_Liebe, Drogen, Chaos: Showdown in Kapstadt_
Es ist Sommer in Kapstadt. Nach einem Überfall vor ihrer Haustür nutzt ein amerikanisches Ex-Model die Gelegenheit, ihren verhassten Mann loszuwerden und erschießt ihn kaltblütig. Dadurch gerät sie jedoch ins Fadenkreuz rivalisierender Gangs. Dies ist der Auslöser für eine brutale Irrfahrt durch die Ghettos von Kapstadt eine gnadenlose Welt aus Fressen und Gefressenwerden. (Deutsche Verlagsinfo von HEYNE)
_Der Autor_
Roger Smith, 1960 in Johannesburg geboren, ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. Während der südafrikanischen Apartheitsjahre gründete er ein politisches, hautfarbenübergreifendes Künstlerkollektiv. Daraus ist eine Reihe von wichtigen, international erfolgreichen Protestfilmen hervorgegangen. Smith lebt in Kapstadt. (Verlagsinfo)
_Handlung_
Es ist wieder mal eine heiße Nacht in Kapstadt. Das amerikanische Ex-Model Roxy Palmer sitzt mit ihrem Gatten, dem südafrikanischen Waffenschmuggler Joe Palmer, in einem schicken Restaurant. Sie weiß zufällig, dass sein aktueller Geschäftspartner ein Kannibale ist. Dennoch wahrt der Schwarze aus dem Kongo die feinen Manieren eines Zivilisierten – bis er in den Dschungelkrieg zurückkehrt.
Als Roxy und Joe wieder in ihrem schicken deutschen Luxusauto zu ihrem Haus an den Hängen über der Stadt zurückkehren, werden sie von zwei Schwarzen verfolgt, die aus der Siedlung Cape Flats kommen. Es sind Godwynn, der Anführer, und Disco, ein hübscher Exhäftling und Meth-Junkie. Disco wird bereits im Gefängnis dringend von seinem Bandenchef und Lover Piper vermisst. Disco glaubt, einer der beiden Chefs von Cape Flats, Manson, habe Goddy beauftragt, den Benz der Palmers zu stehlen. Doch Goddy dreht sein Ding auf eigene Rechnung.
Der Überfall geht schnell und effizient vonstatten: Die beiden Insassen vor dem Gittertor ihrer Nobelhütte abzupassen und zu bedrohen, ist ein Klacks, denkt Goddy. Die Frau sieht zum Anbeißen aus, findet Disco, aber Goddy hat Schwierigkeiten: Er muss Joe, der sich wehrt, zu Boden schlagen. Dann rasen sie mit dem geklauten Benz und ihrem eigenen Auto von dannen.
Was sie erst am nächsten Tag mitbekommen: Es hat dabei einen Toten gegeben. Wie kann das sein? Sie ahnen nicht, dass Roxy die Gunst der Stunde ergriffen hat, um mit dem prügelnden Tyrannen an ihrer Seite abzurechnen, wegen dessen Brutalität sie ihr ungeborenes Baby verlor. Mit seiner eigenen Waffe hat sie ihm ein drittes Auge in die Stirn gestanzt. Eine Augenblicksentscheidung. Sie warf die Pistole den Hang hinunter in die Büsche. Joe wurde offiziell natürlich von den Räubern getötet. Am nächsten Tag holt die Polizei sie ab, um ihre Aussage aufzunehmen.
Was Roxy nicht ahnt: Joe hat einem seiner Söldner, die für ihn im Irak gekämpft haben, den Lohn geschuldet. Nun kommt Billy Afrika zurück nach Cape Flats, um seine Frau Barbara und seine Tochter zu besuchen. Die wollen ihn nicht hier haben. Er findet heraus, dass all der Lohn, den er Barbara geschickt hat, an den Bandenchef Manson gegangen ist. Mit dem kann er sich nicht anlegen.
Aber Billy weiß, wo er noch Geld zu bekommen hat: bei Joe Palmer. Doch als er dessen Haus betritt, das seltsamerweise nicht abgesperrt ist, findet er eine gefesselte und verängstigte Roxy Palmer in einer ausgeraubten Wohnung vor …
_Mein Eindruck_
„Wake up dead/Blutiges Erwachen“ ist ebenso ein Thriller wie ein Gesellschaftsporträt des heutigen Südafrika. Die Befreiung von der Apartheid ist nur scheinbar gelungen. Noch immer leben in Kapstadt die Schwarzen und Ärmsten unten in den sandigen, windigen Cape Flats, während es sich ob in den sonnigen Hügeln die weißen Reichen gutgehen lassen.
Verbrechen und Korruption blühen allenthalben. Die Cops werden von den Gangstern geschmiert, und die Gangster verhökern zwölfjährigen Teeniegirls ihre Drogen. Komplette Drogenküchen zur Produktion von Methamphetamin stehen in den Flats, unbehelligt von ernsthaften Kontrollen, und wenn kontrolliert wird, dann nur zum Schein. Und um die Drogen bezahlen zu können, gehen die Mädchen schon mit zwölf oder 13 auf den Strich. Spätestens mit 20 geben sie den Löffel ab.
Drinnen im Gefängnis von Pollsmoor herrscht hingegen strenge Hierarchie. Piper („der Schlitzer“) ist der „General“, der über alle Angehörigen der Gang 28 den Befehl führt. Wie beim Militär müssen Frischlinge erst eine Mutprobe bestehen, bevor sie aufgenommen werden oder im Rang aufsteigen können. Und die Mutprobe besteht meist in einem Mord. Waffen sind meist zugefeilte Löffel. Die Wärter sind Teil der Hierarchie und versorgen den „General“ mit allem, was er braucht: Tabak, Meth und Lovern.
Doch Piper vermisst seine „Frau“, nämlich Disco. Der vorbereitete Ausbruch setzt eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang, die unausweichlich zur finalen Auseinandersetzung zwischen Piper und seinem ehemaligen Opfer Billy Afrika führt. Disco und Roxy spielen dabei eine Nebenrolle: Piper will Disco, und Billy will Roxy.
Und Roxy will den Geldkoffer, den der „Kannibale“ in Joes Mercedes gelegt hat, eine Viertelmillion Rand. Genug für einen Neustart, findet sie, mit dem Jungen, den sie bei den Auseinandersetzungen mit Piper und Disco, die sie als Köder für Billy Afrika benutzen, sozusagen geerbt hat. Der Junge ist der Sohn des einzigen nicht korrupten Polizisten in der ganzen Handlung. Doch dieser kommt leider Piper in die Quere.
Doch es gibt zahlreiche Zufälle in Kapstadt, die den Verlauf dieser Konfrontation unvorhersehbar machen. Da ist Manson, der sich Billy Afrika schnappt. Dann bricht ein Bandenkrieg zwischen Manson und der Gang der 26 aus. Schließlich mischen sich auch noch die ukrainische Freundin des „Kannibalen“ und eine Blondinenmörderin ein. Der Autor hat die Rolle des Zufalls und des Faktors X deutlich erkannt. Daher sollte sich der Leser davor hüten anzunehmen, er kenne bereits den Ausgang der Handlung.
_Die Übersetzung _
Ich konnte keine Fehler in der deutschen Übersetzung, die für den Tropen-Verlag (bei Klett-Cotta) angefertigt wurde, finden. Die beiden Übersetzer (s. u.) haben auch die sprachlichen Unterschiede, die zwischen Schwarzen und Weißen in der Handlung bestehen, mit großer Detailtreue und adäquat in deutsche Ausdrucksweise übertragen. Disco und Goddy etwa radebrechen einen Slang, wohingegen Roxy und Joe sich deutlich gediegener ausdrücken.
Das Titelbild der deutschen Ausgabe zeigt ein OKAPI-Klappmesser, wie es in der Handlung von Piper vielfach als Mordwerkzeug eingesetzt wird. Es wird ausschließlich in Südafrika produziert. Daher finde ich dieses Motiv äußerst passend. Durch eine spezielle Drucktechnik wird beinahe ein dreidimensionaler Effekt erzielt, der die Chrom- und Stahlteile des Messers noch plastischer hervortreten lässt.
_Unterm Strich_
Der „Body count“ ist ziemlich hoch in diesem Südafrika-Thriller, und der Leser sollte sich auf blutigste und brutalste Szenen gefasst machen. Der Faktor Zufall führt auch zu Szenen bizarrer Konfrontationen und Schüssen aus dem scheinbaren Nichts, die wiederum merkwürdige Folgen haben.
Keiner der Handlungsstränge ist daher vorhersehbar. Deshalb muss sich der Leser entscheiden: Findet er diesen Erzählstil spannend – oder einfach nur beliebig. Ich habe mich fürs Urteil „spannend“ entschieden und es nicht bereut: Die zweite Hälfte habe ich in einer einzigen Sitzung „verschlungen“.
|Taschenbuch: 368 Seiten
Originaltitel: Wake up dead, 2010
Tropen-Verlag, Klett-Cotta, 2010; Heyne, München, 2011
Übersetzt aus dem südafrikanischen Englisch von Jürgen Bürger und Peter Torberg
ISBN-13: 978-3453435650|
http://www.heyne.de