es klingt nicht nach etwas Gesundem) lässt sich wohl streiten.

|Schwächen|

Die Freude über die Premiere der Gedichtvorträge wird dadurch getrübt, dass der Englischkenner statt des erwarteten britischen Akzents, der der britischen Schreibweise der Texte („colour“ und „splendour“ statt des amerikanischen „color“ und „splendor“) angemessen wäre, einen Akzent zu hören bekommt, der mit dem amerikanischen R viel mehr gemeinsam hat als das Britische. Stellt man sich vor, ein BBC-Schauspieler wie, sagen wir mal, Ian Holm würde die Gedichte vorgetragen, so erhielten sie eine ganz andere Versmelodie, die einem kalte Schauer den Rücken hinunterjagen würde. Statt der vorhandenen, gewollt düsteren Wirkung bekäme ich einen nobel erhabenen Vortrag. So jedoch ließen mich die Gedichte unberührt.

Die Forderung nach einem britischen Akzent ist nicht abwegig, denn HPL war erstens ein äußerst gebildeter Bewohner Neuenglands (wo man eher die britische Aussprache pflegte), kein Hinterwäldler aus Texas, und zweitens ein Verehrer von anderen Horrorschriftstellern wie etwa Poe, der ebenfalls sehr klang-abhängige Gedichte („quoth the raven >Nevermore<") verfasste, die für den Vortrag in einer Teegesellschaft bestimmt waren, nicht fürs Lesen. (Horror, richtig vorgetragen, packt das Gemüt des Zuhörers an Stellen, von denen dieser nicht einmal deren Existenz ahnte, und zerrt ihn dann unbarmherzig über die Kante des Abgrunds.)

Dass diese These hinsichtlich der Akustik zutrifft, belegt schon ein kurzer Blick auf das Klangschema der Verse von "The Cats": Da wimmelt es nicht nur von streng ausgeführten Kreuzreimen, sondern auch von Alliterationen wie "Babels of blocks" und "High heavens". Verse wie "Colour and splendour, disease and decaying" erwachen erst im angemessenen Vortrag zu Leben, um ihre gruselige Wirkung zu entfalten. Der Knackpunkt ist lediglich der "angemessene Vortrag". An diesem hapert es. Eine Sache der Einstellung zum Text.

Simon Jäger liest "eine Vision von Fuseli" [sic] statt "eine Vision wie von Füeßli", denn Lovecraft meint den Schweizer Maler schauriger Motive wie "Der Nachtmahr", das wohl sein bekanntestes Bild ist (ein dunkler Gnom sitzt auf dem Bauch einer ohnmächtigen, weißgewandeten jungen Frau, und hinterm Vorhang lugt ein weiterer Dämon hervor).

_Die Musik _

Da es keinerlei Geräuschkulisse außer ein paar Spezialeffekten (Hundegeheul etc.) gibt, beruht die emotionale Wirkung der Akustik einzig und allein auf dem Vortrag des Sprechers und auf der Musik. Die Musik stellt so etwas wie ein experimentelles Novum dar (wie so einiges auf dem Hörbuch). Sie wurde nicht von einem einzelnen Komponisten zwecks Aufführung durch ein Orchester geliefert, sondern wird von einem Musikerkollektiv erstellt und zugleich aufgeführt: dem "Orchester der Schatten".

Wie uns ein Blick auf die Biografien von Stephan Wolff und Matthias Manzke informiert, so sind beide Komponisten, Wolff noch viel mehr als Manzke. Der Musikdozent Wolff bewegt sich als Komponist in Jazz und Pop ebenso gewandt wie in Klassik oder Filmmusik. Ja, selbst für Kinder hat er Songs und Lieder komponiert. Er spielt Keyboards. Manzke trat in Jazzensembles und Bigbands auf, dirigiert und komponiert; auf dem Foto hält er ein Saxophon, das auf der CD ebenso erklingt wie seine Flöte. Neben diesen beiden Herrschaften gehören zum "Orchester der Schatten" noch Lady Merle Ehlers (Drums, Perc), Sven Hinse (Bass) und Bernhard Suhm (Cello).

Über den Einsatz von jazzbasierten Instrumenten und Musikmotiven in einer Gruselproduktion ließe sich trefflich streiten. Das Booklet behauptet, es handle sich um ein "Stummfilmorchester". Ich für meinen Teil konnte mich nach einer Weile daran gewöhnen, besonders an die einfühlsam eingesetzte Percussion und an das in unheimlichen Kadenzen schwelgende Piano.

|Soundqualität (DDD)|

Da alle Produktionsstufen auf digitaler Technik basieren, ist der Qualitätsverlust beim Aufnehmen und Übertragen sowie bei der Wiedergabe absolut minimal. Der Zuhörer bekommt folglich optimale Qualität zu hören, sofern er über das angemessene Equipment verfügt. Einem Computerlautsprecher aus China würde ich die CD nicht unbedingt überantworten, eher schon meiner HiFi-Anlage oder auch meinem DVD-Spieler.

_Unterm Strich_

Die Kombination aus "Der Ruf des Dämon 1: Dunkle Geschichten" und "Wälder der Finsternis" bietet dem Liebhaber gepflegten Grusels aus dem House Lovecraft eine interessante Mischung aus total Traditionellem – die Storys und Gedichte – und innovativ Neuem: Die akustische Untermalung durch das "Orchester der Schatten". Nicht jedem wird dieser zweite Aspekt schmecken, muss doch erst einmal eingefahrene Hörgewohnheiten ablegen oder umstellen, um sich für das Neue zu öffnen.

Abgesehen von einigen kritischen Punkten hinsichtlich der Gedichte halte ich das Hörbuch für eine herausragende Produktion. Das Textmaterial ist ebenso anregend wie die kreativ gestaltete Musik, und das achtseitige Booklet wartet mit umfangreichen, ausreichenden Informationen zu Autor, Orchester, den Machern und mit den Gedichttexten auf. Mehr kann man zu diesem Preis kaum verlangen. Für Lovecraft-Puristen dürfte das ganze Ding der Horror sein.

"Der Ruf des Dämon 2: Wälder der Finsternis" ist wohl eher eine Missinterpretation, denn weder in "Das Bild im Haus" noch in "Die Farbe aus dem All" stehen Wälder im Vordergrund, sondern eher am Rande des Geschehens. Besonders die zweite, sehr lange Erzählung ist ein Meisterstück HPLs, das jeder Fan kennen sollte. Es steht in einer Reihe mit Grundpfeilern des lovecraftschen Werkes wie "Der Schatten aus der Zeit" (1934) oder "Schatten über Innsmouth" (1936), obwohl es bereits 1927 entstand.

Das Audiobook bietet dem Liebhaber gepflegten Grusels aus dem Hause Lovecraft eine interessante Mischung aus total Traditionellem – die Storys und Gedichte – und innovativ Neuem: die einfühlsame akustische Untermalung durch das "Orchester der Schatten". Insgesamt also mehr etwas für Spezialisten.

Preislich ist diese Zusammenfassung der beiden separaten Hörbücher "Dunkle Geschichten" und "Wälder der Finsternis" ein Gewinn, denn statt zweimal knapp 20 Euro zahlt der Käufer nur noch knapp 15 Euro.

|Inszenierte Lesungen auf 4 Audio-CDs
Spieldauer: 240 Minuten
Info: The Hound; The Festival (1924/25); The Cats; The Wood, Festival;
Aus dem Englischen von Susanne Althoetmar-Smarczyk, Anke Püttmann (Bild im Haus) und Matthias Manzke (Farbe aus dem All)
ISBN-13: 978-3821863436|
[www.eichborn.de]http://www.eichborn.de

_Das |Gruselkabinett| von H. P. Lovecraft auf |Buchwurm.info|:_

["Carmilla, der Vampir" 993 (Gruselkabinett 1)
["Das Amulett der Mumie" 1148 (Gruselkabinett 2)
["Die Familie des Vampirs" 1026 (Gruselkabinett 3)
["Das Phantom der Oper" 1798 (Gruselkabinett 4)
["Die Unschuldsengel" 1383 (Gruselkabinett 5)
["Das verfluchte Haus" 1810 (Gruselkabinett 6)
["Die Totenbraut" 1854 (Gruselkabinett 7)
["Spuk in Hill House" 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
["Dr. Jekyll und Mr. Hyde" 2349 (Gruselkabinett 10)
["Untergang des Hauses Usher" 2347 (Gruselkabinett 11)
["Frankenstein. Teil 1 von 2" 2960 (Gruselkabinett 12)
["Frankenstein. Teil 2 von 2" 2965 (Gruselkabinett 13)
["Frankenstein. Teil 1 und 2" 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
["Die Blutbaronin" 3032 (Gruselkabinett 14)
["Der Freischütz" 3038 (Gruselkabinett 15)
["Dracula" 3489 (Gruselkabinett 16-19)
["Der Werwolf" 4316 (Gruselkabinett 20)
["Der Hexenfluch" 4332 (Gruselkabinett 21)
["Der fliegende Holländer" 4358 (Gruselkabinett 22)
["Die Bilder der Ahnen" 4366 (Gruselkabinett 23)
["Der Fall Charles Dexter Ward" 4851 (Gruselkabinett 24/25)
["Die liebende Tote" 5021 (Gruselkabinett 26)
["Der Leichendieb" 5166 (Gruselkabinett 27)
["Der Glöckner von Notre-Dame" 5399 (Gruselkabinett 28/29)
["Der Vampir" 5426 (Gruselkabinett 30)
["Die Gespenster-Rikscha" 5505 (Gruselkabinett 31)
["Jagd der Vampire. Teil 1 von 2" 5730 (Gruselkabinett 32)
["Jagd der Vampire. Teil 2 von 2" 5752 (Gruselkabinett 33)
["Jagd der Vampire" 5828 (Gruselkabinett 32+33)
["Die obere Koje" 5804 (Gruselkabinett 34)
["Das Schloss des weißen Lindwurms" 5807 (Gruselkabinett 35)
["Das Bildnis des Dorian Gray (Gruselkabinett 36/37)"]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919
["Die Maske des roten Todes" (Gruselkabinett 46)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735
["Verhext" (Gruselkabinett 47)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734