Überraschende Expeditionen, berichtet mit viel Humor
Hanna Bjørgaas unternimmt eine spezielle Expedition: Ein Jahr lang geht sie in Oslo mit Fernglas, Lupe und Skizzenbuch vor die Tür, schaut, horcht, riecht, befragt Profis – und lässt sich immer wieder aufs Neue von deren Begeisterung mitreißen. Sehr unterhaltsam und gespickt mit neuesten Forschungsergebnissen erzählt sie über uns eigentlich vertraute Lebewesen: Krähen, Amseln, Möwen, Ameisen (die plötzlich in ihrer Küche auftauchen), Fledermäuse, Sperlinge, Lindenbäume (als Urpflanzen nach der letzten Eiszeit), Flechten und die bizarre Mikrowelt des Erdreichs.
Wie schaffen es Tiere und Pflanzen, sich an die besonderen Herausforderungen der „Felsenlandschaft Stadt“ anzupassen – mit den schnellen technischen Entwicklungen und sich immer wieder ändernden Nahrungsangeboten? Wie unterstützen sie sich gegenseitig und wie wehren sie sich gegen Konkurrenten und gegen die Einengung ihrer Lebensräume? Entstanden ist ein Tagebuch voller Entdeckungs- und Lebensfreude, das Lust macht auf die Wildnis in allernächster Umgebung.. (Verlagsinfo)
Die Autorin
Hanna Bjørgaas (Jahrgang 1986) hat an der Universität Oslo Biodiversität und Evolution studiert – mit einer Zusatzausbildung für „Outdoor Life“. Sie hat als Fremdenführerin in der Arktis und Antarktis gearbeitet und Touren zum Thema Pflanzen, Pilze und Flechten durchgeführt. Außerdem hat sie mit Kleinbauern in Brasilien zusammengearbeitet, populärwissenschaftliche Artikel verfasst und an Konferenzen über Ökologie und Landwirtschaft mitgewirkt. Biologie ist für Bjørgaas mehr als eine Berufung, eher eine Obsession – ohne Fernglas und Lupe um den Hals fühlt sie sich ‚fast nackt‘. Sie lebt heute in der Stadt Bodø in Nordnorwegen.
Inhalte
Januar: „Das Spiegelbild der Städter“
Zum ersten Mal fällt Hanna das geheime Leben, das sich direkt unter ihrer Nase und vor ihren Augen befindet, auf, als sie in der Antarktis eine Touristengruppe führt. Was macht diese orangefarbene Flechte mitten in der Eiswüste, fragt eine Touristin, die offenbar mehr sieht als die Biologin. Gute Frage! Hanna schlägt gleich anhand des Fotos nach: eine Flechte. Von dieser ernähren sich die Zügelpinguine allerdings nicht, sondern fischen ihre Nahrung im nahen Meer.
Wieder zu Hause im winterlichen Oslo fragt sich Hanna, warum ihre Meisenknödel schon wieder leergefressen sind. Sie erholt sich gerade vom Jetlag nach ihrer Antarktisreise und will den Meisen was Gutes tun. Das müssen aber gefräßige Meisen sein. Dann beobachtet sie eine Krähe, die ihrerseits Hanna beobachtet. Sobald die Krähe entschieden hat, dass Hanna keine Gefahr darstellt, fliegt sie ruckzuck zu dem nachgeladenen Meisenknödel und zieht ihn Schritt für Schritt auf ihren Zweig. Dann reißt sie das Netz auf und verschlingt den leckeren Happen.
Verdammt clever, denkt Hanna verblüfft. Aber das ist noch gar nichts gegen die ausgeklügelte Strategie, die eine Elster an den Tag legt, um ein weggeworfenes Sandwich zu „organisieren“: Hälfte um Hälfte sichert sie sich die nahrhafte Beute, die einem Menschen nichts mehr wert ist. Hanna erkennt, dass die Menschen zwar die Wildnis verdrängt haben, deren Bewohner sich aber an die menschliche Umgebung angepasst haben. Und die Steinwüste der Stadt ist erst der Anfang.
Sie fragt einen Fachmann, der sich mit Krähen auskennt Geir aus dem nahen Bygdö ist Uni-Dozent und will noch ein Buch über Rabenvögel schreiben. Denn diese gibt es in ganz Nordeuropa, vor allem die Nebelkrähen, die Hanna beobachtet hat. Überall auf der Welt gibt es Rabenvögel, und sie werden intensiv erforscht, denn sie sind mindestens so schlau und sozial wie Schimpansen. Sie kooperieren und verabreden sich, sie können planen und die Pläne von Artgenossen „vorhersehen“, sie erinnern sich daran, wer sich feindlich und wer freundlich gegen Krähen verhalten (das Neandertaler-Experiment in Seattle, USA).
Dieses Wissen wird nicht nur in der Gruppe weitergegeben, sondern auch an die nächste Generation, was ja ziemlich erstaunlich ist. Sie wissen Werkzeuge zu machen, um beispielsweise Futter zu beschaffen, und können diese Fertigkeit weitergeben. Ach ja, und sie haben eine Sprache mit individuellen Dialekten, genau wie Menschen.
Hanna ist von den Socken, aber auch angefixt. Sobald ihr Blick auf die Tiere der Stadt geschärft ist, untersucht die – etwas unsystematisch – die anderen Kulturfolger unter den Tieren der großen Stadt Oslo. Sie macht erstaunliche Entdeckungen, wie schon unter Krähen, aber aus Platzgründen können diese Kapitel nur in Stichworten angedeutet werden.
März: Amseln: „Die Sängerin der Nacht“
Amseln singen üblicherweise nicht in der Nacht, warum also tut es jene Amseln, die von Hanna im Botanischen Garten von Oslo aufgespürt wird? Eine Expedition mit einem Experten soll Klarheit schaffen. Wie sich herausstellt, kommunizieren alle Tiere, die in der Stadt leben, anders als ihre Artgenossen auf dem Land. Denn in der Stadt lärmen Autos und Menschen besonders am Morgen und am Abend, und zwar in einer Lautstärke, die auf dem Lande unbekannt ist. Daher singen Stadt-Amseln nicht nur viel lauter, um den Lärm zu übertönen, und auf einer höheren Tonhöhe, sondern auch zu ganz anderen Tageszeiten: Sie nutzen die Stunden der Nacht, um sich untereinander zu verständigen. Hanna entwickelt nicht nur ein besseres Gehör, sondern entdeckt, zusammen mit anderen „Birders“, das Netzwerk der Singvögel und anderen Tierarten, das die Stadt erobert hat.
April: „Krieg den Ameisen. Über Sex, Gemeinschaft und dreckige Autoscheiben“
Hanna entdeckt zu ihrem Missvergnügen, dass sich eine Ameisenstraße von ihrem Küchenschrank in den Vorgarten zieht, wo eine Ameisenkolonie eingezogen ist. Soll sie die Plagegeister wirklich mit der chemischen Keule ausrotten? Sie wendet sich an eine Expertin und erfährt vom dramatischen Rückgang an Insektenbeständen in ganz Europa. Grund ist eben der Einsatz von Pestiziden und anderen Mitteln. Doch sie kann die Beziehung zu ihrem Partner nicht aufs Spiel setzen, indem sie die Ameisen gewähren lässt. Gut, dass es einen natürlichen Feind der Blattläuse gibt, die den Ameisen als Futterquelle dienen: eine Schlupfwespe. Kaum sind die Blattläuse von deren Larven aufgefressen worden, verschwinden auch die Ameisen.
Juni: „Das Möwen-Paradox“
Hanna macht einen Ausflug auf die Inselgruppe der Lofoten. Es ist, abgesehen vom Wind, sehr still hier draußen. Keine einzige Möwe, kaum noch Tordalken und Papageitaucher mehr – wie kann das sein, wundert sich Hanna und fragt ihren Guide Magne, der schon 60 Jahre hier lebt. Er kann ihr nur sagen, dass es früher ganz anders war, aber jetzt sind alle Möwen in die Städte gezogen. Dort werden sie von den Menschen keineswegs willkommen geheißen, sondern am liebsten alle umgebracht – was der Naturschutz zu verhindern weiß.
Von einem Fachmann erfährt Hanna, was hinter dieser Migration steckt: Es ist die Ausbreitung des Mink, eines Marders, der alle Vogeleier, Küken und Jungvögel frisst, wo er sie nur finden kann. So kann nichts nachwachsen. Der Mink wurde einst wegen seines Pelzes eingeführt und gezüchtet, doch Exemplare entkamen, und die vermehrten sich mangels Fressfeinden rasant. Nur die Dächer von Gebäuden bieten den Vögeln jetzt noch Schutz.
Juli: „Die Gespenster der Stadt“
Hanna begibt sich mit einem Experten zu den letzten Linden-Urwäldern Norwegens. Sie liegen etwa 20 km nördlich der sich ausbreitenden Hauptstadt. Hier im Schatten des Kronendachs dürfen Bäume einfach stürzen und liegenbleiben, um vielen Tier- und Pflanzenarten Nahrung zu bieten. So wie etwa vielen Pilzarten, die entweder im Stamm oder als Geflecht unterm Stamm wachsen.
August: „Geschichten aus dem Untergrund“
Hanna verbuddelt Damenhöschen im Boden. Diese dienen als Wachstumsbasis für allerlei Zeug, was es im Boden gibt, von Asseln über Würmer bis zu Bakterien. Gleichzeitig hat sie eine Komposttonne mit Küchenabfällen befüllt. Sobald der Kompost eine dunkle Farbe und einen säuerlichen Geruch angenommen hat, verteilt sie ihn auf ihren Beeten im Hinterhof. Wenig später wirkt der Kohl noch viel gesünder. Hanna interessiert sich für den Zusammenhang zwischen Muttererde und Kompost, natürlich vor allem in der Stadt.
Wieder hat sie eine Expertin dafür gefunden: Linda Jolly von der norwegischen Universität für Umwelt- und Biowissenschaften. Sie berichtet, dass das Leben in der Erde seltsamerweise erst seit den 1990er Jahren ein Forschungsgegenstand sei: die dritte biotische Forschungsgrenze (nach Regenwaldkronen und Tiefsee). Dabei sei Erde doch die Grundlage allen Lebens an Land. Der Unterschied, der sich nun bei Erde in der Stadt und auf dem Land finde, sei der Sauerstoffgehalt. Weil der in der Stadt kaum vorhanden sei, stinke die Erde meist säuerlich. Jetzt wird Hanna einiges klar: Sie muss ihrem Kompost immer Frischluft zuführen, schon allein um die vielen fleißigen Regenwürmer zu beatmen.
Als sie mit einer weitere Spezialistin mal den Humus unterm Mikroskop betrachten kann, merkt sie den Unterschied zwischen Garten-, Wald- und Stadtboden sofort: Der Stadtboden ist praktisch tot, doch im Gartenboden, ihrem Humus, wimmelt es vor Leben: Nicht nur winzige Tiere leben dort, sondern auch jede Menge Pilze. Diese Pilze transportieren nicht nur Moleküle wie Zucker, sondern stellen Bakterien usw. kleine Fallen, um sie dann zu verdauen. Richtig clever, findet Hanna. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass alle diese Organismen zusammenarbeiten, um den Boden fruchtbar zu machen, und zwar für alle.
Nach einem kleinen Exkurs über Pilze und ihre Bedeutung verrät uns abschließend, was es mit ihrem seltsamen Höschen-Experiment auf sich hat. Es gibt nicht nur in Norwegen einen jährlichen Wettbewerb, bei dem Unterwäsche dem Boden zum Verarbeiten übergeben wird. Gewinner ist derjenige, dessen Wäsche nach drei Monaten am schmutzigsten und löchrigsten geworden ist. Hanna bricht wohl nicht den Weltrekord, aber wenigstens sind ihre Höschen in Wald und Garten weitgehend verarbeitet worden, nur die Plastikteile übrig. Die Höschen an der städtischen Hecke wurden geklaut, denn auch die Hecke ist weg.
Oktober: „Die Grenzsprenger“
In diesem Monat beschäftigt sich Hanna mit Fledermäusen. Faszinierende Kreaturen, die jedoch Angst vor dem Licht, das unsere Städte verschmutzt, haben und deshalb in möglichst dunklen Zonen fliegen. Sie bilden sich ein Bild von der Welt, indem sie ständig schreien und nach dem Prinzip des Echolots ihre Umgebung abtasten. Es gibt sogar einen Menschen, der sie nachahmt: Daniel Kish ist ein Blinder, der schreiend und klickend durch die Stadt radeln kann.
Schließlich will Hanna selbst einmal so eine Fledermaus in Augenschein nehmen. Doch selbst mithilfe des Experten Magne, der mit einer Fledermausforschern zusammenarbeitet, ist es nicht leicht, die Nachtflieger aufzustöbern. Sie scheuen das Licht und die Menschen, und im Winter verkriechen sie sich an Orten, die noch kein Norweger erkundet hat: Gruben, Stollen, Höhlen, Spalte und so weiter. Es werden immer weniger Tiere, haben die Freiwilligen festgestellt. Pestizide des Menschen sammeln sich – über die insektoide Beute – im Gehirn der Tiere und töten es.
Die kleinste Fledermaus ist nur so groß wie eine Hummel und wiegt gerade mal 2 Gramm. Dementsprechend hoch sei ihr Energiebedarf: 50 Prozent des Körpergewichts muss sie täglich fressen, um zu überleben. Hanna stellt sich vor, wie das bei einem Menschen aussehen würde: Sie selbst müsste täglich 30 kg essen! Schließlich findet sie doch noch eines dieser Wunderwesen in einer Höhle.
November: „Die Schrift der Stadt“
Flechten sind eine faszinierende Lebensform, und Hanna findet sie direkt am Kirschbaum, der in ihrem Garten steht. Diese Symbiose aus Algen und Pilzen findet sich an den unwahrscheinlichsten Stellen, entdeckt sie bei einem Stadtspaziergang, und ein Experte kann die Sorten alle auseinanderhalten. Die spannendste Erkenntnis lautet, dass Flechten ein direkter Indikator für die Qualität der Stadtluft sind. Deshalb findet sie in ihrem Garten andere Flechten als etwa an der Stadtautobahn oder – siehe oben – in der Antarktis. Mit ihren hellen Farben bemalen Flechten die urbane Umgebung wie eine Leinwand. Draußen auf dem Land kennen die Bauern manche Flechten aufgrund ihrer kelchförmigen Gestalt als „Feenbecher“.
Dezember: „Das Naheliegende“
In der Weihnachtszeit setzt sich Hanna an den Tisch eines Cafés, um eine Zimtschnecke zu essen. Schon wenige Augenblicke später taucht der Späher eines Schwarms Sperlinge an ihrem Tisch auf und meldet piepend sein Interesse an ihrem Zuckergebäck an. Kaum hat sie dem Begehren nachgegeben und ist weggegangen, stürzt sich der restliche Schwarm auf die Zimtschnecke und verputzt sie im Handumdrehen.
Mit dem Experten Björn Olav findet Hanna heraus, dass die Stadtspatzen einen viel höheren Cholesterinspiegel aufweisen als ihre wilde asiatische Ursprungsform. Ob das viele Cholesterin den norwegischen Spatzen so gut bekommt, bezweifelt sie. In einem Vergleich zwischen Feld- und Haussperling fällt ihr auf, dass die Stadtspatzen fst jeglichen Sicherheitsabstand abgelegt haben – sie nähern sich bis auf 10 cm – die ihre vettern auf dem land noch kennen, und die in der Wildnis sowieso.
Dieser Unterschied führt zu der Frage, was wir heutzutage für „wild“ halten. Wir haben das Unkontrollierte, Andersartige durch das Kontrollierte, von uns Gemachte ersetzt, so dass wir nicht mehr in der Lage sind, das Wilde zu erkennen und zu bestimmen. Zusammen mit dem Naturphilosophen Robert Michael Pyle meint sie, dass wir das einst überall zu findende Hochgefühl, sich in der lebendigen Natur zu befinden, verloren haben und kaum noch finden – und wenn, dann nur an Orten wie der Antarktis. Diese verlorene Verbundenheit mit der natürlichen Umgebung können zu katastrophalen Entwicklungen führen, wie Pyle warnt. Was wir nicht mehr kennen oder schätzen, vernichten wir, ohne es auch nur zu ahnen.
Und die Folgen können in der Tat katastrophal sein, wie sich 1958 in China zeigte. Die Staatsführung verkündete eine Massenkampagne gegen die „vier Plagen“ und hielt die Bauern dazu an, alle Spatzen zu vernichten, also ihre Nester und Eier und lebenden Exemplare. Die getöteten Spatzen fraßen nun zwar nicht mehr das Saatgetreide, aber dafür auch keine Insekten: Heuschrecken usw. nahmen überhand und vernichteten viel mehr Nahrungsgrundlage als alle Sperlinge zusammen. Man schätzt, dass der anschließenden „Großen Hungersnot“ etwa 45 Mio. Menschen zum Opfer fielen.
Kommentare und Anmerkungen
Ein „Kommentar zur Urbanisierung und biologische Vielfalt“ bezeichnet das rasante Wachstum der Städte als Hauptursache des Verlustes der lokalen und generellen Artenvielfalt. Städte sind wie Felsschluchten, und dort können sich nur entsprechend anpassungsfähige Arten halten.
Ein „Kommentar zum Geschlechtergleichgewicht“ bekennt, „dass in diesem Buch mehr männliche als weibliche Interviewpartner zu finden“ seien. Das liege zum Teil daran, dass Feldstudien in den Biologiestudiengängen kaum noch zu finden seien. Sie hofft, dass sich dies bald ändert.
Der Anhang belegt alle Zitate und Zahlenangaben, erklärt auch Angaben näher.
Die Übersetzung
S. 95: „was sich[er] auch nicht sinnvoll ist“: Entweder fehlt die Endsilbe -er oder das Wörtchen „sich“ ist überflüssig.
S. 98: „von einer klebriger Schicht überzogen“: Korrekt sollte es heißen „von einer klebrigen Schicht“.
S. 102: „Ein bisschen leckere Ameisen-Kotze.“ Über das Vokabular ließe sich streiten, gemeint ist jedenfalls ein Mageninhalt.
S. 147: „die niedrige Hecke war ein[e] Linde“: Das E fehlt.
S. 160: „bis zu dem Knien im Wasser“: Korrekt müsste es „bis zu den Knien“ heißen.
S. 163: „Wie ich das so auf meinem Spaten gestützt“: Da man sich auf einen Gegenstand stützt, müsste es korrekt „auf meinen Spaten“ heißen. Die Übersetzerin hat Schwierigkeiten Dativ und Akkusativ auseinanderzuhalten.
S. 199: „Milchlinge sind Blätterpilze, dessen sprödes, körniges Fleisch“: Weil aber die Pilze im Plural stehen, muss auch das Relativpronomen im Plural stehen, als „deren“ statt „dessen“.
S. 222: Mal heißt der zitierte Experte mit Nachnamen „Lango“, dann wieder „Langlo“.
S. 249: „70 mg Schwefeldioxid per Quadratmeter“: Statt des englischen „per“ ist bei uns „pro“ üblicher. Und das „pro“ wird auch im weiteren Text verwendet.
Unterm Strich
Nach diesem Tagebuch einer einjährigen Expedition in die Stadt wird der Leser seine urbane Umgebung mit neuen Augen sehen. Mit viel Humor und ebenso viel Sachkenntnis von Fachleuten bringt uns die Autorin verschüttetes und neu zu entdeckendes Wissen über die Wildnis der Stadt näher. Das ist umso bedeutsamer, je weiter sich ebendiese urbane Umgebung auf den Rest der Welt ausbreitet. Der Haken dabei: Wir wissen gar nicht, was wir in diesem Prozess verlieren, weil schon den Blick für die Natur verloren haben. Selbst Ornithologen sind schon zu Weltrekordlern mutiert, die nur eine weitere entdeckt wie eine Trophäe auf ihrer Liste abhaken.
Deshalb bietet die Autorin umso wertvolleres Wissen, weil sie auch die Zusammenhänge aufzeigt und laufend Vergleiche zieht. Zwischen Haus- und Feldspatzen, zwischen Flechten und Pilzen, zwischen den zahlreichen Möwenarten und vielem mehr. Der ultimative Vergleich ist natürlich stets der zum heutigen Bewohner des Anthropozän. Dadurch wird dem Leser klar, dass er sich ständig in einem Austausch mit der urbanen Wildnis befindet. Er beeinflusst sie, sowie sie ihn beeinflusst, ob er es bemerkt oder nicht.
Ihre Lehrmethode macht uns Hanna sympathisch, aber sie belässt es dabei nicht, sie weiß uns auch mit Fachwissen zu füttern und dabei neugierig zu machen. Sie selbst ist mit Feldstecher und Mikroskop bewaffnet, aber auch mit ungewöhnlichen Gerätschaften wie etwa einem Abhörgerät für Fledermausschreie (es dehnt die Schreie so stark, dass das menschliche Ohr sie hören kann). Auf diese Weise macht sie den Leser zum Komplizen ihres Forschungsdrangs – und damit auch zum Anwalt des Umweltschutzes, denn wäre es nicht traurig zu erfahren , dass das soeben Beobachtete gerade im Aussterben begriffen ist?
Gebunden: 303 Seiten
O-Titel: Byens hemmelige Liv, 2020.
Aus dem Norwegischen von Sabine Richter.
ISBN-13: 9783948065270
https://stroux-edition.de/
Der Autor vergibt: