Hanif Kureishis Script des Films „My Beautiful Laundrette“ (dt. „Mein wunderbarer Waschsalon“) modernisierte in den Achtzigerjahren das englische Kino, indem es beispielsweise soziale Randgruppen in den Mittelpunkt der Handlung und Szenen ohne fließende Übergänge nebeneinander stellt, oder indem es aufzeigt, dass sich die englische und pakistanische Identität neu definieren müssen.
Schon im Alter von nur 15 Jahren schrieb Christopher Paolini seinen ersten Roman, nämlich „Eragon“, der zunächst im Verlag seiner Eltern veröffentlicht wurde. Erst eine lange Tour mit Buchlesungen und Signierstunden machte das Buch allgemein bekannt. Inzwischen ist der Autor, der laut Verlagsangaben nie eine öffentliche Schule besuchte, 21 Jahre jung und schreibt in Montana an seinem zweiten Roman, der im Herbst bei uns auf den Markt kommen und die Geschichte um Eragon und Saphira fortsetzen wird.
_Ein Drachenreiter wird geboren_
Bei einem Streifzug durch den gefürchteten Buckel kann der 15-jährige Eragon zwar keine Beute erlegen, die seine Familie als Nahrung dringend benötigt hätte, doch entdeckt er einen großen blauen Stein, dessen Oberfläche vollkommen eben ist. Eragon hofft, den wundersamen Stein in Carvahall gegen Fleisch eintauschen zu können, aber als der Fleischer erfährt, wo der junge Mann den Stein gefunden hat, will er ihn nicht annehmen. Somit ist Eragon auf ein Almosen angewiesen, damit seine Familie überhaupt Nahrung bekommt.
Als aus dem Ei plötzlich ein kleiner blauer Drache schlüpft, wird Eragons Plan, den Stein zu verkaufen, hinfällig. Drachen gehören in Carvahall allerdings nicht zum üblichen Stadtbild, sodass Eragon den Drachen mühsam verstecken muss. In der Stadt lauscht er dem Geschichtenerzähler Brom, der sich offensichtlich mit Drachen auskennt. Ihn fragt er zu dem Thema aus, um nebenbei einen passenden Namen für seinen neuen Freund zu finden. Eragons Drache aber ist eigen, denn kein Name scheint ihm zu gefallen, erst als Eragon auffällt, dass es sich um eine Drachendame handeln muss und ihm der schöne Name Saphira in den Sinn kommt, ist diese zufrieden. Fortan freunden die beiden sich immer besser miteinander an. Kommunizieren können sie dabei ganz einfach durch ihre Gedanken, wenn sie nicht zu weit voneinander entfernt sind.
Aber bald droht Gefahr, denn böse Wesen, die Ra’zac, erkundigen sich in Carvahall nach dem blauen Stein. Leider verraten einige geschwätzige Menschen den Ra’zac, wer den Stein gefunden hat, sodass ihre Spur zur Hütte von Eragons Onkel Garrow führt. Weil sie dort das Drachenei nicht finden können, brennen sie das Haus nieder und ermorden Eragons Onkel. Dieser kann sich gerade noch vor den Ra’zac retten, indem er Carvahall verlässt. Ihm zur Seite stehen Saphira und Brom, der den jungen Mann nicht alleine ziehen lassen will und der Eragon später in der Magie der Drachenreiter unterweist. Zunächst wollen die Drei Rache an den Ra’zac verüben, doch verändern sich auf der gefahrvollen Verfolgungsjagd ihre Pläne, da sie merken, dass der böse König Galbatorix Jagd auf den neuen Drachenreiter macht. Dunkle Mächte haben sich zusammengeschlossen, um die Herrschaft an sich zu reißen …
_Träume nicht dein Leben …_
… sondern schreibe deinen Traum auf. Christopher Paolini hat dieses Buch im Alter von nur 15 Jahren geschrieben und an zahlreichen Stellen vermutet man als Leser, dass er allerlei eigene Kindheitsträume mit in die Geschichte eingebaut hat, denn der Drache Saphira wird in so prächtigen Farben geschildert, dass Paolini viel Mühe darauf verwendet haben muss, diese Figur zu erschaffen. Die Abenteuer um den gerade 15-jährigen Eragon offenbaren eine lebhafte Phantasie des Autors, aber vielleicht auch den Hang zum Träumen und dazu, diese Träume zu Papier zu bringen. Die Beschreibungen der Szenerie und der handelnden Figuren sind größtenteils so detailreich, dass Paolini ein lebhaftes Bild seiner Romanhandlung vor Augen gehabt haben muss, damit er es uns in so schillernden Farben beschreiben kann. Beachtlich finde ich sein durchblitzendes Talent, denn auch wenn er sich natürlich nicht mit dem großen Literaturprofessor J. R. R. Tolkien messen kann – was besonders an der einen Stelle deutlich wird, als Paolini uns ein Gedicht präsentiert – so wird doch deutlich, dass viel Potenzial ihn ihm steckt. Nur an manchen Stellen erscheint uns seine Sprache ein wenig unausgereift, größtenteils erstaunt er aber durch seine treffenden Formulierungen und liebevollen Szeneriebeschreibungen.
S. 405: |“Eine riesige Dünenlandschaft erstreckte sich bis zum Horizont wie ein wogendes Meer. Windböen wirbelten den rötlich goldenen Sand auf. Knorrige Bäume wuchsen auf vereinzelten Inseln mit festem Untergrund – ein Boden, den jeder Bauer als unfruchtbar bezeichnet hätte. In der Ferne ragten mehrere purpurrote Felsklippen zum Himmel empor. Bis auf einen Vogel, der auf den Südwestwinden dahinglitt, war in der allumfassenden Einöde kein einziges Lebewesen zu sehen.“|
Derlei ausführliche und fast schon poetische Darstellungen der Situation finden sich an vielen Stellen des Buches; Paolini versucht immer wieder, seinem Leser genau zu erklären, wo die Protagonisten sich momentan befinden und wodurch die Landschaft sich auszeichnet. Gerade in einem Buch, in welchem man sich in einer Phantasiewelt bewegt, finde ich solche Beschreibungen äußerst wichtig, denn sie erst sorgen für den gewissen Reiz, den Fantasy mit sich bringt. Ich möchte beim Lesen vollständig in die fremde Welt eintauchen, und genau das gelingt bei „Eragon“, weil uns der Autor an die Hand nimmt und in seine Romanwelt entführt. Dies ist es auch, was den Leser über die gesamte Länge des Buches bei Laune hält, denn Spannung wird nur wenig aufgebaut, aber die Welt, die Paolini uns zeigt, ist so faszinierend und interessant, dass man einfach weiterlesen muss.
Trotz der stimmungsvollen Bilder schafft Paolini es leider nicht, seiner Handlung die nötige Spannung zu verleihen, denn obwohl Eragons Reise sehr gefährlich ist, kommt keine düstere und bedrohliche Atmosphäre auf, wie beispielsweise in Tolkiens „Herr der Ringe“, als die neun Gefährten in Richtung Mordor aufbrechen. Das führt beim Leser auch ein wenig zu einer gleichgültigen Haltung, weil man sich sicher ist, dass alles gut ausgeht.
_Drachendamen haben ihren Stolz_
Auf etwa 600 Seiten entfaltet Christopher Paolini eine farbenfrohe und fantastische Welt, in der der junge Eragon zusammen mit seiner stolzen Drachendame und dem alten Brom viele Gefahren zu überstehen hat. Während der langen Reise lernen wir die drei Hauptprotagonisten in ganz unterschiedlichen Situationen und aus verschiedenen Blickwinkeln kennen. Ganz nebenbei setzt sich dadurch ein detailliertes Bild der handelnden Figuren zusammen. Im Mittelpunkt stehen selbstverständlich Eragon und Saphira, die ganz eng zusammengehören, da Saphira Eragon bewusst als neuen Drachenreiter auserwählt hat. Eragon macht dadurch im Laufe der Geschichte eine unglaubliche Entwicklung durch. Zu Beginn des Buches treffen wir ihn noch als rastlosen kleinen Jungen, der sich zwar unbeschadet durch den sagenumwobenen Buckel bewegen kann, der aber ansonsten ein ganz normaler Junge zu sein scheint. Doch dann fällt ihm das blaue Drachenei in die Hände und Saphira kennzeichnet Eragon mit dem silbernen Drachenmal Gedwey Ignasia. Von nun an muss Eragon viele Gefahren bestehen und wichtige Dinge lernen. Er probiert die ersten magischen Sprüche aus und übernimmt sich dabei sehr schnell, außerdem tritt er im Schwertkampf gegen Brom an. Seine Kindheit findet also ein abruptes Ende, bricht aber später immer wieder durch. So erwachsen, wie Eragon in vielen Situationen gezwungenermaßen agieren muss, so kindlich wirkt er besonders in seinen Gesprächen mit Saphira, in denen er oftmals ihren Rat sucht, weil er selbst Unsicherheit verspürt. Gerade durch diese Sorgen, die ihn plagen, wird er zu einem jugendlichen Helden mit Ecken und Kanten und gewinnt wieder an Glaubwürdigkeit, die er leider auch ein wenig einbüßen muss, wenn es ihm gelingt, in einigen wenigen Tagen das Lesen zu erlernen.
Sehr gut gefällt auch die Vorstellung Saphiras als edle und stolze Drachendame, die sich lediglich per Gedankenaustausch mit Eragon unterhalten kann. Sie ist der starke Drache, der sich bei drohender Gefahr immer wieder ins Getümmel stürzt, um Eragon zu helfen. Oft genug geigt sie ihm aber auch deutlich ihre Meinung, wenn er wieder einmal unüberlegt gehandelt hat. So erscheint uns Saphira als mächtiges und auch intelligentes Wesen, das seine Kraft mit jener Eragons verschmelzen kann, um die Macht gemeinsam zu vergrößern. Die beiden bilden eine Einheit und ergänzen sich dabei hervorragend, da der eine Stärken zeigt, wo der andere Schwächen aufweist. Mit Eragon und Saphira präsentiert uns Paolini wirklich zwei überaus sympathische Figuren, die besonders jugendliche Leser begeistern dürften, da diese sich in Eragons Alltagssorgen im Erwachsenwerden gut einfühlen können.
An dritter Stelle ist der alte Brom zu nennen, hinter dem mehr steckt als nur der Geschichtenerzähler. Seine Weisheit ist es, die Eragon aus einigen Schwierigkeiten retten kann und die er seinem jungen Schüler gern weitergeben möchte. Mit seinem Unterricht formt er Eragon zu einem Drachenreiter, der mächtige Magie einzusetzen weiß. Auch Brom überzeugt in seiner Darstellung sehr gut.
_Fremde Anleihen_
Vergleiche mit anderen bekannten Werken der Literatur zaubern einige Ähnlichkeiten hervor, die dem Leser schnell ins Auge springen dürften. Besonders zwei Werke sind es, die hier offensichtlich Pate für einige Ideen gestanden haben. Eines der beiden Werke ist „Star Wars“, denn gerade die Unterrichtsstunden zwischen Eragon und Brom erinnern an den Unterricht, den Yoda Luke Skywalker erteilt hat. Auch Eragon lernt es, mit seinen Gedanken Gegenstände zu bewegen und scheitert an einem Stein, während sein weiser Lehrer mächtigere Dinge zu vollbringen weiß. Auch das Zitat „Mögen eure Klingen scharf bleiben“, welches Paolini verwendet, erinnert an den berühmten Ausspruch aus Star Wars „Möge die Macht mit euch sein“. Darüber hinaus sind weitere Wortanleihen zu erkennen, denn im Zentrum von „Eragon“ steht ebenfalls ein Kampf gegen das Imperium, in dessen Mitte sich Eragon unverhofft wiederfindet und dabei eine ganz entscheidende Rolle zu spielen hat.
Auch aus dem „Herr der Ringe“ scheint Paolini sich einige Ideen abgeschaut zu haben. Vor allem die Namensähnlichkeit zwischen den Monstern aus „Eragon“, den Urgals, und den Orks bzw. Uruk-Hais aus Tolkiens Trilogie fallen auf. So tauchen in „Eragon“ im Übrigen auch übermannsgroße Urgals auf, die ohne Rast tagsüber wie nachts die Verfolgung ihrer Gegner aufnehmen können und erinnern wiederum an die Uruk-Hai. Die Ra’zac übernehmen in „Eragon“ die Rolle der Nazgul, die ausgeschickt werden, um in diesem Fall den Drachen ausfindig zu machen und dabei Schrecken über Land und Leute verbreiten.
Vielleicht muss man Christopher Paolini diese Anleihen aber auch nachsehen, da sich im Grunde genommen jedes Fantasybuch am „Herr der Ringe“ messen muss und unweigerlich immer damit verglichen wird. Erfreulicherweise baut der Autor genug eigene Elemente ein, sodass „Eragon“ überaus lesenswert wird und sich schließlich deutlich von den beiden oben genannten Büchern abzugrenzen versteht.
_Unterm Strich_
„Eragon“ ist ein gelungenes Debütwerk eines noch sehr jungen Autors, der sicherlich noch weitere Bücher veröffentlichen wird, die von den Erlebnissen und Taten des jungen Drachenreiters berichten werden. Besonders die gelungenen Szeneriebeschreibungen und Figurenzeichnungen tragen zur Unterhaltung bei und sorgen dafür, dass der Leser vollkommen in dieser fremden Welt versinken kann. Hier offenbart Paolini ein großes Talent, das er hoffentlich in den kommenden Jahren noch ausbauen wird. Dann wird er sich vielleicht nicht mehr von anderen Werken inspirieren lassen müssen und vielleicht überrascht er uns dann auch mit gelungeneren Gedichten in seinen Romanen; in dieser Hinsicht bleibt durchaus noch genug Spielraum für eine Weiterentwicklung.
Kleine Unstimmigkeiten trüben ein wenig den Lesegenuss. So erscheint mir der Zeitverlauf nicht vollkommen klar, denn wenn man Eragons Weg auf der gezeichneten Karte im Buch verfolgt, so bemerkt man, dass sein Reisetempo sehr stark variieren muss, für manche Streckenabschnitte braucht er nämlich so gut wie gar keine Zeit, für andere umso länger. Auch dürfte Eragon unter Wasser nicht wirklich meterweit schauen können, da das Wasser für eine starke Fehlsichtigkeit sorgt und dies verhindern müsste. Ebenso würde ich heftige Anzeichen von Höhenkrankheit erwarten, wenn Eragon mit Saphira so weit in die Lüfte aufsteigt, dass er aufgrund von Sauerstoffmangel ohnmächtig wird, aber in einem Fantasybuch mag das vielleicht alles möglich sein.
Insgesamt bleibt ein positiver Gesamteindruck zurück, das Buch war leicht und flüssig zu lesen, unterhielt äußerst gut und animiert durchaus dazu, den zweiten Teil von „Eragon“, der im Herbst erscheinen wird, ebenfalls zu lesen, schließlich wollen wir doch wissen, wie Eragons Abenteuer im Kampf gegen Galbatorix weitergehen.
Näheres zum Buch unter http://www.eragon.de.
[Buchwurm.info-Rezension zu „Eragon – Der Auftrag des Ältesten“ 1975
Michael Liberty ist ein guter Reporter der UNN, Universe Network News. Auf dem Planeten Tarsonis ist er bekannt für seine fundierte Berichterstattung, dafür, dass er auch noch nachbohrt, wenn es gefährlich wird. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass er sich den Unmut einiger hochgestellter Familien zugezogen hat. Sein Chef legt ihm nahe, dem Planeten Tarsonis für geraume Zeit den Rücken zu kehren.
Eine gute Gelegenheit dazu wäre eine längere Berichterstattung über die konförderierten Streitkräfte, denn Lobgesang auf die Armee ist in diesen Tagen immer gern gesehen.
Ehe sich Liberty versieht, befindet er sich an Bord der Norad II. Der Schlachtkreuzer befindet sich unter dem Kommando von Colonel Duke und Liberty verlebt eine höchst langweilige Zeit zwischen Soldaten, die zu einem großen Teil aus Schwerkriminellen bestehen, denen per Gehirnwäsche eine neue Konditionierung verpasst wurde. Die Frau, Emily Swallow, die Liberty als Verbindungsoffizier zugewiesen wird, ist gar eine Serienmörderin gewesen und erinnert sich an nichts mehr aus ihrer Vergangenheit. Liberty vermeidet es trotzdem, die Konditionierung auf die Probe zu stellen.
Eigentlich sollte die Norad II überholt werden, doch eine Meldung über eine furchtbare Katastrophe, ruft das Schiff ins Sara-System. Einer der beiden bewohnten Planeten, Chau Sara, wurde komplett ausgelöscht. Da, wo einst eine lebensfreundliche Oberfläche war, ist nur noch eine geschwärzte, glasähnliche Struktur übrig. Alles Leben wurde vernichtet. Seltsamerweise ahnt man bei der Konförderation, dass eine Fremdrasse namens Protoss hinter dieser Zerstörung steckt. Liberty ist sofort misstrauisch. Angeblich hatten die Menschen noch nie zuvor Kontakt zu anderen Völkern und nun kennt man sogar schon den Namen der anderen. Die Norad II wird beauftragt, den anderen Siedlungsplaneten, Mar Sara, zu evakuieren, denn mit der Rückkehr der Protoss wird gerechnet.
Auf Mar Sara angekommen zeigt es sich, dass die Evakuierungspläne eine reine Lüge sind. Die Siedler werden zusammengepfercht. Und sie sind nicht alleine auf dem Planeten. Ein Ekel erregendes Volk namens Zerg hat bereits einige kleine Außenposten übernommen. Liberty muss miterleben, wie Emily Swallow auf furchtbare Art ihr Leben verliert.
Schneller, als ihm lieb ist, überrollen den Nachrichtenmann die Ereignisse. Die Zerg sollten als Biowaffen eingesetzt werden. Doch hat die Konförderation die Rechnung ohne die Protoss gemacht, die ihrerseits die Zerg wie eine Seuche jagen und auslöschen. Liberty schließt sich zwangsweise einer Rebellengruppe unter der Führung von Arcturus Mengsk an, der es schließlich gelingt, die Zerg als Waffe gegen die Konförderation zu benutzen.
Das ist er also, der Roman zum Strategiespiel-Knaller von |Blizzard Entertainment|. Das Grundspiel „StarCraft“ und sein Expansion Set „Broodwar“ beeindruckten nicht nur durch ein gut durchdachtes Spielsystem, sondern auch durch eine spannende Handlung.
All diese aus dem Spiel bekannten Elemente finden sich im ersten Roman der „StarCraft“-Reihe. Allen voran jene Figuren wie Jim Raynor und Sarah Kerrigan, die Ghost, die in zahlreichen Missionen des Spiels eine wichtige Rolle spielen. Besonders Kerrigan, dem später in „Broodwar“ eine besondere Rolle zukommt, wird hier gut vorgestellt.
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um einen spannenden SF-Abenteuerroman, der zuerst sorgsam die Handlung aufbaut, ehe er in die Missionen einsteigt. Wer das Spiel gezockt hat, wird viele Szenarien wiedererkennen. Rettungs- und Erkundungsmissionen, vom Kriecher verseuchte Stationen und Landstriche, sogar jene Missionen, bei der Emitter in Feindesland platziert werden müssen, um die Zerg anzulocken.
Neben dem Wiedererkennungseffekt ist es erfreulich, dass der Autor nicht auf Leser setzt, die mit dem „StarCraft“-Universum bereits vertraut sind. Alles, was man wissen muss, erfährt man aus der Geschichte. Diese ist solide geschrieben und hält gerade, wenn man das Spiel nicht kennt, so manche Überraschung offen. Liberty schildert die Vorkommnisse aus seiner Sicht, stets mit einem einleitenden Kommentar zu jedem Kapitel und umreißt so den Hintergrund des „StarCraft“-Universums.
Die Erfindung der Zerg kann nicht verleugnen, gewisse Anleihen bei den allseits bekannten Aliens gemacht zu haben. Aber die Zerg setzen durch ihre Vielfalt noch eins drauf. Diese Ähnlichkeit zu den Aliens könnte den Roman auch für Alien-Fans interessant machen, vor allem für jene, die von der grottenschlechten Qualität der letzten Alien-Bände enttäuscht waren. Denn „Libertys Kreuzzug“ ist so, wie ein guter Alien-Roman hätte sein können.
Das Einzige, was wirklich schade an diesem Roman ist, ist, dass die Umsetzung für den deutschsprachigen Markt drei Jahre brauchte.
_Michael Nolden_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Professor Guido Knopp, seines Zeichens der Haus-Historiker des ZDF, ist durch seine zahlreichen Fernsehdokumentationen zur deutschen NS-Zeit ein feststehender Begriff in der TV-Landschaft geworden. Zu nahezu allen Dokus sind auch aber auch jeweils Printausgaben als Begleitbücher erschienen, und das ist mittlerweile eine erkleckliche Menge. Mit Filmen wie „Der Untergang“ und nicht zuletzt wegen des kürzlich stattgefundenen 60. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat der NS-Themenkomplex spürbar wieder Konjunktur in der Öffentlichkeit und den Medien.
Der Fokus liegt bei diesem Buch nicht – nimmt man Speer mal aus – auf den prominenten, immer schon im Rampenlicht stehenden und bekannten Galleonsfiguren, wie etwa Himmler, Goebbels oder Göring, sondern zielt eher in Richtung der zweiten Garnitur, eine subtile Ebene darunter. Nichtsdestoweniger handelt es sich um ebenso wichtige Gestalten und Gestalter hinter den Kulissen des „Dritten Reichs“. Verblendete Mitläufer oder gar willige Werkzeuge? Dieser Frage geht Knopp im vorliegenden Buch nach.
_Albert Speer – Der Architekt_
„Wenn Hitler einen Freund gehabt hätte, dann wäre ich es gewesen“. So lautet eins seiner berühmten Zitate. Sein Architekt Speer sollte sie bauen, seine Vision einer neuen Welt. Der Workaholic ergreift die Chance, die ihm Hitler bietet, seine Träume von monumentalen und gigantomanischen Bauten auszuleben, als sehr junger Mann. Der eifrige Günstling ist die eigentliche unangefochtene Nummer Zwei im Staat und kann bis zum Ende des Regimes – neben seiner Haupttätigkeit als Architekt – auf ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet zurückblicken. Er war Rüstungsminister und später – ab 1942 – auch für das Ressort „Bewaffnung und Munition“ verantwortlich. An dieser Position ist er federführend für die Arbeitseinteilung von KZ- Häftlingen und Zwangsarbeitern aktiv, um den kriegszehrenden Moloch kräftig weiter zu füttern. Dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen konnte, dürfte dem als intelligent bekannten Speer jederzeit bewusst gewesen sein.
Als er 1946 von den Allierten zu 20 Jahren Haft verdonnert wird, ist er grade mal 41 Jahre alt. Er bekennt sich in Nürnberg für schuldig und kommt vergleichsweise billig weg. 1966 wird er wieder auf freien Fuß gesetzt und hat in der Zwischenzeit seine Memoiren geschrieben, worin er zwar von einer „Gesamtschuld“ spricht, seine persönliche Rolle jedoch Zeit seines Lebens relativiert und herunterspielt. Die Mär vom „guten“ Nazi setzt sich fest. Eine Litanei, die Knopp im Gegensatz zur Mehrzahl Speers weiterer Biographen nicht nachbetet. Sein berechtigter Vorwurf: Als zentrale Figur in der Schaltstelle der Macht, und eingedenk der Tatsache, dass Speer alles andere als auf den Kopf gefallen war, wusste er stets genau, was er tat – und nahm alles billigend in Kauf, was seiner und seines „Führers“ Sache nützte. Sein freimütiges Geständnis entsprang wohl vielmehr Kalkül und/oder einem verzerrten Selbstbild. Wirkliche Reue oder gar Verantwortung hat Speer auch später nie gezeigt
_Alfred Jodl – Der Militär_
Hitlers Stabschef war ein Offizier der alten Schule, der noch im kaiserlichen Heer groß geworden ist – eine mögliche Erklärung dafür, warum General Jodl vielleicht aus falsch verstandenem, soldatischem Ehrgefühl heraus dem Diktator die Treue hielt. Auch wenn dieser seine Stabschefs – auch Jodl – immer wieder lautstark entließ, sobald sie seine verschrobenen Taktikeinschätzungen nicht teilten oder sogar wagten, dem „GröFaZ“ zu widersprechen. Nach den Hire-and-Fire-Prinzip wurden die Befehlshaber dann wieder generös reaktiviert, wenn es dem Choleriker erneut in den Kram passte. Jodl, der Mitläufer, machte dieses Spielchen bis zum Showdown im Führerbunker nicht gänzlich kritiklos mit. Doch Befehl ist nun mal Befehl. Sein krampfhaftes Ignorieren der Realität und Festhalten an Hitler hat ihm schlussendlich den Tod gebracht. Er wurde in den Nürnberger Prozessen verurteilt und hingerichtet.
_Wernher von Braun – Der Raketenmann_
Der Koryphäe im Bereich der Strahltriebwerkstechnik wird auch immer ein Saubermann-Image attestiert. Immerhin adelte ihn die USA mit der Einbürgerung, was ja für sich genommen schon einem generellen Persilschein gleichkommt. Zum Dank dafür brachte Professor Braun die Amis auf den Mond und gerne schmückte sich auch Nachkriegsdeutschland mit den Lorbeeren, dass es ein Deutscher war, der den Wettlauf mit den Russen entschied. Braun behauptete immer, höchst unpolitisch gewesen zu sein und nur seine Arbeit gemacht zu haben. Es trifft zu, dass Braun weder ein NS-Parteibuch besaß noch sich von Himmler vor den nationalsozialistischen Karren spannen und als Ehrenmitglied in die SS integrieren lassen wollte (weswegen er vom derart Düppierten sogar zeitweise inhaftiert wurde). Das spricht für ihn und wird gerne als weiterer Beweis herangezogen, dass Braun nichts mit den Nazis zu tun haben wollte. Doch ganz so rein ist seine Weste nicht.
Man darf nicht vergessen, dass der geniale Tüftler für tausendfachen Tod allein durch seine in Peenemünde entwickelten V1- und V2-Raketen verantwortlich ist. Dies ließe sich vielleicht noch mit der obligatorischen „Es war Krieg“-Phrase halbwegs glaubhaft entschuldigen. Übersehen werden dafür die unwürdigen Umstände, unter denen die Raketenanlage errichtet, ausgebaut und betrieben wurde. Hier kamen auch verstärkt Zwangsarbeiter und Häftlinge zum Einsatz, deren kalkulierter Tod durch Arbeit und grausige Hygienezustände niemanden zu stören schien. Alles geschah mit Brauns Wissen und seiner Billigung, wie Knopps Quellen belegen. Braun hat die Zustände demnach nicht nur gekannt, nach Methode Zweck-heiligt-die-Mittel hat er seine Animositäten mit Himmler zurückgestellt und sogar explizite Unterstützung bei diesem angefordert. Und der war der Herr über die Konzentrationslager, sprich: die Quelle für Brauns Arbeitskräfte. Ein Pakt mit dem Teufel.
_Ferdinand Porsche – Der Ingenieur_
So wie Wernher von Braun der Vater des Raketentriebwerks ist, so ist Porsche der Vater des Volkswagen-Konzerns. Die Vision des Autonarren aus Österreich, nämlich nach dem Vorbild von Ford hochqualitative und für die „Volksgenossen“ erschwingliche Autos in Massen herzustellen, war Triebfeder für den Autobahnbau. Doch in dem in Wolfsburg aus dem Boden gestampften Industriekomplex lief der berühmt gewordene „Käfer“ erst nach Kriegsende in nennenswerten Stückzahlen vom Band. Vorher wurden die Produktionsstätten – natürlich, muss man fast sagen – für non-zivile Gimmicks missbraucht. Porsche entwickelte so einige kriegerische Gerätschaften, darunter den berüchtigten „Tiger“-Panzer, aber auch eine ganze Latte Fehlkonstruktionen. Dem Tüftler waren keine Grenzen gesetzt, Hitler unterstützte seinen Landsmann nach Kräften. Unnötig zu erwähnen, dass auch hier verstärkt Zwangsarbeiter aus KZ und Kriegsgefangenschaft tüchtig verheizt wurden, sowohl beim Ausbau des Werkes als auch beim Flugzeugmotorenbau und der Munitionsherstellung.
_Alfried Krupp zu Bohlen und Halbach – Der Industrielle_
Der Millionen schwere Erbe und Gründer des Thyssen-Konzerns leitete die Waffenschmiede des Nazi-Reiches, mitten im deutschen Kernland – dem Ruhrgebiet. Kohle und vor allem Stahl waren sein Geschäft. Bei ihm gewinnt man den Eindruck, als lebte er die ganze Zeit in seiner eigenen schönen Feudalwelt, fernab von den Sorgen und Nöten der damaligen „Normalos“. Er wurde aber spätestens bei Kriegsende in die Realität zurückgeholt, als ihn die GIs straight away vor seiner noblen Essener „Villa Hügel“ verhafteten, um ihn in Nürnberg vors Tribunal zu schleifen. Da fiel er geradezu aus allen Wolken, denn als praktizierenden Nazi hat er sich nicht gesehen. War er auch nicht, wenngleich er aus Profitgründen der NSDAP angehörte und als Förderer der SS auftrat.
Hitlers Avancen, sich mit dem Adligen zu schmücken, wich er jedoch meist geschickt aus und beschränkte Kontakte auf das Nötigste. Dennoch hielt ihn das nicht ab, lukrative Geschäfte mit dem Regime zu machen, denn ohne seinen Stahl und die Produkte, wie Kanonenrohre oder Panzerplatten sowie diverse Maschinenteile, wäre die deutsche Kriegsmaschinerie letztlich nicht sehr erfolgreich gewesen. Seine Maxime, dass Politik vor dem Werkstor ende, erwies sich als sehr blauäugig – spätestens als auch er auf die billigen menschlichen Ressourcen aus KZs und Kriegsgefangenenlagern angewiesen war, um die geforderte Produktion aufrecht erhalten zu können. Krupp kam mit einer geringen Haftstrafe noch verhältnismäßig glimpflich davon.
_Hjalmar Schacht – Der Banker_
Schacht ist der Einzige aus dieser Riege, der den Absprung irgendwie doch schaffte, wenn auch nicht aus ideologischen Gründen. Dabei haben die Finanzkünste des heute wenig bekannten Finanzministers mit dem auffälligen Vornamen (seine Familie stammt aus Skandinavien) den Aufstieg des „Dritten Reiches“ erst möglich gemacht. Hätte er nicht so gekonnt mit den so genannten MEFO-Wechseln jongliert, wäre die Kriegskasse schon weit vor dessen Ausbruch nicht mehr so prall gefüllt gewesen. Der Freimaurer Schacht hat mit allerlei Buchungstricks die schwarzen Konten prächtig gefüllt und das Wiedererstarken des Militärs finanziell auf stabile Beine gestellt – ohne dass die Alliierten davon Wind bekamen, denn eigentlich war es Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch horrende Reparationszahlungen theoretisch unmöglich, genug Mittel für solche Eskapaden aufzubringen, selbst wenn man es gewollt hätte.
So hatten es sich die Siegermächte damals jedenfalls gedacht. Ein Irrtum, dank Schachts Finanzgenie. So kam es, dass sich Hitlerdeutschland klammheimlich wieder aufrüsten konnte und sich schließlich über das verhängte Verbot, schwere Waffensysteme zu besitzen, eigenmächtig hinwegsetzte. Als Schacht dann später realisierte, dass Hitler überhaupt nicht vorhatte, die faulen Wechsel rückzuführen, zog er die Konsequenz und trat zurück. Da sich das Regime jedoch keinen so hochrangigen Mitwisser erlauben konnte, landete Schacht unvermittelt dort, wo man unliebsame Zeitgenossen für gewöhnlich entsorgte: im KZ. Dieser Umstand wusch ihn später zwar nicht vollständig rein, erleichterte ihm allerdings die Phase der Entnazifizierung ungemein. Als ehemaliger KZ-Häftling konnte er glaubhaft machen, dass er mit den Machenschaften in dieser Form nichts zu tun haben wollte.
_Zwischenbilanz_
Eher unauffällige Männer, die aber aufgrund ihrer teils willigen Mitarbeit das braune Regime erst möglich machten. Sie sind Hitlers mächtige Manager aus der zweiten Reihe, vielfach ohne aktive nationalsozialistische Vita, zum Teil sogar gänzlich ohne Parteibuch. Und doch waren sie höchst wichtige Rädchen im Getriebe. Sechs ganz unterschiedliche Charaktere mit ebenso unterschiedlichen Hintergründen, Motivationen und Visionen. Mancher glaubte sich nach eigenem Bekunden in den Nürnberger Prozessen (und auch danach) unwissend und unschuldig an den Verbrechen, die im Dritten Reich verübt wurden. Mitgefangen – mitgehangen.
Doch so ahnungslos waren sie alle nicht, spätestens als zum Ausgleich für die schwindenden Arbeitskräfte KZ-Häftlinge unter erbärmlichen Verhältnissen für den „Endsieg“ vor ihren Augen durch Arbeit systematisch vernichtet wurden, hätten die Industriellen wach werden müssen. Für Jodl gilt im übertragenen Sinne das Gleiche, als das militärische Fiasko und Hitlers Wahnsinn immer deutlicher zu Tage traten. Zum Teil regte sich auch halbherziger Widerstand, doch schien es den meisten von ihnen opportun, weiter mitzuschwimmen – der eine mehr, der andere weniger. Das untere Ende der Sechs markiert Hjalmar Schacht, der die Notbremse zog. Das obere Ende der Skala besiedelt Albert Speer als Hitlers bestes Pferd im Stall. Auch wenn dieser seine Rolle zeitlebens gern verharmloste und herunterspielte.
_Das Buch_
Gegliedert ist das knapp 416 Seiten starke Werk aus dem Hause |Bertelsmann| in sechs Kapitel, entsprechend den Hauptakteuren, auf die hier eingegangen wird. Auflockerung erfährt der Leser durch Bilder und eine Vielzahl gesondert ausgeklinkter Originalzitate aus unterschiedlichen Quellen, entweder von den Protagonisten selbst oder ihnen nahe stehenden Personen über sie. Das stört den Lesefluss zuweilen, da es bei dem kompakten Layout des Textes schwer fällt, abzusetzen, die Aufmerksamkeit auf ein Zitat zu richten, das eventuell nicht mal unbedingt etwas mit dem soeben Gelesenen zu tun hat, und hernach wieder den Faden aufzunehmen. Interessant sind die Statements aber, ZU interessant, um sie gegebenenfalls einfach zu ignorieren.
Für den Stoff muss man schon ein wirkliches Interesse mitbringen, und selbst dann handelt es sich großteils um recht trockene Materie. Zum Glück ist das Werk in recht lockerer und verständlicher Sprache – ja beinahe Plauderton – geschrieben und doziert nicht auch noch. Das wäre auch zu viel des Guten gewesen, wo das Thema an sich bereits ziemlich zäh ist. Knopp bereitet die Lebensläufe der Protagonisten auf und versucht zu ergründen, ab welchem Zeitpunkt jeder von ihnen den |point of no return| erreichte und warum die Zivilcourage dann doch nicht ausreichte gegenzusteuern. Natürlich erscheint es von der heutigen Warte aus einfach, ein Urteil zu fällen, doch so leicht macht Knopp es sich nicht. Zu groß ist die Gefahr, in eine gewisse Apologetik abzurutschen oder – dem Gegenteil – sie allesamt in Bausch und Bogen zu verdammen.
Die Mischung aus sachlicher Kritik und Fürsprache ist Knopp gelungen, dabei handelt es sich bei den Kapiteln allenfalls um Streiflichter und nicht um vollständige Biographien, die jeden Aspekt der entsprechenden Charaktere aufs i-Tüpfelchen auszuleuchten vermögen. Das ist auch gar nicht nötig, um eine nüchterne Analyse anzustellen, was genau die Beweggründe jedes Einzelnen gewesen sein könnten. Selbstverständlich eignen sich die Angesprochenen nicht gerade als Sympathieträgern und dennoch haben sie (wie jeder Mensch) nicht nur schlechte Seiten gehabt. Trotzdem verwundert es, diese Menschlichkeit auch tatsächlich so zu lesen zu bekommen – eben differenziert und nicht pauschalisiert. Der Grundton ist verständlicherweise kritisch gefärbt, wenn auch nach menschlichem Ermessen einiges klarer wird über die unterschiedlichen Motivationen, die Hitlers Manager umtrieben haben mögen.
_Fazit_
Lesenswert und weit entfernt vom um Aufmerksamkeit heischenden Boulevard- und Sensationsjournalismus, der dieser Tage ja gern mit allerlei „neuen“ Enthüllungen und ebenso „neuen Farbbildern“ um die Gunst der Leser bzw. Zuschauer buhlt, kommt Guido Knopps Analyse der Männer aus der zweiten Reihe angenehm sachlich daher, so wie wir es aus dem ZDF bereits kennen. Ohne viel Firlefanz, dafür aber für manchen sicherlich noch zu trocken. Kein Buch für Gelegenheitsleser und nur schwach am Thema Interessierte, so viel ist sicher, denn mit einem recht satten Preis von 24,90 Euro überlegt man es sich in diesem Personenkreis sicherlich zweimal, ob sich die Investition tatsächlich lohnt; da sind die TV-Reportagen wesentlich verdaulicher und kosten lediglich die GEZ-Gebühren, die man ohnehin (gezwungenermaßen) entrichten muss.
Ramsey Campbell: „Schriftlich“ („Cold Print“, 1969), S. 11-30: Ein prügelfreudiger & pornografischer Lehrer findet in einem Hinterhof-Buchladen einen schmuddeligen Schatz – und den großen Cthulhu, der seinen neuen und unfreiwilligen Jünger freudig in die Tentakeln schließt …
Christian von Aster: „Yamasai“ (1999), S. 31-46: Auf Neuguinea hütet ein steinzeitlicher Stamm das düstere Geheimnis eines Urzeitwesens, das weitaus Schlimmeres treibt als Menschen umzubringen …
Kim Newman: „Der große Fisch“ („The Big Fish“, 1993), S. 47-86: Privatdetektiv Philip Marlow fahndet nach einem verschwundenen Vater und seinem Söhnchen, die er ausgerechnet im Kreise froschköpfiger Cthulhu-Anhänger findet …
Thomas Ligotti: „Harlekins letzte Feier“ („The Last Feast of Harlequin“, 1991), S. 87-134: In einem abgelegenen Ort haben die Bürger ihren eigenen Weg gefunden, die allzu nahe Nachbarschaft unliebsamer Mitbewohner zu verdrängen; ein neugieriger Forscher von „draußen“ schaut hinter die Tarnung und lernt mehr, als er verkraften kann …
Jens Schumacher: „Der Hügel von Vhth“ (1996/99), S. 135-178: In einer verfallenen Hafenstadt sucht der Historiker ein altes Zauberbuch. Er findet es – und im eisigen Meereswasser das unfreundliche Subjekt, über das da geschrieben wurde …
F. Paul Wilson: „Hinter dem Schleier“ („The Barrens“, 1990), S. 179-248: In einem abgelegenen Winkel des US-Staates New Jersey finden ein Privatforscher und seine allzu hilfsbereite Gefährtin einen „Nexus“, der diese Erde mit einer anderen, ebenso faszinierenden wie furchtbaren Welt verbindet, welche neugierige Besucher buchstäblich mit offenen Tentakelarmen empfängt …
Brian McNaughton: „Das Verderben, das über Innsmouth kam“ („The Doom That Came to Innsmouth“, 1999), S. 249-284: Vor sieben Jahrzehnten hat die US-Regierung versucht, die Cthulhu-Hochburg Innsmouth vom Erdboden zu tilgen. Es misslang, und nun sammeln sich die Nachfahren der damals vertriebenen Bürger mit dem typischen „Froschlook“, um uralte Traditionen aufleben zu lassen …
H. P. Lovecraft (1890-1937) gehört zu den wenigen Schriftstellern, denen die Erschaffung eines echten Kultes gelang. Die Cthulhu-Mär begann sich schon zu seinen Lebzeiten zu verselbstständigen. Ihren Schöpfer überlebte sie leicht, begann stattdessen zu wachsen, Seitentriebe auszubilden, sich zu verzweigen – oder anders ausgedrückt: Zahllose Lovecraft-Kollegen eiferten dem Meister nach und dachten sich neue Cthulhu-Untaten aus. Dabei half ihnen Lovecrafts ureigener, altertümlicher, von Fremdwörtern und Adjektiven überwucherter Schreibstil, der ihn gleichzeitig unverwechselbar und leicht imitierbar macht.
Wie Herausgeber Frank Festa in seinem knappen aber kundigen Vorwort erläutert, gliedern sich Lovecrafts Epigonen in drei Kategorien. Da ist der reine Kopist, der seinen Ehrgeiz daran setzt, das Vorbild in Handlung, Wortwahl und vor allem Stimmung zu „klonen“. Zur zweiten Gruppe zählen jene, die sich noch eng an Lovecraft halten, mit seinen Vorgaben jedoch zu „spielen“ beginnen. Noch einen Schritt weiter gehen die Angehörigen von Gruppe 3; sie lösen sich völlig vom Original, führen Cthulhu aus seiner urzeitlich-unterseeischen Abgeschiedenheit heraus und integrieren ihn in das reale Grausen der wirklichen, modernen Welt.
Herausgeber [Festa]http://www.festa-verlag.de/ nimmt für sich in Anspruch, nur Repräsentanten der Gruppen 2 und 3 in seine Sammlung aufgenommen zu haben. Die Übergänge sind indes fließend, das muss man ihm jedoch zugestehen. Tatsächlich sprechen die sieben hier vorgestellten Autoren mehr (Campbell, Ligotti, McNaughton) oder weniger (von Aster, Schumacher) mit eigenen Stimmen. (Newman und Wilson könnte man dagegen eher als „neutral“ bezeichnen.)
Ramsey Campbell (geb. 1946) legt eine der für ihn typischen Kurzgeschichten vor, in denen sich das Grauen fast unmerklich in den Alltag einschleicht. Da dieser meisterhaft so grau und öde dargestellt wird, wie dies kaum einem anderen Autoren gelingt, müsste der Tod im Grunde eine Erlösung für den Campbell-typisch seelisch verkümmerten und beschädigten „Helden“ bedeuten – dem ist ganz und gar nicht so, stattdessen ist sein Ende bitter und schmutzig; das Leben kennt halt keine Gewinner. Herausgeber Festa weist in seiner Einleitung zu dieser Story auf den sexuellen Aspekt des schleimig-fischigen Cthulhu-Monstrums mit den vielen bezahnten Körperöffnungen hin; der alte Lovecraft hatte offensichtlich einige Zwangsvorstellungen literarisch zu verarbeiten …
Kim Newman (geb. 1959), der Schöpfer der genialen [„Anno Dracula“-Parallelwelt, 1184 weiß dieses Mal kaum zu überzeugen. Während die Verknüpfung der Story mit dem Lovecraft-Werk akkurat gelungen ist, passen die typischen sarkastischen Schnüffler-Sprüche gar nicht ins eher gruselsteife Cthulhuversum. Übler ist dem Verfasser allerdings das abrupte Ende der Handlung anzukreiden, welches diese Story eher als Entwurf oder Kapitel eines größeren Werkes erscheinen lassen.
An einer modernisierten Wiederbelebung des alten Lovecraft-Szenarios vom allzu neugierigen Forscher, der in unheimlicher Umgebung mehr erfährt als er wissen wollte, versucht sich F. Paul Wilson (geb. 1946) mit „Hinter dem Schleier“. Der Verfasser ist durch seine Romane um den „Repairman Jack“ bekannt geworden, der sich ebenfalls in einer Welt sieht, die mit dem Übernatürlichen in Kontakt steht. Seine hier präsentierte Story fesselt nicht durch originelle Ideen, sondern durch die gelungene Umsetzung. Die Pine Barrens – eine Art weißer Fleck auf der Landkarte der USA – bilden eine eindrucksvolle, von Wilson behutsam und farbig in Szene gesetzte Kulisse mit kauzigen, aber nicht als tumbe Hinterwäldler bloßgestellten Bewohnern. Das Grauen entwickelt sich stimmungsvoll und endet in einem turbulenten Finale, dem sich ein lovecraftscher Schlussgag anschließt: Cthulhu lässt nicht mehr locker, hat er dich erst einmal am Schlafittchen.
Eine eigene Erwähnung verdienen die beiden deutschen Autoren, die in dieser Sammlung vertreten sind. Es ist dem regelmäßigen Lovecraft-Leser sicherlich, dem reinen Fan aber vielleicht weniger bekannt, dass der Meister und sein Geschöpf auch hierzulande manchen Autoren veranlasst, seinen Beitrag zum Cthulhu-Mythos zu leisten (oder es wenigstens zu versuchen). Christian von Aster (geb. 1973), der als Geheimtipp der hiesigen Phantastik-Szene gehandelt wird, legt mit „Yamasai“ eine handwerklich sehr schön geschriebene, aber letztlich auf den Schlusseffekt konstruierte Story vor, den man überzeugend finden kann, jedoch keineswegs muss, worauf die Geschichte förmlich versandet.
Auch Jens Schumacher (geb. 1974) nimmt sehr durch sein handwerkliches Geschick ein, das so viele Autoren, die sich in der (deutschen) Phantastik tummeln, schmerzlich vermissen lassen. Die ausgetüftelste Story muss verenden, wo blinder schriftstellerischer Eifer mit stilistischem Unvermögen und grammatikalischer Ignoranz zusammenfließen – eine Kombination, die längst nicht nur bei fannischen Feierabendproduktionen zu beobachten und dort entschuldbar ist, sondern vermehrt auch „richtige“ Buch- und Heftromane brandmarkt.
„Der Hügel von Vhth“ ist als Geschichte zwar hart an der Grenze zur Imitation – die Handlung folgt ausgesprochen eng dem Lovecraft-Novellenklassiker „The Shadow Over Innsmouth“ (1936; dt. [„Schatten über Innsmouth“) 506 -, kann aber durch die ebenso behutsam wie gelungen nachempfundene Atmosphäre einer klassischen Cthulhu-Story bis zum (typischen) Finale fesseln.
Gleich im Anschluss zeigt uns Brian McNaughton (1936-2004), wie man es wirklich gut macht. Auch er wählt sich „The Shadow Over Innsmouth“, doch er variiert nicht, sondern schreibt eine „Fortsetzung“. 1928 ließ Lovecraft die US-Regierung das Pestloch Innsmouth ausräuchern, die Bewohner austilgen, einsperren, vertreiben. Wie hätte es weitergehen können? Was geschah mit denen, die der großen Abrechnung entkamen? McNaughton beschreibt es ebenso spannend wie witzig aus der Sicht eines Betroffenen. Für Lovecraft waren Cthulhus Diener stets degenerierte, von Verdammnis gezeichnete Kreaturen. Hier lernen wir den Monsterjünger von nebenan kennen, in dessen Froschschädel recht profane Gedanken gewälzt werden. McNaughtons witzige Einfälle runden die Story perfekt ab. Wer hätte gedacht, dass US-Präsident John F. Kennedy sich für den „Innsmouth-Zwischenfall“ in einer (glänzend zitierten, natürlich fiktiven) Rede entschuldigt hat oder mit markanten Gesichtszügen ausgestattete historische Prominenz wie Gloria Swanson, die Geliebte des Kennedy-Vaters, der Schauspieler Edward G. Robinson („Der kleine Cäsar“) und FBI-Chef J. Edgar Hoover zu den Innsmouth-Leuten gehörten? „Das Verderben, das über Innsmouth kam“ ist in der Mischung aus Lovecraft & McNaughton die beste Geschichte dieser fabelhaften, endlich wieder aufgelegten Sammlung. (Nebenbei: Kommt denn das Verderben „nach“ oder „über“ Innsmouth? Inhaltsverzeichnis und Haupttext sind sich da uneinig …)
„Club Dead“ ist mittlerweile schon der dritte auf Deutsch erschienene Roman von Charlaine Harris um die Kellnerin Sookie Stackhouse (in den USA sind bereits fünf Bände der Serie zu haben). Sookie ist eigentlich ein Durchschnittstyp. Okay, sie ist offensichtlich recht attraktiv und weiß ihre langen blonden Haare und ihre gute Figur zu ihrem Vorteil einzusetzen, doch ansonsten gibt es eher wenig, was sie für den Leser auf Anhieb interessant macht: Sie hat nur eine minimale Schulbildung, lernt neue Vokabeln aus einem Abreißkalender und verdient ihr Geld als Kellnerin in einer Bar in dem Pronvinzkaff Bon Temps. Doch Sookie hat auch ihre faszinierende Seite: Sie kann nämlich Gedanken lesen und ihr Freund ist ein Vampir. In den beiden vorangegangenen Bänden, [„Vorübergehend tot“ 788 und „Untot in Dallas“, durfte die geneigte Leserin erfahren, wie Bill – nämlicher Vampir – und Sookie sich kennen lernten, sich näher und schließlich zusammenkamen, wie Sookies Gedankenleserei funktioniert und dass Vampire ganz normale Bürger in den USA sind. Hier im dritten Band hat sich also Harris‘ mit Vampiren und anderem übernatürlichem Getier bevölkerte Welt schon etabliert und so kann sich die Autorin voll und ganz auf ihre Charaktere und die Handlung konzentrieren.
In [„Untot in Dallas“ 939 verließen wir Sookie und Bill in trauter Zweisamkeit. Doch in „Club Dead“ ziehen die ersten Regenwolken am Horizont auf. Der biedere Bill, der Sookie bisher mit Liebesbeweisen überschüttet hat und eigentlich schon viel zu aufmerksam für einen heterosexuellen Mann in einer festen Beziehung ist, entwickelt sich nun schlagartig zum typischen Boyfriend: Er sitzt nur noch zu Hause, starrt auf seinen Computer und würdigt Sookie kaum noch eines Blickes. Die ist ziemlich angenervt und auch seine Erklärung, dass er von der Vampirkönigin mit einem Spezialauftrag bedacht wurde, kann sie nicht vertrösten. Dann muss Bill auch noch die Stadt verlassen und hinterlässt Sookie seltsame Anordnungen für den Fall seines Ablebens.
Es kommt, wie es kommen muss. Ein paar Wochen später taucht Eric bei Sookie auf – in der Vampirhierarchie Bills direkter Vorgesetzter – um ihr zu erklären, dass Bill vermisst wird. Sookie, die sich nicht ganz sicher ist, ob sie auf Bill sauer oder um ihn besorgt sein soll, beschließt, ihn ausfindig zu machen und dazu ihre Gedankenleserei einzusetzen. So schickt Eric sie nach Jackson in den Club Dead, damit sie sich dort in den Gedanken der Besucher umhören und vielleicht einen Hinweis auf Bills Verbleib erhaschen kann. Natürlich geht dieser Plan schon bei der erstbesten Gelegenheit schief und Sookie muss sich, wie immer, mit Untoten, Irren, Leichen und Werwölfen rumschlagen. Und als sie Bill dann endlich gegenübersteht, muss sie erst einmal herausfinden, ob sie ihn überhaupt noch will …
Wer am Ende von „Untot in Dallas“ dachte, Sookies und Bills Beziehung würde nun immer so idyllisch weitergehen, der hat aufs falsche Pferd gesetzt. Und mal ehrlich, so zuckersüß, wie es bei den beiden zuging, hätte der Durchschnittsleser nach vier Bänden Diabetis entwickelt. Dass sie jetzt wie jedes andere Paar auch mit dem Fluch des Alltags kämpfen müssen, bringt Schwung in ihre überirdische Beziehung und macht gleichzeitig Platz für andere Charaktere, die um Sookie buhlen dürfen. Da wäre zunächst der Vampir Eric, der schon in den letzten beiden Romanen auftauchte und mit seinen selbstbewussten Flirtversuchen und großem Sexappeal jedes Leserinnenherz höher schlagen lassen dürfte. Eric darf in „Club Dead“ viel mehr Zeit mit Sookie verbringen, und auch wenn diese seine Avancen immer wieder unterbinden will, spürt man in diesen Szenen ganz besonders das erotische Knistern zwischen den beiden. Und zum anderen wäre da noch der Werwolf Alcide, der sie in Jacksons Szene einführen soll. Nun erinnert Alcide zwar mit seiner grundsoliden, überaus netten Art sehr an einen ganz ähnlich angelegten Werwolf aus der Romanserie von Laurell K. Hamilton, doch bleibt Sookie ihrem Bill treu, selbst wenn sie stinkwütend auf ihn ist. So hält sich der erotische Overkill in Grenzen, auch wenn Alcide und Sookie in Jackson als Pärchen auftreten, um möglichst unverdächtig zu wirken.
Nun, es ist ziemlich klar, dass Sookie Bill am Ende der Geschichte finden und retten muss. Viel interessanter ist also, wie sie ihren Lover tatsächlich ausfindig macht und ihn aus den Fängen seiner Ex-Geliebten rettet. Wie immer gibt es viele Einblicke in die sozialen Vampirstrukturen und als Bonus kommt natürlich auch Bubba wieder vor (Leser der Serie werden wissen, wer hier gemeint ist – schließlich reagiert er auf seinen wahren Namen recht allergisch). „Club Dead“ erreicht zwar nicht den Grad an Action, den Harris noch in „Untot in Dallas“ aufgefahren hat, doch bietet der Roman eine ausgewogene Mischung aus Action, Mystery, Krimi, Horror und Erotik.
Die Übersetzung verbessert sich mit jedem neuen Roman aus der Serie merklich, was das Lesevergnügen ungemein steigert. Überhaupt, das Lesevergnügen: „Club Dead“ ist ein unterhaltsamer Schmöker, ein wunderbares Buch zum Abschalten mit genau dem Genremix, der besonders weibliche Leser ansprechen wird. Leider sieht man diesmal recht wenig von Bill, doch kann Eric den Verlust mit seiner lässigen Art mehr als wettmachen. Besonders Fans seines Charakters werden diesmal also auf ihre Kosten kommen.
Kurzum: „Club Dead“ wird Fans der Serie nicht enttäuschen!
|Originaltitel: Club Dead
Aus dem Englischen übertragen von: Dorothee Danzmann|
1997 veröffentlichte Hanif Kureishi seine erste Sammlung von Kurzgeschichten „Love in a Blue Time“ (dt. „Blau ist die Liebe“, eigentlich: „Liebe in einer traurigen Zeit“) und zeigte, dass er auch die kurze Prosaform auf seine witzige, freizügige und moderne Weise beherrscht und eine sehr abgeklärte Einstellung zur Liebe hat.
Ein erotischer Akt schemenhaft im Hintergrund des blauen Buchcovers, übergroß der Name des Autors und karminrot der Buchtitel – auf den ersten Blick möchte man meinen, dass eine Mogelpackung verkauft werden soll, sich die Texte vielleicht hinter dem inzwischen „bestsellenden“ Autorennamen verstecken müssen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt bereits das Inhaltsverzeichnis mit Titeln wie „My Son the Fanatic“ (dt. „Mein Sohn der Fanatiker“) oder „Nightlight“ (dt. „Nachtlicht“), dass hier wichtige Stationen in der Entwicklung Kureishis als Autor versammelt sind.
Pünktlich zum Kinostart der dritten Episode der Star-Wars-Saga kommen auch schon die verschiedensten Merchandise-Artikel auf den Markt. Neben allerhand Action-Figürchen, Raumschiffen und sonstigem, beinahe unverzichtbarem, Fan-Nippes (wie blinkenden und dudelnden Plastik-Laserschwertern, Vader-Masken mit Vocoder etc.) natürlich auch diverse Druckerzeugnisse. Eines davon ist ein Buch, welches sich als illustrierte Enzyklopädie zu „Rache der Sith“ verstanden wissen will. So lautet jedenfalls der hochtrabende, deutsche Titel des von James Luceno zusammengestellten und von |Lucas Books| vertriebenen Werkes. Die deutsche Ausgabe der auf Hochglanz getrimmten Publikation übernahm die |vgs|, wo man das „visual dictionary“ werbewirksam eben mal zur „Enzyklopädie“ erhob. Ob man diesem Anspruch gerecht werden kann, erscheint schon auf den ersten Blick hinsichtlich des arg dürren Buchs fraglich.
_Corpus Galacti_
„Aufregende Fotos und umfassende Erläuterungen verraten alles über Charaktere, Kreaturen, Droiden und Ausrüstungsgegenstände […]“ verspricht der Teaser-Text auf der Rückseite, neben einigen anderen, vermeintlichen Segnungen, mit denen man dem potenziellen Sternen-Fanatiker Appetit auf vergleichsweise magere 64 (in Worten: „vierundsechzig“) Seiten |Star Wars| machen möchte. Zugegeben, die Optik ist ziemlich edel. Großformat und hochwertiges Papier machen schon mal was her, doch wie das immer so ist im Leben, kommt es ja nicht nur auf die Verpackung, sondern vielmehr auf den Inhalt an. Besonders dann, wenn dem nach jedem Informationsschnipsel gierendem Klientel dafür 15,90 € aus der abgewetzten Jedi-Kutte geleiert werden sollen. Hervorgehoben sei hier explizit das Attribut „alles“ aus dem oben wiedergegebenen Teaser – man darf zu Recht gespannt sein, wie dies auf den paar Seiten zu bewerkstelligen sein soll.
Von der geradezu verschwenderischen Seitenzahl muss man nämlich schon mal fünf Seiten für Vorsatzseiten, Inhaltsangabe und Einleitung abziehen. Erst auf Seite sechs wird der Leser in das Setup von Episode III auf einer Doppelseite eingeführt, inklusive eines kurzen Rückblicks auf das, was bisher geschah. Dem großen galaktischen Krieg und dem, was in dieser Episode auf welchen Planeten zu erwarten steht. Nach dieser knappen Orientierungshilfe geht es dann mit 33 Themenkomplexen, welchen (mit wenigen Ausnahmen) wiederum je eine Doppelseite gewidmet ist, weiter. Dabei ist „komplex“ leider nicht wörtlich zu nehmen, denn dominiert werden die jeweiligen Abschnitte von Illustrationen und Abbildungen. Der Begleittext nimmt sich dagegen kümmerlich aus. Zudem beanspruchen allein Anakin/Darth Vader, Die Klonkrieger, die Wookies und Palpatine/Darth Sideous gleich mehrere Kapitel für sich, die man ohne weiteres hätte zusammenfassen können
Verständlich, dass für den Rest der behandelten Themen auf den verbliebenen (wenigen) Seiten nicht mehr viel Raum für erschöpfende Informationen bleibt. Allerdings muss man zugute halten, dass auch Randfiguren und Ausrüstungsgegenstände und gelegentlich kleine (fiktive) Anekdoten immerhin Erwähnung finden und in den Kontext zur Geschichte gesetzt werden. Interessant sind insbesondere die Schnittzeichnungen etwa des Wookie-Bowcasters und auch der Abschnitt über General Grievous, einem Cyborg – halb Lebewesen, halb Droide. Leider verliert sich der simpel gestrickte Text durchgängig in oft absolut nebensächlichem Klimbim ohne geistigen Nährwert und Tiefe. Selbstverständlich ist irgendwie alles, was mit Star Wars (oder einer beliebigen anderen, erfundenen Geschichte) zu tun hat, streng genommen als „needless knowledge“ einzustufen, doch so needless muss es dann doch bitteschön nicht sein.
Besonders lächerlich, um nicht zu sagen kindisch-kitschig, sind aber die Beschriftungen zu Hinweispfeilen, die auf „Besonderheiten“ eines Gegenstands oder einer Person zeigen. Etwa „Ungewöhnlich ernster Gesichtsausdruck“ oder „Stoff wirkt schwerer, als er ist“ bei Obi-Wan, sind nicht die einzigen, sinnfrei-eleganten Einlassungen, die entweder zu Lachmuskelkatarrh oder wahlweise verständnislosem Kopfschütteln reizen. Es sind einige richtige Knaller darunter; der Autor sollte vielleicht eine Karriere als interstellarer Comedian anstreben, ich fürchte jedoch, er meint es vollkommen ernst. Mir ist nicht ganz klar, an welche Leserschaft sich das Buch richtet, der erwachsene Fan (zu welchen auch ich mich zähle) kommt sich etwas veralbert vor. Und dabei gehöre ich noch nicht mal zu den Dogmatikern, welche |Star Wars| als bierernst betrachten und jeden Anflug flockiger Schreibe als pure Ketzerei verschreien.
_Fazit_
Trivial und zu bildlastig. Die nette Aufmachung ist zwar nicht zu beanstanden, doch hapert’s am Gehalt. Schöne Bilder, aber wenig erhellender, oberflächlicher Text, der streckenweise geradezu peinlich kindisch ist. Unter einer Enzyklopädie versteht man für gewöhnlich eher einen fetten Wälzer mit Stichwortverzeichnis und Index. Idealerweise einen, der thematisch wirklich in die Tiefe geht und nicht etwas, das irgendwie den Flair und Charme eines Hochglanz-Werbeflyers versprüht. Aber bestimmt kein besseres Bilderbuch – fehlen eigentlich nur noch mitgelieferte Buntstifte, damit man sich seine Klonkrieger und Droiden selbst ausmalen kann. Scheinbar hält man die Fans für eine Bande Grenzdebiler. Die – für effektiv 60 Seiten – recht unverschämten 16 Euro sind für zwei Kinokarten, den (übrigens erstaunlich guten) [Roman 1163 oder schon mal als Anzahlung für die zukünftig erscheinende DVD wesentlich besser angelegt. Hol’s der Rancor.
_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Star Wars Episode III – The Visual Dictionary“
Ersterscheinung: 2005, Lucas Books / DK / VGS
Seiten: 64 mit zahlreichen Abbildungen
Ausgabe: 1. Auflage / Hardcover
ISBN: 3-8025-3441-7
Englische Midlands im Jahre 1386:
Catherine Rowe ist die junge Ehefrau des alten Brillenmachers Elias. Ganz gegen seine Wünsche kann sie die Finger nicht von seinem Handwerk lassen und findet die richtige Brille für seinen Kunden Sir Thomas Latimer. Kurz darauf wird ihr Ehemann ermordet und das Haus der Rowes angezündet. Und dann stellt sie auch noch fest, dass sie ein Kind erwartet. Auch ihrem Bruder Alan ergeht es schlecht: Die Hand des Mädchens, das er liebt, wird ihm von ihrem Vater, Sir William Nevilles Vogt, verwehrt, sein Pachthof wird niedergebrannt und sein Pferd gestolen. Die Geschwister glauben nicht an einen Zufall und beklagen sich bei William Courtenay, dem Erzbischof von Canterbury, über Sir William Nevilles Ungerechtigkeit. Und der Erzbischof formt die beiden zu seinen Werkzeugen im Kampf gegen die „Bedeckten Ritter“, die einen Professor dabei unterstützen, die Bibel ins Englische zu übersetzen – ein Prozess, der die bestehende katholische Kirche in ihren Grundfesten zu erschüttern droht. So werden Catherine und Alan in ein Netz aus Intrigen verwickelt und zu Spielbällen der großen kirchlichen Gegner.
Als jedoch Catherine die Bedeckten Ritter und ihre Auftraggeber besser kennen lernt und schließlich auch den Mörder ihres Mannes erkennt, ist sie sich nicht mehr sicher, ob sie auf der richtigen Seite kämpft und sie gerät mit ihrem Säugling in ein gefährliches Doppelspiel zwischen den Fronten …
_Unter die Lupe genommen_
Als Story klang das für mich vielversprechend und ist es auch. Der 1977 in Leipzig geborene Autor Titus Müller, der in Berlin nicht nur Neuere Deutsche Literatur sondern auch Mittelalterliche Geschichte studiert hat, zeigt hier eine trotz des Verwirrspiels politischer und religiöser Intrigen nachvollziehbare, gut aufgebaute Handlung, die zudem für den Leser spannend umgesetzt ist. Die sich langsam entwickelnde, stetig ansteigende Spannung, welche durch die Ermordung des Brillenmachers und die verschiedenen Loyalitäten Catherines gegenüber Bruder, Ehemann, Kind, Courtenay und Latimers entsteht, hält bis zum Ende des Buches an. Dennoch ist der Titel des Buchs irreführend – man sollte hier keinen im Handwerks-Milieu angesiedelten Mittelalterroman erwarten; das Brillenmacherhandwerk ist nicht Mittelpunkt des Romans, sondern bleibt eine relativ unbedeutende Nebensache. Auch der Klappentext lässt hier den Leser eine andere Art Geschichte vermuten, als er dann serviert bekommt. Stattdessen handelt es sich um eine Mischung aus historischem Roman und historischem Krimi.
Die Sprache ist im Wesentlichen angenehm zurückhaltend eingesetzt, aber ein wenig an die historische Handlung angepasst. Gemessen an dem doch eher schwierigen, relativ kirchlichen Thema gibt es jedoch nur wenige unerklärte Begriffe. Typisch für Müllers Schreibstil schien mir hier zu sein, dass er seine sehr kurz gehaltenen Kapitel gerne langsam mit einer poetisch anmutenden Landschaftsbeschreibung von ausgezeichneter Atmosphäre einleitet. Wenn die Handlung der einzelnen Kapitel sich entfaltet, hält sich die Sprache dann eher zurück. Die Erzählweise ist komplett in der dritten Person gehalten, die Erzählperspektive wechselt aber zwischen den einzelnen Protagonisten hin und her.
Die Charakterisierungen, insbesondere die der Hauptperson Catherine, stechen vor allem durch ihre Ambivalenz hervor. Müller folgt hier nicht den klischeehaften Vorstellungen der guten Heldin und des bösen Gegenspielers. Seine Catherine ist zwar im Grunde ihres Herzens sicherlich ein guter Mensch, begeht aber im Verlauf der Geschichte Fehler und zeigt Schwächen, die ihren Charakter menschlich und glaubhaft machen. Auch die Bösewichte folgen hier – zumindest zum Teil – nicht dem sonst leider oft so üblichen Schwarz-Weiß-Schema, sondern stellen ihr eigenes Handeln in Frage. Es handelt sich auch nicht um vollständig moderne Personen in einer historischen Umgebung. Insbesondere Catherine ist trotz ihres Wunsches, als Brillenmacherin zu arbeiten, eine Frau ihrer Zeit, keine übermächtige, immer starke Superwoman, die dem Gegner ordentlich zusetzt, sondern eine Frau voller Selbstzweifel, die ihre Taten zumeist aus einer verzweifelten Lage heraus oder durch die Intrigen der beiden gegenerischen Parteien bestimmt.
Zu bemängeln gibt es hier allerdings für mich, dass der Leser stellenweise nicht tief genug Einblick in die Hauptpersonen erhält und einige Handlungen nicht nur völlig überraschend kommen, sondern auch nicht erläutert werden. Dies verhindert nicht nur eine vollständige Glaubwürdigkeit der Geschichte, sondern kostet die Protagonisten auch einige sonst mögliche Sympathiepunkte. Auch einige Szenen setzen solcherart zu abrupt ein, ohne dass der Leser versteht, was hier vor sich geht und wie es seit dem Ende des letzten Kapitels hierzu gekommen ist.
Auch die Entdeckungen, die Catherine im Brillenhandwerk macht, erschließen sich dem Leser nicht vollständig. Hier hätte man sich generell eine deutlichere Herausarbeitung der Arbeit der mittelalterlichen Brillenmacher gewünscht. Stattdessen zeigt uns Müller eine unausgebildete junge Frau, die an einem einzigen Nachmittag Entdeckungen macht, die ihrem erfahrenen und angesehenen Mann während seiner gesamten Berufslaufbahn nicht eingefallen sind. Dass sie dann gegen Ende des Buches noch die Erfindung der „Laterna Magica“ aus der hohlen Hand zaubert, trägt auch nicht zu ihrer Glaubwürdigkeit bei.
Der kriminalistische Anteil der Geschichte ist aber gut in Szene gesetzt und spannend beschrieben. Und auch die Zeit und die religiösen Hintergründe hat Müller sehr gut herausgearbeitet und, ohne Langweile aufkommen zu lassen, in seine Geschichte eingebunden.
Einen weiteren angenehmen Ausbruch aus bestehenden Allgemeinvorgaben zeigt „Die Brillenmacherin“ und selbst die integrierte, obligatorische Liebesgeschichte aber im Bezug auf das Ende. Es gibt kein kitschiges Happy-End mit Hochzeit und Babys, kein edler Ritter in schimmernder Rüstung durchbohrt den Anführer der Bösewichte mit seinem Schwert und führt ihn seinem verdienten Ende zu. Die Liebesgeschichte ist für mich zwar nicht komplett nachvollziehbar aufgezeichnet, ist aber sehr unaufdringlich dargestellt, ohne Plattheiten und ohne die stets als nächstes erwarteten Wendungen. Insgesamt bleibt sie so (ganz anders als der Klappentext des Buches vermuten lässt, der eine komplett andere Geschichte suggeriert) eine Nebensache, die sich in die Geschichte integriert, ohne der eigentlichen Handlung den Rang abzulaufen. Die Lösung vom gegebenen Schema und die Nicht-Erfüllung einer unterschwelligen Erwartungshandlung diesbezüglich halte ich für einen der besten Punkte des Buches. Titus Müller hat es hier wirklich verstanden, mich durch seine Integrität zu überraschen und das ist mir allemal lieber als ein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende. Zugleich suggeriert dieses Buchende, das dadurch etwas abseits der allgemeinen Erwartungshandlung liegt, aber auch, dass die Geschichte noch nicht ganz abgeschlossen sein könnte und ließ mich sofort an eine mögliche Fortsetzung des Buches denken. Und tatsächlich soll die Geschichte um Catherine Rowe fortgesetzt werden. Vielleicht kommt das von den Klischees vorgeschriebene Happy-End also doch noch.
Insgesamt hat mir „Die Brillenmacherin“ von Titus Müller gut gefallen. Die Handlung und Spannung sind gekonnt dargestellt, einige Schwächen zeigt das Buch vor allem bei den insgesamt etwas zu oberflächlich gehaltenen Charakteren. Aber ich werde den Nachfolgeroman bestimmt ebenfalls lesen.
Sie ist eine viel beschäftigte Frau, diese Temperance Brennan: Als Dozentin lehrt sie Anthropologie an der Universität von Charlotte in North Carolina, einem der US-amerikanischen Südstaaten, in den Semesterferien arbeitet sie als forensische Anthropologin für die Provinz Quebec, d. h. am gerichtsmedizinischen Institut der kanadischen Metropole Montréal – jedes Mal eine Reise von mehr als 2000 Meilen. Als bekennender Workaholic nimmt Frau Doktor aber auch dazwischen noch allerhand Knochenarbeit an. Gerade gräbt sie z. B. für die Erzdiözese Montréal nach den Überresten der wohl- und womöglich wundertätigen Ordensschwester Maria, die Anfang des 20. Jahrhunderts verstarb und nun zur Heiligsprechung ansteht.
Aber schon bald ruft wieder die Alltagspflicht. In St. Jovite, einem Vorort von Montréal, ist ein Wohnhaus in einem wahren Höllenfeuer niedergebrannt. In den ausgeglühten Trümmern findet die Polizei die Leichen von sieben Menschen, die sämtlich schon tot waren, als der Brand gelegt wurde, um die Bluttaten zu vertuschen. Unter den Opfern sind auch zwei Säuglinge, die nicht „nur“ ermordet, sondern regelrecht geopfert wurden: Man hat ihnen die Herzen herausgeschnitten. Treiben womöglich Satanisten ihr Unwesen im kalten Winter Nordamerikas? Dr. Brennan holt sich Rat bei einer Spezialistin. Daisy Jeanotte ist Professorin für religiöse Studien an der örtlichen Universität. Ihr Fachwissen ist enorm, ihr Verhalten merkwürdig. Ihren studentischen Hilfskräfte ist sie unumschränkte, gefürchtete Herrin. Einige von ihnen, die Jeanottes Unwillen erregten, scheinen sogar spurlos verschwunden zu sein.
Inzwischen steht für Tempe Brennan ein neuer Lehrturnus in Charlotte an. Wie es der Zufall will, stolpert sie während eines Wochenendausflugs mit Tochter und Freunden über zwei neue Leichen. Die Polizei identifiziert sie mit Brennans Hilfe als Mitglieder einer obskuren Sekte, die offensichtlich ihre Abtrünnigen nicht ziehen zu lassen gedachte. Bald stellen sich sogar Verbindungen zum Massenmord von Montréal heraus. Anscheinend plant die nordamerikaweit operierende Sekte nach dem Vorbild der Schweizer Sonnentempler den kollektiven Selbstmord. Professor Jeanotte scheint das heimliche Oberhaupt zu sein. Die Zeit läuft den Ermittlern davon. Ganz besonders betroffen ist Tempe Brennan, die feststellen muss, dass die eigene Schwester der Sekte beigetreten und inzwischen ebenfalls verschwunden ist. Ein Wettlauf mit der Zeit und mit dem Tod beginnt, dessen Regeln die Sektenfanatiker festlegen, denen jedes Mittel recht ist, sich den Weg ins Jenseits notfalls zu erzwingen …
Zum zweiten Mal lassen Kathy Reichs und Temperance Brennan (die reale Person geht nahtlos in die fiktive Figur über, wie wir weiter unten erfahren werden) wieder Knochen sprechen. Das mag der Purist als allzu ernstes, geradezu anrüchiges Thema für die Feierabend-Lektüre werten; er (oder sie) sei an dieser Stelle verabschiedet und auf die Lagunen-Schmachter der Donna Leon verwiesen.
Wer nicht so zart besaitet ist, sich aber ein gesundes Maß kindlicher Neugier bewahren konnte, erlebt einen nicht gerade realistischen, aber höchst turbulenten, an alten und frischen Leichen reichen Thriller vor der eindrucksvollen Winterkulisse Kanadas. Während die Handlung vom Leser hier und da fordert, sich mit einem Knüppel kräftig auf den Kopf zu schlagen, um so die gar zu offensichtlichen Löcher besser ignorieren zu können, lässt sich Verfasserin Reichs das Heft nicht mehr aus der Hand nehmen, sobald sie ihr eigentliches Reich der Gräber, Mordschauplätze und Leichenhallen betritt. Hier kennt sie sich aus, hier stimmt jedes Detail, und es lässt sich nicht leugnen: Der Tod ist ein faszinierendes Thema, so lange es nicht der eigene ist.
In den Lesegenuss mischen sich leider mehr als nur ein paar Wermutstropfen. Da ist zum einen der allzu gekünstelte Plot. An einem Ende der Stadt gräbt Tempe Brennan eine potenziell heilige Nonne aus, während am anderen Sekten-Strolche losschlagen. Die Nichte einer der lebenden Ordensschwestern ist Adeptin dieser Sekte und arbeitet für genau jene Hochschul-Dozentin, die Tempe bei ihren Nachforschungen über Schwester Marie befragt. Aus dem Süden reist Tempes Schwesterlein an, die gerade von besagter Sekte rekrutiert wurde. Diese treibt ihr mörderisches Unwesen auch in den USA und „versteckt“ – hübsch schlampig, damit die Entdeckung nur ja gelingt – ihre gemeuchelten Untertanen exakt dort, wo Tempe das amerikanische Lager ihres Nomadenlebens aufschlägt. Damit wird das Phänomen des Zufalls ein wenig zu heftig strapaziert. Tatsächlich wollen sich die Subplots dieses Romans im Finale gar nicht recht zu einer Geschichte mischen lassen, deren Auflösung den Leser wirklich zufrieden stellt. Dass die im Mainstream-Thriller der Gegenwart obligatorischen, Reichs aber nicht gerade gelungenen und aufgesetzt wirkenden Seifenoper-Elemente (wirrköpfige Schwester, eigensinnige Tochter, liebeskranker Kollege etc.) verwässern die Handlung zusätzlich.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen den plakativen, nein inflationären Einsatz aufdringlicher Gewalt- oder Ekeleffekte. Auf dem Markt des modernen Kriminalromans bilden die Leichenhallen-Thriller nur eine kleine Nische, die inzwischen recht gut besetzt, vielleicht sogar überbelegt und daher heiß umkämpft ist. Neben Patricia Cornwell, der Königin dieses Subgenres (Kay Scarpetta), warten z. B. auch Nigel McCrery (Sam Ryan) oder Sharyn McCrumb (Elizabeth MacPherson) regelmäßig mit Pathologen-Spektakeln auf. Da ist es nicht leicht, die Konkurrenz auszustechen. Nicht von ungefähr werden die Schilderungen immer bizarrer und drastischer. Das ist durchaus vergnüglich, denn seit jeher ist die Leichenhalle die natürliche Heimat des schwarzen Humors. Aber Reichs übertreibt es, indem sie auf Nummer Sicher gehen will. Von religiösen Fanatikern herausgeschnittene Herzen scheinen ihr nicht genug zu sein – es müssen auch noch kleine Kinder die Opfer sein. Damit schreiben sich die entsprechenden Szenen wie von selbst, und Entsetzen und Wut und damit die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lesers stellen sich ebenfalls automatisch ein. Aber das ist ein billiger, unredlicher Trick, der in einem reinen Unterhaltungsroman wie „Knochenarbeit“ nichts verloren hat.
Über Leben und Werk der Kathy Reichs informiert eine geradezu opulente Website: http://www.kathyreichs.com – hier gibt es sogar eine Einführung in die Welt der pathologischen Anthropologie. (Ich verweise besonders auf den Link „HBO’s Interactive Autopsy“, der uns zu einer Website bringt, auf der Dr. Michael Baden uns das Privileg gönnt, der digitalen Zerlegung eines Menschenkörpers beizuwohnen; wem das zu theoretisch bleibt, darf sich des reichen Farbfoto-Materials einer richtiger Sektion erfreuen.) Die erfolgreiche Schriftstellerin scheint ein Workaholic zu sein; sie schreibt ihre Thriller, während sie weiterhin ihrem ohnehin aufreibenden Vollzeit-Job als Mitarbeiterin des „Office of the Chief Medical Examiner“ in North Carolina und des „Laboratoire de Sciences Judiciaires et de Medecine Legale“ in Quebec nachgeht und außerdem als Dozentin für die Fachbereiche Soziologie und Anthropologie an der Universität von North Carolina-Charlotte lehrt (von ihren zahlreichen Auslands-Einsätzen – z. B. im afrikanischen Ruanda, wo sie die Knochenlager diverser Völkermorde untersuchte – oder ihrer Beratertätigkeit für das FBI ganz abgesehen); diese Parallelen lassen vermuten, dass Reichs Recherche-Zeit spart, indem sie die Figur der Tempe Brennan sehr dicht am eigenen Leben ausrichtet. Dieser Trick versagt allerdings, wenn es darum geht, nackte Fakten mit einer durchdachten Handlung zu einem wirklich überzeugenden Roman zu kombinieren, zu dem sich „Knochenarbeit“ trotz aller Bemühungen nur bedingt fügen will.
|Auf dem Flur seines abgewrackten Londoner Wohnheims begegnet der unbedarfte Literaturstudent Shahid dem Anführer einer militanten Moslemgruppe und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Kureishis zweiter Roman zeigt unter anderem, wie subtil und willkürlich die Veränderungen sind, die einen Kleinstadtjungen zu einem Terroristen werden lassen.|
Bekannt ist „Das schwarze Album“ vor allem für Kureishis Verarbeitung der Fatwa gegen Salman Rushdi, dessen „Satanische Verse“ (1988) bis heute nicht nur eine schwer verdauliche Lesekost sind, sondern dessen sehr freie Darstellung des frühen Lebens des Propheten Mohammed zudem unter Muslimen zu einer Protestbewegung mit wochenlangen Demonstrationen und Ausschreitungen gegen den Autor geführt hatte. Obwohl sich Rushdi Ende 1990 öffentlich von seinem Roman distanzierte und zum Islam bekannte, blieb die Fatwa mit einem Kopfgeld in Millionenhöhe bis 1998 bestehen. Der damalige iranische Präsident Khatami erklärte zu diesem Zeitpunkt den Fall Rushdi für erledigt, extreme Moslemgruppen wie die „Stiftung 15. Chordad“ meldeten sich jedoch bald zu Wort und bekräftigten das Todesurteil, so dass der Autor sich bis heute nicht völlig sicher fühlen kann.
Tahâma ist ein Blauschopf, ein Wesen des Lichts, des Winds und des Klangs. Die Blauschöpfe sind friedliche Künstler, die ihre Tage damit verbringen, alle möglichen Instrumente zu bauen und damit zu musizieren. Außerdem lieben sie alle möglichen Arten von Windspielen, die sie kunstvoll aus bunten Kristallen zusammensetzen. Von Waffen und Kämpfen verstehen sie nichts.
Das ist auch der Grund, warum sich das gesamte Volk dazu entschlossen hat, sein friedliches Tal zu verlassen und auszuwandern. Das Nichts, das schon seit längerem Phantásien bedroht, ist inzwischen auch bei ihnen aufgetaucht, und die finsteren Wesen, die schon seit Urzeiten in den umgebenden Bergen leben, dringen ebenfalls immer weiter vor. Der Bote, der zur Kindlichen Kaiserin gesandt wurde, ist nicht zurückgekehrt, dafür waren Wanderer aus dem Land Nazagur zu Besuch, die diesen Ort als wahres Paradies beschrieben haben. Vor allem soll das Nichts dieses Land verschont haben.
Nun ist Tahâma allein in dem verlassenen Dorf. Sie will nicht fortgehen, ehe der Bote zurück ist, und tatsächlich taucht er eines Abends auf. Doch eines der Ungeheuer, die draußen umherstreifen, hat ihm eine Wunde beigebracht, die er nicht überlebt. Alles, was er Tahâma noch mitteilen kann, ist, dass die Kindliche Kaiserin einen gewissen Atréju mit der Rettung Phantásiens beauftragt hat. Und sein Entsetzen darüber, dass sein Volk nach Nazagur gezogen ist! Tahâma schiebt seine erschrockene Warnung auf die schlechte körperliche Verfassung kurz vor seinem Tod. Noch am selben Abend macht sie sich auf den Weg zu ihrem Volk.
Unterwegs trifft sie auf den Jäger Céredas, der von einem Wolf am Bein verwundet wurde. Ein Erdgnom namens Wurgluck kann die Wunde zwar heilen, ist damit aber überhaupt nicht zufrieden. Er weiß, dass es kein gewöhnlicher Wolf war, der Céredas da gebissen hat! Seine Besorgnis geht so weit, dass er den beiden folgt, um Céredas zu beobachten. Schon bald mehren sich die Anzeichen, dass seine Befürchtungen nicht unbegründet sind.
Dann erreichen sie Nazagur …
„Die Seele der Nacht“ ist Ulrike Schweikerts Beitrag zu den „Legenden von Phantásien“.
Ihre Tahâma ist ein recht entschlossenes Mädchen. Was sie sich einmal vorgenommen hat, das zieht sie auch durch, ob es nun die Suche nach ihrem Volk ist, die Rettung ihres Freundes Céredas oder ihr Entschluss, den Weisen der Stadt Krizha um Hilfe zu bitten. Natürlich schafft sie das alles nicht ohne Hilfe.
Wurgluck ist zwar ein kauziger kleiner Kerl und schnell beleidigt, aber er ist auch klug und ein wertvoller Berater sowie ein treuer Freund. Wohin Tahâma auch geht, der Erdgnom ist dabei, auch wenn er dafür reiten oder in einem Rucksack sitzen muss!
Céredas, der stolze Jäger aus den schwarzen Bergen, dagegen ist ein weit schwierigerer Geselle. Abgesehen davon, dass er ziemlich von sich eingenommen scheint, hat er die schlechte Angewohnheit, in der Nacht ständig davonzuschleichen, ohne den anderen Bescheid zu sagen. Je weiter sie ins Landesinnere kommen, desto launischer wird er.
Viel mehr gibt es über die Charaktere nicht zu sagen, was auch schon wieder etwas aussagt. Sie bleiben alle mehr oder weniger blass. Tahâma ist die typische Heldin, die entschlossen ist, das Böse zu vernichten und ihr Volk zu retten, notfalls auch alleine. Das lässt sich natürlich bis zu einem gewissen Grad nicht vermeiden, denn eine gleichgültige oder selbstsüchtige Protagonistin würde sich einfach aus dem Staub machen, und was gäbe es dann für eine Geschichte zu erzählen? Außer dieser Motivation ist ihre erwachende Liebe zu Céredas jedoch das Einzige, das man von ihr erfährt. Sie hat keine besonderen Neigungen oder Vorlieben, keine Zukunftspläne, keine Erinnerungen, an denen sie hängt.
Auch Céredas fehlt ein solcher Hintergrund. Zwar begleitet er Tahâma, um zu sehen, ob Nazagur auch seinem Volk Zuflucht vor dem Nichts bieten kann, verschwendet im Laufe der Reise jedoch nicht ein einziges Mal einen Gedanken an nahe stehende Personen wie Familienmitglieder oder Freunde. Für seine Launenhaftigkeit kann er nichts, wie sich schnell herausstellt, sie hat ihre Ursache in dem Wolfsbiss. Den inneren Kampf, den Céredas mit sich ausfechten muss, bekommt der Leser allerdings kaum mit, weil seine Gedanken nur drei- oder viermal kurz erwähnt werden, wenn es um seine wachsende Zuneigung zu Tahâma geht.
Tahâmas Gefühle wiederum scheinen lediglich daher zu kommen, dass Céredas sie ein paarmal aus warmen braunen Augen angesehen hat. Mehr erfährt man zumindest nicht.
Der Erdgnom mit seinem scharfen Verstand und seiner Kauzigkeit hätte das Potenzial zu einem wirklich liebenswerten Charakter gehabt. Ich konnte nur nicht verstehen, warum er den Mund nicht aufmacht! Er weiß ganz genau, dass Céredas von einem Werwolf gebissen wurde. Das sagt er den beiden auch. Außer ihm scheint sich aber keiner über die Folgen Gedanken zu machen, nicht einmal, als sie absehbar werden. Wurgluck warnt Tahâma durchaus vor Céredas, aber seine vagen Andeutungen sind nicht geeignet, das bereits verliebte Mädchen davon zu überzeugen, dass ihr Schwarm eine Gefahr für sie darstellt. Warum sagt er ihr nicht klipp und klar, was Sache ist? Zumal auch Aylana und Céredas selbst sie bereits gewarnt haben.
Abgesehen davon: Wieso wird Céredas durch den Biss eigentlich kein Werwolf, sondern ein Sklave des Schattenlords? Steht dieser in irgendeiner Verbindung zu Gmork? Und selbst wenn, der Gmork ist kein phantásisches Wesen. Unwahrscheinlich, dass er von einem Phantásier beherrscht werden könnte!
Noch schemenhafter als die Hauptfiguren bleiben die Nebenfiguren Aylana, ihr Bekannter Ýven und die Spinnenfrau. Sie sind reine Zweckfiguren. Aylana hilft Tahâmas Gruppe und bietet ihr Unterschlupf. Ýven versucht offenbar, den Grund des Universums zu erforschen. Der Versuch, in einem Gespräch zwischen Wurgluck und Ýven die Ursache für die Geschehnisse in Nazagur und ganz Phantásien herauszufinden, gerät allerdings eher vage. Die Spinnenfrau Crachna fügt dem nur wenig hinzu.
Natürlich kennen erfahrene Phantásien-Leser den Grund für das Nichts längst. Warum aber Nazagur davon verschont bleibt, dafür bietet die Autorin keine plausible Erklärung. Die einzige Frage des Buches, die beantwortet wird, ist die nach dem Wachstum Nazagurs: Wenn die Menschheit dazu übergeht, sich anstelle von Außergewöhnlichem nur noch Horror und Grausamkeit auszudenken, dann wird eben auch Phantásien zu einem einzigen Ort des Horrors und der Grausamkeit.
Die Autorin sagt selbst von sich, dass Vampire sie faszinieren. Ob aber deshalb der Schattenlord wie ein Abklatsch der unzähligen bereits existierenden Gruselfiguren wirken muss, ist eine andere Frage. Wer nimmt eine Schauerfigur ernst, deren gesamte Erscheinung aus einer Sammlung von Klischees besteht? Und wie kommt es, dass dieser Schattenlord sich offenbar der Tatsache bewusst ist, dass er ein erdachtes Geschöpf ist? Dass Crachna, die mit ihren Augen offenbar bis in die Menschenwelt sehen kann – was auch schon ungewöhnlich ist! – dies weiß, mag noch nachvollziehbar sein. Aber woher weiß es der Schattenlord? Überhaupt wissen in Schweikerts Geschichte ziemlich viele über die Menschenwelt bescheid, auch Ýven und Wurgluck. Sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Geschichte zeitgleich zur „Unendlichen Geschichte“ spielt, einem Zeitpunkt also, wo seit unsagbar langer Zeit kein Menschenkind mehr in Phantásien gewesen ist und alle möglichen Wesen Boten zur Kindlichen Kaiserin schicken, weil sie nicht wissen, was es mit dem Nichts auf sich hat!
Das größte Manko des Buches ist jedoch, dass man kaum bemerkt, dass es in Phantásien spielt. Abgesehen davon, dass am Rande die Kindliche Kaiserin, Atréju, der Gmork und das Nichts erwähnt werden, lässt nichts darauf schließen, wo man sich befindet. Die Landschaften sind zwar abwechslungsreich, könnten sich aber genausogut in der Menschenwelt befinden. Von den Personen, die vorkommen, besitzen offenbar nur der Schattenlord und die Blauschöpfe außergewöhnliche Fähigkeiten. Die einzigen bunten Farbtupfer im ganzen Buch sind die Darstellungen im Zusammenhang mit der Magie der Kristalle und der Musik der Blauschöpfe und das Vorkommen des Erdgnoms. Enttäuschend! Hier hätte ich mir eindeutig mehr Einfallsreichtum gewünscht.
Dieser Band ist auf jeden Fall der schwächste der drei, die ich bisher gelesen habe. Außer nackter Handlung ist hier nicht viel zu holen. Keine Charaktere, mit denen man wirklich mitfiebern würde, eine Menge Fäden, die nicht miteinander verknüpft wurden, logische Brüche in sich und zur Vorlage … Dem Buch fehlt jegliches Flair, das man sonst mit dem Gedanken an Phantásien verbindet, und man fragt sich, wie lange es her ist, dass die Autorin die Vorlage gelesen hat. Dabei wäre bei nur rund 300 Seiten durchaus noch genug Raum gewesen, um Facetten zu vertiefen und Fragen zu beantworten. Was hat Aylana dazu bewogen, einfach geschehen zu lassen, was mit ihr geschah, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, etwas dagegen zu tun? Ýven ist ein Forscher und rennt ständig mitten im Gespräch davon zu seinen Experimenten. Was denn überhaupt für welche? Welchen Zweck erfüllt eigentlich der Kristall Krísodul, wenn Tahâma ihre Musikmagie auch ohne ihn wirken kann? Und wieso kann ihr Großvater Centhân, der ja offenbar über ebenbürtige Fähigkeiten verfügt, Krizha ohne Krísodul nicht mehr beschützen? Fehlanzeige! Fast scheint es, als hätte die Autorin zu diesem Roman keine rechte Lust gehabt.
Ulrike Schweikert, gebürtig in Schwäbisch Hall, war nach der Schule zuerst im Bankwesen tätig, ging dann an die Universität, um Geologie zu studieren, schob später noch ein Studium in Journalistik nach. Mit „Die Tochter des Salzsieders“ wurde sie bekannt, seit „Die Hexe und die Heilige“ ist sie hauptberufliche Schriftstellerin. Ihre Krimis und Fantasygeschichten erscheinen unter dem Pseudonym Rike Speemann. In der Liste ihrer Arbeiten finden sich auch Jugendbücher und eine Theaterversion der „Tochter des Salzsieders“. Zurzeit schreibt sie an der Fortsetzung ihres Vampirkrimis „Der Duft des Blutes“.
Auf allen Bestsellerlisten standen „Die Korrekturen“ ganz oben, sämtliche Kritiker überhäuften Jonathan Franzen mit Lob und 2001 wurde ihm der |National Book Award| verliehen. Doch was ist es eigentlich, das dieses Buch ausmacht? Warum haben so viele Menschen es gelesen? Und warum lieben wir es, obwohl auf der Handlungsebene so wenig passiert?
_Nobody’s perfect_
Alfred und Enid Lambert wollen zusammen auf eine Kreuzfahrt gehen und vorher ihre beiden Kinder Denise und Chip besuchen. Das Familientreffen soll in Chips New Yorker Wohnung stattfinden, doch als Chip genau in diesem Augenblick von seiner Freundin Julia verlassen wird und einsieht, dass er in seinem Drehbuch noch einige Änderungen vornehmen muss, lässt er seine Eltern stehen und begibt sich zu seiner Verlegerin Eden, der er das Drehbuch entreißen will, bevor sie es lesen kann. Denise kocht ihren Eltern derweil ein Essen und verbringt mit ihnen den Mittag, bevor sie Alfred und Enid zum Schiff begleitet.
Im Zentrum der gesamten Geschichte steht das bevorstehende Weihnachtsfest, das Enid gerne mit ihrer gesamten Familie, also den Kindern Gary, Chip und Denise und Garys Frau Caroline und den drei Kindern, in St. Jude im elterlichen Haus verbringen möchte. Alfred ist an Parkinson erkrankt und hat mal mehr mal weniger mit seiner Gesundheit zu kämpfen, und auch Enid wird von ihrer kranken Hüfte geplagt, daher wünscht sie sich nichts mehr als dieses gemeinsame Weihnachtsfest, doch haben nicht alle Kinder die Absicht, Enid diesen Wunsch zu erfüllen.
Zu Beginn lernen wir Chip näher kennen, der einst erfolgreich als Dozent an einem College gearbeitet hat, bis seine Affäre mit einer Studentin bekannt wurde, die ihn Beförderung und Job gekostet hat. Nun schlägt er sich mehr schlecht als recht durchs Leben und schreibt Drehbücher. Denise ist Chefköchin in einem noblen Restaurant, hat allerdings schon eine geschiedene Ehe vorzuweisen und will auch einfach kein Glück in der Liebe haben. Auch Gary hat es mit seiner Frau und den drei Kindern nicht besser getroffen, denn an seinem ehelichen Himmel ziehen dunkle Gewitterwolken auf, wenn er das Weihnachtsfest in St. Jude erwähnt. Seine Frau weigert sich, das Weihnachtsfest bei ihren Schwiegereltern zu verbringen und manipuliert die gemeinsamen Kinder soweit, dass sie sich von ihrem Vater abwenden. Sie scheint größten Gefallen daran zu finden, sich über Gary und seine Familie lustig zu machen.
Auf der Kreuzfahrt schließt Enid schnell Bekanntschaft mit einer netten Frau, die ihr ein persönliches Geheimnis anvertraut, während die beiden sämtliche Vorzüge der Kreuzfahrt genießen. Doch dann sieht Enid ihren Mann Alfred vom Schiff fallen …
_Korrigiere dein Leben_
Trotz aller Vorschusslorbeeren stand ich den „Korrekturen“ äußerst skeptisch gegenüber, denn bei seinen knapp 800 Seiten und dem offensichtlich spärlichen Inhalt machten sich zunächst gewaltige Zweifel breit, die von den ersten 25 Seiten des Buches noch bestärkt wurden. Das erste Kapitel nämlich zieht sich wie Kaugummi und erzählt eine Geschichte, die ich auch nach zweifachem Lesen nicht recht nachvollziehen konnte. Doch mit dem Beginn des zweiten Kapitels erscheint uns der Autor wie ausgewechselt, erst hier beginnt die eigentliche Erzählung, die vom ersten Moment an mitzureißen weiß.
Jonathan Franzen zeichnet ein wunderbares Bild seiner fünf Protagonisten, denen viel Raum im Buch gewidmet ist. Jedes der drei Lambertschen Kinder erhält hierbei sein eigenes Kapitel, während Enid und Alfred ganz nebenbei auftauchen. Mit jeder Seite wachsen einem die handelnden Personen mehr ans Herz, denn jeder hat irgendwo einen kleinen Spleen oder eine besondere Eigenart, die sie so sympathisch machen. So ist Alfred früher Hobby-Wissenschaftler gewesen, der hauptberuflich für die Eisenbahn gearbeitet und in seinem Keller chemische Experimente durchgeführt hat, die ihm einige Patente eingebracht haben. Doch nun ist er krank geworden und sieht des Nachts seltsame Scheißhaufen (das ist wörtlich zu nehmen) durch sein Zimmer springen.
Chip hat kein Glück mit Frauen und vergnügt sich daher oft genug auf und mit seinem eigenen Sofa, außerdem schuldet er seiner Schwester einen Haufen Geld. Gary dagegen steht unter dem Pantoffel seiner eigenen Frau. In ihrer Ehe spürt man keine Liebe mehr, sie wird eher als eine Art Kampf dargestellt. Garys Frau Caroline zieht die gemeinsamen Kinder auf ihre Seite, stichelt gegen ihren Mann, straft ihn mit Missachtung und will sich nicht zu einem Weihnachtsfest in St. Jude überreden lassen, während Gary beschließt, alleine zu seinen Eltern zu fahren, um den ehelichen Frieden zumindest oberflächlich wieder herzustellen.
Mit seinem ausführlichen und liebevollen Schreibstil schafft Franzen es, dass der Leser sich ein sehr gutes Bild von der Familie Lambert machen kann, wir erleben hautnah all die familiären Katastrophen mit, die die Lamberts zu ertragen haben. Dabei vergeht im Haupterzählstrang nicht viel Zeit, während uns Franzen oftmals in einer Nebenerzählung weiter in die Vergangenheit entführt, um mehr über die Lambertschen Kinder und ihr Leben zu berichten. Während dieser Vorstellungen werden also wesentlich größere Zeitspannen abgearbeitet. Die Charakterzeichnungen sind so gut gelungen, wie man es nur äußerst selten erleben kann. Kaum ein Autor schafft es, seinen Lesern die handelnden Romanfiguren so deutlich vor Augen zu führen wie Franzen, das allein macht das Buch schon zu einem einzigartigen persönlichen (Lese-)Erlebnis.
Franzens Sprache ist zwar einfach aber ausschmückend; so bedient er sich zahlreicher Adjektive, um seinen Beschreibungen noch mehr Farbe zu verleihen, er ist mit viel Liebe zum Detail bei der Sache. Seine Beschreibungen sind ausführlich, lebendig und so detailliert, dass man sich beim Lesen mitten in der Geschichte wiederfindet. In diesem Buch entfaltet Jonathan Franzen sein gesamtes hervorragendes Erzähltalent, das eine oberflächlich betrachtet einfache Geschichte über alltägliche Menschen über eine epische Breite von knapp 800 Seiten gekonnt und unterhaltsam vorzutragen weiß, ohne nach dem zweiten Kapitel auch nur einen Moment lang zu langweilen.
Der Autor splittet seine Geschichte in mehrere Handlungsstränge, die sich an einem Zeitpunkt wiedertreffen und hier überzeugend zusammengeführt werden. Ein wenig Aufmerksamkeit ist allerdings erforderlich, um den Zeitverlauf immer richtig einzuordnen, doch wer würde bei einer so liebevollen Erzählung seine Konzentration freiwillig schweifen lassen?
Zwischendurch wird nur bedingt Spannung aufgebaut; im Grunde genommen gibt es nur einen Moment, der den Leser so sehr an das Buch fesselt, dass man es nicht mehr aus der Hand legen könnte. An dieser Stelle nämlich erhält Gary einen aufgeregten Anruf seiner Mutter, die Schreckliches von der Kreuzfahrt zu berichten hat, doch erst viel später erfährt der Leser, dass Alfred vom Schiff gefallen ist. Bis Franzen uns aber offenbart, was aus dem Lambertschen Familienoberhaupt geworden ist, spannt er uns lange Zeit auf die Folter. Jonathan Franzen bedient sich noch ganz anderer Elemente, um den Leser bei der Stange zu halten, seine faszinierende Erzählweise ist es, die zu unterhalten weiß.
„Die Korrekturen“ haben ihre Lobhudeleien völlig zu Recht verdient. Über die gesamte Strecke des Buches führt uns Jonathan Franzen ein liebevolles Familienportrait über eine merkwürdige, aber irgendwo doch alltägliche Familie vor Augen, das sympathisch geschrieben und überzeugend erzählt ist. So wachsen einem die Romanfiguren dermaßen ans Herz, dass man sich völlig in der Geschichte verliert und am Ende die eine oder andere Träne verdrücken muss, wenn man sich von Familie Lambert leider wieder verabschieden muss. Dieses Buch besticht durch seine ausgezeichnete Erzählweise und wird dadurch zu einem literarischen Hochgenuss und einem absoluten Muss für jeden Buchwurm!
S. 9: |“Drei Uhr am Nachmittag war eine Zeit der Gefahr in den gerontokratischen Vororten von St. Jude. Alfred hatte seit dem Mittagessen in seinem großen blauen Sessel geschlafen und war gerade aufgewacht. Nun lag sein Nickerchen hinter ihm, und die nächsten Lokalnachrichten kamen erst um fünf. Zwei leere Stunden waren eine Nebenhöhle, in der Infektionen keimten. Er rappelte sich hoch und stand neben der Tischtennisplatte, vergebens horchend, ob Enid sich oben regte.“|
Stefan Lindman, 37, Kommissar bei der Kriminalpolizei im südschwedischen Borås, lebt in Angst, seit bei ihm Zungenkrebs diagnostiziert wurde. Bald steht die Strahlentherapie an. Lindman sucht Ablenkung. Er findet sie im Mord an seinem ehemaligen Mentor Herbert Molin. Der Ex-Polizist hatte sich nach seiner Pensionierung in die Wälder von Härjedalen zurückgezogen. Dort wurde er in der Nacht überfallen, von seinem Mörder zum Tangotanz gezwungen und mit einem Ochsenziemer brutal zu Tode gepeitscht.
Mit dem Fall betraut wird Giuseppe Larsson, der mit seinen Kollegen vor einem Rätsel steht. Wer hasste den alten Molin so sehr? Lindman, der aus Borås angereist ist, wird als „inoffzielle Verstärkung“ eingesetzt, zumal er sich ohnehin nicht von dem Fall fernhalten lässt.
Die Geschichte, die hinter der Veröffentlichung von „Eine amerikanische Familie“ steckt, mutet schon ein wenig fantastisch an. Mehr als 20 Verlage ließen Matthew Sharpe mit seinem Roman abblitzen, bis der winzige New Yorker Verlag |Soft Skull Press| Sharpes Buch druckte. Ein paar Wochen später war der Roman ein absoluter Renner. Die Kritiker zeigten sich begeistert und mittlerweile sind sogar schon die Filmrechte verkauft. Die Pressestimmen auf dem Klappentext verheißen Gutes. Vollmundiges Lob und ein Vergleich mit Jonathan Franzens [„Die Korrekturen“ 1233 lassen Freunde moderner amerikanischer Literatur in jedem Fall aufhorchen.
Eine schrecklich nette Familie: Chris Schwartz ist 17, ein vorlauter Klugscheißer aus Bellwether, Connecticut, der zu allem und jedem einen blöden Spruch macht. Seine ein Jahr jüngere Schwester Cathy unternimmt trotz der jüdischen Wurzeln ihrer Familie gerade einen Ausflug zum Katholizismus, getreu ihrem Vorbild der jüdischen Märtyrerin Edith Stein folgend. Pubertät wäre mit Blick auf beide ein passendes Stichwort. Vater Bernard schafft es, nachdem seine Frau ihn verlassen hat, kaum noch ohne seine tägliche Dosis Prozac aus dem Bett, während seine mittlerweile von ihm geschiedene Frau Lila nach Kalifornien durchgebrannt ist und dort Karriere macht. Alles ganz normal bei den Schwartzens.
Das ändert sich schon bald, als Bernard versehentlich seine Antidepressiva vertauscht. Er erleidet einen Schlaganfall und fällt ins Koma. Als Bernard aufwacht, ist die Welt nicht mehr dieselbe. Sohn und Tochter geleiten den Vater zurück in den Alltag, der sich für Bernard erschreckend befremdlich gestaltet. Er muss die einfachsten Handgriffe neu erlernen und tut sich mit so ziemlich allem schwer. Doch besonders Chris kümmert sich rührend, seine Schulbildung opfernd, um Bernards Training. Zusammen schlingert die Familie durch so manche kleinere und größere Katastrophe. Die Sprösslinge werden stetig, und ohne es recht zu merken, erwachsen und während sie ihre Unschuld verlieren, hat Vater Bernard sie wieder zurückgewonnen …
„Eine amerikanische Familie“ erzählt genau das, was der Titel vermuten lässt: Die Geschichte einer amerikanischen Familie. Etwas plump mag der deutsche Titel wirken (im Original heißt es: „The Sleeping Father“), aber er trifft’s halt. Sharpes Roman ist in erster Linie eine Familiengeschichte. Und die kommt so komisch und schräg daher, dass das Lesen von der ersten bis zur letzten Seite durchweg Spaß macht.
Den Reiz des Romans macht dabei seine Mischung aus. Auf der einen Seite irrsinnig witzig, auf der anderen Seite alles andere als eine Komödie. Sharpe gelingt der Drahtseilakt zwischen Dramatik und Witz, zwischen Humor und Melancholie. Verglichen wird „Eine amerikanische Familie“ im Verlagstext mit Sam Mendes‘ Film „American Beauty“, in dem Kevin Spacey als von Midlife-Crisis geplagter Vorstädter die Höhen und Tiefen eines sich wandelnden Familienlebens durchmacht. Ganz grob kann man den Vergleich im Grunde stehen lassen. Im Detail gibt es natürlich zu viele Unterschiede, um beides wirklich in einen Topf werfen zu können, aber die Stimmung ist in beiden Werken durchaus ähnlich. Diese Mischung aus Witz und Melancholie und dieser alles durchdringende Sarkasmus, der im Endeffekt dazu dient, den wahren Kern des heutigen Amerika zu entblößen, ist beiden Werken gemein.
Doch während die Figuren in „American Beauty“ so erschreckend normal wirken, präsentiert sich bei „Eine amerikanische Familie“ manches etwas überspitzt, was Sharpe aber andererseits durch seine feinfühlige Erzählweise kompensiert. Mag einiges, wie zum Beispiel die Entführung des Vaters zu Thanksgiving aus dem Krankenhaus oder Chris‘ „Make-up-Aktion“ am Krankenbett des schlafenden Vaters, noch so überzogen anmuten, so zeigt Sharpe dennoch, dass er ein Herz für seine Figuren hat. Wirken gerade Chris und sein Kumpel Frank auch noch so bitterböse und beleidigend auf andere Menschen, so erkennt man doch stets ihren guten Kern. Sharpe schafft es, trotz der scheinbar eher oberflächlich angelegten Erzählung, trotz des Humors, der zwischen den Zeilen funkelt, ein überraschend tiefes Bild seiner Figuren zu skizzieren. Er entblättert auf so lockere und unterhaltsame Art ihr Innerstes, dass es ein wahrer Genuss ist.
Sharpe wechselt immer wieder die Perspektive, verfolgt mal Bernard oder Lila, meistens aber Cathy und Chris. Und so ist „Eine amerikanische Familie“ eben auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über die ersten sexuellen Erfahrungen und über die Tücken der Pubertät. Besonders Chris macht mit der Zeit einen Reifungsprozess durch und ist die heimliche Hauptfigur in Sharpes Roman. Seine bösartige Ironie trägt er wie eine Art Schutzschild vor sich her und wenn jemand auf die gleiche Art kontert, wie er zuvor ausgeteilt hat, ist er verunsichert. Er wandelt etwas haltlos durch seinen Alltag und weckt hier und da Erinnerungen an Holden Caulfield in J.D. Salingers „Der Fänger im Roggen“.
Was an der Lektüre so erfrischend ist, ist Sharpes Stil. Voller Wortwitz, raffiniert erzählt, bissig und gespickt mit Pointen, ist „Eine amerikanische Familie“ ein Roman, der Spaß macht. Sharpes Stil ist eine Stil der schnellen Schnitte. Er braucht keine großen Worte, um in der Handlung von einer Figur zur nächsten überzuleiten. Die Wechsel vollziehen sich wie von selbst. Temporeich treibt er die Geschichte voran, von der der Leser vielleicht manches vorausahnen mag, es dann aber in Sharpes Worten präsentiert zu bekommen, macht diese Transparenz wieder wett.
Was in meinen Augen ein wenig hinkt, ist der Vergleich mit Jonathan Franzens [„Die Korrekturen“. 1233 Beiden gemein ist zwar eine genaue Beobachtungsgabe mit einem Blick für kleine unscheinbare Details und beide haben sicherlich einen Sinn für Humor der eher trockenen Sorte, dennoch ist Sharpes Werk irgendwie lauter und frecher. Wenn Jonathan Franzen Pop ist, dann ist Matthew Sharpe Rock.
Thronend über all dem steht Sharpes Sinn für Sarkasmus und Ironie. |“Egal, ob einem die Ironie entging oder nicht, der Ironie entging man auf keinen Fall.“| (S. 150) Das scheint nicht nur Chris‘ Einstellung widerzuspiegeln, sondern lässt sich auch auf Matthew Sharpes Art des Erzählens übertragen. Daraus ergibt sich ein unnachahmlich heiterer Erzählstil, der richtig Lust darauf macht, mehr von Sharpe zu lesen. Doch da wird der deutsche Leser sich wohl noch gedulden müssen, bis mehr von Sharpe auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erscheint bzw. auf die amerikanischen Originalausgaben umsatteln müssen. Da gäbe es dann immerhin noch einen Band mit Kurzgeschichten („Stories from the Tube“, 1998) und den Roman „Nothing is Terrible“ (2000).
Bleibt unterm Strich der Eindruck eines wirklich lohnenswerten Buches für Freunde moderner und vor allem unterhaltsamer amerikanischer Literatur. Wer die Stimmung und die Art des Films „American Beauty“ mochte, der wird auch an Matthew Sharpes „Eine amerikanische Familie“ seine wahre Freude haben. Ein Buch, das gewitzt, schräg, herzerfrischend, herrlich ironisch und ganz nebenbei so feinfühlig und mit einem ausgeprägten Sinn für Melancholie daherkommt, dass man es mitsamt seiner Figuren einfach mögen muss. Für mich eines der bislang unterhaltsamsten Bücher dieses Jahres. Bitte mehr davon!
Über Coruscant tobt eine erbarmungslose Weltraumschlacht. Nachdem die Separatisten unter der Führung von Count Dooku und General Grievous tolldreist den Regierungsplaneten angegriffen haben, setzen sich die Truppen der Republik zur Wehr. Bald schon wird aus der Verteidigung auch eine Rettungsaktion, denn ein Stoßtrupp aus Kampfdroiden unter der Führung von General Grievous hat den obersten Kanzler Palpatine entführt.
Niemand auf der Oberfläche des Planeten ahnt den wahren Hintergrund der Entführung. In Wahrheit will Palpatine alias Darth Sidous mit Count Dookus Hilfe den jungen Anakin Skywalker auf die dunkle Seite der Macht ziehen. Für Dooku scheint es eine leichte Angelegenheit zu sein, zuerst Obi-Wan Kenobi zu töten und dann Skywalker gefügig zu machen, doch der Adlige täuscht sich gewaltig. Die beiden Jedi spielen nur mit dem Grafen. Zwar gelingt es Dooku, Obi-Wan einstweilen außer Gefecht zu setzen, doch gegen Anakin ist er chancenlos.
Im letzten Augenblick erkennt er den wirklichen Plan von Darth Sidous: Anakin kann nur weiter auf die dunkle Seite gezogen werden, wenn er Dooku tötet. Sidous ist auf der Suche nach einem Schüler, der mächtiger ist als Dooku. So erfährt Dooku eine der elementaren Wahrheiten der Sith am eigenen Leib: Verrat ist eine Grundeigenschaft der Sith.
Mit letzter Kraft können die beiden Jedi und der Kanzler aus dem abstürzenden Schlachtkreuzer der Separatisten entkommen. Leider gelingt dem einzigen noch verbliebenen Anführer der Separatisten, General Grievous, ebenfalls die Flucht.
Die Situation auf Coruscant ist angespannt. Die Jedi haben mit Misstrauen den zunehmenden Machtbereich des Kanzlers registriert, aber sie haben ihn auch nicht verhindern können. Inzwischen sind sie sicher, dass der Sith Lord sich im unmittelbaren Umfeld des Kanzlers aufhält, aber mehr wissen sie nicht. Der Kanzler kann es nicht sein, denn er hat bereits die absolute Macht.
Mace Windu und Yoda weihen Obi-Wan in ihre Gedanken ein. Sie machen deutlich, dass der Jedi-Meister diese Geheimnisse für sich behalten soll, denn sie trauen selbst Anakin nicht. Skywalker mag der mächtigste Jedi von allen sein, doch er ist auch instabil.
Seit geraumer Zeit wird Anakin von schlimmen Ängsten geplagt. Seine Mutter verlor er bereits und nun fürchtet er sich davor, die, die ihm am nächsten stehen, zu verlieren. Palpatine, der ihn fördert wie ein väterlicher Freund. Obi-Wan, mit dem ihm eine tiefe Freundschaft verbindet. Und nicht zuletzt Padmé, seine geliebte Frau. Seine Träume zeigen ihm eine tote Padmé, eine Voraussicht, die für ihn furchtbarer ist als alles andere, was ihm widerfahren könnte.
Als Obi-Wan auf Geheiß des Jedi-Rates die Jagd nach General Grievous aufnimmt, kommt es auf Coruscant zum zweiten Akt der Tragödie. Die dunkle Seite der Macht sei in der Lage, Tote wieder zum Leben zu erwecken, so offenbart Palpatine seinem jugendlichen Freund. Als er außerdem seine Maske fallen lässt und sich als Sith Lord offenbart, ist es zu spät. Mace Windu und seine Freunde können den Sith nicht stellen. Wenig später gibt Palpatine die Weisung an die Klon-Truppen aus, Plan 66 auszuführen.
So geschieht es. Überall in der Galaxis richten die Klon-Soldaten ihre ehemaligen Anführer hin. Das Ende der Republik ist nahe.
„Die Rache der Sith“ ist wohl das Beste der bisherigen Filmbücher. Sein Stil ist gewöhnungsbedürftig, aber binnen kurzem weiß es sehr zu gefallen.
Lange haben die Fans darauf gewartet zu erfahren, wie George Lucas denn seine Geschichten zusammenfügen würde.
Die Auflösung ist gelungen. Anakin konnte letztlich nur durch die Angst zur dunklen Seite verführt werden. Im Grunde seines Herzens ist er kein schlechter Kerl. Doch er ist zu unerfahren, um nicht leicht verführt zu werden. Die Möglichkeit, mit Hilfe der dunklen Seite in der Lage zu sein, Padmé vom Tode zurückzuholen, wiegt für ihn schwerer als das Wohl seiner Freunde. Am Ende ist er bereit, für seinen neuen Lehrer alles zu tun, wenn nur seine Frau gerettet werden kann.
Für die Geschichte ist es sehr wichtig, dass Anakin trotz allem ein sympathischer Charakter ist. Er ist ein Heißsporn, der zwischen seinen eigenen Ansprüchen hin und her gerissen ist. Leider passen diese Ansprüche nicht zueinander und sie werden auch nicht zur Gänze von den anderen Jedi akzeptiert. Das Profil eines machtvollen Menschen, dessen Gefühle noch viel mächtiger sind und deshalb alles zunichte machen, was er sich wirklich gewünscht hat, ist ohne jegliche Widersprüche umgesetzt.
Der Brückenschlag vom kleinen Anakin Skywalker hin zum innerlich zerstörten Darth Vader ist letztlich von George Lucas sehr gut in Szene gesetzt worden.
Figuren, die bisher eine Randexistenz innerhalb der Geschichte führten, werden aufgewertet, andere hingegen müssen sich mit einer Nebenrolle begnügen. So auch Padmé. Zwar wird sie zum Stein des Anstoßes, ansonsten muss sie allerdings hinter der eigentlichen Handlung zurückstehen.
Andere Charaktere gewinnen an Profil, so zum Beispiel Bail Organa, jener Senator, der später die kleine Leia aufziehen wird. An der Seite der Senatorin Mon Mothma versucht er von der Republik zu retten, was zu retten ist. Letztgenannte Senatorin ist eine der Figuren, die bereits aus kleinen Nebenauftritten aus der alten Trilogie bekannt sind. Es wurde überhaupt sehr viel Wert darauf gelegt, dass sich mit dieser letzten Geschichte ein Kreis schließt. Der Leser macht hier bereits die Bekanntschaft mit Chewbacca, er erfährt, dass der Wookie und Yoda sich während einer gemeinsamen Kampfhandlung kennen gelernt haben.
Im Gegensatz zum Film nutzt das Buch die Gelegenheit, ausführlich auf die Gedankenwelt seiner Protagonisten einzugehen. Dann schaltet Autor Matthew Stover auf eine Art Reportage um, damit die eigentliche Handlung nicht unnötig unterbrochen wird. So merkwürdig dieser dokumentarische Stil während der eigentlichen Handlung auch ist, so viele wichtige Informationen liefert er doch zum Verständnis der Handlung. Es wird interessant sein zu sehen, wie der Film ohne diese Hilfsmittel auskommen will.
Der Roman folgt dem Drehbuch des Films. So spitzt sich die Handlung in einem sehr klassischen Aufbau immer weiter zu. George Lucas hat nie geleugnet, dass er sich vieler bekannter Themen bedient hat. Serien aus seiner Jugend, Sagen, ja selbst die Bibel mussten für Motive herhalten. So ist denn der Endkampf von Obi-Wan und Anakin ähnlich groß und dramatisch geraten. Anakins Auferstehung als Darth Vader wird als Triumph der Sith zelebriert, ein Triumph, der, wie der Fan weiß, nur von kurzer Dauer ist.
Anakin ist der Auserwählte, welcher der Macht das Gleichgewicht bringen wird, nur eben nicht zu der Zeit und auf dem Weg, den die Jedi gerne hätten. Daumen hoch für einen erstklassigen Abenteuerroman, der als Geschichte zum Film absolut für sich alleine stehen kann.
_Michael Nolden_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|
Als Science-Fiction-Leser kommt man ja kaum an paranormal begabten Wesen vorbei, seien sie nun als „positive Mutanten“ oder als natürlich begabt beschrieben. Oft trifft man auch auf Außerirdische, die mit Gedankenkraft Dinge bewegen oder Gedanken lesen können. Prominentes und aktuelles Beispiel sind die Yedi und Sith der Star-Wars-Saga, wobei hier diese Fähigkeiten seit Episode I leider etwas entmystifiziert wurden.
In „Die seltene Gabe“ nimmt sich Andreas Eschbach dieses Themas an, indem ein junges Mädchen der heutigen Zeit eine Erfahrung der besonderen Art macht: Sie trifft im urlaubsleeren Haus ihrer Eltern auf einen jugendlichen Einbrecher, der scheinbar von der ganzen Polizei der Stadt gesucht wird. Und dabei ist er ganz normal – bis auf seine unglaubliche Fähigkeit. Er bezeichnet sich als Telekinet, der parawissenschaftliche Ausdruck für jemanden, der Materie kraft seines Willens bewegen kann. Und er ist auf der Flucht vor französischen Militärwissenschaftlern, die ihre Forschungen an ihm betreiben wollen. Ein Fluchtweg bietet sich: Mit Marie als Geisel und mit verändertem Aussehen geht es an den Streifen vorbei, die bisher nach nur einer Person fahnden. Aber um die Ecke steht ein alter Bekannter: ein Telepath, der die Polizei mit seiner Gedankenleserkraft unterstützt!
Informationen zu Andreas Eschbach finden sich auf seiner Seite http://www.andreaseschbach.de/
Man wird langsam an die Probleme, die diese Andersartigkeit hervorruft, herangeführt; Eschbach versucht nicht, in einem kompakten Abschnitt alles zu erklären. So versteht mit uns als Leser auch die Ich-Erzählerin Marie erst durch ihre Erlebnisse, was den Jungen Armand eigentlich zum Außenseiter macht und wie er damit klarkommt. Gleichzeitig hegt das Mädchen geheime Sympathien für ihn, die durch „ihre“ Erzählung auf den Leser übertragen werden – Eschbach bearbeitet so eine Seite des Themas „Xenophobie“, ohne dass die Botschaft, tiefgründig zu verstehen und nicht vorschnell zu urteilen, plakativ ins Bewusstsein gedrängt wird. Vordergründig erzählt er eine spannende Geschichte, eine Verfolgungsjagd aus der Sicht der jugendlichen Verfolgten und von den zwischenmenschlichen Spannungen, die sich aufbauen, eskalieren – und schließlich zusammenschweißen.
Der Erzählton ist sehr überzeugend, hier erzählt eine etwa Siebenzehnjährige von einem unglaublichen Erlebnis, aber die potenziellen Leser sind schon etwas älter als diejenigen des „Marsprojekts“. Die dortigen wirklich sehr leichten Andeutungen zwischengeschlechtlicher Beziehungen beispielsweise beschränken sich auf Begebenheiten wie das Treffen Gleichaltriger; im vorliegenden Roman wird Eschbach schon konkreter, ohne ins Detail zu gehen. Im Endeffekt wird der Leser auch im Unklaren gelassen, ob die beiden nun „was hatten“ oder nicht. Mit Maries Worten: Das geht uns überhaupt nichts an!
Bei einer Verfolgungsjagd darf natürlich nicht nur die Polizei mitspielen, sondern entsprechend der Wichtigkeit und bisherigen Geheimhaltung der „seltenen Gabe“ ziehen die Geheimdienste in Wirklichkeit die Fäden. Erstaunlich ist, dass Marie im Gegensatz zu gängigen Klischees nicht bei Strafandrohung verboten wird, von ihren Erlebnissen zu erzählen, im Gegenteil: Der deutsche Agent meint dazu nur, dass ihr niemand glauben wird. Würde ihr jemand glauben, in unserer beweissüchtigen Gesellschaft? Sicherlich gäbe es ein paar Astrologen und derartige Gruppen, die sich durch so einen Bericht bestätigt sehen würden. Aber Eschbach hat Recht, wenn er behauptet, man würde es als Fantasie abtun oder als Kunststück à la David Copperfield bewundern. Schade, dass nicht mehr Raum bleibt für unbekannte Phänomene.
Zum Schluss
… bleibt noch das Fazit: Ich würde das Buch sogar für den Deutschunterricht vorschlagen, denn Eschbach ist ein Phänomen der heutigen Unterhaltungsliteratur und diese Erzählung bietet zugleich spannende Unterhaltung und Ansatzpunkte für gesellschaftskritische Diskussionen. Aber bezüglich Deutschunterricht habe ich nichts zu sagen, also lege ich das Buch einfach jedem als Lektüre ans Herz.
„Crossing California“ ist das Debüt des im Jahre 1967 geborenen Amerikaners Adam Langer. Der Journalist, Bühnenautor und Filmproduzent lebt in New York, stammt aber aus Chicago. In dieser Stadt hat er auch, anders als es der Titel vermuten lässt, seine rund 600 Seiten lange Erzählung angelegt.
„Crossing California“ entführt den Leser in das Chicago anfang der Achtzigerjahre und beleuchtet das Leben dreier Familien in einem jüdisch geprägten Viertel. Die Wasserstroms, Wills und Rovners sind drei Familien, deren Wege sich immer wieder im dem Viertel, das von der California Avenue durchzogen wird, kreuzen. Die California ist eine besondere Straße, denn sie teilt die obere von der unteren Mittelschicht. Westlich der Straße wohnen die Rovners. Vater Michael ist Arzt, seine Frau Ellen Psychologin. Die Tochter Lana wird von der unterkühlten Mutter als penetrant, ehrgeizig und mäßig intelligent eingeschätzt. Ihr älterer Bruder Larry träumt von einer jüdischen Rockkarriere und sexuellen Abenteuern. Etwas weiter östlich wohnen die Wasserstroms. Vater Charlie erzieht seine Töchter Jill und Michelle nach dem Tod der Frau allein. Noch weiter östlich lebt die Afro-Amerikanerin Deidre Wills mit ihrem Sohn Muley. Sie leben in ärmlichen Verhältnissen und das, obwohl Muleys Vater Carl Silverman in Los Angeles Karriere als Plattenproduzent gemacht hat. Deidre verweigert jedoch jeden Kontakt zwischen Muley und seinem Vater sowie jegliche finanzielle Unterstützung.
Zwei Jahre lang begleitet man diese zehn Protagonisten durch ihr Viertel. Abwechselnd widmet sich der allwissende Erzähler den Charakteren, die allesamt mit sich hadern und allzu menschliche Entwicklungen durchmachen müssen. Ellen und Michael Rovners Ehe ist am Ende, beide schlafen in getrennten Betten, sie sehnt sich nach einem Leben allein, er nach sexuellen Abenteuern mit einer Kollegin. Auch bei der Familie Wasserstrom ist eine Menge los: Michelle will Schauspielerin werden, verbringt ihre Freizeit mit Alkohol, Gras und Sex, während die jüngere Schwester Jill im Stillen gegen scheinbar alles rebelliert. Charlie verliert seinen Job bei einem Fast-Food-Restaurant durch einen bissigen Artikel der Journalistin Gail, in die er sich prompt verliebt. Daraus ergeben sich viele kleine Konflikte, meist aus tragikomischen Zufällen heraus. Der Star unter den unterschiedlichen Handlungssträngen ist jedoch die zarte Liebesbeziehung zwischen den Teenagern Muley und Jill, zwischen denen es einfach nicht so recht klappen will, trotz jedes noch so rührenden Annäherungsversuches Muleys.
An dieser Stelle gelangt man aber auch zu den Problemen des Romans. Die vielen Charaktere und Handlungsstränge machen es dem Leser schwer, sich in das Gefüge einzulesen. Ähnlich verhält es sich mit den vielen Ortsbeschreibungen, da hilft auch die abgedruckte Landkarte des Viertels nicht, im Gegenteil: Das Nachschauen in der Karte oder dem Jiddisch-Glossar am Ende des Buches stören den Lesefluss zusätzlich.
Was diesem vielversprechendem Debüt ebenso fehlt, ist die Fähigkeit des Autors, seine Charaktere messerscharf zu charakterisieren, zudem wahrt der Erzähler eine zu große Distanz zu den Charakteren, was das Identifikationspotenzial für den Leser deutlich nach unten korrigiert. Nichtsdestotrotz hat der Roman seine bestechenden Momente, die Annäherungsversuche zwischen Jill und Muley bieten einige davon. Adam Langer bringt aber noch weitere interessante Aspekte in seine Erzählung ein; so versteht er es blendend, die Geschichte der Achtzigerjahre in seine Handlungen einzubinden und möglichst authentisch in seinen Schilderungen zu wirken. Um so bedauernswerter ist es da, dass es ihm aufgrund seiner schwammigen und distanzierten Schreibweise nicht gelingt, den Leser an dieses Buch zu fesseln, so wie es seinen amerikanischen Kollegen John Irving oder Jeffrey Eugenides immer wieder glückt.
Gute Kriminalromane kommen nicht nur aus Schweden, sondern auch deutsche Autoren brauchen sich hinter ihren skandinavischen Kollegen nicht zu verstecken – so auch Andree Hesse, der seinen Roman in der norddeutschen Stadt Celle spielen lässt und an vielen Stellen eine Vorliebe für Henning Mankell offenbart.
_Mörderisches aus Celle_
Kriminalkommissar Arno Hennings wohnt seit dem Unfalltod seiner Eltern wieder in seinem Elternhaus in Celle. Der Hauptstadt Berlin und seiner Freundin Aglaja hat er den Rücken gekehrt, um seine Arbeit wieder in seiner alten Heimat aufzunehmen. Als auf dem Truppenübungsplatz die Leiche des jungen Soldaten Grafton entdeckt wird, entpuppt sich dieser Fall für Hennings als Bewährungsprobe in seiner neuen Dienststelle. Er übernimmt zusammen mit Sergeant Emma Fuller von der englischen Militärpolizei die Ermittlungen. Doch zunächst tappt die Polizei im Dunkeln, es werden nur wenige Spuren gefunden und weder Täter noch Motiv zeichnen sich ab. Es dauert nicht lange, bis die Polizei einen teuren Mercedes aus einem Teich nahe des Leichenfundortes bergen kann. Als der Besitzer des Wagens ermittelt wird, führt diese Spur zu einer alten Schulbekanntschaft von Arno Hennings, denn das Auto gehört dem Ehemann seiner alten Freundin Heike Harms.
Von Heikes Ehemann fehlt jedoch zunächst jede Spur. Heike vermutet Knut auf einer Geschäftsreise in Polen, doch telefonisch ist er dort nicht zu erreichen. Als eine weitere Leiche auf dem Truppenübungsplatz entdeckt wird, erklärt sich das Verschwinden von Knut Harms von selbst, denn seine Leiche sitzt gefesselt und verdurstet in einem Kellerraum nahe des Fundortes von Private Grafton.
Mitten in die Ermittlungen platzt eine Schreckensnachricht aus Berlin, denn Arnos Freundin Aglaja wurde mit ihrem Fahrrad von einem LKW überrollt und liegt nun schwer verletzt im Krankenhaus. Überstürzt fährt Arno Hennings nach Berlin und handelt sich für sein unüberlegtes Handeln großen Ärger ein. Von nun an ist er mit seinen Gedanken wieder oft in Berlin, doch findet er bald heraus, dass das Motiv für die beiden Morde in der Vergangenheit des Truppenübungsplatzes liegen muss, wo vor dem zweiten Weltkrieg Höfe standen, die 1936 enteignet wurden …
_Hennings vs. Henning_
Andree Hesse hat sich die kleine norddeutsche Stadt Celle mit ihrem benachbarten Truppenübungsplatz der NATO als Handlungsort für seinen Kriminalroman ausgesucht. An vielen Stellen merkt man den zahlreichen Landschaftsbeschreibungen an, dass Hesse selbst in der Nähe von Celle aufgewachsen ist und die Szenerie zu beschreiben weiß. So lässt er sich auch viel Zeit, um Atmosphäre und Stimmung aufzubauen, denn zunächst passiert nicht viel in seinem Buch. Selbst eine kurze Autofahrt von Celle zum Truppenübungsplatz nimmt anfangs einige Seiten ein, damit ganz nebenbei die Örtlichkeiten genauestens beleuchtet werden können. Zu Beginn erfordert dieser Roman daher etwas Durchhaltevermögen, wenn man nicht gerade aus der Gegend kommt und neugierig auf bekanntes Lokalkolorit wartet. Insgesamt stellen die ausufernden Landschaftsbeschreibungen die einzige Herausforderung an den Leser dar, da sie die Handlung nicht voranbringen und manchmal vielleicht etwas zu weit ausholen.
Doch der Autor nutzt die Zeit auch, um seinen Protagonisten Arno Hennings entsprechend vorzustellen und ein Bild von ihm zu entwickeln. Hennings hat sich nach dem Tod seiner Eltern aus der Großstadt zurückgezogen und scheint Zuflucht zu suchen in seinem ehemaligen Elternhaus, auch wenn sich dort die Mäuse wohler zu fühlen scheinen als Hennings selbst. Auch seine Beziehung zur Polin Aglaja steht auf der Kippe, da er sie mit seiner Entscheidung, aus Berlin wegzuziehen, aus heiterem Himmel überrascht hat. Ein wenig erscheint er uns als tragische Existenz, da zudem einige Probleme mit seinem ungeliebten Vorgesetzten hinzukommen und später auch eine Verletzung seiner linken Hand. Hennings kommen oftmals Zweifel angesichts seiner beruflichen Entscheidung gegen Berlin und gegen Aglaja, und gerade ihr Unfall macht ihm klar, wie sehr er noch an ihr hängt und wie oft seine Gedanken zu ihr zurückkehren. Hennings wird uns als Kriminalkommissar mit menschlichen Alltagssorgen vorgestellt, der auch mal Fehler macht und dadurch umso authentischer wirkt. Der treue Krimileser fühlt sich hier an vielen Stellen an den allseits bekannten Kurt Wallander aus den Romanen von Henning Mankell erinnert, zumal selbst der Name der Hesseschen Hauptfigur an den berühmten schwedischen Autor erinnert.
Auch thematisch eifert Andree Hesse seinem schwedischen Vorbild Henning Mankell nach, denn ähnlich wie in „Die Rückkehr des Tanzlehrers“ führt die Spurensuche in „Der Judaslohn“ zurück bis in die nationalsozialistische Zeit. Hesse nimmt sich ebenfalls dieses brisanten Themas an, entwickelt es allerdings leider nicht ganz so überzeugend wie Mankell. Zu vieler Klischees bedient Hesse sich besonders in der Figurenzeichnung der rechtsradikalen Szene, denn es sind heutzutage nicht mehr nur die intelligenzarmen Fußballfans mit Kahlschlag, die in diesem Zusammenhang auftauchen, doch zieht Andree Hesse dieses etwas ausgelutschte und überholte Bild heran, um einige der Nazis zu charakterisieren.
Natürlich darf in der Romanhandlung auch eine starke weibliche Figur nicht fehlen. So arbeitet Hennings zusammen mit der Engländerin Emma Fuller, die vonseiten der britischen Militärpolizei den Fall aufzurollen versucht. Speziell ihr grammatikalisch oft falsches Deutsch und die häufige Verwendung englischer Floskeln zeichnen sie aus. Auf Dauer störte mich ihre fehlerhafte deutsche Satzstellung aber doch, da man beim Lesen zwangsläufig darüber stolpert. Zumindest erspart uns Andree Hesse die üblicherweise sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen den beiden Hauptfiguren, hier nämlich kommen Aglaja und ihr schwerer Unfall wieder ins Spiel und verhindern die Annäherung zwischen Arno und Emma.
Andree Hesses Charakterzeichnungen sind sehr liebevoll, so erhält jede wichtige Person ihren Raum und wird dem Leser vorgestellt, wobei die offensichtlichen Details genauso Erwähnung finden wie Informationen aus der Vergangenheit und Eigenarten der betreffenden Figur. Hesse stellt hierbei unter Beweis, dass er ein Auge für Details hat und sehr gut zu beobachten weiß.
S. 128: |“Kaum hatte ihnen Jutta die Biere serviert und Arno sich eine Zigarette angesteckt, kam Hans mit seinem schwerfälligen Wiegeschritt aus der Küche, in der karierten Hose und der zweireihigen, weißen Jacke des Kochs, auf der ein paar Fettflecken und Saucenspritzer prangten, die großen Füße in weißen Birkenstocklatschen. Eigentlich habe ich Hans immer nur so gesehen, dachte Arno, während er zuschaute, wie sich sein Cousin ein Bier zapfte, ich kenne ihn eigentlich nur in dieser Montur. Grinsend zwängte Hans schließlich seinen massigen Körper auf die Bank neben Emma, die dagegen wie ein kleines Mädchen aussah.“|
_Nichts ist so, wie es scheint_
An den Beginn seines Buches stellt Hesse einen Prolog, der im Jahre 1936 spielt und von den Enteignungen der Höfe rund um Celle und dem Anschlag auf die berühmte Hitler-Eiche durch den Knecht des Falkenhofes erzählt. Doch bevor der Leser richtig versteht, was eigentlich passiert ist, wechselt Hesse in die Gegenwart und widmet sich der Geschichte rund um Arno Hennings. Eine Verbindung zwischen beiden Ereignissen besteht zunächst nur über die Nähe zu Celle, erst nach und nach streut Hesse Hinweise ein, die den Leser auf eine Fährte locken sollen. Mit der Zeit erahnt man den Zusammenhang zwischen dem Falkenhof und den Leichenfunden auf dem Truppenübungsplatz.
Der Spannungsbogen nimmt immer mehr Fahrt auf, da dem Leser im Laufe der Ermittlungen Informationen präsentiert werden, die das eigene Mitarten ermöglichen und eigene Schlüsse zulassen. Darüber hinaus sorgen die realistischen Szeneriebeschreibungen dafür, dass der Leser überall hautnah dabei ist und auf jeder Seite mitfiebern kann. Der Fall spitzt sich immer weiter zu und lässt offenbar nur eine Schlussfolgerung zu, doch damit hat Hesse uns in die Irre geführt, denn nichts ist so, wie es scheint. Das Ende gefiel mir überwiegend sehr gut, wobei ich es allerdings schade fand, dass Hesse einen Handlungsfaden nicht ganz zum Abschluss geführt hat, aber vielleicht geschieht dies in einer möglichen Fortsetzung?!
_Krimikonkurrenz aus Deutschland?_
„Der Judaslohn“ reicht zwar nicht an sein schwedisches Vorbild „Die Rückkehr des Tanzlehrers“ heran, weiß aber dennoch gut zu unterhalten und sich als eigenständiger Kriminalroman davon abzuheben. Andree Hesse verwendet viel Zeit und Mühe darauf, glaubwürdige Figuren zu entwickeln und ihnen ein Profil zu geben; so wirkt besonders das Bild des Kriminalhauptkommissars Arno Hennings stimmig und führt dazu, dass der Leser mit ihm fiebert und ihm beruflichen und privaten Erfolg wünscht, obwohl er doch in seiner alten Heimat etwas fehl am Platze wirkt und teilweise als unerwünschter Außenseiter angesehen wird.
Auch der Kriminalfall weiß zu überzeugen und erhält seinen Reiz durch die Verbindung zur dubiosen Vergangenheit während der nationalsozialistischen Zeit. Gelungen fand ich auch Arno Hennings Begegnung mit seiner eigenen Kindheit und Jugend, da er in Eichendorf alte Freunde und Bekannte wiedertrifft, die ihr gesamtes Leben bislang in dem kleinen Dorf verlebt haben und daher ihre ganz eigenen Ansichten entwickelt haben. Hesse hat hier eine interessante Mischung erschaffen, die den Leser gut unterhalten kann.
Mit nur kleinen Abstrichen bleibt dieser Roman doch äußerst lesenswert und gefällt insbesondere durch die realistische Figurenzeichnung und Landschaftsbeschreibung, die die Handlung lebendig machen. Andree Hesse ist ein Name, den man sich im deutschen Krimigenre unbedingt merken sollte. Ich werde seine weiteren Veröffentlichungen sicherlich verfolgen.
|Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll – „Genauso war es!“, werden die Dabeigewesenen nostalgisch seufzen. Die später Geborenen werden sich melancholisch wünschen, sie wären einige Jahre eher zur Welt gekommen. Hanif Kureishis Roman „The Buddha of Suburbia“ (dt. „Der Buddha aus der Vorstadt“) lässt die schrillen Siebziger in England wieder aufleben.|
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines ersten Romans war Kureishi bereits bekannt als Dramatiker und Autor von Filmskripten wie „My Beautiful Laundrette“ (dt. „Mein Wunderbarer Waschsalon“). Sein Erstlingsroman „The Buddha of Suburbia“ gewann den |Whitebread Prize| für den besten Roman des Jahres 1990 und wurde 1993 als TV-Serie von der |BBC| ausgestrahlt.
Der Roman steht in der Tradition des englischen Initationsromans (Fielding: „Tom Jones“ z. B.). Die Integrität einer jugendlichen Hauptfigur wird in der heuchlerischen Erwachsenenwelt getestet. Komisch und traurig zugleich sind die Erlebnisse des Helden im „Buddha of Suburbia“, bis er am Ende die Spielregeln dieser Gesellschaft akzeptiert und seinen Platz in ihr gefunden hat.
So begleitet der Leser den adoleszenten, vom Leben gelangweilten Karim Amir („an Englishman born and bred, almost“) auf seinem verzweifelten Versuch, den Londoner Vororten zu entkommen und dabei alle Möglichkeiten zu nutzen, die die 70er und das Leben selbst ihm bieten. Als erstgeborener Sohn aus einer Ehe zwischen einer weißen Engländerin und einem Vater pakistanischer Herkunft muss er mit ansehen, wie die Ehe seiner Eltern zerbricht, weil sein Vater Haroon eine Beziehung mit Eva eingeht, die sich ihrerseits von ihrem Ehemann getrennt hat. Karim folgt seinem Vater, der mit transzendentalem Geschwafel und Evas Hilfe zu einer Art Guru (ironisch: dem Buddha) aufsteigt und Botschaften verkündet wie |“Follow your feelings. All effort is ignorance. There is innate wisdom. Only do what you love.“| (dt. etwa „Folge deinen Gefühlen. Jegliche Anstrengung ist Ignoranz. Es gibt eine gottgegebene Weisheit. Tu nur, was du liebst.“). Wer hört da nicht die |Beatles| „All You Need is Love“ singen und sieht nicht, wie sich Massen bekiffter Amerikaner im Schlamm von Woodstock wälzen?
Im Verlaufe des Romans zieht die neue Familie nach London um, Karim entwickelt sich zum relativ erfolgreichen Schauspieler. Gemäß den Vorstellungen von freier Liebe erlebt er mit so ziemlich allem erotische Abenteuer, was ihm über den Weg läuft – u. a. mit seinem „Stiefbruder“ Charlie (der seinerseits zu einem gefeierten, international erfolgreichen Rockstar wird), mit seiner „Cousine“ (die sich, ebenso wie ihr Mann, mit den Problemen einer von ihrem Vater arrangierten Ehe auseinandersetzten muss) und mit einem Hund (oder besser der Hund mit ihm) – und an allen Orten, die man sich nur denken kann: im Bett, auf dem Boden, im Park, auf öffentlichen Toiletten. Natürlich darf auch die bei Kureishi übliche Szene nicht fehlen, in der ein Pärchen beim Sex beobachtet wird (pikanterweise sein Vater beim Begehen des Ehebruchs).
Ebenfalls typisch für Kureishi ist, dass sein Protagonist sich mit seiner jugendlichen Verwirrung, mit Rassismus auf verschiedenen Ebenen, mit seiner Identitätsfindung und dem Finden eines Lebensziels sowie verschiedenen Formen des Zusammenlebens auseinandersetzten muss. London bietet dabei alle Möglichkeiten sich auszuprobieren: |“There were kids dressed in velvet cloaks who lived free lifes, there were thousands of black people everywhere, so I wouldn’t feel exposed, there were bookshops with racks of magazines, there were shops selling all the records you could desire; there were parties where girls and boys you didn’t know took you upstairs and fucked you; there were all the drugs you could use …“| (dt. etwa: „Es gab Kids in samtenen Umhängen, die ein freies Leben lebten, es gab überall Tausende Schwarze, so dass ich mich nicht exponiert fühlte, es gab Buchläden mit Regalen voller Magazine, es gab Läden, die alle Aufnahmen verkauften, die man sich nur wünschen konnte, es gab Partys, bei denen dich unbekannte Mädchen oder Jungen mit nach oben nahmen, um dich zu ficken, es gab alle Drogen, die man nutzen konnte …“).
Richtig lesenswert wird der Roman jedoch durch Kureishis Humor. Derbe Witze wechseln mit Ironie, Satire oder komischen Anekdoten. Tragikomisch wirkt zum Beispiel der Hungerstreik von Karims Onkel, der damit die arrangierte Hochzeit seiner Tochter mit Changez erpresst. Tragikomisch geht es weiter, wenn dieser Ehemann sich als beleibter Krüppel herausstellt, der nicht in der Lage ist, die Hoffnung seines Schwiegervaters, der sich für ihn fast zu Tode gehungert und Hilfe in seinem Geschäft erwartet hatte, zu erfüllen. Tragikomisch ist auch die Figur des Changez‘ an sich, der sein Wissen über England aus den Romanen Conan-Doyles bezogen hat und hoffnungsvoll in das gelobte Land kommt, um erfahren zu müssen, dass seine Frau lieber mit Karim und später mit anderen Frauen schläft als mit ihm und, dass er seinen pakistanischen Lebensstandard mit Villa und Dienern letztendlich für das Leben in einer Kommune aufgegeben hat.
Dem Autor gelingt es in seinem teilweise autobiographischen Roman, die asiatische und englische Kultur gegenüberzustellen und zu zeigen, wodurch Vorurteile auf beiden Seiten entstehen. Auf ironisch liebevolle Weise führt er den europäischen Leser in eine für ihn fremde Welt ein und zeigt die Auflösung der östlichen Traditionen und Religion in einer Welt sich mischender Kulturen und Völker. Nach knapp 300 Seiten entlässt Kureishi seine Leser mit dem guten Gefühl, dass das Leben zwar verwirrend und chaotisch sein kann, dass es jedoch nicht so bleiben muss.
Zweifelsohne ist „The Buddha of Suburbia“ ein Höhepunkt in Kureishis Schaffen. Ein komischeres, rührenderes, vielschichtigeres und ehrlicheres zeitgenössisches Werk, das soziale Probleme und jene des Erwachsenwerdens mit dieser Tiefgründigkeit behandelt, habe ich bisher weder von Kureishi noch von jemand anderem gelesen. Die Aussagen pendeln zwischen dem Vulgären und dem Ästhetischen, dem Komischen und Ernsthaften, zwischen schwerwiegenden Fragen und dem Lächerlichen sowie zwischen dem Sentimentalen und dem Obszönen.
Als Londonfan und Anhänger des Musikstils der Siebzigerjahre kommen mir das Setting des Romans und die Anspielungen auf Musiker und Bands dieser Zeit entgegen. Wenn man sich in der Musik der Siebziger auskennt (Beatles, Stones etc.) und die entsprechenden Songs im Ohr hat, kann man während des Lesens quasi einen „Soundtrack zum Buch“ hören. Außerdem findet man Anspielungen auf Künstler dieser und der Folgezeit, die auf der gleichen Schule in Bromley wie Hanif Kureishi waren. Die Geschichte des Stiefbruders Charlie „Hero“ ist angelehnt an die Geschichte von David Bowie. Erwähnt wird auch der spätere Billy Idol (Billy Broad).
Alles in allem ist „The Buddha of Suburbia“ ein lesenswerter Roman über das Aufwachsen in den Siebzigern – für mich ist es Hanif Kureishis bisher bester.
_Corinna Hein_
http://www.corinnahein.net/
|Eine deutsche [Neuauflage]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499241129/powermetalde-21 ist für November 2005 geplant.|
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