Ein gelungener Wurf: Jesse Stones neuer Fall
Jesse Stone, der Polizeichef von Paradise, Massachusetts, befindet sich auf einem seiner ruhelosen Nachtspaziergänge, als er auf die Leiche seines Vorgesetzten, Bürgermeister Neil O’Hara, stößt. Es soll wie Selbstmord aussehen. Die Stelle liegt auf einem der umstrittenen Grundstücke, auf dem ein Kasino mit Hotel errichtet werden soll. Es gibt einen Verkäufer und zwei Bieter. Warum musste O’Hara sterben, fragt sich Jesse, und warum liegt die Pistole eines Linkshänder rechts von seinem Kopf?
Zu allem Ungemach kommt noch der Besuch eines alten bBekannten hinzu: Wilson Cromartie alias Crow, ein mutmaßlicher Apache, den Jesse schon zweimal öfter kennengelernt hat, als ihm lieb ist. Crow sagt, er sei für Singer, den Bieter aus Las Vegas, hier, um zu kundschaften. Und er habe deshalb bereits die Witwe Katie O’Hara besucht. Deputy Sheriff Molly Crane, mit der Crow vor etlichen Jahren ein einmaliges Stelldichein hatte, verscheucht die Krähe.
Wenige Tage später verschwindet mit Ben Gage einer der Naturfreunde, die das fragliche Grundstück bewahren wollten, wie es ist. O’Hara war ihnen offenbar wohlgesonnen, sagt Bens Freundin und Verbündete Blair Richmond. Aber Bens Wohnung wurde auf den Kopf gestellt, und kurz davor tauchte dieser Indianer auf…
Die Autoren
Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.
2) Mike Lupica, geboren 1952 in Oneida, New York, ist ein erfolgreicher Sportjournalist und der Autor von über 40 belletristischen und Sachbüchern. Als langjähriger Freund von Robert B. Parker ist er von den Nachlassverwaltern dazu ausersehen worden, die Jesse-Stone- und die Sunny-Randall-Reihen weiterzuführen.
Jesse-Stone-Krimis:
1) Night Passage (1997, „Das dunkle Paradies“)
2) Trouble in Paradise (1998, „Terror auf Stiles Island“)
3) Death in Paradise (2001, „Die Tote in Paradise“)
4) Stone Cold (2003, „Eiskalt“)
5) Sea Change (2006, „Tod im Hafen“)
6) High Profile (2007, „Mord im Showbiz“)
7) Stranger in Paradise (2008, „Der Killer kehrt zurück“)
8) Night and Day (2009)
9) Split Image (2010)
10) Killing the Blues (M. Brandman)
11) Fool Me Twice (M. Brandman)
12) Damned If You Do (M. Brandman)
13) Blind Spot (von Reed Farrel Coleman)
14) The Devil Wins (von Reed Farrel Coleman)
15) Debt to Pay (von Reed Farrel Coleman)
16) The Hangman’s Sonnet (von Reed Farrel Coleman)
17) Colorblind (von Reed Farrel Coleman)
18) The Bitterest Pill (von Reed Farrel Coleman)
19) Fool’s Paradise (von Mike Lupica)
20) Stone’s Throw (von Mike Lupica)
21) Fallout (von Mike Lupica)
22) Buried Secrets (von Christopher Farnsworth, erscheint am 4.12.2025)
Handlung
Jesse Stone, der Polizeichef von Paradise, Massachusetts, befindet sich auf einem seiner ruhelosen Nachtspaziergänge, als er auf die Leiche seines Vorgesetzten, Bürgermeister Neil O’Hara, stößt. Es soll wie Selbstmord aussehen. Dabei weiß jeder in Paradise, dass O’Hara Waffen hasste – warum liegt dann eine teure SIG Sauer neben ihm? Und warum liegt die Pistole dieses Linkshänders nun rechts von seinem Kopf, in den er sich geschossen haben soll?
Die Stelle liegt auf einem der letzten unbebauten Grundstück an der Küstenlinie, und auf dem soll ein Kasino mit Hotel errichtet werden. Es gibt einen Verkäufer (Lawton) und zwei Bieter, einen aus Vegas und einen aus Boston. Und es gibt eine Umweltschutzbewegung namens „Save our Beach!“, die als Opposition zu diesem schmutzigen Deal fungiert. Ihre Mitglieder ein Grab geschaufelt. Warum musste O’Hara sterben, fragt sich Jesse.
Zu allem Ungemach kommt noch der Besuch eines alten Bekannten hinzu: Wilson Cromartie alias Crow, ein mutmaßlicher Apache, den Jesse schon zweimal öfter kennengelernt hat, als ihm lieb ist. Crow sagt, er sei für Singer, den Bieter aus Las Vegas, hier, um zu kundschaften. Und er habe deshalb bereits die Witwe Katie O’Hara besucht. Deputy Sheriff Molly Crane, mit der Crow vor etlichen Jahren ein einmaliges Stelldichein hatte, verscheucht die Krähe.
Wenige Tage später verschwindet mit Ben Gage einer der Naturfreunde, die das fragliche Grundstück bewahren wollten, wie es ist. O’Hara war ihnen offenbar wohlgesonnen, sagt Bens Freundin und Verbündete Blair Richmond. Ben habe etwas herausgefunden, das er ihr aber am Handy nicht erzählen wollte – er fühlte sich verfolgt. Zu Recht, denn Bens Wohnung wurde auf den Kopf gestellt, und kurz davor tauchte dieser Indianer auf… Wenig später ist auch Blair Richmond verschwunden.
Jesse besucht den Auftragskiller Vinnie Morris, den vielleicht bestgekleideten Mann in ganz Boston. Vinnie arbeitete schon für etliche Mob-Größen, von Joe Broz bis Gino Fish, und kennt sich aus. Daher warnt er Jesse, den er seit Jahren gut kennt, vor Ed Barrone, dem Kontrahenten von Billy Singer aus Vegas. „Barrone kennt weder Regeln noch Grenzen“, stellt Vinnie lapidar fest. Das heißt, Barrones Leute könnten hinter dem Mord an O‘Hara stecken und Ben Gage Wohnung durchsucht haben. Aber was genau haben sie gesucht?
Crow hat entdeckt, dass Kate O’Hara, die trauernde Witwe des Bürgermeisters, kürzlich Besuch von Ed Barrone persönlich bekommen hat. Einen Tag später finden Spaziergänger Ben Gages übel zugerichtete Leiche im Wald. Die Entwicklung der Ereignisse nimmt eine eindeutig ernste Wendung.
Mein Eindruck
Es geht um teures Land, und dass es mit Blut getränkt wird, ist in den USA nichts Ungewöhnliches. Die ureinwohner wurden nicht nur ihres Lebensraums beraubt, sondern auch gleich noch mit Mikroben und Musketen umgebracht. Angesichts dieser verheerenden Bilanz bricht der Autor – wie schon Robert B. Parker selbst – eine Lanze für die ursprünglichen Landbesitzer. Soll der Landraub erneut stattfinden, fragt sich Polizeichef Jesse Stone.
Und wer darf das Stück Land namens „The Throw“ überhaupt rechtmäßig verkaufen? Lawton behauptet, es gehöre ihm, und will natürlich einen Reibach machen. Dass die potentiellen Käufer Singer und Barrone nicht gerade vom Feinsten sind, stört ihn nicht. Genervt wird er höchstens von seinem neuen Boss, Bürgermeister Armistead. Der will bestimmt ebenfalls einen guten Schnitt bei dem Land-Deal machen. Genügend Zeitdruck erzeugt ebenfalls.
Eine Art Romantik
Bis es zur Klärung aller Rätsel und der Beseitigung aller Wissenslücken in einem denkwürdigen Showdown kommen kann, kann sich Stone bei vielen Helfern bedanken. Dass auch die nicht immer vom Feinsten sind, stört ihn nicht. Tony Marcus ist Gangsterboss in Boston, Vinnie Morris ein Auftragskiller, und Will Cromartie hat mal Stiles Island ausgeraubt. Dass er seine Geliebte Rita Fiore , die gewiefte Anwältin, nicht lange bitten muss, ist eh klar, aber Sunny Randall, seine Lebensgefährtin, fehlt ihm schon sehr. Aber sie hat gerade einen Auftrag in L.A. zu erledigen. Kate O’Hara wäre nicht zu verachten, aber Jesse will Sunny nicht untreu werden – außerdem würde es sofort die ganze Stadt wissen. Eine Flasche Scotch wäre zwar auch ein guter Trost, würde aber einen Rückfall in finsterste Zeiten als Alki bedeuten.
Action
Regelmäßig kommt es zu bleihaltigen Auseinandersetzungen, so dass jeder Krimi- und Parker-Fan auf seine Kosten kommt. Schon die vielen Einbrüche sorgen wie Aggressionen und Verletzte. Als auch noch Molly mitten im Naturschutzgebiet beschossen und verletzt wird, ist das Maß für Jesse Stone – und Will Cromartie, Mollys Ex-Lover, – voll. Sie verdoppeln ihre Ermittlungen, wobei Cromartie seinem eigenen Auftraggeber auf den Fersen bleibt. Dadurch deckt er ein schmutziges Geheimnis Singers auf. Fortan bewacht er die wiedergefunden Blair mit seinem Leben – ein Mann mit einem Ehrencodex.
Es gibt nach Jesses Berechnung drei Handlanger-Teams: je eines für Singer und für Barrone, aber es muss noch eines geben – vielleicht für Lawton. Molly erledigt einen von Lawtons Leuten, doch nicht dessen Hintermann. Dieser tritt in einem weiteren Showdown auf. Hier erlebt Jesse Stone eine böse Überraschung. Und wäre nicht Cromartie helfend eingetreten, würde er mit den Engeln Hosianna singen.
Unterm Strich
Wer bereits ein Fan von Chief Jesse Stone ist, wird mit diesem weiteren Fall voll auf seine Kosten kommen. Ich freute mich jedenfalls, die komplette Truppe wiederzutreffen, die zu Paradise und Boston gehört. Der Autor erweist sich als Kenner und lässt es sich nicht nehmen, Figuren aus Fällen wieder auftreten zu lassen, die schon über 25 Jahre lang zurückliegen („Terror auf Stiles Island“, Folge 2 aus dem Jahr 1998). Es ist, als würde man eine Familienserie schauen, die einem schon zahlreiche unterhaltsame Krimistunden beschert hat.
Neben der obligatorischen Action in der Ermittlung kommen immer wieder romantische und ironische Momente zum Tragen. Molly hatte was mit diesem zwielichtigen „Indianer“, und die beiden flirten fröhlich miteinander. Wird das was mit den beiden? Mehr darf nicht verraten werden. Auch jasse hat was am Laufen, doch Sunny weilt an der Westküste, und Rita Fiore im nahen Boston. Dreimal darf man raten, mit wem er seinen finalen Erfolg im Bett feiert. Selbst Jesses Psychotherapeut Dix, ein Ex-Cop, tritt mit ironisch wirkenden Sätzen auf. Aber er hat auch eine neue, ungewöhnliche Perspektive zum Fall beizutragen.
Das Generalthema ist Land und dessen Raub bzw. Besitzrechte. Wenn also der aktuelle US-Präsident Ansprüche auf den Landbesitz eines anderen, europäischen Landes anmeldet, so ist das lediglich die Fortsetzung der US-Politik des 19. Jahrhunderts (damals unter dem ideologischen Deckmantel der „offenkundigen Bestimmung“ der Nation). Trump kennt sich mit Immobilien ebenso gut aus wie die beiden Ganoven Barrone und Singer im vorliegenden Krimi. Doch Jesse spricht sogar mit den Vertretern eines einheimischen Stamms von Ureinwohnern, ob sie nicht etwa eigene Ansprüche haben.
Er ist sicher, dass ihm etwas entgeht. Deshalb wartet er geduldig darauf, dass die junge Blair aus dem Koma erwacht und ihre Aussagen machen kann. Diese Aussage gibt dem ganzen Fall eine unerwartete Wendung – und Rita Fiore endlich die Gelegenheit zu einem denkwürdigen Auftritt. Das zweite Finale setzt dem Ganzen noch die Krone auf.
Englischniveau
Die Sprache ist dem verzweigten Geschehen genau angepasst – und verlangt vom Leser entsprechend gute Kenntnisse im amerikanischen Englisch. Viele Sätze lassen zudem das Hilfsverb weg, etwa „does“, „is“ und „has“. Diese Steno-Fassung in der Umgangssprache hat sich ja inzwischen auch im Hochdeutschen eingebürgert. In den Dialekten ist das schon lange gang und gäbe. Was die Elektronik, das Internet und diverse unsoziale Medien angeht, setzt der Autor den neuesten Stand (von 2020) als bekannt voraus.
Lesehinweise
Der nächste Jesse-Stone-Krimi trägt den Titel „Fallout“. Eine Leseprobe ist in „Stone’s Throw“ enthalten. Lupica hat bereits vier Sunny-Randall-Krimis im Taschenbuch veröffentlicht: „Revenge Tour“, „Payback“, „Blood Feud“ und „Grudge Match“.
Taschenbuch: 338 Seiten.
ISBN-13: 9780525542131
Der Autor vergibt: