Als Science-Fiction-Leser kommt man ja kaum an paranormal begabten Wesen vorbei, seien sie nun als „positive Mutanten“ oder als natürlich begabt beschrieben. Oft trifft man auch auf Außerirdische, die mit Gedankenkraft Dinge bewegen oder Gedanken lesen können. Prominentes und aktuelles Beispiel sind die Yedi und Sith der Star-Wars-Saga, wobei hier diese Fähigkeiten seit Episode I leider etwas entmystifiziert wurden.
In „Die seltene Gabe“ nimmt sich Andreas Eschbach dieses Themas an, indem ein junges Mädchen der heutigen Zeit eine Erfahrung der besonderen Art macht: Sie trifft im urlaubsleeren Haus ihrer Eltern auf einen jugendlichen Einbrecher, der scheinbar von der ganzen Polizei der Stadt gesucht wird. Und dabei ist er ganz normal – bis auf seine unglaubliche Fähigkeit. Er bezeichnet sich als Telekinet, der parawissenschaftliche Ausdruck für jemanden, der Materie kraft seines Willens bewegen kann. Und er ist auf der Flucht vor französischen Militärwissenschaftlern, die ihre Forschungen an ihm betreiben wollen. Ein Fluchtweg bietet sich: Mit Marie als Geisel und mit verändertem Aussehen geht es an den Streifen vorbei, die bisher nach nur einer Person fahnden. Aber um die Ecke steht ein alter Bekannter: ein Telepath, der die Polizei mit seiner Gedankenleserkraft unterstützt!
Informationen zu Andreas Eschbach finden sich auf seiner Seite http://www.andreaseschbach.de/
Man wird langsam an die Probleme, die diese Andersartigkeit hervorruft, herangeführt; Eschbach versucht nicht, in einem kompakten Abschnitt alles zu erklären. So versteht mit uns als Leser auch die Ich-Erzählerin Marie erst durch ihre Erlebnisse, was den Jungen Armand eigentlich zum Außenseiter macht und wie er damit klarkommt. Gleichzeitig hegt das Mädchen geheime Sympathien für ihn, die durch „ihre“ Erzählung auf den Leser übertragen werden – Eschbach bearbeitet so eine Seite des Themas „Xenophobie“, ohne dass die Botschaft, tiefgründig zu verstehen und nicht vorschnell zu urteilen, plakativ ins Bewusstsein gedrängt wird. Vordergründig erzählt er eine spannende Geschichte, eine Verfolgungsjagd aus der Sicht der jugendlichen Verfolgten und von den zwischenmenschlichen Spannungen, die sich aufbauen, eskalieren – und schließlich zusammenschweißen.
Der Erzählton ist sehr überzeugend, hier erzählt eine etwa Siebenzehnjährige von einem unglaublichen Erlebnis, aber die potenziellen Leser sind schon etwas älter als diejenigen des „Marsprojekts“. Die dortigen wirklich sehr leichten Andeutungen zwischengeschlechtlicher Beziehungen beispielsweise beschränken sich auf Begebenheiten wie das Treffen Gleichaltriger; im vorliegenden Roman wird Eschbach schon konkreter, ohne ins Detail zu gehen. Im Endeffekt wird der Leser auch im Unklaren gelassen, ob die beiden nun „was hatten“ oder nicht. Mit Maries Worten: Das geht uns überhaupt nichts an!
Bei einer Verfolgungsjagd darf natürlich nicht nur die Polizei mitspielen, sondern entsprechend der Wichtigkeit und bisherigen Geheimhaltung der „seltenen Gabe“ ziehen die Geheimdienste in Wirklichkeit die Fäden. Erstaunlich ist, dass Marie im Gegensatz zu gängigen Klischees nicht bei Strafandrohung verboten wird, von ihren Erlebnissen zu erzählen, im Gegenteil: Der deutsche Agent meint dazu nur, dass ihr niemand glauben wird. Würde ihr jemand glauben, in unserer beweissüchtigen Gesellschaft? Sicherlich gäbe es ein paar Astrologen und derartige Gruppen, die sich durch so einen Bericht bestätigt sehen würden. Aber Eschbach hat Recht, wenn er behauptet, man würde es als Fantasie abtun oder als Kunststück à la David Copperfield bewundern. Schade, dass nicht mehr Raum bleibt für unbekannte Phänomene.
Zum Schluss
… bleibt noch das Fazit: Ich würde das Buch sogar für den Deutschunterricht vorschlagen, denn Eschbach ist ein Phänomen der heutigen Unterhaltungsliteratur und diese Erzählung bietet zugleich spannende Unterhaltung und Ansatzpunkte für gesellschaftskritische Diskussionen. Aber bezüglich Deutschunterricht habe ich nichts zu sagen, also lege ich das Buch einfach jedem als Lektüre ans Herz.
Der Heyne-Verlag bringt derzeit den „erweiterten Foundation-Zyklus“ neu in einer einheitlichen Ausgabe heraus – ohne dabei allerdings chronologisch vorzugehen. So erschienen die Bände, die direkt mit der Foundation in Verbindung stehen, zuerst, und erst nach und nach folgen die frühen Romane, mit denen Asimov den Brückenschlag zwischen seinen beiden großen Werken vollführte: Robotergeschichten und Foundation. Der erste Band der Reihe, „Meine Freunde, die Roboter“, umfasst die wichtigsten und bekanntesten Robotergeschichten, in denen Asimov „Die drei Gesetze der Robotik“ formulierte und in jede denkbare Richtung diskutierte.
Erstes Gesetz:
„Ein Roboter darf keinem menschlichen Wesen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“
Zweites Gesetz:
„Ein Roboter muss Befehlen gehorchen, die ihm von menschlichen Wesen erteilt werden, es sei denn, diese Befehle stünden im Widerspruch zum Ersten Gesetz.“
Drittes Gesetz:
„Ein Roboter muss seine eigene Existenz schützen, es sei denn, dies stünde im Widerspruch zum Ersten oder Zweiten Gesetz.“
Im zweiten, vorliegenden Band „Die Stahlhöhlen“ finden sich die zwei Romane „The Caves Of Steel“ und „The Naked Sun“. Hier sind bereits zwei menschliche Gesellschaften anzutreffen, aus denen Asimov das spätere Galaktische Imperium entwickeln sollte. Die so genannten „Spacer“ sind Nachkommen der ersten großen Siedlungswelle der Menschheit, sie besiedeln fünfzig fremde Planeten, die so genannten „Äußeren Welten“. Durch Genmanipulation sind sie sehr langlebig, da einigermaßen keimfrei, allerdings auch sehr anfällig bereits gegenüber für Erdenmenschen unbemerkbaren Bakterien. Daraus entwickelte sich eine Angst vor Ansteckung, die schließlich zur Isolation der Erde führte. Außerdem benutzen die Spacer Roboter und entwickelten sie weiter, so dass sie auch technisch der Erde überlegen sind. Ihre Isolationspolitik und ihre instabile Immunität verhindert eine weitere Ausbreitung der Spacer über die bewohnbaren Welten der Galaxis.
Auf der Erde werden Roboter gehasst. Man sieht in ihnen vor allem Konkurrenten um die Arbeitsplätze, aber die Regierung kooperiert mit den Spacern, die sich für eine langsame Einführung der Roboter in die irdische Gesellschaft aussprechen.
Die Menschen leben in gigantischen Städten, riesige Bauten aus Stahl (= die Stahlhöhlen) und haben schon seit Generationen kein natürliches Licht oder die Freiheit unter offenem Himmel gesehen. Hier hat sich sogar eine Phobie entwickelt.
Es gibt eine kleine, abgegrenzte Siedlung der Spacer auf der Erde, und genau dort geschieht ein unerhörtes und für die wackeligen Beziehungen gefährliches Verbrechen: Ein Spacer wird ermordet! Elijah Baley, Ermittlungsbeamter der Polizei, wird auf den Fall angesetzt. Ihm zur Seite steht der absolut menschliche Roboter R. Daneel Olivaw, der ursprünglich dazu gebaut wurde, sich unauffällig unter den Menschen zu bewegen.
Baley fängt an, Informationen zu sammeln, tappt aber mehrmals in Sackgassen, ehe sich Licht am Horizont zeigt. Und plötzlich findet er sich in einer Intrige wieder, durch die ihm eine schlimme Bestrafung droht.
Der Autor
Isaac Asimov wurde 1920 in der Sowjetunion geboren, 1923 schon wanderten seine Eltern nach New York aus. Asimov studierte Chemie und arbeitete zeitweise als Dozent; bereits im Studium schrieb er seine ersten Kurzgeschichten. Er war ein sehr produktiver Autor, der neben Science-Fiction-Erzählungen auch populärwissenschaftliche Bücher veröffentlichte. Neben Robert A. Heinlein und Arthur C. Clarke zählt man Asimov zu den bedeutendsten SF-Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts. Er starb im Jahr 1992.
Ein „typischer Asimov“
Stilistisch gesehen, ist Asimov ein Unikat. Seine Romane sind geprägt durch Dialoge, die nur skizzierte Beschreibungen und beschriebene Handlung zulassen und trotzdem eine farbige Welt für die Vorstellung des Lesers entwerfen, in die er sich versenken kann. Gleichzeitig stellen sich den Protagonisten oft knifflige Aufgaben, die meist eine Jagd nach Informationen nach sich ziehen und im Kopf gelöst werden, ehe der Protagonist in einer verbalen Konfrontation die Lösung präsentiert und etwaige Täter überführt. Asimovs Geschichten erhalten dadurch oft den Anstrich einer Kriminalgeschichte, zumal die Protagonisten meist im Auftrag einer gerechten Organisation handeln (wie zum Beispiel Lucky Starr die Robotpsychologin Susan Calvin, die wiederum Anfang 2005 in dem ansonsten recht stimmigen Film „I, Robot“ sehr untypisch dargestellt wurde).
Elijah Baley ist Ermittlungsbeamter, passt also hervorragend in das typische Asimov-Muster. Im ersten Teil kommt Baley etwas christlich daher, kennt scheinbar die gesamte Bibel auswendig und zitiert mehrmals moralische Stellen. Es lässt sich aber zum Glück bemerken, dass dieser Charakterzug einen wichtigen Teil in der Stimmung der Geschichte ausmacht, indem er dem unpersönlichen R. Daneel einen Hauch Menschlichkeit verleiht.
Asimov stellt dem Leser nacheinander die Charaktere vor und fängt uns in einem Netz aus Indizien, die fast jeden für die Tat (es handelt sich in beiden Teilen um Mord) denkbar erscheinen lassen. Im ersten Teil ist das Rätsel sogar noch undurchsichtiger für uns, das tut dem zweiten Band allerdings keinen Spannungsmangel an, denn gekonnt werden wir durch die Details geleitet, aus denen sich die Welt der Menschen (Erdlinge und Spacer) zusammensetzt, und viele von Baleys Gedankengängen bleiben uns ebenso verborgen wie seinem Partner Daneel oder den Außenstehenden. So werden wir von Asimovs immer bestechender Logik überrascht, mit der er Baley die Fälle aufdröseln lässt, bis sich die Erkenntnis einstellt.
Es ist erstaunlich, wie detailliert Asimov eine Welt zu beschreiben vermag, indem er eine Ermittlung in einem Mordfall durchführen lässt. Dass dabei wieder einmal die Gesetze der Robotik attackiert und überprüft werden, macht erstens die Geschichte für den interessierten Leser noch lesenswerter und spricht außerdem für Asimovs Ehrgeiz, seine ambitionierteste Entwicklung hieb- und stichfest zu untermauern.
Es gibt ein paar kleine Schönheitsfehler, von denen einige wahrscheinlich in der Übersetzung gesucht werden müssen. So heißt Baleys Frau, genannt Jessie, zuerst noch „Jezebel“, was in biblischer Form „Isebel“ bedeutet. Am Ende des ersten Bandes wird es so dargestellt, als heiße sie wirklich Isebel. Noch härter ist, dass sie im zweiten Band plötzlich mit „Jessica“ vorgestellt wird … Einzig wirklich geärgert hat mich, als mir ein gedrucktes „frägt“ in die Augen sprang. Bisher war ich der Meinung, so was gäbe es wirklich nur umgangssprachlich, aber keinesfalls sollte es in einem Buch auftauchen! Nun, dagegen verblassen Kleinigkeiten wie „dass er neben mir gesessen war“ und solche Dinge.
Bleibt als Fazit zu ziehen, dass der Doppelroman wirklich außerordentlich unterhaltsam ist, für jederman empfehlenswert, der sich an der interessanten Art von Asimovs Stil und Logik erfreuen kann. Und glücklicherweise bleibt uns die Gewissheit, dass ein Roboter uns nicht ersetzen kann, denn „er ist zwar logisch, aber nicht vernünftig“.
Der erweiterte Foundation-Zyklus
Meine Freunde, die Roboter Die Stahlhöhlen
Der Aufbruch zu den Sternen
Das galaktische Imperium
Die frühe Foundation-Trilogie
Die Rettung des Imperiums
Das Foundation-Projekt
Die Foundation-Trilogie
Die Suche nach der Erde
Die Rückkehr zur Erde
Der junge Wasserbaumeister Marcus Attilius Primus wird nach Misenum am Fuß des Berges Vesuv beordert, um neuer Aquarius des römischen Aquädukts Aqua Augusta zu werden, nachdem sein Vorgänger Exomnius spurlos verschwunden ist. Die Aqua Augusta versorgt eine Reihe Städte rund um den Vesuv herum mit dem Zeichen der Zivilisation, dem Wasser. Bald nach Attilius‘ Ankunft sterben kostbare Fische im Becken des reichen Ampliatus, das Wasser ist mit Schwefel vergiftet; der Fluss der Augusta versiegt, die Wasservorräte reichen nur noch für zwei Tage. Attilius berechnet den Abschnitt des Aquädukts, in dem der Defekt zu finden sein muss, und lässt sich mit einer Sklavenmannschaft nach Pompeji verschiffen, um von dort aus die Reparatur zu starten.
In Pompeji herrschen merkwürdige Zustände: Der ehemalige Sklave Ampliatus verschaffte sich in der Zeit nach dem großen Erdbeben einen neuen Status, entwickelte einen ausgeprägten Geschäftssinn und fesselte die mächtigen Familien der Stadt an sich. So ist er der eigentliche Herrscher und bewirkt gegen den Willen der Offiziellen, dass Attilius geholfen wird (damit hofft er auch, den neuen Aquarius in seine Schuld zu ziehen).
Attilius gelingt es, den Aquädukt provisorisch zu reparieren, aber zunehmende kleine Erdbeben steigern auch seine Unruhe. Aus verräterischen Schriftstücken, die ihm von Ampliatus‘ Tochter zugespielt werden, kommt er einem großen Betrug auf die Spur, die in Zusammenhang mit Exomnius‘ Verschwinden zu stehen scheinen. Exomnius stammte von Sizilien, kannte den Ätna und seine Vorboten, und bei der Lektüre dieser Schriftstücke erkennt Attilius, was außer Exomnius niemand erkannt hatte. Es gab Verbindungen zwischen Ätna und Vesuv! Attilius erklimmt den Berg und findet Exomnius‘ Leiche, gestorben in giftigen Dämpfen. Die Beben werden stärker, Attilius flieht vom Vesuv, dessen Gefährlichkeit lange verkannt wurde.
_Robert Harris_, geboren 1957 in England, arbeitete als Redakteur, Reporter und Kolumnist; für Letzteres erhielt er eine Auszeichnung. Vor „Pompeji“ schrieb er die Bestseller „Vaterland“, „Enigma“ und „Aurora“.
|Pompeji| ist ein wohl recherchierter historischer Roman, der die ganze Tragik des Vesuvausbruchs, der schließlich zur Einäscherung Pompejis führte, darstellt. Mit Attilius bedient Harris sich eines Protagonisten, der nach dem Ausbruch nicht mehr gesehen wurde. Geschickt verbindet Harris Erzählungen und Fakten, um die persönliche Geschichte des Aquarius zu erzählen und ein mögliches Happy-End für ihn aufzuzeigen.
Den Kapiteln vorangestellt sind jeweils kurze Abschnitte aus Schriften zum Vulkanismus, so dass der Leser eine ungefähre Vorstellung von den Vorgängen bei einem Ausbruch bekommt; außerdem wirken sie wie ein Countdown, je näher der Ausbruch rückt. Alle gesponnenen Fäden werden verknüpft und liefern ein stimmiges Gesamtbild, so dass kein Detail zu erkennen ist, das für die Erzählung unnötig erschiene. Stundenweise schreitet die Zeit voran, manchmal muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass Harris diese Ereignisse an drei Tagen statt finden lässt, denn viel passiert in dieser Zeit. Attilius scheint fast ohne Schlaf auszukommen, aber tatsächlich lässt Harris das nicht unberücksichtigt.
Eine weitere sympathische Figur ist der militärische Befehlshaber Plinius, auf den gleichzeitig viele wichtige Schriften aus dieser Zeit zurückgehen, zum Beispiel die |Historia Naturalis|, aus der Harris auch mehrfach zitiert. Plinius sieht in dem Vulkanausbruch das letzte Geheimnis der Natur, das schriftlich festzuhalten ihm in seinem Leben vergönnt ist. So begibt er sich mit wissenschaftlichem Eifer in höchste Gefahr und liefert eine derart genaue Beschreibung des Hergangs, dass noch heute in der Wissenschaft der Ausdruck „plinianisch“ für einen derartigen Vulkanausbruch steht.
Warum allerdings Oberaufseher Corax einen tödlichen Hass auf Attilius hat, wird nicht ganz deutlich. Erwähnt wird, dass er auf das Amt des Aquarius gehofft hatte, doch diese Erklärung ist etwas unbefriedigend. Wahrscheinlich ist es menschliche Abneigung, die sich über diesen Punkt in Hass entwickelt.
Insgesamt kann gesagt werden, dass „Pompeji“ zu Recht ein Bestseller ist, denn er liest sich flüssig und spannend und bietet hervorragende Unterhaltung bei gleichzeitiger Vermittlung interessanter Fakten zu einer historischen Begebenheit.
Mit dem superneuen Raumschiff, der BUZZ ALDRIN, kommt Urs Pigrato, der Sohn des unbeliebten Statthalters der Marskolonie, zum Mars. Und ihm zeigt natürlich keiner, wie man die Verschlüsse eines Raumanzugs richtig bedient. Das ist im Weltraum immerhin eine Selbstverständlichkeit, die man im Schlaf beherrschen muss.
Urs erwartet, von den Marskindern gut aufgenommen zu werden, aber Carl hat einen Plan ausgeheckt, wie man den Fremden wieder loswird: Einfach ignorieren! So entsteht zwischen den vier Einheimischen und Urs eine unterkühlte Atmosphäre.
Den Kindern ist momentan der Aufenthalt bei den blauen Türmen verboten, denn viele Wissenschaftler sind nun dort stationiert und versuchen, sie zu erforschen. So müssen sich die Kinder im Alltag der Station langweilen. Dort passiert auch umgehend ein Zwischenfall: Der Reaktortechniker, der an Diabetes leidet, fällt auf einem Ausflug mit dem Rover ins Koma (wegen Unterzucker). Gleichzeitig wird von einem Saboteur die Kom-Anlage zerstört, so dass niemand in der Siedlung um Hilfe gerufen werden kann. Nur Urs, der bei dem Techniker ist, findet eine uralte Notrufeinrichtung, die noch funktioniert, und kann so das Schlimmste verhindern. Jetzt kommen sich die Jugendlichen doch näher, und ihre gemeinsame Frage lautet: Wer sabotiert auf dem Mars und nimmt dabei sogar Tote in Kauf? Keiner der Einheimischen, so viel ist sicher …
Andreas Eschbach lebt mittlerweile in der Bretagne in Frankreich (im Urlaub, wie er es nennt) und schreibt dort an verschiedenen Projekten. Noch 2005 soll ein weiterer Roman zur Perry Rhodan-Serie erscheinen, außerdem ist ein Roman in Arbeit, der mal wieder ganz anders als alle anderen werden soll. Da kann man ja mal gespannt sein. „Das Marsprojekt – Die blauen Türme“ ist der zweite Band seiner Jugendbuchreihe bei Arena.
Im vorliegenden Roman entwickelt Eschbach eine Kriminalgeschichte und versteht es entsprechend, selbst erwachsene Leser aufs Glatteis zu führen – auch wenn man im Nachhinein über seine eigene Leichtgläubigkeit lächeln kann. Eschbach entwirft zwei neue Charaktere, den neuen Sicherheitschef der Kolonie und einen dubiosen Journalisten. Einer von beiden scheint der Saboteur zu sein, man meint sogar, Eschbachs Verschleierungstaktik durchschaut zu haben, doch am Ende wird man überrascht. Toll gemacht und wieder sehr spannend zu lesen.
Im ersten Band spielte die Künstliche Intelligenz AI-20 noch eine zentrale Rolle. Das nimmt Eschbach jetzt etwas zurück und stellt die Charaktere in den Vordergrund, vor allem den „Neuen“ Urs Pigrato und seinen Vater Tom Pigrato, der auf einmal gar nicht so mies zu sein scheint, denn durch die Ansicht über den Sohn erhält er neue Facetten.
Bei den Marskindern bleibt die Entwicklung auch nicht stehen. Ariana, die offensichtlich voll in der Pubertät steckt, sehnt sich nach anderen Gleichaltrigen und plant deshalb die Rückkehr zur Erde. Bei näherem Nachdenken stellt sie aber fest, dass sie ihre Freunde Carl, Elinn und Ronny gar nicht verlassen will. Da bietet sich doch der fünfzehnjährige Urs als Trainingsobjekt an, denn irgendwie wird ihr immer ziemlich mulmig im Bauch, wenn sie ihm begegnet.
Eschbach geht einen Schritt weiter in Richtung „außerirdische Lebensformen“ und hebt die Decke über Elinns Geheimnis ein wenig: Das Leuchten und die Artefakte, die sogar laut Molekularanalyse natürlichen Ursprungs sind, werden zum festen Bestandteil im Leben der Marskinder (zu denen jetzt auch Urs gehört). Wahrscheinlich erwarten uns in diesem Bereich noch einige Überraschungen in den nächsten Bänden, denn die Gefahr der Sabotage konnte fürs Erste gebannt werden, aber die Türme hüten ihre Geheimnisse gut. Da muss unsere Hoffnung auf den Kindern liegen, und Urs spielt dabei keine unwesentliche Rolle! Es macht ihn gleich sympathisch, dass er sich gegen die Spionageversuche seines Vaters sträubt.
Mit dem Marsprojekt entwickelt Eschbach eine spannende, einfach und flüssig zu lesende Geschichte um unseren sagenumwobenen Nachbarplaneten, die sicherlich noch einiges zu bieten hat. Es lohnt sich, das Projekt zu verfolgen, und die Bücher bieten Jugendlichen einen schönen Einstieg in die Geheimnisse unserer Zukunft. Ich warte gespannt auf den nächsten Band.
gebunden, 304 Seiten
Originalausgabe
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,88 von 5)
»Es bewegt sich etwas in der deutschsprachigen Science-Fiction-Landschaft…«
– Armin Rößler 2005 im Vorwort zu „Überschuss“
Aus der ersten SF-Anthologie des Wurdack-Verlags „Deus Ex Machina“ wurden gleich mehrere Geschichten sowohl für den Kurd-Laßwitz-Preis als auch den Deutschen Science-Fiction-Preis nominiert. Neben ganz neuen Autoren, die durch das ambitionierte Projekt des Wurdack-Verlags die Möglichkeit erhalten, ihre ersten Geschichten zu veröffentlichen, melden sich auch in der Szene bekannte Autoren wie Markus K. Korb, Thorsten Küper oder zuletzt in „Walfred Goreng“ sogar Profis wie Ernst Vlcek und Helmut W. Mommers zu Wort. „Überschuss“ ist eine Sammlung von 19 Geschichten deutscher und österreichischer Autoren, die laut Klappentext auch „neue Fragen auf konventionelle Antworten“ wagen.
Überschuss – Thorben Kneesch (Physiker)
Die Titelstory bietet gleich ein erschreckend denkbares Modell der menschlichen Zukunft, vor allem mit der derzeitigen Arbeitslosenpolitik der Bundesregierung im Blick. Kneesch lässt die weitere Entwicklung streiflichtartig vorüberziehen und steuert eine klassisch tragische und ausweglose Situation an, um mit einem Hammer zu enden. Sehr gelungen!
Der Irrtum – Lutz Herrmann (Dozent für Physik und Chemie)
Die Handlung ist absolut nachvollziehbar, kein abgedrehter Text, ganz normal geschrieben – und trotzdem hab ich die Geschichte erst jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen, wirklich verstanden. Direkt nach dem Lesen bleibt das Gefühl des Nichtverstehens, aber die Ansätze werden vermittelt. Erst wenn man darüber nachdenkt, warum die Story ihren Titel trägt, kommt die Erkenntnis. Tragisch. Das Schicksal von Menschen, durch Irrtümer drastisch veränderbar.
Barrieren – Armin Rößler_ (Journalist)
Die Angst vor dem Fremden – immer wieder Grundlage von Missverständnissen und Kriegen. Oder ein oft thematisierter Gegenstand in der Science-Fiction, wenn Menschen mit überragenden Fähigkeiten ausgenutzt, aber auch gefürchtet werden. Luz ist einer von ihnen, aber er hat seine eigene Überzeugung und sucht einen Weg, seinen Leuten gegen alle Gefahren zu helfen. Fesselnd geschrieben!
Nur ein Gedanke – Birgit Erwin (Referendarin für Anglistik und Germanistik)
Ob schon mal jemand auf den Gedanken gekommen wäre, eine Fritte ins All zu schicken? Nein, warum auch. – Zu diesem Zeitpunkt ist man gewarnt, ahnt aber noch nicht das Ausmaß der Geschichte. Erwin fackelt ein ironisches Feuerwerk ab, bei dem eine Blödheit der anderen folgt und eine Verkettung merkwürdiger Zufälle schließlich zum Höhepunkt führt. Ob schon mal jemand auf die Idee gekommen wäre, eine Sternschnuppe zu bauen?
Der Spaziergang – Markus K. Korb (Herausgeber)
Wie schön Protagonist Wilson sich ausmalen kann, wie der Tod kommen würde. Und wie zynisch sich der Tod anschleicht. Wunderbar geschrieben.
Der Untergang der Titan – Bernhard Weißbecker (Physiker, Agarwissenschaftler)
Die irrigen Wege der Medien und die ungebrochene Sensationsgier der Menschen. Entscheidung zwischen einer Freudenfeier und einem Stierkampf. Wieder eine Geschichte für den Zynismus.
Nicht ganz Atlantis – Andrea Tillmanns (Physikerin)
Obwohl recht schnell einigermaßen klar ist, worum es geht, ist die Geschichte so gut erzählt, dass sie den Leser bis zum Schluss fesselt. Eine Art von Kulturschock bricht herein, eine Katastrophe führt zu einem unwürdigen Leben. Es ist eine etwas längere Geschichte, aber wert, erzählt worden zu sein.
Strafvollzug – Peter Hohmann (Sport-Anglistik-Student)
Sehr unterhaltsam und flüssig zu lesen. Leider steht die Pointe als offene Drohung im Hintergrund. Hohmann schafft es aber, eine tragische Geschichte zu erzählen.
Wider Willen – Axel Bicker (Physiker)
Wieder einmal herrscht der Feudalismus auf neu erschlossenen Planeten. Und der Sohn lehnt sich nicht auf. Aber Bicker erzählt eine alte Thematik in neuem Gewand. Sehr spannend.
Das Festtagsprogramm – Thorsten Küper (Lehrer)
Eine durch und durch hinreißende Geschichte, die vom ersten bis zum letzten Wort spannend ist. Mit jedem Satz verdichtet sich das Bild, ein Thriller, dessen Ende eine Horrorzukunft beschwört. Meisterhafte Unterhaltung.
Die Spirale – Nina Horvath (Biologie-Studentin)
Philosophische Gedankenspielerei, die aber zum Mitdenken animiert und (da es sich um existenzielle Spekulationen handelt) mehrere unergründliche Lösungen bietet, um schließlich zu einer erschreckenden Konklusion zu kommen.
Der Besucher – Uwe Herrmann (tätig in der Kunststoffbranche)
Der Außerirdische selbst ist nicht weiter ungewöhnlich. Aber sein Ursprungsplanet umso mehr. Er ist nämlich so weit von allen Galaxien entfernt, dass selbst die Naturgesetze ihn nicht erreicht haben, weil sich der Aufwand nicht lohnt. Wir erhalten eine neue Erkenntnis um die Intelligenzverteilung auf der Erde und erfahren erleichtert, dass das Säbelrasseln der Amerikaner nicht jeden einschüchtert. Zum Schmunzeln.
Albas bestes Spiel – V. Groß (studierte Erziehungswissenschaften, Sozialpsychologie, Sprachwissenschaften)
Ein Spiel entscheidet. Spannend geschrieben, enthüllt Groß nach und nach die Ursache eines Streits, und als man endlich hoffen kann, führen die Spielsucht und die Entschlossenheit der potenziellen Retter zum tragischen Ende. Die beiden letzten Absätze sind überflüssig, verdeutlichen nur die ohnehin deutliche Pointe. Trotzdem toll.
Flasken – Edgar Güttge (Übersetzer)
Ich hätte ja die letzten drei Absätze weggelassen. Insgesamt eine flotte Geschichte, die vor satirischen Elementen nur so strotzt. Der Nihilist Friedhelm Nichtsche zum Beispiel. Güttge hat wohl alles, was ihm an Humor gekommen ist, hier verbraten, zwischen Flasken, Flaschen und Flachsen. Manchmal vielleicht etwas viel, insgesamt aber flüssig und sehr unterhaltend.
Das Buch – Ilka Sehnert (Sängerin, Schauspielerin)
Sehr fragmentarisch, aber auch eindringlich. Warnend vor dem Vergessen und der Kontrolle. Eine Vision nach Orwell und Bradbury, mit einem Lichtblick.
Der Bewohner – Bernhard Schneider (Physiker)
Eine Geschichte, die auf den gleichen Grundlagen ruht wie „The 13th Floor“ und „The Matrix“. Trotzdem ist sie äußerst originell, denn die philosophischen Fragen, die bei den genannten Geschichten entschlüsselt werden, finden hier keine Lösung. Diese Geschichte ist der Knaller dieser Sammlung!
Alles wandelt sich – Antje Ippensen
Inmitten der Geschichten mit düsteren Visionen hebt sich diese hier wunderbar ab. Sie löst ein hoffnungsvolles Gefühl aus, sieht allerdings die Rettung der Erde nicht durch die alleinige Kraft der Menschen kommen, sondern durch aufopferungsvolle Hilfe von außen. Als eine Warnung vor den naturzerstörerischen Machenschaften der Menschen sieht sie die Zukunft trotzdem nicht verloren.
Allmacht – Uwe Sauerbrei (Geophysiker)
Schön schnelle Geschichte, aber das Wichtigste bleibt ungeklärt: Woher kommt die Allmacht? Wohl ein Fehler in irgendwelchen kosmischen Systemen, wird ja auch temporal bereinigt. Immerhin giert der Allmächtige nur nach Wissen, nicht nach Überlegenheit. Unterhaltsam.
Fallstudie: Terroristin Jenny S. – Heidrun Jänchen (Physikerin)
Fehlinformation der Medien (oder durch die Medien) und ständig gelockerte ethische Vorstellungen machen schnell aus einer Frau eine Terroristin, die sich in einer genmanipulierten Welt eine natürliche Schwangerschaft wünscht. Schlaglichtartig leuchtet Jänchen die Verhältnisse in dieser Welt aus und skizziert eine dramatische Entwicklung. In der Welt gibt es menschliche Ersatzteillager; sogenannte „defekte“ Menschen haben keine Rechte und keine Zukunft mehr. Es ist eine brandaktuelle Diskussion um ethische Grundsätze und Gentechnik. Schnell und eindringlich zu lesen, ein würdiger Abschluss der Anthologie.
Fazit
„Überschuss“ ist eine wunderschön zusammengestellte Sammlung von hervorragenden Geschichten, die sich zum Teil eindringlich mit aktuellen schwierigen Themen befassen oder humoristisch unterhalten – oder beides.
Eine Geschichte für Zwischendurch oder mehrere Geschichten am Stück: Nie wird die Lektüre langweilig, jede Story wartet mit einer eigenen Idee und eigenem Stil auf. Für jeden Science-Fiction-Freund zu empfehlen; man wird seine Freude haben – und auch für jeden anderen an unserer Welt Interessierten bietet die Anthologie spannende Unterhaltung. Ein starkes Stück!
broschiert, 196 Seiten
ISBN-13: 978-3938065112
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
Man befindet sich wieder in der Gegenwart. Perry Rhodan und sein kleines Team kämpfen in der Bestien-Station um ihr Überleben und stoßen dabei auf ein schreckliches Geheimnis: In tausenden von Tanks wurden seit Jahrtausenden Bestien gezüchtet, doch erst bei Bedarf erweckt. Das überschüssige Material wurde in einem ewigen Zyklus wieder aufgelöst und zur erneuten Zucht verwendet. Jetzt stehen auf mehreren Planeten hunderttausende Bestien für den erneuten Krieg bereit, und die Maschinerie produziert unablässig Kampfraumschiffe.
Aufgrund der mehrdimensionalen Strahlung durch das Hyperkristallvorkommen gibt es keinen Funkkontakt zur PALENQUE, Rhodan will eine Funkzentrale in der Station finden, deren stärkere Geräte hoffentlich ausreichen, um Hilfe herbeizurufen. Derweil wird Sharita Coho, die Kommandantin des Schiffes, ungeduldig und setzt ein Team auf dem Planeten ab, um nach Rhodan zu suchen. Sie stoßen auf die gelähmte Bestie, die sich gerade aus ihrer Erstarrung befreit. In einer Hetzjagd erreicht das Team vor der Bestie das Landungsboot und startet, doch die Bestie klammert sich an den Rumpf und beginnt mit ihren strukturveränderten Gliedmaßen, sich eine Öffnung zu schaffen.
Im Akon-System versucht Levian Paronn, sich Zugang zu den akonischen Zeitumformern zu verschaffen, um sein Vorhaben doch noch auszuführen. Aber gerade sein größter Förderer und väterlicher Freund Admiral Mechtan von Taklir bringt ihn ins Grübeln über sein beabsichtigtes Zeitparadoxon. Sowieso ist es fast zu spät, denn die Bestien schlagen los.
Hubert Haensel, Exposéeautor des Minizyklus, beendet mit dem vorliegenden sechsten Band den bisher besten Spin-off-Zyklus der Perry-Rhodan-Serie. Ihm ist es in Zusammenarbeit mit Frank Borsch zu verdanken, dass bei der Konzeption neue Wege beschritten wurden, dass von dem platten Schema der Vorgängerzyklen (wo es vor allem um Action und unschlagbare Gegner ging) abgewichen wurde. Der Lemuria-Zyklus behandelt eines der beliebtesten Themen der Serie, nämlich den Exodus der ersten Menschheit. Die Lemurer bergen noch immer phantastische Geheimnisse, um sie ranken sich kosmische Rätsel und wundervolle Abenteuer. Statt rasanten Verfolgungsjagden schildert „Lemuria“ die Jagd nach der Wahrheit um das Rätsel der Sternenarchen. Allen Autoren ist es hervorragend gelungen, individuelle Romane beizusteuern, so dass ein buntes Bild und wundervolle Charakterisierungen zustande gekommen sind.
Haensel führt alle Fäden zusammen und offenbart damit einen größeren Komplex, als bisher geahnt werden konnte. Rhodan ist nur vordergründig allein aufgebrochen, um mit den Akonen Kontakt aufzunehmen. Sein eigentliches Anliegen betraf Informationen, die mit merkwürdigen Gerüchten zusammenhingen. Rückblickend ist klar, dass es sich dabei um die neuen Aktivitäten der Bestien handelte. Ein erstaunlicher Zufall also, dass Rhodan ausgerechnet jetzt auf die erste Sternenarche trifft und sich so an den Hinweisen entlanghangeln kann, bis sich ihm die Wahrheit offenbart.
Übrigens spielten die Menttia, die Hans Kneifel im zweiten Band einführte, tatsächlich eine große Rolle und sind nicht nur von Kneifel erfunden worden. Mit ihrer Unterstützung ließ Haensel die Akonen jene ultimate Waffe gegen die Bestien entwickeln, durch die Paronn erst auf den Gedanken des Zeitparadoxons gebracht wurde.
Ziegler schilderte die große Enttäuschung Paronns und seine Kurzschlussreaktion, die nach der bisherigen Charakterisierung nicht zu dem überlegten Mann passt. Haensel vertieft sich in Paronns Zwiespalt und lässt uns teilhaben an seinen Problemen; er sieht selbst ein, kurzsichtig gehandelt zu haben, ja sieht sogar seine Handlungsweise als ihm nicht geziemend. Und nicht zuletzt befreit sich der Zyklus aus einem Schwarz-Weiß-Denken, das ein oft kritisiertes Problem der Perry-Rhodan-Serie ist. Die Pro- und Antagonisten haben ihre Schattierungen, entwickelt durch die sechs unterschiedlichen Autoren; selbst die gezüchteten Bestien, die aufgrund ihrer Konditionierung durchaus einseitig beschrieben werden können, erhalten neue Facetten. Schwierigstes Objekt ist sicherlich Perry Rhodan selbst, eine seit über vierzig Jahren beschriebene Gestalt, der neue Glaubwürdigkeit zu verleihen ein großes Problem ist. Er ist der große, unnahbare Unsterbliche mit allumfassendem Durchblick. Und endlich einmal gelang es wieder, ihn in einen Menschen zu verwandeln, mit Gefühlen und Schwächen, und ihm trotzdem seine große Erfahrung zu belassen.
Fazit
Mit dem Lemuria-Zyklus ist den Autoren ein Abenteuer gelungen, das trotz des gigantischen Serienhintergrundes auch für interessierte Science-Fiction-Leser geeignet ist, denen die Perry-Rhodan-Serie bisher abging. Vor allem der phantastische Roman von Andreas Brandhorst liest sich schön auch ohne Zusammenhang. Ihm ist hier das beste Ergebnis gelungen, allein schon, wenn man bedenkt, dass er sich für dieses Werk völlig neu in die Serie einarbeiten musste. Jeder der Autoren hat einen hervorragenden Beitrag geleistet, nicht ein Roman erscheint überflüssig oder langatmig, wie das bei Vorgängern nicht ausgeschlossen werden kann. Bei dem erreichten Niveau fällt es schwer, qualitative Abstufungen zu machen. Der Roman von Leo Lukas fällt um eine Nuance zurück, was nur im Vergleich mit den anderen gesehen werden kann. Insgesamt hat mir der Zyklus hervorragend gefallen.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,50 von 5)
Carl und Elinn Faggan, Ronald Penderton und Ariana DeJones sind die einzigen Kinder der Marssiedlung. Sie sind ein eingespieltes Team, wenn es darum geht, der künstlichen Intelligenz AI-20 kleine Streiche zu spielen oder ihre Geheimnisse vor den Erwachsenen zu bewahren. Die kleine Siedlung von gut zweihundert Mitgliedern ist annähernd unabhängig von der Erde, nur gewisse Impfstoffe und Medikamente müssen regelmäßig eingeflogen werden. Die „Marskinder“ gelten auf der Erde als Berühmtheiten, auf dem Mars sind sie normale Kinder, die den Verwaltern von der Erde tierisch auf die Nerven gehen. Aber das ist nicht der Grund, warum die Siedlung geschlossen und damit die Erforschung des Mars beendet werden soll. Der Verwalter will unbedingt auf die Erde zurück, und dazu ist ihm jedes Mittel recht – auch wenn es so drastische Maßnahmen wie die Schließung der Siedlung sind. Er benutzt eine mächtige politische Strömung der Erde für seinen Antrag und argumentiert mit den laufenden Kosten der Siedlung. Nach einer Milchmädchenrechnung würde die Erdregierung fünf Milliarden Verrechnungspunkte sparen, und das ist in der momentanen Situation Grund genug, dem Antrag zu entsprechen.
Die Nachricht schlägt unter den Siedlern ein wie eine Bombe, doch die Kinder trifft es am härtesten. Sie haben die Erde nie erlebt, der Mars ist ihre Heimat. Und das Schlimmste: Unter der niedrigen Schwerkraft des Mars hat ein unbehandelter Geburtsdefekt an Elinns Lunge zu einer neuen Entwicklung geführt, wonach das Mädchen auf der Erde nicht mehr lebensfähig ist. Trotzdem soll die Schließung der Siedlung mit allen Mitteln durchgesetzt werden, und nur den Marskindern bietet sich eine winzige Chance, die Sache noch umzubiegen. Außerdem sind da noch die merkwürdigen Artefakte, bisher nur von Elinn gefunden, die daher fest an Marsianer glaubt …
Andreas Eschbach wurde 1959 in Ulm geboren, studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, arbeitete als Softwareentwickler und gründete eine kleine EDV-Firma, ehe er sich ganz dem Schreiben widmete. 2001 erschien im Arena-Verlag mit „Das Marsprojekt“ sein erstes Jugendbuch. Durch Bestseller wie „Das Jesus-Video“, „Quest“ oder „Eine Billion Dollar“ bekannt geworden, erhielt er nun die Gelegenheit, zum Marsprojekt Fortsetzungen zu schreiben. Im März 2005 erschien mit „Das Marsprojekt – Die blauen Türme“ der zweite Band der Reihe.
Offensichtlich kann Eschbach auch Jugendromane schreiben, denn dass „Das Marsprojekt“ einer ist, erkennt man auf den ersten Seiten, als Elinn in Todesgefahr gerät und die künstliche Intelligenz des Stützpunkts „AI-20“ als erstes ihren Bruder verständigt, ehe sie auf seine Anweisung richtig Alarm schlägt. Die Kinder stehen im Vordergrund, werden im Zweifelsfall von der KI unterstützt und gegen die Erwachsenen verteidigt – was Eschbach so erklärt, dass eine künstliche Intelligenz durch ihre Lernfähigkeit einige Eigenarten entwickeln kann, wenn man sie nicht regelmäßig neu kalibriert. Und das wurde bei AI-20 seit der Installation nicht getan. Uns fällt natürlich sofort die Bezeichnung „AI“ für eine KI auf – Artificial Intelligence. Ob sich hinter der 20 mehr verbirgt, bleibt ungewiss.
Die Kinder sind so charakterisiert, dass sich junge Leser schnell mit ihnen identifizieren können, jedes hat eigene Fähigkeiten und Eigenarten. Der jüngste von ihnen, Ronny, scheint ständig mit Flugsimulatoren zu spielen und meint, fast jedes fliegende Objekt der Menschheit steuern zu können. Später stellt sich heraus, dass diese Simulatoren jene Programme sind, mit denen auch die Astronauten der Erde trainieren. Ronny ist also trotz seiner Jugend ein wahrer Flugkünstler. Elinn ist ein ruhiges, etwas träumerisches Mädchen, das von seinem verstorbenen Vater oft lange Geschichten über die Marsianer gehört hat und nun von ihrer Existenz überzeugt ist. Sie ist die einzige, die diese seltsamen Artefakte aus „verunreinigtem Silizium“ findet, denn sie sieht oft ein seltsames Leuchten, mit dem sie ihrer Meinung nach die Marsianer auf sich aufmerksam machen wollen. An dem Ursprung des Leuchtens liegt immer ein kleines Stück des anscheinend vulkanischen Stoffes, der aber merkwürdigerweise sonst nicht zu finden ist. Aber auf ein Kind hört man ja nicht.
Ariana ist die Tochter des Siedlungsarztes und etwas zickig. Sie redet immer davon, wie wenig los auf dem Mars doch ist und wie gern sie zurück zur Erde will, um endlich |Jungs| kennen zu lernen. Sie ist eine Art von Gegenpart zu Carl, der als Ältester oft mit Vorschlägen aufwartet, die durch ihr Misstrauen hinausgezögert und durchdacht werden. Carl ist für einen Marsgeborenen sehr fit und kräftig, denn er will auf der Erde studieren und bei der Erforschung des Sonnensystems mitwirken, und dazu braucht man eine Muskulatur, um unter Erdschwerkraft leben zu können. Trotzdem trifft es ihn nicht weniger hart, als die Siedlung geschlossen werden soll, denn der Mars ist für ihn die wahre Heimat und er macht sich natürlich Sorgen um seine Schwester Elinn, die in ihre Idee von den Marsianern vernarrt ist und wegen des Defekts an der Lunge den Mars nicht verlassen kann.
Carl ist es auch, der die wohlprogrammierte KI zu irrationalen Handlungen bringt. Es ist eine philosophische Frage, die er ihr vorsetzt: Wenn die Siedlung geschlossen wird, wird auch AI-20 abgeschaltet. Was wäre, wenn es ein Aus für immer ist? Was bedeutet das für eine eigensinnige KI?
Der Roman ist auch für Erwachsene sehr schön zu lesen, gerade die sozialkritischen und philosophischen Fragen sind eher an sie gerichtet als an den jugendlichen Leser, für den diese Fragen aber eine Aufforderung zum Denken und Sich-Gedanken-Machen sind. Hintergründig und zurückhaltend, nicht mit moralisch erhobenem Zeigefinger, was ein Aspekt von Eschbachs Qualität ist: Er vermittelt seine Ansichten nicht plakativ, sondern versucht sie tröpfchenweise in das Bewusstsein des Lesers einzubringen.
An ein paar Stellen hat man das Gefühl, dass hier gekürzt werden musste; so wirken manchmal die Charakterisierungen der Kinder wie copy&paste-Übernahmen aus einem Datenblatt, oder die am Ende gedrängte Erzählung um die Aktivierung der „Blauen Türme“ … Vielleicht hat Eschbach hier aber auch schon auf einen Nachfolgeroman abgezielt. Und für die Marskinder hat er noch eine schockierende Überraschung parat: Der Sohn des irdischen Statthalters (ihres Gegenspielers) kommt zum Mars!
Insgesamt macht die Lektüre Spaß und Lust auf den zweiten Teil.
Taschenbuch, 304 Seiten
Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: (7 Stimmen, Durchschnitt: 1,29 von 5)
Pater Matteo, direkt aus dem Vatikan angereist, soll den Wissenschaftler Victor Westcamp in einer unheimlichen Nachtaktion im Londoner Tower taufen. Wer wusste schon, dass der Tower seinem Zweck als Verlies noch immer nachkam? Matteo findet Victor in einem stockfinsteren Keller, mit Silberketten gefesselt, abgemagert, aber von einer charismatischen Aura umgeben, die ihn sofort sympathisch erscheinen lässt. Matteo verspritzt sein Weihwasser über dem Gesicht des anscheinend Verrückten, der sich für einen Vampir hält. Die Haut schlägt Blasen, der Mann schreit, Matteo ist schockiert. Welche Krankheit ist das, die Menschen wie den mythischen Vampir empfindlich gegen Weihwasser macht? Bevor er Hals über Kopf aus dem Tower flieht, gewährt er Victor eine Bitte: Seiner Tochter Silver von diesem Treffen erzählen, mit der Aufforderung, seinen Weg zu vollenden. Er würde in dieser Nacht sterben.
Matteo findet Silver, und damit gerät er in einen Strudel der Ereignisse, der ihn zu verschlingen droht. Mord und Intrigen, grausame Foltern – er findet den Vatikan in der Mitte des Geschehens, und wie soll er seine brennende Liebe zu Silver mit den silbernen Augen bewältigen?
Wir sehen, wie Matteo immer weiter abrutscht und sich in einem Netz aus Geheimnissen und Mythen verstrickt, die gegen seine tiefste Überzeugung stehen. Die aktuellen Geschehnisse verbinden sich mit dunklen Punkten in der Vergangenheit seiner Familie, eine große Verwirrung verzerrt sein Wirklichkeitsbild und bringt ihn schließlich zu einer Auflistung der Toten, die er zu beklagen hat. Dass „Gott“ einer dieser für Matteo Toten ist, entwickelt sich vor allem in der zweiten Hälfte der Geschichte zur Offensichtlichkeit – für Matteo widersprechen sich die Lehren der Kirche und die nahezu offensichtliche Existenz von Vampiren, die fast mit allen mythologischen Schwächen und Stärken behaftet sind. Er fragt sich nur nicht, wie ein Vampir von Weihwasser angegriffen werden kann, wenn es keinen Gott gibt.
Selbstironisch lässt Birgit Erwin ihren Protagonisten fragen, ob er sich in einem Roman von Dan Brown befinde, bei all den dunklen Machenschaften, in die der Vatikan verwickelt ist – wovon der normale Priester im Allgemeinen nichts weiß. Nach der letzten Stellungnahme der Kirche, die Dan Browns „Sakrileg“ ächtete, lassen sich diesbezüglich tatsächlich Verbindungen knüpfen (ich kann aufgrund der offenen Ironie nur vermuten, dass sich die Autorin davon nicht beeinflussen ließ).
Obwohl „Lichtscheu“ der erste Roman der Autorin ist, fesselt sie den Leser mit großem Geschick ab der ersten Seite. Sowohl theoretisch als auch kreativ überzeugt Erwin ohne Einschränkung, ja begeistert sogar und kann sich problemlos mit Meistern der Belletristik messen lassen.
[…]|
»Mach, dass es nur ein Traum war! Oh. Mein. Gott!«
Ohne die Augen zu öffnen, tastete er nach der Wolldecke, die sich auf Höhe seiner Kniekehlen zu einem harten Klumpen zusammengeballt hatte, und zerrte sie über seinen schutzlosen, sündigen Körper.
»Vergib mir, Vater, vergib mir, vergib mir …«, flüsterte er.
»Soll ich rausgehen, während du dich kasteist, oder ist es dir lieber, wenn ich zusehe. Macht dich das scharf?«|
[…]
Auszug aus „Lichtscheu“, Seite 107.
Intrigen werden gesponnen, Matteo verliert den Glauben an die Menschen und an Gott, und obwohl er von jedem nur benutzt zu werden scheint, macht er weiter, und auch wenn es ihn abstößt, sucht er weiter. Seine Tage als „Laufbursche, der keine Fragen stellt“ sollen für ihn vorbei sein, und außerdem ist da noch seine brennende Liebe zu Silver. Mit dem unerwarteten Faustschlag (Erwin vertieft sich mit uns in Matteos Gedanken und überrascht uns ebenso wie ihn) beginnt der phantastische Teil der Geschichte, die trotzdem nicht an Realismus verliert. In einem Strudel jagen sich nun die Erkenntnisse, die sich teils widersprechen und neue Rätsel aufgeben, bis Matteo in einem letzten Aufbäumen die Wahrheit erkennt, und im gleichen Moment, in dem er die Fesseln des Benutzten abwirft, neuerdings Opfer einer Beeinflussung wird.
Es bleiben einige wenige Fragen offen, zum Beispiel konnte ich mir die Bestandsaufnahme ganz zum Schluss nicht völlig erschließen, denn wenn ich Matteos Mutter einbeziehe, erhält die Liste einen Sinn, der eine andere gelistete Person ausschließt. Insgesamt macht „Lichtscheu“ Lust auf mehr, es entreißt uns der Wirklichkeit und lässt erst wieder los, wenn das letzte Wort gelesen ist. Und genau das ist für mich das wichtigste Kriterium für einen guten Roman.
_Birgit Erwin_ wurde in Aachen geboren und studierte Anglistik und Germanistik. Seit September 2003 ist sie Studienreferendarin an einem Gymnasium, nebenbei schreibt sie Rezensionen und Geschichten. 2003 und 2004 belegte sie jeweils den zweiten Platz beim Jahreswettbewerb der [Storyolympiade.]http://www.storyolympiade.de Ihr Preis: Die Möglichkeit, einen Roman zu schreiben.
Mit „Lichtscheu“ erschien ihr Erstling, ein weiterer Thriller ist für 2006 geplant und soll unter dem Titel „Neun Leben“ ebenfalls im [Wurdack-Verlag]http://www.wurdackverlag.de erscheinen.
Golan Trevize wurde von Gaia, dem komplexen Planetenorganismus mit starken mentalistischen Fähigkeiten, dazu ausersehen, das Schicksal der Galaxis zu bestimmen. Gaia erkannte in Trevize die Fähigkeit, ohne ausreichende Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen, was ihn geradezu prädestiniert, intuitiv zwischen den verschiedenen Möglichkeiten zu entscheiden: Dem zweiten Imperium nach Vorstellung der Foundation oder der zweiten Foundation, die im Hintergrund die Fäden ziehen würde, oder einem galaxisweiten Superorganismus nach Gaias Vorbild, ein Galaxia, ein allumfassendes Wesen, in dem der Mensch als Individuum keine Rolle mehr spielen wird, sondern jedes Wesen Teil des Ganzen wäre.
Trevize entschied sich für Galaxia, doch vertraut er selbst nicht auf seine von Gaia erkannte Fähigkeit, sondern will wahrhaftig wissen, warum er sich so und nicht anders entschied, da ihm persönlich die Vorstellung, alle Individualität aufgeben zu müssen, nicht erstrebenswert erscheint. Doch mit der gleichen Intuition, die ihn zu dieser Entscheidung trieb, weiß er, dass er die Gewissheit nur auf der Erde, dem vergessenen Ursprungsplaneten der Menschheit, erhalten wird. Also setzt er seine Suche nach der Erde mit dem gravitischen Raumschiff der ersten Foundation fort, begleitet weiterhin von Dr. Pelorat, dem Mythologen und Historiker, und Wonne, einem menschlichen Teil Gaias, die mit ihren durch Gaia vermittelten Fähigkeiten für Trevizes Sicherheit sorgen soll. Da sie immer mit Gaia in Verbindung steht, erfährt Gaia gleichzeitig den Fortschritt der Suche.
Trevize ist der Überzeugung, irgendwo in den gigantischen Bibliotheken der galaktischen Menschheit müssten sich Hinweise auf die Erde finden, da fast jeder Planet mit Mythen und Legenden um diese Welt aufwarten kann. Durch Gendibal, den Sprecher der zweiten Foundation, erfuhr er, dass selbst auf der Hauptwelt des ersten Imperiums alle Informationen über die Erde entfernt wurden, und das unter den Augen der Mentalisten von der zweiten Foundation, was auf eine größere Macht hindeutet. Die Hinweise der Mythen über die Erde, die in allerlei Variationen von einer unerreichbaren, radioaktiven Erde erzählen, überzeugen den ehemaligen Ratsherr Trevize endgültig: Jemand oder etwas von der Erde versucht, ihre Existenz zu verheimlichen – mit mächtigen Mitteln.
Nur auf den verbotenen Welten der ersten Siedlungswelle, den fünfzig Planeten der so genannten Spacers, finden sich vergessene oder übersehene Informationen, die Trevize und seinen Begleitern einen mühseligen Weg in Richtung Erde zeigen. Unterstützt durch den fortschrittlichen Computer des Raumschiffs scheint das Ziel endlich erreichbar zu sein …
Mit dem vorliegenden Roman bringt Asimov seinen Zyklus um die Foundation zu einem fulminanten Abschluss. Schon im vorhergehenden Band „Die Suche nach der Erde“ versuchte er einen Ringschluss mit einigen seiner früheren Werke, indem er die bisher im Foundation-Universum gänzlich fehlenden Roboter behutsam erwähnte. Diese Maschinenintelligenzen und eine großartig angelegte Geschichte der galaktischen Menschheit bilden einen wichtigen Punkt im Hintergrund des Abschlussromans. Mit den zwei Siedlungswellen der Spacers und Settlers wirft er einen Blick zurück und bindet weitere Ideen in das Universum ein, wie auch die Ansatzpunkte der Stahlhöhlen (hier noch in Mythen und Legenden verankert) oder die Radioaktivität der Erde. Auch der Lenker im Hintergrund, der Überroboter Daneel Olivav, stellt eine Anekdote der Vergangenheit und ein Verbindungsglied zu früheren Werken dar, so dass Asimov tatsächlich ein geschlossenes Werk seiner Eroberung des Weltraums schafft.
Asimov ist bekannt für sein Bestreben, jede Geschichte in absoluter Logik zu entwickeln. In Golan Trevize fand er einen herrlich passenden Protagonisten für diese seine Leidenschaft, über ihn konnte er die verschiedenen losen Enden des großen Zyklus’ verknüpfen und die angelegten Rätsel befriedigend entwirren. Obwohl Trevize dadurch manchmal wie ein Übermensch oder antiker Held wirkt, ist er nicht ohne menschliche Schwächen und dadurch durchaus sympathisch. Vielleicht merkte Asimov erst nach dem Ende des Vorgängerromans, welche Probleme ein Galaxia für die Individualität bedeuten würde, vielleicht war aber die Lösung durch die Rückkehr bereits geplant. Jedenfalls greift er genau diesen Punkt mit den ersten Worten des Romans auf und widmet die Geschichte einer befriedigenden Lösung. Ob die Lösung, die er ansteuerte, wirklich befriedigend ist, mag jeder für sich entscheiden, logisch ist sie allemal.
Mit dem 0. Gesetz der Robotik schiebt Asimov einen Punkt nach, der einige Probleme in der Robotpsychologie hervorruft oder auch eindeutiger löst. Hier hätte seine Psychologin Susan Calvin sicherlich ihre Freude gehabt: Ein Roboter darf der Menschheit keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass ihr Schaden widerfährt. Die drei anderen Gesetze müssen entsprechend abgestuft werden. Ist das wirklich wünschenswert? Mit diesem Gesetz, das die Roboter selbst entwickelten, können sie sich zur Unabhängigkeit von einzelnen Menschen entwickeln, je nach Auslegung. Daneel geht sogar so weit, sein Jahrtausende altes Gehirn mit dem eines Menschen zu verschmelzen, der unabhängig von den Robotergesetzen ist, um eben diese Gesetze umgehen zu können (natürlich zum Wohl der ganzen Menschheit!).
Gaia ist eine durch Roboter entwickelte Entität, das Ausbreiten dieses Wesens auf die Galaxis würde auch durch Roboter gefördert werden. Demnach wäre Galaxia eine künstliche Entwicklung nach Vorstellung der Roboter, die für die Sicherheit der Menschheit handeln und dabei die Individualität des Einzelnen hintanstellen. Trotzdem hat sich Trevize für diese Variante entschieden, und in diesem Buch gibt Asimov Antwort, warum.
Ganz in Asimovs typischem Stil gehalten, dominieren lange Dialoge den Roman. Mag er manchem Leser anstrengend oder gestelzt erscheinen, fasziniert mich diese Art der Erzählung und bietet mir Asimovs Gedanken und Ideen in Form wunderbarer Unterhaltung dar, die spannender nicht sein könnte. Die Geschichte um die Foundation kommt endgültig zu einem Abschluss, und mit den Anspielungen auf frühere Werke (die hinten im Buch als erweiterter Foundation-Zyklus aufgelistet sind) macht Asimov Lust auf mehr. Wer eintauchen möchte in die Welt der Psychohistorik und asimovschen Erzählweise, dem möchte ich die Foundation wirklich ans Herz legen. Allerdings muss erwähnt werden, dass „Die Rückkehr zur Erde“ nicht für sich allein steht, sondern den direkten Anschluss an „Die Suche nach der Erde“ bildet. Empfehlenswert ist der Einstieg mit der Foundation-Trilogie oder nach Asimovs Zusammenstellung mit dem Sammelband „Meine Freunde, die Roboter“.
Isaac Asimov ist einer der bekanntesten, erfolgreichsten und besten Science-Fiction-Schriftsteller, die je gelebt haben. Neben ihm werden oft Robert A. Heinlein und Arthur C. Clarke genannt. Asimov wurde 1920 in der Sowjetunion geboren und wanderte 1923 mit seinen Eltern nach New York aus. Seine erste Story erschien 1939. Zwischenzeitlich arbeitete er als Chemie-Professor in den USA, er schrieb neben seinen weltbekannten Romanen auch zahlreiche Sachbücher. 1992 verstarb er.
Zum Foundation-Zyklus
Meine Freunde, die Roboter
Die Stahlhöhlen
Der Aufbruch zu den Sternen
Das galaktische Imperium
Die frühe Foundation-Trilogie
Die Rettung des Imperiums
Das Foundation-Projekt
Die Foundation-Trilogie
Die Suche nach der Erde Die Rückkehr zur Erde
Die Dämonen des |Demonwright| sind erwacht und greifen erneut nach Byzantium. Fast das ganze Land ist schon von ihren orkischen Dienern unter Kontrolle gebracht, nur die Stadt Palvecia und die zugehörigen Landstriche erfreuen sich noch einer zweifelhaften Freiheit und Unabhängigkeit. Die Kaufleute murren, denn die Straßen sind unsicher im Land, und der Herzog Mortak von Palvecia ist nicht in der Lage, sie zu schützen. Das Volk darbt und hungert, und erstmals seit ewigen Jahren vereist der Hafen in der Winterkälte.
Herzog Mortak befragt das Orakel des Eldir, des weisen Gottes mit seherischer Kraft. Durch den Mund des Oberpriesters Egil erfährt Mortak von der einzigen Hoffnung für Byzantium: Die drei Artefakte, die schon vor undenklichen Zeiten aus der Schale in der Hand der Eldirstatue im Tempel verschwanden, müssen gefunden und wiederbeschafft werden, dann würde die dunkle Macht zurückgedrängt. Aber nicht irgendjemand soll die Suche antreten, auch nicht Mortak selbst, sondern seine Kinder!
Der faule Sohn, Arifes, der schon immer alle Verantwortung auf seine Schwester Sefira abgewälzt hat, will sich auch jetzt hinter ihr verstecken und schiebt ihre Schutzlosigkeit als Frau vor, um dem Auftrag zu entgehen. Da ereilt den herzoglichen Sitz die Kunde, dass Sefiras Verlobter von Orks brutal getötet wurde, und Sefira sieht keinen Grund mehr, den Auftrag abzulehnen, ganz zu schweigen von ihrem Verantwortungsgefühl für Land und Volk. Also brechen sie auf, geschützt von drei Kristallen, die ihnen in höchster Not auf der Suche Rettung verheißen sollen.
Unglücklicherweise werden sie getrennt, und Afires flieht in die Stadt zurück, wo er im Suff von der Diebin Nantalin überrumpelt und von seinem Kristall befreit wird. Nantalin wurde von einem unbekannten Mann beauftragt, den Geschwistern zu folgen und sie um die Kristalle zu erleichtern, bevor sie die Artefakte würden bergen können. Nun verfolgt sie Sefira, die unterdessen auf Plünderer gestoßen ist und sich in ihrer Unterkunft erholt. Auch Arifes hat von ihrem Aufenthaltsort erfahren. Als er mit seiner Schwester die weiteren Pläne erörtert (unter anderem wollen sie den Zwerg Oolith suchen, der durch sein Alter etwas von den Artefakten gehört haben könnte), werden sie von Nantalin belauscht, die sich alsbald auf den Weg zu Oolith macht.
Die orkische Schamanin Chahfkrish und der Orkführer Kherr stehen mit den dämonischen Xul in Verbindung und trachten ebenfalls nach den Kristallen, die die Schlüssel zu den Artefakten darstellen. Unter Chahfkrishs Führung nähert sich das Heer Palvecia, Kherr verfolgt die Geschwister und kommt ihnen immer näher. Es scheint, als könnte die Rückkehr der Artefakte in die Schale bis zum Vollmond verhindert werden, was den Untergang Byzantiums bedeuten würde …
Obwohl das Buch nicht besonders dick ist, lässt sich die Geschichte nicht in wenigen Worten umreißen, so komplex und vielschichtig ist sie erzählt. Die Entwicklung des feigen und faulen Arifes, dem sogar das Schicksal seiner Schwester im Moment der Gefahr egal ist, zum Orkschlächter und führsorglichen Beschützer dauert über die gesamte Handlungszeit und geht fast unmerklich vonstatten. Zwar erahnt man Einzelheiten wie das Schicksal Nantalins und den Hintergrund des höfischen Verrats, das tut aber weder der Spannung noch dem Lesefluss Abbruch, weil die hinweisenden Sätze zur richtigen Zeit kommen.
Einzig die schnelle Zuneigung Sefiras zu diesem Schönling Sid kurz nach dem Tod ihres Verlobten erscheint etwas unnatürlich und führt zu Widerwillen. Glücklicherweise wird dazu ein passender Ausweg gefunden, denn die Eisschmelze setzt pünktlich ein.
Byzantium selbst erscheint nicht sonderlich groß, wenn die Helden etwa ein Drittel der Insel in knapp einem Monat bewandern können. Darum erstaunt auch nicht die gute Ortskenntnis des alten Zwergs Oolith, der noch andere Einblicke in die Geschehnisse zu haben scheint, da er aufopfernd sowohl Arifes als auch seiner Konkurrentin Nantalin hilft und sie vor dem schnellen Zugriff des Orks Kherr bewahrt. Schade, dass wir nicht mehr über ihn erfahren konnten.
Trotz des dichten Handlungverlaufs gelingt es den Autorinnen vorzüglich, auf den Hintergrund der Götterwelt und der Landesgeschichte einzugehen; dadurch gewinnt die Geschichte an Substanz und Glaubwürdigkeit. Man leidet mit Arifes, als er seinem Pferd die Qualen erspart, gleichzeitig muss man sich das Lachen verkneifen, denn die in hohem Bogen über die Deckung fliegenden Bröckchen des Unwohlseins wirken in Anbetracht der ernsten Situation erfrischend. Überhaupt bildet sich um Arifes und Nantalin ein ungreifbares Feld der Komik. Außer Frage steht, dass zwischen ihnen ein gewisses Knistern besteht, und umso erheiternder kommen Augenblicke wie das nackte Im-Schnee-wälzen oder die pragmatische Sicht der Dinge, als ihr verhinderter Führer, der weiße Rabe, seinen Weg erst in den und dann wieder aus dem Magen von Arifes findet – und damit seinen Zweck doch noch erfüllt.
Natürlich ist das Anagramm des Namens der Geschwister augenfällig. Dass dies ein wichtiges Element der Geschichte ist, glaube ich nicht, eher handelt es sich wohl um eine kleine Neckerei der Autorinnen. Insgesamt gefällt mir der Roman ausgesprochen gut, er ist spannend, tiefgründig und so unterhaltsam, dass ich ihn erst um zwei Uhr morgens zur Seite legen konnte – als er ausgelesen war. Dabei lässt sich nicht feststellen, ob wirklich drei Autorinnen mitwirkten oder doch nur eine Person (aber nach direkter Bekräftigung von Ines Bauer ist es tatsächlich Teamarbeit), das lässt auf ein hervorragendes Zusammenspiel schließen. Es ist ein Buch geworden, das Beachtung verdient. Apropos verdient: Beruhigend, dass auch Nargol sein Fett wegkriegt!
Auf einer abgelegenen Welt des 87. Tamaniums – so etwas wie Staaten im lemurischen Imperium, dem Großen Tamanium – soll sich die geheime Temporalforschungsstation des lemurischen Suen-Clans befinden, protegiert durch den Tamrat Markam. Zwar wurden diese Forschungen verboten, doch jetzt, kurz vor der endgültigen Niederlage der Lemurer gegen die Bestien, greift man zum letzten Ausweg: Ein kleiner Kreuzerverband mit dem lemurischen Chefwissenschaftler an Bord soll diese Welt aufsuchen und die Gerüchte um eine Zeitmaschine überprüfen – um im Falle ihres Zutreffens eine Flotte in die Vergangenheit zu schicken, die den Heimatplaneten der Bestien vor deren Aufbruch ins All vernichten soll. Ein unglaubliches Zeitparadoxon.
Der kleine Verband wird unterwegs von Raumschiffen der Bestien aufgehalten und fast aufgerieben, ehe ein größerer Verband eingreift. Der Befehlshaber weiß nichts von dem Geheimauftrag und beordert die Überreste des Verbands zur Abwehr über einen bedrohten Planeten. Zufällig ist Levian Paronn oberster Technad des Planeten und erhält als solcher Einblick in die Berichte der Offiziere. Er erfährt von dem geplanten Zeitexperiment und erkennt, dass hier seine Bestimmung liegt, die ihm vor wenigen Jahren von einem Überwesen prophezeiht wurde. Er übernimmt den Auftrag und fliegt den bewussten Planeten an.
Icho Tolot, der halutische Freund Perry Rhodans und später Nachkomme der Bestien, erscheint in eben dieser Zeitstation auf dem Planeten aus dem Zeittransmitter und versetzt unwillentlich die Besatzung in Angst und Schrecken, die ja in ihm eine Bestie sehen muss. Um seine Loyalität zu beweisen, greift Tolot persönlich in einen Angriff der Bestien ein, die auf dem Planeten ein Blutbad anrichten. Er tötet einige seiner Vorfahren und hofft ständig, kein Zeitparadoxon zu verursachen.
Levian Paronn taucht auf und versucht, Tolot als letzten vermeintlichen Überlebenden der Bestien zu töten, dieser kann sich aber entziehen und gestikuliert wild, um Paronn auf den Atombrand aufmerksam zu machen, der, von den Bestien gelegt, die Welt vernichten wird. Paronn lässt den Zeittransmitter abbauen, doch bevor er ihn von der Welt transportieren kann, vernichtet ein weiteres Schiff der Bestien seinen Raumer. Auf der einen Seite der wütende Atombrand, auf der anderen Seite die gelandeten Bestien, scheint es für Paronn und seine Mission keine Zukunft zu geben. Es sei denn, die Fremde Bestie (damit denkt er an Tolot) griffe nochmals zu seinen Gunsten ein …
Thomas Ziegler wurde 1956 in der Nähe von Uelzen als Rainer Zubeil geboren, zog nach Wuppertal und Köln und verfasste phantastische Romane, in denen er immer wieder auf grundlegende Motive zurückkam: Seine Warnung vor rechtsradikalen Bewegungen, Kritik an von demokratischer Kontrolle entzogener Wirtschaft, seine Skepsis den Medien gegenüber und seine Betrachtungen von Natur, Umwelt, Ökologie. Ziegler sprudelte über vor Fantasie, was auch von seinem Autorenkollegen und späteren Rhodan-Autor Uwe Anton belegt wurde, mit dem er einige Romane in Kooperation schrieb. Zwischenzeitlich, nach seiner kurzen Einlage als Exposéautor bei Perry Rhodan, zog sich Ziegler aus der Phantastik zurück und widmete sich anderer Literatur, in der immer wieder Köln zum Schauplatz wurde. Erst in den letzten Jahren kehrte er zu seinen Wurzeln zurück und es war sogar ein Wiedereinstieg bei Perry Rhodan geplant. Kurz nach Fertigstellung des Manuskripts zum vorliegenden Roman verstarb Rainer Zubeil/Thomas Ziegler viel zu früh am 11. September 2004.
Mit seinem letzten Roman hat Ziegler seinen Beitrag zu neuen Einblicken in die lemurische Geschichte geleistet und gleichzeitig zur Lösung der letzten Fragen in diesem Minizyklus beigetragen. Levian Paronn, dessen Herkunft bisher im Dunkeln lag, kommt aus der Epoche des Niedergangs der lemurischen Zivilisation, vom Ende des Kriegs gegen die Bestien. Er ist Wissenschaftler und Technad; die mysteriöse Übergabe des Zellaktivators wird von Tolot so interpretiert, dass ES seine Finger im Spiel hat. Anscheinend hat ES noch etwas vor mit den Lemurern, oder es hätte ihnen nicht durch Paronn und die Zeitschleife um Tolot eine zweite Chance, die Überbrückung der Jahrtausende mit Generationsschiffen in die Gegenwart, gewährt. Also taucht ein neues Rätsel auf: Was bezweckt die Superintelligenz ES mit diesem Vorgehen? Allzu schwerwiegende Auswirkungen dürfte es nicht haben, oder im nächsten und letzten Band des Zyklus schlägt die Mission doch noch endgültig fehl, denn meines Wissens tauchen diese neuen Lemurer in der Heftserie bisher nicht auf.
Ziegler verarbeitet die bei Zeitreisegeschichten immer auftauchenden Fragen nach Paradoxa und der logischen Probleme sehr zufriedenstellend (auch dieses Themas nahm er sich oft und gern an in seinen Werken): Während man in den letzten Zyklen der Heftserie zu einer wenig erbaulichen Logik kam, nach der die Protagonisten bei Zeitreisen machen können, was sie wollen, ohne Paradoxa hervorzurufen, da „alles geschieht, weil es bereits geschah“, lässt Ziegler seinen Protagonisten Tolot viel über diese Problematik nachdenken und kommt eben nicht überzeugt zu diesem Ergebnis. Tolot ist der Meinung, man müsse sich durchaus vorsehen als Zeitreisender, um keine schwerwiegenden Fehler zu machen. Er zum Beispiel könnte in der Epoche durchaus doppelt existieren und es wäre fatal, seinem anderen Ich zu begegnen. Oder wenn er die Zerstörung des Zeittransmitters nicht verhindert hätte, wäre Paronn nicht in die Frühzeit der Lemurer gelangt, um dort die Sternenarchen auf die Reise zu schicken. Durch sein Wissen um die Zukunft (aus seiner Sicht eigentlich der Gegenwart) versucht Tolot, Veränderungen der Vergangenheit zu verhindern oder die Vorraussetzungen für eben die bekannte Zukunft zu schaffen. Paronn dagegen arbeitet bekanntlich darauf hin, über den langen Weg einer Jahrtausende währenden Zeitschleife doch noch das große Paradoxon hervorzurufen, um die Bestien seiner Zeit zu vernichten. Dass er damit die Nachfahren der Lemurer, die Terraner und so weiter auslöschen würde, interessiert ihn nicht, denn aus seiner Sicht sind sie nur eine mögliche Zukunft, die nicht eintreten muss (Ziegler beschreibt Paronn als Entwickler einer Multiversumstheorie, und nach diesen Gesichtspunkten ist Paronns Einstellung sogar nachvollziehbar – bis zu dem Punkt, dass er über die Zeitschleife die Zukunft ja erleben wird und sie dann nicht mehr eine Möglichkeit ist, sondern eben Realität).
Man sieht, Ziegler schafft mit diesem Roman eine befriedigerende Ansicht der Zeitproblematik als seine Kollegen in der Hauptserie, obwohl er sich schwerpunktmäßig auf die Erzählung seiner Geschichte konzentriert und so ein spannendes, sehr unterhaltsames Abenteuer um Icho Tolot entstehen lässt. Dabei hatte er eine denkbar schwierige Aufgabe, denn durch die vorhergehenden Romane ist in groben Zügen klar, wie Tolot in der Vergangenheit eingreifen muss.
Insgesamt kann Ziegler an das hohe Niveau von Andreas Brandhorst anknüpfen und dem Zyklus eine weitere Facette verleihen, die ihn über die Vorgänger „Odyssee“ und „Andromeda“ erhebt. Bleibt zu hoffen, dass Zieglers Ansichten über die Zeit von seinen Kollegen aufgegriffen werden und er damit dem unbefriedigenden „es geschieht, weil es geschah“ ein Ende setzt, denn eindeutig lässt sich so eine spannendere Geschichte erzählen. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen, und damit bewahre ich Rainer Zubeil in bestem Andenken.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (7 Stimmen, Durchschnitt: 2,43 von 5)
Ernst Wurdack, der Begründer und Inhaber des Wurdack-Verlags, initialisierte vor einigen Jahren einen Wettbewerb für Amateurautoren der Phantastik, den er auch immer noch durchführt. Unter http://www.storyolympiade.de findet man im Internet die Ausschreibungen der mittlerweile zweijährig stattfindenden Olympiade, die von ihren Teilnehmern stets ein breites Thema in origineller Weise bearbeiten lässt. Und den Gewinnern winken ansehnliche Preise: Jeder Autor, dessen Geschichte in der Wettbewerbsanthologie veröffentlicht wird, erhält ein Belegexemplar des Buches; die drei Erstplatzierten erhalten die Möglichkeit, einen Roman zu schreiben. Ursprünglich sollten diese Romane im Fantasy-Universum des Rollenspiels „Demonwright“ angesiedelt sein, und aus dieser Zeit resultiert der Roman „Der eiserne Thron“.
Herzog Rogvald, dessen Onkel König der Südermark und damit Inhaber des Eisernen Throns ist, fühlt sich abgeschoben auf der in entlegenen Sümpfen trotzenden Burg Kalderstein. Im letzten Scharmützel gegen die Goblins ist er als Held hervorgegangen und kann seinen jetzigen Status nicht verstehen.
Bei einem Besuch der Stadt Isenborg, Sitz der königlichen Feste, tötet er den südermarkschen Prinzen im Streit um eine Frau – nur seinem Freund Frett ist es zu verdanken, dass Rogvald nicht gefasst wird. Nun kommt ein Stein ins Rollen: Rogvald wird auf der Totenfeier von dem neuen Thronerben beleidigt und sinnt auf dessen Tod, um selbst auf den Thron zu gelangen. Mit Fretts Hilfe lockt er den jungen Prinzen bei widrigem Winterwetter in ein Moor, wo er vor einem soldatischen Zeugen versinkt. Rogvald kann nichts nachgewiesen werden, aber die Schwester der Prinzen ist misstrauisch.
Bald schon verunglückt der König tödlich auf der Jagd, und Rogvald sieht sich seinem Ziel nahe. In einem letzten Aufbäumen spinnt die Prinzessin Walrike eine Intrige, der Rogvald zum Opfer fallen soll. Doch sie fliegt auf, und damit stellt sich das Volk hinter Rogvald. Walrike flüchtet. Als Rogvald sich auf den Thron setzt, blickt ihm sein eigenes Gesicht entgegen, das spöttisch sagt: „Du hast es geschafft.“
Im zweiten Teil erfährt die zwergische Heilerin Thania von dem Unheil, das über die Stadt Isenborg hereingebrochen ist, und von dem dunklen Geheimnis, das den König Rogvald umgibt. Auf der Suche nach Prinzessin Walrike findet sie in einem Kobold einen treuen Freund, der ihr vor ihren Häschern hilft und sie aus der Südermark herausführt.
Ein Soldat der südermarkschen Garde greift selbst nach dem Thron, denn mit seiner vorgeblichen Tochter, die er unterdrückt und benutzt, hat er einen nicht zu unterschätzenden Trumpf in der Hand: Sie ist eine Wandlerin. In Gestalt einer Goblinführerin führt sie das dunkle Volk nach Isenborg, doch sucht sie nach einem Weg, sich gegen ihren Vater aufzulehnen. Der Kampf um den Thron ist noch nicht zu Ende …
Der Roman ist dreigeteilt: Im ersten Teil schildert Heidrun Jänchen mit hintergründigem Humor und Raffinesse den Weg Rogvalds nach Isenborg. Sie vermeidet so gut es geht blutige Schlachten und Tote, allerdings kommt sie um die tragenden Morde an der Königsfamilie nicht herum. Das Problem löst sie elegant, so dass man wie in einem guten Film nie die grausige Tat an sich „sehen“ kann. Andrea Tillmanns lässt ihre Heilerin alles tun, damit niemand zu Schaden kommt. Nur um den Tod der Zwergin abzuwenden, muss ein – zugegeben mordlustiger – Soldat sein Leben lassen. Christian Savoy ist da kaltblütiger. „Seine“ Orks, Goblins und Menschen zeigen sich von ihrer rauhesten Seite. Wo es Konflikte gibt, hält Yakh, der Gott des Todes, reiche Ernte.
In ihrer sprachlichen Gewandtheit nehmen sich die drei Autoren nichts und müssen sich auch hinter „Profis“ nicht verstecken. Stilistisch einwandfrei entführen sie den Leser in das karg anmutende Land der Südermark und bieten ihm ein unterhaltsames Schauspiel höfischer Ränke und grausamer Hinterlist. Nur der offenherzigen Zwergin sind das Töten und Kämpfen und das Heldentum zuwider, sie nimmt uns lieber mit auf eine Wanderung in das wundersame Reich der Kobolde, die in ihren Bäumen weit entfernt von Hirnlosigkeit und Primitivität sind, sondern mit ausgeklügelten Systemen überraschen.
Andrea Tillmanns und Christian Savoy bringen solide Arbeit ohne große Überraschungen, aber spannend und unterhaltsam geschrieben. Der Weg der Zwergin Thania ist vorgezeichnet, kann nur im Erfolg münden, der allerdings der Zwergin nicht völlig zusagt: Sie bekämpft nur das größere Übel. Savoys Protagonist Belrador ist schnell zu erkennen als tragische Figur, der ihre eigene Hinterlist zum Verhängnis zu werden droht. Trotzdem findet man Zugang zu ihm und weiß nicht so recht, ob man ihm den Sieg nicht doch gönnen könnte, denn auch Walrike macht keinen sympathischen Eindruck. Allerdings fällt hier im letzten Teil ein kleiner Schwachpunkt auf: Savoy wechselt sehr oft und unvermittelt, oft auch mitten im Absatz, die Perspektive, springt von einer Person zur nächsten und offenbart ihre Gedanken.
Heidrun Jänchen ist es gelungen, ihr Kapitel mit einer Überraschung abzuschließen. Schließlich haben wir ihren Held Rogvald und dessen Freund Frett über neunzig Seiten gebannt begleitet, nicht unbedingt wohlwollend, aber seiner Tragik des Genötigten doch bewusst, und seine Handlungen führten stets auf irgendeine Weise zum Erfolg, so dass die Begegnung mit seinem Doppelgänger äußerst unerwartet kam. Immerhin wissen wir jetzt, wie Yakh aussieht.
„Der eiserne Thron“ ist ein spannendes, hintergründiges, unterhaltsames Buch, das man in Nullkommanichts durchliest. Seine Platzierung beim Deutschen Phantastik Preis – 3. Platz in der Kategorie Roman-Debüt-National – spiegelt das hohe Niveau der jungen Autoren wider, die hier ihr Romandebüt gaben. Für 2006 hat der Wurdack-Verlag einen Folgeroman von Jänchen angekündigt, in dem es auch für einige der Protagonisten aus dem „Thron“ heißt: Nach Norden!
„Einer der originellsten Science-Fiction-Romane, die je geschrieben wurden!“
„Wie einst William Gibson haucht Charles Stross der Science Fiction neues Leben ein!“
Mit diesen flammenden Zitaten heischt der Roman im Regal um Aufmerksamkeit. Charles Stross? Nie gehört! Aber wen die New York Times als neuen Superstar bezeichnet, muss der Aufmerksamkeit doch wert sein, oder?
Charles Stross, geboren 1964 in Leeds, England. „Singularität“ ist sein erster Roman und wurde gleich ein großer Erfolg.
In der Zukunft der Menschheit wird mit Singularität jenes Ereignis bezeichnet, bei dem die Erdbevölkerung um zwei Drittel geschrumpft wurde und fast alle Regierungen zerbrachen, da der Rückhalt, vor allem der steuerliche Rückhalt durch die Bevölkerung fehlte. Ein mächtiges Wesen (oder Volk?) sortierte die Menschen nach Ideologie und Wesensart, um verschiedene Kolonien in der Galaxis zu gründen. Die neuen Kolonien wie auch die zurückbleibende Erde rüstete das Wesen, das sich „Eschaton“ nennt, mit so genannten „Füllhörnern“ aus: Geräte, die jede nur vorstellbare Ware herstellen können und zur Selbstreplikation befähigt sind. Damit verlor die Wirtschaft ihren Sinn, eigentlich brach das Chaos aus.
Das Eschaton auferlegte den Menschen, „in seinem Zeitkegel“ keinerlei Manipulationen der Zeit vorzunehmen, um seine Existenz nicht zu gefährden. Man einigte sich darauf, dieser Forderung zu entsprechen, denn das Eschaton konnte jegliche Missachtung mit Vernichtung strafen. Auf der Erde blieben als einzige Organisation die UN bestehen, allerdings mit sich oft verschiebenden Zielen und Ansprüchen. Die anderen Planeten entwickelten je nach Zusammenstellung der Bevölkerung verschiedene Regierungssysteme, immer auf der Grundlage der neuen Möglichkeiten. Nur in der „Neuen Republik“ wurden die Füllhörner vernichtet, Information und Technik dem Volk vorenthalten, so dass sich eine feudale Herrscherklasse entwickeln konnte.
Das ist in groben Zügen der Hintergrund, vor dem Charles Stross seine Geschichte spielen lässt. Durchaus originell. Aber es kommt noch besser: Über einer abgelegenen Kolonie der Neuen Republik erscheint das „Festival“ und stiftet Unruhe. Es lässt Telefone vom Himmel regnen, in einer kommunikationsarmen Gesellschaft ein Unding. Durch diese Geräte nimmt es Kontakt zu den Menschen auf und fordert: „Unterhaltet uns!“
Das Festival ist auf Informationen aus, es tauscht seine Dienste gegen die Geschichten und das Wissen der Bevölkerung. Jeder, der ihren Forderungen nachkommt, darf sich etwas wünschen. Das System auf dem Planeten bricht zusammen. Revolutionäre erhalten Füllhörner, jemand lässt Geld regnen, was unbeachtet bleibt, da jeder alles hat, was er will. Ein Hilferuf ist die letzte Hoffnung für das ansässige Herzogtum.
Aus gesellschaftlichen Gründen muss der Kaiser den dienstältesten Admiral mit dieser schwierigen Lage betrauen, unglücklicherweise altern auch Admirale in Friedenszeiten normal, und da der Rückzug in den Ruhestand nicht vorgesehen ist, muss dem senilen Admiral Kurtz zumindest das Angebot gemacht werden. Der ist natürlich Feuer und Flamme, aber noch geistig klar genug, um einen fähigen Geschwaderkommandeur mitzunehmen. Geplant ist eine Fast-Verletzung der Kausalität, indem man mit neuartigen Triebwerkszusätzen erst in die Zukunft vordringt, um sich dort über Nachrichtensonden Informationen über den Gegner zu holen, und dann in die Vergangenheit zurückkehrt, aber nicht so weit, dass man vor Eintreffen des Festivals im Zielsystem anlangt, sondern sehr kurz danach – also einfach eine enorm schnelle Reaktion vortäuscht.
Um der Geschichte zu beweisen, man habe die Kausalität nicht verletzt, wird die UN-Inspektorin Rachel Mansour als Beobachterin eingeladen. Und noch ein Fremder ist mit von der Partie: Maschineningenieur Martin Springfield von der Erde, der durch sein republikwidriges Verhalten die Spionageabwehr auf sich zieht.
Die Lord Vanek ist das Flaggschiff der Operation. Und während sich in den Wochen der Anreise Rachel und Martin nahe kommen, intrigieren verschiedene Parteien in verschiedenen Punkten; so verbindet der republikanische Spion Wassily die Überwachung von Martin mit seinem Unbehagen einer selbstständigen Frau gegenüber, indem er auch Rachel nachspioniert. Das kommt dem Sicherheitsbeauftragten der Vanek gelegen, der Rachels diplomatische Immunität umgehen und sie kriegsgerichtlich erledigen will (aus ähnlich missgünstigen Gründen wie denen von Wassily). Nebenbei arbeitet Martin für eine höhere Instanz an der Sabotage der Fast-Kausalitätsverletzung, und Rachel spielt ihre diplomatischen Beziehungen aus, um die Flottenführung von der Sinnlosigkeit eines bewaffneten Angriffs auf das Festival zu überzeugen.
Derweil breitet sich das Festival auf dem okkupierten Planeten „Rochards Welt“ aus und bereitet seine Wiedergeburt vor. Es ist fremdartiger, als sich (fast) alle Beteiligten je ausmalen können …
Rachel Mansour ist die typische starke Frauenpersönlichkeit mit einem komplizierten Lebenslauf, der über verschiedene Stationen zur Waffeninspektorin der Vereinten Nationen führt. Natürlich nutzt sie die fortschrittlichen Möglichkeiten der Zukunft für ihre körperliche Aufwertung, so ist sie gespickt mit technischen Verstärkern und Beschleunigern, die sie jedem normalen Nahkämpfer überlegen machen. Zusätzlich trainiert sie (nackt) asiatische Kampfkünste und unterzog sich diversen Verjüngungskuren, die ihr die körperliche Leistungsfähigkeit und das Aussehen einer Endzwanzigerin bei einem tatsächlichem Alter von über einhundert Jahren bescheren. In ihrer Vergangenheit gibt es einige böse Erfahrungen, die sie zu einer energischen Atomwaffengegnerin machen. Und eigentlich hat sie sich fest vorgenommen, keinerlei persönliche Beziehung zu einem Mann einzugehen. Wie es der Zufall will, hat sie ihre Rechnung ohne Martin gemacht.
Martin Springfield hütet ein kurioses Geheimnis (kurios für die Menschen seiner Umgebung): Eigentlich arbeitet er für eine irdische Raumschiffswerft als Vertragsingenieur und gelangt als solcher an Bord der Lord Vanek, hintergründig verfolgt er Ziele, die denen von Rachel weit voraus sind. Es geht ihm nicht um die Abwendung eines Krieges, sondern um die Einhaltung der Kausalitätsabkommen mit dem Eschaton. Sein Auftraggeber, Herrmann, tritt nicht direkt in Erscheinung, verfügt aber über scheinbar unbegrenzte Machtmittel. Dass Martin so vorbehaltlos sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit ist, fällt dem Leser gar nicht weiter auf, denn Herrmann versichert ihm, alles Mögliche für seine Rettung zu tun. Und außerdem steht er in hohem Sold bei Herrmanns Organisation.
Burija Rubenstein leitet die organisierte Revolution auf Rochards Welt. Er scheint ein wenig der idealisierte Kommunist zu sein, dem die Füllhörner endlich die Gelegenheit geben, seine Ideen durchzusetzen. Durch die KRITIKERIN, eine Begleiterin des Festival, erhält er Einblicke in die tief greifenden Veränderungen, die das Festival bewirkt. Dass ihn diese Erlebnisse mit Realität gewordenen Aspekten russischer Märchen konfrontieren, lässt ihn abstumpfen und etwas von seinem unruhigen, drängenden Revolutionsgehabe verlieren. So transportiert ihn die KRITIKERIN zum Beispiel in ihrem wandelnden Haus auf drei Hühnerbeinen, sie selbst hat allerdings kaum Ähnlichkeiten mit der Baba Jaga. Im Mittelteil des Buches wirkt diese Erzählebene so irrwitzig, dass sie dem Ganzen einen überdrehten Charakter verleiht. Von dem Wesen des Festivals erfährt man dadurch wenig, was schade ist, denn so bleiben die Informationen auf die wie nebensächlich eingeworfenen Dialoge zwischen Martin und Rachel beschränkt.
Obwohl auch einige der anderen im Buch erwähnten Figuren wichtige Rollen spielen (wie der Kommandant des Flaggschiffs, der eine Art intelligenten Patriotismus darstellt), bleiben diese drei Personen die Hauptakteure und Bezugspunkte der Erzählebenen. Die Ebene der Flotte im Anflug auf den Gegner birgt wenig Neues, allzu sehr geht der Autor auf die Abläufe in einer Befehlszentrale während der Manöver ein und überhäuft den Leser mit der undurchsichtigen Befehls- und Meldungssprache zwischen Soldaten – wie realitätsnah das ist, lässt sich aus meiner Sicht nicht beurteilen. Es liefert eine oberflächliche Stimmung an Bord, stört aber die durchaus interessanten Aspekte der Beziehungen zum Beispiel zwischen dem Admiral und seinem Stab. Dadurch kann Stross ein starkes Augenmerk auf die Abläufe der kämpferischen Begegnung zwischen Republik und Festival bieten, und man ist erstaunt, wie der Kommandant dieses und jenes aus nicht vorhandenen Schiffsbewegungen schließen kann, obwohl er doch keinerlei Erfahrung mit einem Raumkampf und keine Vorstellung vom Festival hat.
Die abgedrehte Schilderung der Vorgänge auf Rochards Welt vereinfacht nicht gerade das Verständnis des Festivals oder auch der Geschichte an sich, hier hat der Autor wie schon erwähnt etwas zu dick aufgetragen in dem Bemühen, eine originelle Form der Invasion zu entwickeln. Bleibt also nur die Beziehung zwischen Rachel und Martin, und tatsächlich erfährt man in diesem Zusammenhang die meisten Details, die das Geschehen begreiflich machen oder der Geschichte als Hintergrund dienen. Komischer Zufall bleibt, dass Wassily, der Spion der Republik, einen Unfall im Weltraum übersteht und auch noch auf Burija trifft, der sich als sein verschwundener Vater entpuppt und von ihm umgebracht werden soll. Dabei stellt sich heraus, dass Wassily programmiert auf diesen Moment ist und seine Spionage nur als Vorwand diente, ihn auf das Flaggschiff zu bringen. Unglaubwürdig, denn auf Rochards Welt hätte die Republik viel erfolgversprechendere Möglichkeiten gehabt, den Revolutionär auszuschalten, als über einen Agenten durch eine Raumschlacht mit ungewissem Ausgang.
Mit „Singularität“ hat Charles Stross ein durchaus interessantes und ausbaufähiges Universum entworfen, in dem noch viele Geheimnisse schlummern. Die Wesenheit des Eschaton ist eines dieser Rätsel und scheint mir ein Aufhängepunkt weiterer Romane zu sein – immerhin ist mit „Supernova“ ein weiteres Buch angekündigt, und das Schicksal von Martin und Rachel lässt erahnen, dass wir hier die Geburt eines neuen Agentenpärchens miterlebt haben. Insgesamt ist „Singularität“ gut und unterhaltsam lesbar, auch wenn mich die sehr häufigen Anmerkungen des Übersetzers gestört haben, da sie sich größtenteils mit physikalsichen Gesetzen beschäftigen oder Anspielungen des Autors erklären sollen. Das bringt auch gleich die negative Seite der Geschichte auf den Punkt. Der Autor brachte zu viele Bezüge zu unserer Realität, die entweder nur ausgebildete Physiker oder seine Landsleute verstehen können (da werden zum Beispiel Anspielungen auf Fernsehserien oder neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gebracht, die auch durch die Übersetzung oder die ausführlichen Erläuterungen des Übersetzers nicht zum Lesegenuss beitragen).
Lässt man all diese kleinen schmälernden Punkte außer Acht, ergibt sich eine interessante Geschichte, die Lust auf mehr macht. Allerdings kann man über die Zitate des Buchumschlags nur lächeln.
Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: (7 Stimmen, Durchschnitt: 2,14 von 5)
Mit diesem vierten Band des sechsbändigen „Lemuria“-Zyklus‘ leistet Leo Lukas seinen Beitrag zu der bisher außerordentlich spannenden und unterhaltsamen Geschichte um Zukunft und Vergangenheit der Menschheit. Das Wiener Multitalent wurde innerhalb der Perry-Rhodan-Fangemeinde schnell zu einem der beliebtesten Autoren, da er mit seiner überschwänglichen Art alte und festgefahrene Strukturen in der Serie öffnete und ihr nach langer Zeit wieder humorvolle Romane bescherte und immer noch beschert. Mit seiner zweiten Leidenschaft, seiner Arbeit als Kabarettist, ist er auch längst kein Unbekannter mehr. Und trotz dieses Hangs zur Verbreitung seines Lachens bringt er immer wieder hochkarätige Romane ein, deren Humor hintergründig ist.
Perry Rhodan trifft mit den beiden Forschungs- und Prospektorraumschiffen vor dem Akon-System ein, dem Heimatsystem der Akonen. Die dritte entdeckte Sternenarche steht unter dem Hoheitsanspruch der Akonen, Rhodan ist der Zutritt ohne diplomatische Schwierigkeiten verwehrt. Über einen geheimen terranischen Stützpunkt dringt er unerkannt in das System ein und erkauft sich eine Transmitterpassage zur Arche. Zeitgleich verschaffen ihm die kaltgestellten Akonen des zweiten Raumschiffs mit erpresserischen Methoden einen semioffiziellen Zugang, so dass es bei Rhodans Entdeckung einige Verwirrung gibt, die er mit gutmütiger Geschicklichkeit zur allgemeinen Zufriedenheit auflöst.
An Bord der Arche findet sich eine relativ fortschrittliche Lemurerzivilisation – kein Wunder, da der „Verkünder“ Levian Paronn Kommandant dieses Schiffes ist. Doch ist er offensichtlich abwesend. Währenddessen wurde eine vierte Arche aufgebracht, deren Bewohner unterentwickelte Klone der unsterblichen Kommandantin sind, immun gegen jene unbekannte Seuche, der schon die anderen Archenbewohner zum Opfer fielen. Dem Anführer der Klongesellschaft gelang mit parapsychischer Kraft die Ermordung der Kommandantin, seither trägt er ihren Zellaktivator.
In Zwischenspielen erhält der Leser Einblicke in Levian Paronns persönliches Tagebuch und erfährt dadurch, dass der „Verkünder“ sich in unmittelbarer Nähe befindet und die ganze Sache geplant hat, dabei seiner Ansicht nach sogar die Freundschaft des „Hüters“ Icho Tolot ausgenutzt hat, um die Menschheit vor der angeblich drohenden Vernichtung zu bewahren – was ja auch schon der Sinn des Archen-Projekts war.
Während also Rhodan die dritte Arche nach Paronn absucht, trifft dieser unerkannt mit anderen Akonen auf der vierten Arche ein und verängstigt den unsterblichen Mutanten derart, dass dieser sein Heil in der Flucht sucht. Dabei bringt er durch seine geistige Macht auch das Tagebuch Paronns an sich, der sich später voller Eifer an der Jagd nach dem Mutanten beteiligt – vorgeblich wegen der von ihm ausgehenden Seuchengefahr für die Akonen. Denn wenn das Buch in Rhodans Hände fallen sollte, geriete sein gesamter Plan in Gefahr, schließlich ließe sich niemand, und schon gar nicht Rhodan, gern manipulieren.
Zu einem vorläufigen Showdown kommt es auf einem nahe gelegenen Planeten, auf dem neben mehreren Tausend echten „Bestien“ auch eine Zeitmaschine steht, durch die Paronn eine ultimate Waffe in die Vergangenheit schaffen und damit ein gigantisches Zeitparadoxon herbeiführen will, um den Exodus der Lemurer vor fünfzig Jahrtausenden zu verhindern. Er offenbart sich Rhodan, doch nicht nur dieser will ihn an der Tat hindern. Auch Tolots Doppelgänger taucht auf und lüftet sein Geheimnis …
»Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich leer, aber auch voll der Wunder.
Ich habe Tage benötigt, um diesen Satz auszuformulieren. […] Sehr groß und weit ist das Universum und vorwiegend schrecklich. Leer, aber auch voll der Wunder…« (Seite 11)
In diesem Beispiel wird Lukas‘ Wortgewandtheit auf Anhieb deutlich. Er spielt mit den Worten, würfelt sie durcheinander. In diesem kurzen Abschnitt skizziert er den Charakter Paronns aus dessen eigener Sicht, nachdem Andreas Brandhorst sich in seinem Roman an die Außenansicht durch den Chronisten gehalten hat, und vertieft diese Studie im Laufe des Romans durch weitere Tagebucheinträge, bringt Paronns Motivation näher, so dass man endlich seine Borniertheit nicht tolerieren, aber verstehen kann, da es ihm um sein quasi ausgestorbenes Volk geht. Er kann sich nach diesen Jahrtausenden nicht mit Terranern, Akonen oder anderen Lemurerabkömmlingen identifizieren und setzt deren Existenz aufs Spiel, ja sogar dem sicheren Untergang liefert er sie aus mit der Planung des gravierenden Paradoxons.
Anfangs erscheint die Einführung der vierten Arche um die zwergenhaften Klone überflüssig in ihrer Ausführlichkeit, scheint nur eine weitere Facette der unterschiedlichen Entwicklungen auf den Generationenschiffen zu sein. Der Ausbruch des infizierten Mutanten in die akonische Gesellschaft schien eigens der Rechtfertigung dieser Geschichte zu dienen, doch im Finale findet auch er seine wirkliche, nachvollziehbare und befriedigende Berechtigung, so dass man Lukas fast keine Wortschinderei vorwerfen kann. Fast.
In zwei Handlungssträngen findet sich rhodantypisches Beiwerk: Starke, ausführliche Beschreibungen von technischen Details wie die seitenlange Erläuterung zu verschiedenen Hyperkristallarten, wo es auch ein schlichtes „notwendig für die Technik“ getan hätte; oder seriengeschichtliche Hintergrundinformationen zu den so genannten Bestien, ihrer Entstehung und schließlichen Vernichtung. Bisher konnten die Autoren des Minizyklus‘ sehr wohl auf diese typischen Ausschmückungen, die in der Heftserie einen wichtigen Teil übernehmen, verzichten, was sich wohltuend auf die Geschichte ausgewirkt hat und meines Erachtens in dieser Zyklusform nur unnötiger Ballast ist, der serienfremde Leser wahrscheinlich mehr verwirrt als erleuchtet.
Man stößt hin und wieder auf „Austriazismen“, die Lukas (wahrscheinlich unbewusst) aus seiner Heimatsprache übernimmt, die aber leider nicht immer selbsterklärend sind. So konnte ich zum Beispiel in einem informativen Internetforum herausfinden, dass „Steht das dafür?“ so viel bedeutet wie „Ist es das wert?“.
Mit Hubert Haensel als Exposéredakteur geht man bei diesem Zyklus tatsächlich neue Wege: Schon nach vier Romanen gibt es die Auflösung einer der großen Fragen, die sich so angesammelt haben. Man schindet nicht mehr Platz und Zeit mit belanglosem Nebengeplänkel, um alle Kracher ganz zum Schluss bringen zu können. Das hält die Spannung durch jeden Band. Jetzt sind nur noch wenige „große“ Fragen offen: Wer Levian Paronn ist, wissen wir noch immer nicht. Also wo er herkommt, wie er an den Zellaktivator kam und was für eine Rolle er in einem größeren Spiel spielt. Immerhin ist jetzt klar, dass ein gewisser Haluter ihn mit den Informationen über die Zukunft versorgt hat.
Insgesamt bietet dieser Roman wieder entspannenden Lesegenuss und bringt mehr Antworten als neue Fragen. Trotzdem ist er entgegen meiner Erwartungen der bisher schwächste Roman des Zyklus, was aber eine relative Aussage bleibt, da die ersten Bände und vor allem der direkte Vorgänger von Brandhorst einfach hervorragend sind.
Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: (7 Stimmen, Durchschnitt: 1,29 von 5)
Ein Geschöpf, programmierbar mit allen denkbaren Befehlen, in der Hand eines größenwahnsinnigen Menschen mit nahezu unbegrenzten finanziellen Mitteln, das Geschöpf entwickelt aus hochflexiblen Zellen, Stammzellen ähnlich, die sich ständig neu differenzieren können – ein Gestaltwandler, Selbstheiler, ein Wesen mit fast unvorstellbaren Möglichkeiten. Aber gefangen in seiner Programmierung und damit seinem Schöpfer untertan.
Dieses Bild zeichnet Andreas Brandhorst in dem zweiten Band seines ambitionierten „Kantaki-Zyklus“. Nur dass die Gefahren, die sich daraus ergeben, noch übertroffen werden durch diese Ausgangssituation: Das Wesen, der „Metamorph“, entkommt aus dem Züchtungslabor – ein moderner „Geist“ nach Goethes „Zauberlehrling“.
Im Rückblick auf „Diamant“, den ersten Kantaki-Roman, lässt sich eine Verlagerung des Schwerpunktes erkennen: Mit „Diamant“ wurde der Boden bereitet, hier stand die Einführung des neuen Kosmos‘ im Vordergrund und wurde mit Hilfe Valdorians Suche auf der einen und Lidias Entwicklung zu Diamant auf der anderen Seite durchgeführt. Im Hintergrund drohte die manipulierende Macht aus der Vergangenheit. Im „Metamorph“ werden die verschiedenen Stränge zusammengeführt und ergeben ein komplexes Bild, in dessen Zentrum der große Konflikt zwischen dem Konziliat (das an den Strängen des Lebens webt) und dem Omnivor (eine realitätfressende Entität, der Widerpart des Konziliats) steht.
Es gibt eine Abstufung der Details: Der Zeitkrieg zwischen den Temporalen und den Kantaki ist von primärer Bedeutung für den Konflikt, denn die Kantaki versuchen über ihren „Sakralen Kodex“ (siehe Rezension zu „Diamant“) die Ära des Verstehens zu verlängern, während die Temporalen diese Ära gewaltsam beenden wollen und damit dem Omnivor in die Hände spielen. Sekundär sind die Handlungen anderer Völker wie der Menschen, derer sich die großen Parteien manchmal als Handlanger bedienen, so geplant mit Valdorian durch die Temporalen.
Im „Metamorph“ werden diese Zusammenhänge deutlicher, denn statt der kurzen Streiflichter, die in „Diamant“ andeuten, dass es um Größeres geht, dringen wir weiter zu den Geschehnissen vor, die sich gerade jetzt kulminieren und neue Veränderungen bringen.
Auf Kerberos, einen abgelegenen Planeten, stürzten vor Jahrmilliarden zwei stark angeschlagene Kontrahenten ab: Der |Keim| eines Ominivors und ein |Ich/Wir| des Konziliats, ein individueller Splitter. Die Konziliantin benutzt während ihres Regenerationsprozesses unbewusst ihre Fähigkeiten, an den Strängen des Lebens zu weben: Auf Kerberos entsteht Leben, wie es anderswo nicht zu finden ist.
421 Seit Neubeginn: Auf Kerberos existiert ein Forschungszentrum der New Human Design, das mit der „Basismasse“ experimentiert, einer Zellform, die nur auf Kerberos gefunden wird. Aus ihr entwickelt man den Prototyp eines Metamorph. Ein Attentat befreit das Wesen, das zum Töten programmiert wurde.
Auf Kerberos existiert eine geheimnisvolle Kraft, die von sensiblen Menschen wahrgenommen und zum Heilen genutzt werden kann. Es bildete sich eine quasireligiöse Gemeinschaft von Heilern, der auch Bruder Eklund angehört. Er trifft auf den Metamorph in Gestalt des Jungen Raimon und findet hier seine „heilige Aufgabe“: Er muss den Jungen beschützen. Eklund weiß lange nichts von Raimons wahrem Wesen, doch erkennt er in ihm eine unglaubliche Präsenz der Kraft, die alles auf Kerberos durchdringt.
Der Metamorph kämpft gegen seine Programmierung an, denn während Valdorian im Dienste der Temporalen nach einem Weg sucht, den Keim zu erwecken und zu nutzen, um das Zeitgefängnis der Temporalen aufzubrechen, versteht sich der Metamorph als Komponente der Konziliantin, deren Kraft es ist, die Kerberos durchdringt. Die Konziliantin wartet seit Äonen auf ihr Wiedererwachen, um den Keim endgültig zu besiegen. Damit würde auch die Gefahr durch die Temporalen ein weiteres Mal gebannt …
In diesem zweiten Band des Zyklus spielt die Transzendenz eine weitaus wichtigere Rolle. Trotzdem entwickelt sich eine spannende Geschichte um einzelne Personen wie Bruder Eklund oder den Jäger Lutor. Valdorians Charakter hat sich unter dem Einfluss der Temporalen entwickelt. Der ehemalige mächtige „Primus inter Pares“ ist kaum noch in ihm zu erkennnen, er wirkt trotz seiner starken Persönlichkeit wie eine Marionette.
Brandhorst gelingt wieder eine fließende Handlung, die selbst von den anfangs vielen unterschiedlichen Ebenen nicht unterbrochen wird und noch an Tempo gewinnt, indem einige Stränge zusammengeführt werden und sich das Hauptaugenmerk auf den Planeten Kerberos richtet. Es zeugt von hoher Kunstfertigkeit, dass der Leser dieses Verwirrspiel gespannt verfolgt und von ihm gefangen wird.
Für das Verständnis der Zusammenhänge wichtig und hilfreich sind auch die Anhänge in Form eines Glossars und einer Chronologie. Gerade letztere kann helfen, den großen Überblick zu behalten.
Wieder muss aber angemerkt werden, dass es einige Wiederholungen gibt, die sich manchmal sogar im Wortlaut gleichen. In dieser Hinsicht könnte das Lektorat noch etwas aufmerksamer arbeiten, denn ansonsten fallen keine technischen Mängel auf.
Durch den großen Einfluss der Transzendenz in diesem Roman ist er nicht jedermanns Sache, doch es ist nur die konsequente Entwicklung der Geschichte, die in „Diamant“ angelegt wurde. Man merkt deutlich, dass Brandhorst großen Wert auf die Stimmigkeit seines Universums legt und dass ihm gerade die Mächte im Hintergrund wichtig sind. Der Titel des nächsten Romans, der im Herbst 2005 erscheinen soll, deutet schon an, in welche Richtung es weitergeht: „Der Zeitkrieg“ …
Insgesamt ist „Der Metamorph“ ein überaus unterhaltsames und fesselndes Buch, das trotz seiner Eigenschaft als Folgeband zu „Diamant“ dessen Kenntnis nicht voraussetzt. Mit Andreas Brandhorst meldet sich ein deutscher Schriftsteller zurück, der auf der literarischen Bühne nicht mehr fehlen darf.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (10 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)
Faszinierend! Da rätselt man seit Jahren, wie die alten Lemurer als Vorfahren der Menschen an fünfdimensionale Technik gekommen sein können, wo der moderne Terraner anscheinend nicht in der Lage ist, die Hypermathematik wirklich zu verstehen – und dann liefert eine Spin-off-Serie die Antwort.
Andreas Brandhorst, in den letzten Jahren bekannt geworden durch seine Übersetzungen zum Beispiel für Terry Pratchet und „Star Wars“, machte 2004 Schlagzeilen mit seiner großartig angelegten Space-Opera um die „Kantaki“ – auch dort existieren eine fast mythische Vergangenheit und ein Kampf durch die Zeiten. Vielleicht fiel es ihm dadurch leichter, sich in den gigantischen Kontext von Perry Rhodan einzuarbeiten, und es ist ihm hervorragend gelungen. Wir erhalten sozusagen von einem „Rhodan-Neuling“ Einblicke in die spannendste Zeit der irdischen Geschichte, als nämlich die bisher als unerreichbar geltenden Lemurer den Sprung zu den Sternen wagen.
Hauptakteure des Romans sind der lemurische Chronist Deshan Apian und Levian Paronn in der Vergangenheit, ein akonisch-terranischer Einsatztrupp um die Kommandantin der PALENQUE und eine seltsame Gemeinschaftsintelligenz aus Menttia und KI in der Gegenwart. Die letzten Überlebenden der Sternenarche LEMCHA OVIR (Lemuria 2: „Der Schläfer der Zeiten“) wechseln in der Bedrohungssituation mit Hilfe parapsychischer Kräfte in eine andere Existenzform und verschwinden im All.
Apian ist Chronist im Großen Solidar Lemurias und erhält den Auftrag, eine Chronik über Levian Paronn bei seinem Vorhaben, die „Kinder Lemurs zu den Sternen zu führen“, zu erstellen. Er wird zum langjährigen Wegbegleiter des anderen, den ein unergründliches Geheimnis umgibt. Brandhorst gelingt eine ungewöhnlich dichte und tiefe Charakterisierung des Mannes, aus dessen Sicht man den Lauf der Zeit in jenem fernen Lemuria erfährt. Die Lemurer – nach einem Jahrhunderte währenden Überlebenskampf gegen die albtraumhaften Konos, der über die Zeit der Primitivität hinaus, in eine Art Mittelalter und länger, dauerte – stehen unter einem kollektiven Trauma. Es entwickelte sich ein perfektes Solidarsystem, in dem alle an einem Strang ziehen, um das Überleben der eigenen Art zu sichern. Bis zum Auftreten der Sternensucher, als deren Anführer Paronn sich entpuppt. Er kennt die Zukunft, weiß um die Gefahr, die die Lemurer in Form der „Bestien“ heimsuchen wird, und setzt alles daran, mit den Sternenarchen die Saat Lemurs im All zu streuen. Letztlich verlassen 46 Archen das Heimatsystem. Apian erhält wie die Kommandanten der Schiffe einen Zellaktivator, der ihnen die relative Unsterblichkeit schenkt.
Paronn selbst offenbart seine eigene Unsterblichkeit spät. Mit seinen geistigen Zwiegesprächen streut Brandhorst neue Rätsel, aber auch Ansatzpunkte für deren Lösung, die den Leser verblüffen. So schickt er mit jeder fertig gestellten Arche den bis dahin fertigen Teil der Chronik zu den Sternen, um sie einer Person in der Zukunft zugänglich zu machen. Außerdem denkt er an seinen „vierarmigen Freund“, in dem wir schnell einen Haluter vermuten. Im Rückblick auf den zweiten Roman der Serie fragen wir uns, ob es sich um jenen Icho Tolot handeln könnte, dem Rhodan in der akonischen Station auf Mentack Nutai begegnet …
In der Gegenwart findet Rhodan einen Datenchip an Bord des gelandeten Kommandomoduls der LEMCHA OVIR. Bei der Entschlüsslung spricht der Chip auf ihn an und versenkt ihn ins Koma, wo er Apians Chronik erfährt. Offenbar ist Rhodan die Person, auf die Paronn die Chronikchips sensibilisiert hat. Ein neues Rätsel.
Tolot erscheint auf Rhodans Ruf im System und gerät mit seinem Schiff in die Transmitterfalle einer alten akonischen Station, die sich zwischen den Asteroiden eines Gürtels um die Sonne befindet. Dorthin verschlägt es auch den Einsatztrupp der beiden menschlichen Schiffe, die hier um ihr Überleben kämpfen und auf ein neues Rätsel stoßen. Ein fremder Haluter wird aus einem Stasisfeld befreit. Er hat eine wichtige Nachricht für Tolot, den er um das Jahr 2400 n. Chr., kurz nach dessen Kontaktaufnahme mit den Terranern, zu suchen begann. Vor seinem Tod flüstert er Tolot die Koordinaten eines offenbar wichtigen Orts zu.
Schade, dass sich die hervorragend angelegten Charaktere von Jorgaldarhelmemerek und Alahandra wohl verabschiedet haben. Der „Maschinenflüsterer“ war ein interessanter Begleiter und könnte mit seinen Fähigkeiten zu einer Lebensform ähnlich dem „Specter“ der Hauptserie werden. Was aus dieser neuen Wesenheit wird, steht buchstäblich in den Sternen.
Die Gestalt des Prospektors Roderich bedarf noch einer eingehenderen Betrachtung, wenn die von Brandhorst eingestreuten Details zu ihm Serienrelevanz bekommen sollen. Sonst könnte er wirken wie ein künstlich interessant gemachter Charakter.
Wohin die Reise geht, lässt sich erahnen. Nächstes Ziel jedenfalls ist Akon, wo die letzte Sternenarche ACHATI UMA entdeckt wurde – jenes Schiff, mit dem Levian Paronn in die Zukunft aufbrach. Um ihn wird es im nächsten Band von Leo Lukas gehen, „Der erste Unsterbliche“. Eine Frage bezüglich der Unsterblichen hat Brandhorst schon in diesem Band beantwortet: Die Frage nach den augenscheinlichen Defekten zumindest einiger Aktivatoren. Levian Paronn baute sie in der Vergangenheit nach dem Vorbild seines eigenen, doch fehlten ihm schließlich die Materialien, so dass er improvisieren musste. Neue Frage: Woher hat Paronn seinen Aktivator und wieso kann er ihn überhaupt nachbauen, während Generationen von terranischen Wissenschaftlern an den Geräten von Rhodan und Co. verzweifelten?
Einen letzten Zweifel streut Brandhorst auf den letzten Seiten: Geht es Paronn wirklich um die „Bestien“, die das lemurische Reich in einem fast hundertjährigen Krieg vernichteten, ehe sie befriedet und zu „Halutern“ wurden, wenn er vom „Feind“ spricht? Dieser Feind existiert nicht mehr, und doch verheimlicht eine fremde Präsenz ihre Anwesenheit …
„Exodus der Generationen“ ist ein vielschichtiger Roman, mit dem Andreas Brandhorst seine Klasse beweist und gleichzeitig auf sich und sein Kantaki-Universum aufmerksam macht. Abgesehen von winzigen Widersprüchen zur Serientechnik zeigt er seine Professionalität in der Schriftstellerei in der Art, wie er sich in das komplexe Rhodan-Umfeld hat einarbeiten können. Erfrischend sind seine Darstellungen von Gefahren und technischen Details, die bei einigen der Stammautoren routiniert abgehandelt werden. Um das schon an sich spannende und faszinierende Thema des Romans herum entwickelt er eine Geschichte mit erzählerischer Dichte und Fließkraft. Die vier verschiedenen Erzählebenen machen nicht den Eindruck, als müsse man den Stoff unbedingt unterbringen und wisse nicht, wie das möglich wäre, sondern werfen hier und da ein Schlaglicht auf die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und schaffen damit eine schlüssige Atmosphäre.
Mit jedem Roman gefallen mir der rätselhafte Aufbau und die Geschichte der Serie und vor allem die Erzählkunst in den einzelnen Romanen besser. Ich bin guter Hoffnung, dass sich dieses Niveau durch die Serie fortsetzt und denke, dass „Lemuria“ der beste Spin-off-Zyklus und damit ein Meilenstein in der Rhodan-Historie wird.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (9 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)
Manchmal sitzt man da, umgeben vom grauen Einerlei des Alltags, und träumt von der Vergangenheit, von verpassten und verpatzten Situationen. Wenn man die Chance hätte, würde man alles anders und besser machen. Natürlich besser, denn man kennt ja die Konsequenzen seines ersten Tuns, in manchen Bereichen auch die Entwicklung der Menschheit – wobei dies meist auf die Entwicklung des so genannten „Westens“ beschränkt ist. Was könnte man alles erreichen? Es gibt allerlei Möglichkeiten, die genau sich zu überlegen wenige Träumende durchhalten – zu schnell greift der Alltag nach einem und hinterlässt höchstens melancholische Gefühle oder Trauer um verpasste Gelegenheiten.
Nicht so Ken Grimwood (1944-2003): In „Replay“ beschäftigt er sich eingehend mit diesen Möglichkeiten und den Folgen, denn der normale Träumende lässt stets außer Acht, dass das veränderte Verhalten große Veränderungen zumindest des eigenen Lebens nach sich ziehen würde. So würde man nach einer „korrigierenden“ Entscheidung vor einer neuen Situation stehen und einem neuen Leben die Stirn bieten.
Der Protagonist seines Romans, Jeff Winston, scheint eine Zeichnung seiner Selbst zu sein: Ebenso wie Grimwood selbst ist Jeff Radiojournalist und wird in einigen seiner „Replays“ Schriftsteller. Ob allerdings Grimwood so unzufrieden mit seinem Leben war wie der Jeff seines Romans, bleibt pure Spekulation. Grimwood starb in Kalifornien.
Jeff Winston ist ein leicht übergewichtiger Mann, der seinen Traum vom großen Erfolg und dem Wechsel zum Fernsehen aufgegeben hat. Zwar hat er eine gute Stellung bei seinem Radiosender, aber reich und zufrieden wird er damit nicht. Als seine Frau anruft, erkennt er deutlich, wie sehr sie sich auseinander gelebt haben. Ein richtiges Gespräch wäre dringend nötig, aber Jeff hört die Worte seiner Frau: „Wir brauchen dringend …“ – und bevor sie ausreden kann, schießen ihm alle möglichen Varianten durch den Kopf von Dingen, die sie dringend brauchten und die seine Frau jetzt von ihm verlangen könnte. Zum Beispiel ein Duschvorhang. Weitere Worte hört er gar nicht, denn ein brutaler Schmerz zerreißt seine Brust. Typischer Herzinfarkt. Jeff ist nur ungläubig, als er seinen Tod mitverfolgt.
Jeff erwacht in seiner Junggesellen-WG auf dem Campus seines Colleges und denkt anfangs an einen bösen Traum. Natürlich kommen ihm Zweifel, wie man sein ganzes Leben so präzise hätte träumen können, doch die verschiedenen Begegnungen und Situationen in den folgenden Tagen wirken bis auf Kleinigkeiten so bekannt auf ihn, dass er schließlich die Probe aufs Exempel machen will. Mit Achtzehn ist er nun wieder zu jung, um Wetten abzuschließen, also sucht er sich einen älteren Studenten und lässt ihn als vierzigprozentigen Teilhaber seine gesamten Ersparnisse in einem Pferderennen setzen, an dessen Ausgang er sich aus seinem ersten Leben erinnert.
Der Erfolg spornt ihn an, er wird durch weitere Einsätze und Börsenspekulationen reich, gründet eine Firma – bis er im gleichen Alter wie damals plötzlich einen Herzinfarkt erleidet, unter den gleichen, fast schon vergessenen Schmerzen.
Im übernächsten „Replay“ findet er sich schnell zurecht und setzt alles auf schnellen Reichtum. Trotzdem ist er deprimiert und verzweifelt, sucht diesmal die Erlösung in Sex und Drogen. Er sieht keinen Sinn in seinem Schicksal und versinkt in Selbstmitleid. Sein Tod kommt nicht überraschend, nachdem er im zweiten Durchlauf alles umsonst auf ein gesundes Herz gesetzt hat.
Einige Replays später, nachdem er verschiedene Variationen seines Lebens durchlebt hat und sogar den Mord von JFK verhindern wollte (mit dem Resultat, dass ein anderer Mann als Mörder hingerichtet wurde), stößt Jeff auf einen Film, den er nicht kennt und der ein beispielloses Meisterwerk wird. In ihm sind alle damals noch unbekannten Größen aus dem Filmgeschäft versammelt, unter anderem George Lucas und Steven Spielberg, deren Genie noch nicht erkannt war. Die Inhaberin der Filmgesellschaft, gleichzeitig Autorin des Drehbuchs, muss ebenso wie Jeff ein „Wiedergänger“ sein.
Ihrer beider gemeinsames Schicksal schweißt sie über verschiedene Replays zusammen, es entwickelt sich eine starke Liebe zwischen ihnen. Im Glauben, ihnen bliebe unendlich viel Zeit, unternehmen sie Versuche, andere Wiedergänger zu finden oder durch öffentliche Zukunftsseherei die Wissenschaft auf ihr Problem zu lenken. In letzterem Fall verursachen sie einen dramatischen Zusammenbruch der politischen Interaktion der ganzen Welt. Ihrem Ziel, aus diesem Kreislauf auszubrechen, kommen sie nicht näher.
Eine einzige Veränderung stellen sie fest: Die Dauer der Replays verkürzt sich in zunehmenden Intervallen – was erwartet sie, wenn die Wiederholungen dicht bei ihrem Tod beginnen, oder mit ihm zusammentreffen? Ewiges Leid? Endgültiger Tod? Grimwood zeichnet mit meisterhafter Leichtigkeit die Gefühlswelt und die Erlebnisse seines Protagonisten; erst stellt sich Erleichterung ein, als Jeff auf seine Gleichgesinnte trifft, dann fesselt uns die Tragik ihres Auseinanderlebens bis zur erneuten Annäherung. Durch die Verkürzung der Phasen entfernen sich die Wege des bewussten Wiederlebens der beiden voneinander, die festgelegten Wege ihres ersten Lebens beengen ihre Möglichkeiten umgekehrt proportional zur Dauer eines Replays.
Trotzdem läuft alles auf eine Erkenntnis hinaus, die sich allen Anstrengungen zum Trotz durchsetzt und einen Kompromiss zur Zufriedenheit aller Beteiligten zumindest zulässt. Es kommt darauf an, ein zufriedenes Leben zu führen und Differenzen in der Partnerschaft frühestmöglich zu klären. Grimwood gelingt es auf subtile Art, seinem Protagonisten Charaktertiefe und ein gewisses Maß an Weisheit zu verleihen, beides vorstellbare Folgen eines durch viele Wiederholungen stark verlängerten Lebens. Das Wissen um Zusammenhänge, das sich vertieft und verfeinert, hebt Jeff aus der Masse seiner Mitmenschen heraus – ist aber gleichzeitig eine unüberwindliche Kluft.
Es ist eine Tragödie mit melancholischen Schwingungen zum Ende, in denen Grimwood doch Jeffs Entwicklung und dessen ruhige Abgeklärtheit hervorhebt und ihn nicht in Selbstmitleid versinken lässt. Denn ihm wird eines klar: Im Endeffekt gibt es immer nur |ein| Leben, das nur lebenswert gestaltet werden muss. Sind die Replays nun eine Strafe oder eine Belohnung, vielleicht auch ein „Augenöffner“ für das Leben? Wieso Jeff in ihnen gefangen ist, bleibt ungeklärt und spielt auch keine Rolle – entscheidend sind seine Erkenntnisse. Ein hervorragender Roman, aufgrund seiner Komplexität wohl zu schwer für den Durchschnittsjugendlichen, empfehlenswert aber für jeden Erwachsenen! Er ist fesselnd und flüssig zu lesen, ohne Längen und Hänger, und regt auf unterhaltsame Art zum Nachdenken an.
Die guten Vorsätze und die Anfänge von Vertrauen, die sich durch Alemaheyus Luftgitarre anbahnten, scheinen durch das alte Misstrauen verdrängt worden zu sein. Die PALENQUE und die LAS-TOOR umkreisen manövrierunfähig den Planeten „Mentack Nutai“, auf dem erst kürzlich die Überlebenden der zweiten Sternenarche bruchlandeten. Eine noch unbekannte Macht entzieht den Schiffen jegliche Energie bis auf die Lebenserhaltung, merkwürdigerweise sind die Beiboote nur bedingt betroffen.
Perry Rhodan und einige Prospektoren und Akonen fliegen den Planeten an, um Kontakt mit den Gestrandeten aufzunehmen und möglichst mehr Informationen über die Sternenarchen und die damit verbundenen Rätsel zu finden. Sie stoßen meist auf hilflose Lemurer, die Zeit ihres Lebens nur an Bord eines Raumschiffs lebten und mit der Weite des Planeten sowie den überlebenswichtigen Aufgaben überfordert sind.
Der Kommandant der Arche, der „Sternensucher“ Atubur Nutai, notlandete mit seiner Kommandofähre abseits der Rettungsfähren. Hier erliegt er seinen Verletzungen, gepflegt von seiner Begleiterin Nydele. Sein Zellaktivator verhindert nicht seinen Tod.
Eine Energiesignatur lockt Rhodan und sein Team in den Norden, in die Eiszone, wo er erstmals auf intelligente Bewohner des Planeten trifft: Energiewesen, die für die Probleme der Mutterschiffe verantwortlich sind. In primitiven Kontaktversuchen erfahren die Menschen, dass die „Menttia“, die Energiewesen, bereits schlechte Erfahrungen mit ihresgleichen hatten und sich nur absichern wollen. Es bahnt sich gegenseitiges Verständnis an, als Rhodan auf eine uralte Station der Akonen stößt, die anscheinend einen Konflikt mit den Menttia austrugen. Dort treffen sie auf ein zerstörerisches Wesen, in dem Denetree den „Hüter“ der Sternenarchen und Rhodan seinen Freund Icho Tolot, den Haluter, erkennt …
Hans Kneifel schreibt seit Jahrzehnten für die Perry-Rhodan-Serie, mittlerweile nur noch sporadisch wegen seines doch recht hohen Alters. Der Fan freut sich über seine gelegentlichen Gastspiele. Kneifel schrieb den Großteil der Atlan-Zeitabenteuer und ist damit einer der „Väter“ dieser Figur, die sich unter den Lesern seit ihrem ersten Auftritt größter Beliebtheit erfreut. Zwischenzeitlich gab es eine eigene Serie um den Arkoniden Atlan, die neuerdings einen neuen Versuch wagt.
Im vorliegenden zweiten Band des sechsbändigen Taschenbuchzyklus „Perry Rhodan – Lemuria“ fügt Kneifel neue Fragen dem großen Rätsel hinzu, das sich um die Sternenarchen rankt. Antworten werden noch keine gegeben, aber das Flair des Kosmischen verstärkt sich noch und bildet die fesselnde Atmosphäre des Romans. Mit den Menttia führt Kneifel ein neues faszinierendes Volk ein, das sich an einen uralten Konflikt mit den Akonen erinnert. Die Akonen wiederum wissen nichts mehr davon, die Lemurer und Terraner schon gar nicht. Dank Rhodans zeichnerischer Künste lässt Kneifel so etwas wie ein Friedensabkommen zustande kommen. Von den wenigen hundert Schiffbrüchigen fühlen sich die Menttia nicht bedroht, und Rhodan kann klar machen, dass von den anderen Gruppen keine Aggressionen zu befürchten sind.
Leider scheint keinem der Handelnden, und damit Kneifel ebenfalls nicht, aufgefallen zu sein, dass der Kommandant der zweiten Arche als Sternensucher bezeichnet wird, während auf der ersten Arche die Sternensucher verfolgt und vernichtet wurden. Das wird natürlich seinen Grund haben, den wir jetzt noch nicht kennen. Trotzdem hätte das gerade Denetree auffallen müssen, da ihr Bruder doch als Sternensucher den Tod gefunden hat.
Die Zellaktivatoren der Kommandanten werden ein größeres Rätsel. In beiden Archen wird einer getragen, doch beide scheinen defekt zu sein: Der erste Kommandant altert trotz Aktivator, nur langsamer, und seine Beweglichkeit wird stark eingeschränkt, der zweite Kommandant, Atubur Nutai, unterzog sich einer regelmäßigen, unbekannten „Verjüngungskur“, in deren Verlauf er immer einen Teil seiner Erinnerungen verlor. Das ist eins der Rätsel, die es zu lösen gilt: Woher kommen die Aktivatoren, warum sind sie fehlerhaft?
Zu Beginn des Romans erfährt man von einem fremden schwarzen Kugelraumschiff, das sich in der Arche befindet. Durch die Darstellungen des „Hüters“ angeregt denkt der kundige Leser sofort an ein Haluterschiff – befindet sich einer an Bord dieser zweiten Arche? Bekanntlich erleidet die Arche Schiffbruch, und man erfährt, dass das schwarze Schiff bei der akonischen Station strandet. In dieser Station werden die Menschen um Rhodan fast von einem aggressiven Ungeheuer überrannt, das die Station zerstört. Rhodan erkennt seinen alten Freund Tolot. Neue Frage: Wie kann Tolot seit fünfzigtausend Jahren an Bord der Arche sein, wenn er aktuell mit Rhodan befreundet ist? Wir ahnen, dass es nicht Tolot sein kann, denn Kneifel lässt Rhodan zum Ende noch ein Funkgespräch mit ihm führen.
Die Miniserie macht einen faszinierenden Eindruck, anders als die Vorgängerserien zieht sie ihr Potenzial nicht aus Action, sondern aus der geheimnisvollen kosmischen Atmosphäre. Trotzdem handelt es sich um Fragen, die einem Serienneuling eventuell nicht viel bedeuten, da sie erst im Serienkontext ihre wahre Größe enthüllen. Unterhaltsam sind die Romane bisher allemal, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis wird man schwerlich auf dem Buchmarkt finden. Insgesamt kann Kneifel nicht ganz an die Güte seines Vorgängers anschließen, trotzdem steigt die Spannung und macht Lust auf mehr. Im nächsten Band zeigt Andreas Brandhorst, wie er sich im Rhodan-Kosmos zurechtfindet. Man darf wirklich gespannt sein!
Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,50 von 5)
Anthologien deutscher (oder überhaupt) Science-Fiction sind mittlerweile äußerst seltene Publikationen. Kurzgeschichten scheinen der heutigen Leserschaft immer weniger zu bedeuten. Im Wurdack-Verlag erschien Anfang 2004 die erste SF-Anthologie („Deus ex machina“) des Verlags, der damit schwieriges Terrain betritt. Es ist ein erfreuliches Ereignis, dass mit „Walfred Goreng“ bereits der zweite Band erschienen ist – Kurzgeschichtenanthologien dienen als wichtige Plattform für aufstrebende Autoren und bieten in unterhaltsamer Form einen Querschnitt durch die deutsche Science-Fiction-Landschaft. Vielleicht spielte auch die von Andreas Eschbach jüngst herausgegebene Sammlung von Geschichten bekannter europäischer Schriftsteller eine unterstützende Rolle, um das Interesse an derartigen Publikationen zu erhöhen.
Die Chronik um den unsterblichen Menschen Perry Rhodan umfasst mittlerweile eine über vierzigjährige Geschichte. Unmöglich, einen kurzen Überblick zu geben. Über zweitausendzweihundert Heftromane, 415 Taschenbücher, ungefähr 800 Heftromane um Perrys Freund Atlan, diverse Einzelgeschichten und Spin-off-Serien sowie ein Kinofilm – die Dimensionen sind erdrückend. Aber obwohl die Geschichte der Erstauflage im Heftroman eine fortlaufende Handlung ist, finden sich genügend Lücken für Abenteuer, die leicht zugänglich für so genannte Neuleser und interessant für die Stammleser sind.
Eine Lanze für Perry Rhodan
Seit 2002 veröffentlicht der Heyne-Verlag in Zusammenarbeit mit dem Perry-Rhodan-Team jährlich eine sechsbändige Miniserie im Taschenbuch. Angekündigt als „atemberaubendes Science-Fiction-Abenteuer“ bilden die Bücher spannende Unterhaltung in abgeschlossenen Geschichten, so dass Neulinge sich nicht vor dem gigantischen Hintergrund fürchten müssen. An diesem Punkt hakt die Kritik ein: Wenn der Serienheld Perry Rhodan auch in diesen Sechsern mitspielt, wie soll man den Hintergrund vergessen können? Eine berechtigte Frage, wenn sie die beiden Zyklen „Andromeda“ (Heyne 19001 – 19006) und „Odyssee“ (Heyne 19007 – 19012) betrifft. Zwar verlässt Perry Rhodan in beiden Zyklen den roten Faden der Hauptserie, doch spielen jeweils kosmische Seriendetails wie Superintelligenzen, Kosmokraten oder Hyperimpedanz eine Rolle.
So weit ich das nach der Lektüre des ersten Romans aus dem diesjährigen Zyklus „Lemuria“ beurteilen kann, haben sich die Macher diesmal richtig Mühe gegeben. Perry Rhodan spielt mit, aber anderen Charakteren wird zum Teil mehr Platz eingeräumt als ihm. Der Serienhintergrund spielt eine Rolle, man versucht aber nicht, zwanghaft die letzten Jahrtausende zu erklären, sondern bringt behutsam handlungsrelevante Details ein, die auch Leser ohne „Rhodan-Erfahrung“ erfassen können, wenn sie etwas Interesse mitbringen. Welches komplexe Universum erschließt sich dem Leser auf Anhieb, auf den ersten Seiten? Man denke zum Beispiel an das Kultur-Universum von Iain Banks, Hyperion von Dan Simmons oder auch das so genannte Uplift-Universum von David Brin. Hier wie dort spielen Jahrhunderte, Jahrtausende oder manchmal Jahrmillionen in der Entwicklung eines Universums tragende Rollen, aktuelles Beispiel aus Deutschland: Das Kantaki-Universum von Andreas Brandhorst, der in den Romanen und auf seiner Homepage eine ausgefeilte, liebevoll erstellte Chronik der letzten Zeitalter darbietet. Was ist der Unterschied zu Perry Rhodan, außer dass es zu Rhodans Geschichte massenweise Romane gibt?
Auf den Spuren der Vorfahren
Im vorliegenden Band von Frank Borsch stößt ein Prospektor-Raumschiff der Terraner auf ein gigantisches, fünfzigtausend Jahre altes Schiff, das seine Fahrt auf der Erde begonnen hat: Die Lemurer, Vorfahren der heutigen Menschen und aller humanoiden Völker der Milchstraße, starteten zu Beginn ihrer Raumfahrt ein gewaltiges Projekt. Ein Generationenschiff, in dem eine abgeschlossene Welt existiert, in der die Wesen leben und sich fortpflanzen, bis eines fernen Tages das Ziel erreicht sein sollte. Mit Beginn des überlichtschnellen Raumfluges geriet dieses Schiff in Vergessenheit. So ist es als unwahrscheinlicher Zufall anzusehen, dass es die terranische PALENQUE in den Weiten des Weltalls findet. An Bord des Prospektors befindet sich Perry Rhodan, zu der Zeit Regierungsoberhaupt der terranischen Welten.
Annähernd zeitgleich wird die LAS-TÓOR, ein Explorer der Akonen, auf das uralte Schiff aufmerksam. Die Akonen sind ein altes Volk der Milchstraße, das ursprünglich aus Siedlern der Lemurer hervorgegangen ist. Trotz ihrer Verwandtschaft herrscht eine Art „Kalter Krieg“ zwischen Terranern und Akonen. Da sich beide Parteien Nutzen oder Gewinne von dem Generationsschiff versprechen, ist in dieser Situation Fingerspitzengefühl gefragt: Wer hat das Recht zur Erforschung? Der Umsicht des akonischen Kommandanten und Perry Rhodans ist es zu verdanken, dass ein gemischtes Team zur Ersterkundung überwechselt. Wie groß ist das Erstaunen, als sich der Kommandant des fremden Raumschiffs als Unsterblicher gleich Rhodan erweist? In dieser Lage kann das Auftauchen eines akonischen Gefechtsverbandes zur Eskalation führen …
Entgegen den Vorgängerzyklen beginnt diese neue Serie nicht mit einem Zwangseinstieg durch Action-Überladung. Anscheinend hat man bei den Machern eingesehen, dass auch oder gerade gute Charakterisierungen und ein spannender Plot zu einem guten, unterhaltsamen und interessanten Roman führen können. Frank Borsch stellt unter Beweis, dass er sich auf ausgezeichnete Charaktere versteht, ihnen Tiefe und Seele verleihen kann und dass dabei die Geschichte in einem angenehmen Tempo voranschreiten kann.
Was in letzter Zeit in der Heftserie etwas fehlte, nämlich eine glaubhafte Darstellung der Unsterblichen, gelingt hier quasi nebenbei. Perry Rhodan ist ruhig und ausgeglichen und strahlt seine immense Erfahrung geradezu aus, ist dabei nicht zu distanziert und unterkühlt, sondern sucht die Nähe seiner Begleiter, sucht Verständnis und Vertrauen. Immer wieder liest man, dass es nicht leicht sein kann, einem Charakter, der von vielen unterschiedlichen Autoren beschrieben wurde, neue Facetten abzugewinnen. Muss man ja auch nicht immer zwingend! Es ist schon eine Leistung, eben dieser vielbeschriebenen Person Leben einzuhauchen und sie überzeugend zu schildern.
Das lässt sich auf alle anderen Personen des Romans übertragen. Manche kommen etwas kürzer, andere werden eingehender behandelt. Dadurch werden zum Beispiel Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Terranern und Akonen beleuchtet, so dass dem Leser recht schnell eine interessante Idee kommt: So unterschiedlich sind die Völker gar nicht! Da wirken die Schnittstellen, die Borsch zwischen ihnen einbaut, regelrecht befreiend.
Mit einer leichten Prise Humor gewürzt, lässt sich die Geschichte sehr gut lesen. So betreibt der terranische Funker einen Versand von Luftgitarren, und eine Akonin versucht sich in einem bei ihrem Volk beliebten Zeitvertreib: dem Plejbek. Die Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich entsprechend und wird anschaulich geschildert.
Die kosmische Sintflut
Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Leben im Generationsschiff. Die Menschen leben in Wohn- und Arbeitsgemeinschaften zusammen, der genetische Austausch wird vom Schiff streng kontrolliert. Natürlich gibt es stille Rebellen, die sich selbst „Sternensucher“ nennen. Denn das Schiff verbietet den Lemurern den Blick ins All, es ist eine wirklich geschlossene Welt ohne Augen und Ohren. Borsch motiviert die träumerischen Sitzungen der Sternensucher durch alte Aufzeichnungen, über die ihre Faszination und ihr Wissensdurst ausgelöst werden. Doch für das ferne Ziel (dies bleibt den Lesern bis zum Schluss unbekannt) muss die Ordnung im Schiff bestehen bleiben, weshalb der Kommandant gegen seine Überzeugung „[…] Es sind die Besten, und wir werden sie brauchen, wenn wir ankommen […]“ die Hinrichtung dieser vom Schiff als Verräter titulierten Menschen befielt. Ihm bleibt nur die Hoffnung, nicht alle großen Geister auszulöschen.
So erhält der Leser Einblicke in das Leben im Schiff aus allerlei Perspektiven, für uns erscheint es unvorstellbar. Doch wer weiß, ob die Menschen nicht in ferner Zukunft ein ähnliches Experiment wagen? Vielleicht, wenn eine moderne Sintflut, ein Armageddon oder degleichen die letzten Kräfte der Erde mobilisiert. Das bleibt in diesem Roman auch die Frage: Warum unternahmen die alten Lemurer diese unglaublichen Anstrengungen, um ein Generationenschiff zu bauen? Der Titel „Sternenarche“ legt nahe, dass es sich um eine Katastrophe gehandelt haben muss. Noch tappen alle Beteiligten im Dunkeln.
Der Auftaktband des neuen Zyklus ist ein hervorragend geschriebenes Science-Fiction-Abenteuer, bei dem man sich nicht durch das Etikett „Perry Rhodan“ abschrecken lassen darf. Frank Borsch gelingt der bisher beste Roman der neueren Rhodan-Geschichte, nach dieser Lektüre hat man Lust auf mehr. Dabei wird es für die Nachfolger schwierig, dieses Niveau zu toppen – allerdings machen Namen wie Andreas Brandhorst oder Leo Lukas durchaus Hoffnung.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (9 Stimmen, Durchschnitt: 1,67 von 5)
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