Dieser Auswahlband aus dem Jahr 1983 enthält Erzählungen von John Brunner, Connie Willis, Damon Knight, Isaac Asimov, Jack McDevitt, Chuck Rothman sowie von dem deutschen Autor F.A. Friedrichs. Connie Willis stellte hier dem deutschen Publikum erstmals ihre vielfach preisgekrönte Story „Brandwache“ vor.
Hier findet man unter anderem:
1) Die Story von dem Höhlenforscher mit der todsicheren Methode, die Erde von unten her in den Griff zu kriegen;
2) Die Story von dem Examenskandidaten, der auf einem brennenden Kirchendach akademische Lorbeeren erringen musste („Brandwache“):
3) Die Story von den Extraterrestriern mit dem Aussehen von Apfelgelee, deren Liebreiz sämtliche Kolonisten zum Desertieren anstiftete;
4) Die Story von dem Universalgenie, das über seine eigene Zeitschleife stolperte und sich zehntausendfach vervielfältigte;
5) Die Story von den Panzerraupen, die als Super-Gladiatoren ganz groß in Mode kamen.
Die Herausgeber
Friedel Wahren war lange Jahre die Mitherausgeberin von Heynes SF- und Fantasyreihe, seit ca. 2001 ist sie bei Piper verantwortlich für die Phantastikreihe, die sowohl SF als auch Fantasy veröffentlicht.
machte seinen Doktor. Deshalb nennen seine Fans ihn neckisch den „guten Doktor“. Viel bekannter wurde er jedoch im Bereich der Literatur. Schon früh schloss er sich dem Zirkel der „Futurians“ an, zu denen auch der SF-Autor Frederik Pohl gehörte.
Seine erste Story will Asimov, der sehr viel über sich veröffentlicht hat, jedoch 1938 an den bekanntesten SF-Herausgeber verkauft haben: an John W. Campbell. Dessen SF-Magazin „Astounding Stories“, später „Analog“, setzte Maßstäbe in der Qualität und den Honoraren für gute SF-Stories.
Unter seiner Ägide schrieb Asimov nicht nur seine bekannten Robotergeschichten, sondern auch seine bekannteste SF-Trilogie: „Foundation“. Neben SF schrieb Asimov, der an die 300 Bücher veröffentlichte, auch jede Menge Sachbücher, wurde Herausgeber eines SF-Magazins und von zahllosen SF-Anthologien.
Die Erzählungen
1) Isaac Asimov: Ein dumpfes Dröhnen (The Dim Rumble)
Sein Freund George erzählt unserem Chronisten immer die unwahrscheinlichsten Geschichten, doch diese ist besonders, weil sie unserem Chronisten Alpträume bereitet.
George lernte einen Mann namens Hannibal West kennen, der sich als Höhlenforscher bezeichnete. In einer dieser verborgenen Höhlen wollte West auf einen besonderen Tropfstein gestoßen sein, der, als er darauf klopfte, ein dumpfes Dröhnen erzeugte. Wiederholtes Klopfen, auch aus der Ferne veranlasst, erzeugte weiteres dumpfes Dröhnen. In der ganzen Welt. Härteres Klopfen, so drohte West, würde die Zerstörung von menschlichen Körperzellen nach sich ziehen.
Diese Drohung nahm George so ernst, dass er auf sein Zimmer ging und Azazel, seinen dienstbaren Dämonen, herbeirief. Wie immer widerspenstig, tat ihm jedoch Azazel den Gefallen und löschte Wests Erinnerungen. Aber wer garantierte George, dass nicht ein anderer Idiot diesen Tropfstein fände und erneut das Dröhnen auslöste? Niemand, denn er hatte vergessen, West zu fragen, wo sich diese spezielle Höhle befand…
Mein Eindruck
Der Dämon Azazel tritt in mehreren modernen Geschichten des Altmeisters auf. Wahrscheinlich, weil ihm einen Engel sowieso keiner abgenommen hätte. Diese Geschichten sind meist humorvoll und versuchen augenzwinkernd, diverse Mythen zu demontieren. Diesmal ist es das Herbeirufen der Hölle bzw. die ultimative Waffe. (Amerikaner sind ja Waffenfetischisten und dürfen es aufgrund des zweiten Verfassungszusatzes auch ganz legal sein.)
2) Connie Willis: Brandwache (Fire Watch)
Bartholomew, ein zeitreisender Geschichtsstudent aus Oxford, muss sich fürs Praktikum seine Informationen über die Brandwache der Londoner St.-Pauls-Kathedrale während der Bombenangriffe im Herbst des Jahres 1940 persönlich besorgen – ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, wie er schon bald zu seinem Leidwesen herausfindet. Dabei besteht die Gefahr nicht nur in den von deutschen Bombern abgeworfenen Brandbomben, sondern geht auch von einem Mann namens Langby aus.
Langby wird schon früh misstrauisch, als sich herausstellt, dass der Zeitreisende keine Ahnung von Katzen hat – es gibt sie in seiner Zeitebene einfach nicht mehr. Auch was die zahlreichen Abkürzungen wie etwa ZVD oder FFE bedeuten, scheint der Junge nicht zu wissen. Eines Tages beobachtet der Student, wie Langby sich mit einem Mann länger unterhält, der ihm eine Zeitung mit dem Titel „Der Arbeiter“ übergibt. Unseren Studenten beschleicht ein entsetzlicher Verdacht: Ist Langby etwa ein verkappter Nazispion? Fortan behält er Langby im Auge und kriegt infolgedessen kaum ein Auge zu, um auszuruhen.
Er lernt eine junge Frau kennen, die ausgebombt wurde und eine Anstellung sucht. Doch leider arbeiten in der Brandwache nur unbezahlte Freiwillige. Er freundet sich mit Enola an und gibt ihr Geld für Brandy – das sie leider nie zurückzahlt. Auch in den U-Bahnschächten, wo die Bevölkerung nachts vor den Bombenangriffen Schutzsucht, ist Enola nicht zu finden. Wahrscheinlich ist auch sie aufs Land gezogen.
In einer dramatischen Bombennacht rettet der Student dem verdächtigen Langby, den er inzwischen als Kommunisten entlarvt hat, das Leben. Doch der Gerettete hält seinerseits den Studenten für einen Nazispion, denn er weiß einfach zuviel bzw. zuwenig und zeigt keinerlei Mitgefühl für die Leute, auf die es ankommt.
Dass sich der Student Bartholomew grundlegend geändert und seine Objektivität völlig eingebüßt hat, zeigt sich bei der Prüfung, die ihm sein Doktorvater Dunworthy auferlegt: Zahlen, nichts als Zahlen. Da dreht Bartholomew vollends durch…
Mein Eindruck
Mit dieser feinen, bewegenden Novelle erweiterte die Autorin ihr Universum um die Oxford-Historiker Prof. Dunworthy und Lady Shrapnel. „Die Jahre des schwarzen Todes“, ihr vielfach ausgezeichneter Roman, grenzt direkt an die Handlung dieser Novelle an: Die Studentin Kivrin, Bartholomews Zimmergenossin, soll von Dunworthy ins Pestjahr 1349 geschickt werden. Ebenfalls in diesem Universum spielt der Roman “ Die Farbe des Alls“ und weitere Romane, die das „Brandwache“-Thema erneut aufgreifen.
Bartholomew ist ein Forscher wider Willen, doch er schlägt sich wacker. Seine Erlebnisse sind voll Horror, wenn die Bomben fallen, aber auch Romantik lässt nicht auf sich warten: Enola braucht ihn wirklich. Leider verhält er sich zunächst ziemlich linkisch, entwickelt sich aber rasch weiter, so dass es vielleicht noch zu einem Happy End kommt. Dass er in seine eigene Zeit zurückkehren muss, darf er ihr nicht sagen.
Zeitreisen hat bekanntlich etliche Tücken, und die wichtigste ist das mangelnde Wissen über die Zielzeit. Die Autorin hat sich eine spezielle Methode ausdenken müssen, um ihren Zeitforscher Bartholomew mit Informationen über seine Zielzeit zu versorgen. Es geschieht mithilfe einer Art Telepathie. Er bekommt quasi Uploads aus der Zukunft.
Die deutsche Übersetzung ist nicht ganz astrein. Was die Londoner als „The Blitz“ bezeichnen, lässt sich keinesfalls mit dem etablierten Begriff „Blitzkrieg“ übersetzen. Letzterer bezeichnet nämlich einen ganzen Feldzug, doch “The Blitz” dauerte sehr viel länger als ein Feldzug.
3) Chuck Rothman: Die Deserteure von Munij (The Munij Deserters)
Ron Snyder hat von der Erschließungsgesellschaft den Auftrag bekommen herauszufinden, warum die Pioniere ihres Planeten Munij alle desertieren. Wilbur, der zu einem Bernhardiner mutierte Lagerleiter, ist der letzte, der noch Auskunft geben kann. Er bekennt, dass er mit seiner Frau Kathy enthaltsam lebte, und nun ist auch sie desertiert.
Die Indigenen scheinen die Gestalt von grünem Apfelgelee zu besitzen, und was dahinter steckt, will Ron von Sharon wissen. Diese feine Lady trägt lediglich Lidschatten und Parfüm, als er ihr im Lager begegnet. Er soll ihr bei der Erleuchtung in der Kirche der Nymphomanen helfen. Ron ist überzeugt, es wäre ein Fehler, ihr die Erleuchtung zu verweigern, denn dann würde nie was von ihr erfahren.
Als er Wilbur in den Busch folgt, stößt er auf Kathy, die jedoch Angst hat, Ron würde ihr etwas antun wollen. Ron kapiert schnell und überzeugt auch Kathy, dass er nur friedliche Absichten hegt. Schon bald kann er auch ihr zur Erleuchtung verhelfen. Als aber auch Hilda, einer der Desertierten, ihn verführen will, fällt bei Ron der Groschen: Die Indigenen können sich in Menschengestalt verwandeln. Warum sie das tun, erklärt ihm „Hilda“ haar klein und ziemlich überzeugend…
Allmählich verliert die Erschließungsgesellschaft jede Hoffnung auf Ron Snyders Rückkehr. Sie lässt den Planeten Munij reklassifizieren, so dass er nun wieder Sperrgebiet ist…
Mein Eindruck
Tja, so kann die Erschließung eines Planeten wohl auch laufen: alle Siedler werden nymphoman. Die kleine erotische Satire hat auch für die Indigenen etwas Positives: Sie lernen endlich die zweigeschlechtliche Fortpflanzung kennen. Sie macht viel mehr Spaß als die bisherige, die nur aus Zellteilung bestand. Evolution – sie ist nicht aufzuhalten…
4) Jack McDevitt: Der ferne Strand (The Far Shore)
Nach drei Jahren Dienst auf dem Erkundungsschiff „Alexia“ kommt es zu einer Havarie, und die einzige Überlebende, die Rodney Martin finden kann, ist Patricia, seine geliebte Kollegin. Sie schickt ein Datenpaket an den Satelliten über dem nächstgelegenen Planeten, bevor sie stirbt. Er begräbt sie im Wald, der den grünen, erdähnlichen Planeten bedeckt. Seine Rettungskapsel enthält ein künstliches Haus, in dem er bequem wohnen kann. Die ersten Berechnungen ergeben einen 26-Stunden-Tag und dass 4,5 bis fünf Jahre lang auf Rettung von der Erde warten muss.
Aus Berichten weiß er, dass er leicht verrückt werden kann. Schon am Abend des dritten Tages verschließt er seine Anlage und aktiviert später sogar den Schutzschild. Sein vom Computer gesteuertes Funkgerät tastet sämtliche Frequenzen ab, und so kommt es, dass er Radio- und Fernsehsendungen aus dem Jahr 1939 empfängt, die vor rund 200 Jahren entstanden. In der Folge hört er vom Kriegsausbruch in Europa und von Pearl Harbor.
Als der Funkspruch vom Rettungskreuzer eintrifft, befindet sich der 2. Weltkrieg im Spätfrühling des Jahres 1944, und als die Landung des glorreichen Schiffes erfolgt, steht der D-Day im Juni 1944 kurz bevor. Nach zwei Wochen gemeinsamer Freude wundern sich seine Retter, warum er immer noch so depressiv ist…
Mein Eindruck
Der Leser wundert sich ebenfalls, denn eigentlich müsste sich Rodney Martin freuen, endlich abreisen zu dürfen, um wieder unter Menschen zu sein. Doch der Kapitän des Schiffes, will ihn überreden, hier auf dieser fremden Welt zu bleiben. Am rätselhaftesten ist der letzte Satz:
„Als es Zeit war abzureisen, stellte Martin Datapak [den Funk-Computer] ab, löschte die Lampen im Haus und verschloss die Tür. Das tragbare Radio nahm er mit.“ Warum sollte er es mitnehmen, wenn er doch mit dem Kreuzer abreisen würde, fragt man sich. Die Antwort könnte lauten, dass es gar keinen Rettungskreuzer gibt und nie auch nur eine einzige Radiosendung. Es war alles Einbildung. Als er also für die „Abreise“ nur ein Radio mitnimmt und sonst nichts, entspricht das praktisch seinem Todesurteil. Wenn es aber keine Einbildung war, dass ist das tragbare Radio nur ein Souvenir für die Rückreise.
5) Damon Knight: Azimuth 1, 2, 3
Azimuth Backfiler, der Sohn eines Experimentalpädagogen, wächst rasch zu einem technischen Genie heran. Allerlei Erfindungen gelingen ihm, und er bringt es zu einem gewissen Reichtum. Als er rund 30 Jahre alt ist, sagt er sich, dass es doch möglich sein müsse, das älteste aller Rätsel zu lösen: das der Zeit oder vielmehr das der Zeitreise.
Zeit, das weiß ein jeder, ist ein Produkt der Entropie, folglich muss man diese minimieren. Organismen aber erzeugen das Gegenteil von Entropie, nämlich Ordnung. Also baut sich Azimuth einen Kasten voller Organismen, die maximale Ordnung erzeugen. Er betritt diesen Kasten voller Vegetation mit einer Ausgabe des „Wall Street Journal“, die natürlich alle relevanten Börsenkurse enthält. Unfehlbar entsteigt dem Kasten nicht nur Azimuth 1, sondern auch 2, der aus der Zukunft kommt – und mit den lukrativen Börsenkursen, die Nr. 1 sofort seinem Makler durchgibt.
Allerdings folgen auf Nr. auch Nr. 3 und viele weitere. Keine Problem eigentlich, doch die Vermehrung hört nicht auf, und wie Nr. 1 berechnet, dürften es am Ende des Jahres mehr als 10 Millionen Azimuths sein. Zu viele! Wie nur dieses Missgeschick beseitigen, fragt sich Nummer 1.Da fällt Nr. 2 auf, welchen fatalen Fehler Nr. 1 begangen hat und korrigiert diesen. In der Folge verschwinden alle Azimuth-Kopie, nur das Original bleibt, um diese seltsame Geschichte zu erzählen.
Mein Eindruck
Genies sind zwar ab und zu gut und nützlich, aber sie können es zuweilen auch übertreiben. Dieses Genie jedenfalls verfängt sich gleich zu Beginn in einer Zeitschleife und führt so unwissentlich den eigenen Untergang seiner Unternehmung herbei. Wieder einmal ist eine Methode, die Gesetze der Zeit zu überlisten, gescheitert.
6) John Brunner: Die Flamme ist entfacht (The Fire Is Lit)
Der Kaiser von Ntah ein Alchemist und Sterngucker, hat am Firmament einen neuen Stern entdeckt und nun befürchtet er, dass in seinem Reich Missernten und Plagen auftreten könnten. Was mag der Stern bedeuten? Sein Gesandter Jing soll auf einer Rundreise zu den Nachbarreisen herausfinden, ob man dort die gleichen Ansichten hegt und etwas gegen das kommende Unheil zu unternehmen gedenkt.
Im Reich Forb verliert Jing alle Begleiter bis auf einen, weil militante Priester die Wahrheit gepachtet haben und keinen Fremden dulden, der möglicherweise etwas anderes sagt oder auch nur denkt. Mit List gelingt es Jing, den Priestern zu entkommen, doch durch eine vergiftete Mistforke wird sein letzter Begleiter Drakh verletzt. An der Grenze hilft ihnen ein abtrünniger Arzt, der das Leben des Begleiters retten kann, sie aber drängt, so schnell wie möglich in das Reich des Grafen von Dhorn weiterzureisen.
Gleich hinter der Grenze werden sie von einem Abgesandten des Grafen Dhorn in Empfang genommen, der sich Zweyg nennt. Der Gelehrte zeigt sich begierig, Jings Sternkarten in Augenschein zu nehmen. Am Hofe ist alles bestens bestellt, ganz im Unterschied zu Forb. Den Empfang bei Hofe vermasselt Jing, weil er nicht den Nacken vor dem Grafen verbeugt. Das kostet ihn Sympathien.
Der Graf ist sehr unglücklich und mürrisch, weil ihm die Götter nur eine einzige Tochter geschenkt haben, und die ist obendrein ein Krüppel. Doch Prinzessin Rehnbogn erweist sich im Gespräch mit Jing als eine kluge Frau, die selbst Sternguckerin ist. Allerdings ist ihr „Observatorium“ lediglich ein Ring von Sträuchern, die den Wind abhalten. Das war’s, wundert sich auch insgeheim Jing, doch er zu höflich, Kritik zu äußern.
Ein richtiger Augenöffner ist hingegen eine unterirdische Schmiede, die vom verbreiteten Vulkanismus profitiert. In Ntah hält man nicht viel vom Feuer, aber hier, so Zweyg voll Stolz, könne man Dinge in andere Dinge umwandeln. Jing fällt ein durchsichtiges, rundes Glas auf, mit dem man nahe Dinge vergrößern kann, so etwa Sternkarten. Zweyg wundert sich, dass in seinem Volk noch keiner darauf gekommen ist. Die beiden Gelehrten schließen Pakt der Kooperation. Zweyg lässt von Schmied Feuerwach schmale Linsen schleifen, mit deren Hilfe sich ihnen der Anblick des Kosmos auftut.
Gegen die drei Forb-Priester bei Hofe hat Jing seine theologische Position behauptet, und zu seiner Überraschung gesteht ihm der jüngste von ihnen, Glänzl, dass er im Neuen Stern ein Omen erblicke, dass der Rechtschaffene bald kommen werde. Wie sich zeigt, ist Glänzl noch der geistig aufgeschlossenste der drei Priester und schließt sich der Clique um Jing an. Zusammen erarbeiten sie einen Himmelsatlas, der auf einem ketzerischen heliozentrischen Weltbild beruht. Jing erbittet einen Schwur, dieses Wissen allen Wesen der Welt zugänglich zu machen, und sie schwören es. Schließlich gesteht Rehnbohn ihm ihre Liebe, und er erwidert sie. Mit dem Segen des Grafen gründen sie eine Familie: Er hofft auf einen Enkel..
Die Ankunft des Ntah-Prinzen Qat mitsamt Dienern bringt eine unerwartete Wende: Eine Seuche hat das Reich Ntah und alle seine Bewohner vernichtet. Es klingt ganz nach der Beulenpest. Auch in Forb breite sie sich bereits aus. Und kaum sind Qat ein paar Tage in Dhorn, als es auch hier losgeht: Sie tragen die Krankheitserreger in sich, und es gibt kein Gegenmittel, es sei denn, die Beulen platzen nach außen auf. Schon bald trägt auch Jing eine solche Beule, und sie platzt nach innen auf…
Mein Eindruck
Dies könnte der Auftakt zu John Brunners Roman „Die Gussform der Zeit“ sein. Dieser erzählt von der Entwicklung der Raumfahrt unter einem Alien-Volk, das große Ähnlichkeit mit dem hier geschilderten aufweist: Klauen statt Hände, Kinnbacken, eine Mantilla (Deckflügel?) und eine völlig andere Körperchemie sind ihre äußeren Kennzeichen.
Doch warum wird die Astronomie erst unter Jing in Dhorn so revolutionär vorangetrieben? Erstens haben die orthodoxen, dogmatischen Priester hier nichts zu sagen; zweitens sorgt die gute Ernährung dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Träumen und klarem Verstand eindeutig zugunsten der Vernunft verschoben wird; und drittens gibt es dank des Schmiedes die technischen Hilfsmittel, um das Fundament, das Jings Sternenkarten bilden, bedeutend auszuweiten: Ein neues Weltbild entsteht und lässt sich durch Experimente und Beobachtungen beweisen.
Der Autor hat mit dieser Novelle ein neues Universum geschaffen, das es zuvor noch nicht gab. Und dessen Entstehung sei keineswegs selbstverständlich, macht er deutlich: Dogmatiker, die an die katholische Kirche erinnern, weil sie jede Veränderung der gegebenen Schöpfung ablehnen; die Traumkrankheit, die das klare Denken be- und verhindert; und schließlich eine Seuche, die die schiere Existenz der neuen, revolutionären Gedanken infragestellt. Sie alle bedrohen die „Flamme, die entfacht wird“, wie der Titel andeutet.
Eine schöne Geschichte, der man gerne folgt; die aber in der letzten Rede Jings recht pathetisch daherkommt.
7) F. A. Friedrichs: Das Rad des Glücks
Bobby und seine Mutter sind bei der Lotterie-Show, zu der Tausende weitere angereist sind. Denn Bobbys Vater Rick ist vor einiger Zeit in den Krieg gegen die bösen Sirianer gezogen und wenn Bobby die Kugel mit der aus der Lostrommel gezogenen Zahl besitzt, hat er die Chance, dass sein Vater auf Heimaturlaub zurückkehren darf. Der Showmaster trägt die Uniform eines Generals. Er zieht die Zahl, die auf Bobbys Loskugel steht, und Bobby jubelt. Scheinwerfer richten sich auf den Gewinner.
Bobbys Mutter weiß nicht, was sie von all dem halten soll. Ihre Gefühle sind wie gelähmt. Kein einziger Soldat ist ja bislang aus dem krieg zurückgekehrt, und keiner tritt auf die große Bühne. Ungewissheit erfüllt sie, dann Zweifel. Als eine Arena freigemacht und mit einem großen Käfig gefüllt wird, beginnt der Gladiatorenkampf: Eine riesige Panzerraupe landet in dem großen Käfig. Gegen dieses wilde Ungetüm soll ein Sirianer antreten, der nur mit Schwert, Schild und Lanze bewaffnet ist. Hassgebrüll schlägt ihm entgegen.
Bobbys Mutter wundert sich, wie menschenähnlich der Sirianer wirkt. Irgendwie hält sie zu ihm, und sie freut sich, wie tapfer er sich lange gegen das Monster behaupten kann. Doch letztlich unterliegt er, und sie fragt sich, ob es Rick vielleicht genauso in einer Arena der Sirianer ergeht…
Mein Eindruck
Eine gelungene, mit großer Einfühlsamkeit geschriebene Kurzgeschichte gegen den Krieg. Das Element der Lotterie ist neu, wie mir scheint, aber nicht das Motiv des Gladiatorenkampfes. Brot und Spiele, das gab es schon im alten Rom, um die Massen zu manipulieren. Dem Autor ist die zentrale Ironie nicht entgangen, von der Bobbys Mutter – sie hat als einzige in der Familie keine eigene Identität – nur einen fröstelnden Anflug ereilt: Dass es ihrem Rick in diesem Moment genauso ergehen könnte.
Die Übersetzungen
Die Texte sind durchweg korrekt und gut lesbar übersetzt worden, doch wie so oft tauchen hie und da ulkige Druckfehler auf.
S. 9: „meine aus[d]rucksvollen Augen“: Das D fehlt.
S. 139: „…sie haben damals ein[e] sehr praktisches Verfahren entdeckt…“: Das e ist überflüssig.
S. 153: „dass gewisse Substanzen sich selbst in den heißesten Flammen jen/der Veränderung widersetzten.“ Statt „jener“ sollte es besser „jeder“ heißen.
S. 166a: „Pri[e]sterlein“: Das E fehlt.
S. 166b: „zu[s]ätzliche Tatsache“: Das S fehlt.
S. 185: „die Jing schon verstellt hatte“: Das ergibt keinen Sinn, es sei denn, man ersetzt Verstellt“ durch „fertiggestellt“, nämlich seine Manuskripte.
S. 201: „auskosten kon[n]ten…“: Ein N fehlt hier.
S. 206: „Selbst[b]überwindung“: Ein B ist hier überflüssig.
Unterm Strich
Neben drei humorvollen Beiträgen von Rothman, Knight und Asimov enthält dieser Auswahlband zwei Novellen, die einiges literarisches Gewicht aufweisen. „Brandwache“, eine weitere Zeitreise-Story, bildete seinerzeit den Auftakt zu Connie Willis‘ Romanen und Geschichten um das entsprechende Forschungsinstitut in Oxford. Es spielte in ihren Romanen „The Doomsday Book“ und „…to say nothing of the dog” eine tragende Rolle.
Gut möglich, dass auch Brunners Novelle „Die Flamme ist entfacht“ den Auftakt zu seinem Roman „Die Gussform der Zeit“ bildete; das müsste ich noch einmal nachprüfen. Es ist ein Vergnügen, diesen Beitrag zu lesen, denn der Autor hat sich viele Ideen für dieses ungewöhnliche, fremdartige Universum einfallen lassen. Gewicht erhalten diese Ideen durch die mehrfachen Bedrohungen, die ihre Verbreitung gefährden – sie oben.
Dass Jack McDevitts Beitrag aufgenommen wurde, wundert mich etwas, denn er kann weder stilistisch noch inhaltlich überzeugen, und obendrein ist der Schluss offen. Dagegen ist der Beitrag von F.A. Friedrichs durchweg bewegend und fesselnd, die (ironische) Aussage ziemlich klar.
Kurzum: Dieser Auswahlband lohnt sich für jeden Freund von hochwertiger Phantastik, insbesondere aber für Kenner des Genres. Neueinsteiger könnten mit Jack McDevitts Beitrag ein wenig Mühe haben, aber das machen drei humorvolle Beiträge wieder wett.
Taschenbuch: 224 Seiten inkl. Buchtauschbörse und Bestenwahl für IASFM-Band 15
O-Titel: IASFM 1982
Aus dem Englischen von Rüdiger Hipp, Jürgen Langowski, Horst Pukallus und Ingrid Herrmann.
ISBN 9783453309340
www.heyne.de
Der Autor vergibt: