Archiv der Kategorie: Belletristik

Malzieu, Mathias – Mechanik des Herzens, Die

Eigentlich ist Mathias Malzieu, Jahrgang 1974, im Hauptberuf Sänger der französischen Band Dionysos. Mit dieser Beschäftigung scheint er jedoch nicht recht ausgelastet zu sein, denn seit gut zehn Jahren versucht er sich auch als Schriftsteller. Erst jetzt ist jedoch sein in Frankreich bereits 2007 erschienener Roman „Die Mechanik des Herzens“ auch in deutscher Sprache verfügbar. Zum Glück, mag man als Leser erleichtert ausrufen, denn schon nach den ersten Seiten wird klar, dass man mit diesem Buch ein echtes Kleinod in den Händen hält. Kaum hat man den Roman ausgelesen, ereilt den Leser auch schon die Hoffnung, dass bald Übersetzungen von Malzieus anderen Werken folgen werden.

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein schmaler Band, der aber vor Fantasie und bezaubernden Charakteren nur so strotzt. Es ist ein Märchen, das von der (Zerstörungs-)Kraft der Liebe und der Zerbrechlichkeit des menschlichen Herzens erzählt und dabei mit seiner bildreichen und träumerischen Sprache anrührt. Es geht um den kleinen Jack, der in einer eiskalten Nacht als Sohn einer Hure in einer Hütte auf dem Arthur’s Seat in Edinburgh geboren wird. Die Hütte gehört Doktor Madeleine, die als weise Frau und Hebamme fungiert. Die Hure macht sich aus dem Staub und lässt das Kind bei Madeleine zurück. Doch der kleine Jack hat einen Geburtsfehler: Sein Herz mag nicht schlagen und so baut Doktor Madeleine, eine leidenschaftliche Bastlerin, ihm eine Kuckucksuhr ein, die fortan den Takt des Lebens für den Kleinen schlägt. Madeleine wird eine Mutter für Jack und trotz ihres Rates, dass sein Uhrenherz sehr anfällig sei und sofort den Dienst verweigern würde, solle er sich eines Tages verlieben, geschieht natürlich genau das. Schließlich kann man das eigene Herz nicht regieren – auch wenn es eine Kuckucksuhr ist! Als er sich zum ersten Mal nach Edinburgh wagt, trifft er auf Miss Acacia, eine kurzsichtige Flamencotänzerin, die dazu neigt, gegen Türen zu laufen, weil sie nie ihre Brille aufsetzt. Fortan ist es um Jack geschehen und er soll viel Zeit und Geduld aufbringen, um seiner Angebeteten durch ganz Europa zu folgen, um sie schließlich im Extraordinarium – einer Art Rummelplatz und Kuriositätenkabinett – ausfindig zu machen. Um ihr nahe zu sein, heuert er in einer Geisterbahn als Erschrecker an. Zwar ist er in diesem Gewerbe nicht erfolgreich, doch gelingt es ihm, Miss Acacias Herz zu gewinnen. Rauschhaft ergeben sich die beiden ihrer jungen Liebe, doch ist das Glück nur von kurzer Dauer. Und da kommt Doktor Madeleines Rat wieder ins Spiel: „Wenn du dich verliebst, setzt du dein Leben aufs Spiel.“

_Malzieu ist ein_ wunderbares Buch gelungen, das effektiv mit einer eigentlich einfachen Metapher spielt. Denn natürlich ist es nicht nur das Uhrenherz des kleinen Jack, das durch die Liebe in Gefahr gerät. Jedes menschliche Herz ist in Gefahr zu brechen, sollte die Liebe uns ereilen: „Nun, dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, den die Liebe verursacht. Jeden Augenblick der Freude und des Glücks bezahlst du früher oder später mit Schmerz, und je stärker man liebt, desto größer ist der Schmerz“, warnt Doktor Madeleine. Natürlich hat sie recht. Und doch stürzt sich Jack – stürzt sich die ganze Welt – kopfüber in dieses Abenteuer, weil er glaubt, dass die Momente der Liebe die Momente des Schmerzes aufwiegen. Uhrenherz hin oder her … Manch ein Leser mag diesen Kunstkniff gar zu simpel finden, doch gerade das Einfache, fast Kindliche dieser Idee macht die Effektivität aus. Malzieu bleibt seiner Metapher den ganzen Roman durch treu und exerziert sie aufs Genaueste durch – das, gepaart mit der wunderbaren Sprache macht „Die Mechanik des Herzens“ zu einem Buch, in dem einfach alles stimmig ist.

Malzieus feinsinnige und bildreiche Sprache macht den Roman zu einem Fest, einer Geschichte, die man genüsslich auskostet, weil jeder Satz ein Leckerbissen ist. Er platziert seine Charaktere in einer irgendwie realen und doch fantastisch angehauchten Welt. Diese Verfremdung, die eben nicht mehr realistisch, aber doch noch nicht gänzlich fantastisch ist – das macht den besonderen Reiz aus. Zwangsläufig stellt man sich „Die Mechanik des Herzens“ als Tim-Burton-Film vor. Malzieus Roman scheint stark von Burtons Ästhetik beeinflusst zu sein. Dass sich Burton des Stoffes tatsächlich filmisch annimmt, ist allerdings – zunächst – unwahrscheinlich. Die Franzosen haben den Roman selbst verfilmt – mit Malzieu als Regisseur. Man darf gespannt sein!

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein rundherum wunderbares Buch. Eines, das man liest und wieder liest, das man verschenkt und das man Freunden empfiehlt. Es ist eines dieser wenigen Bücher, bei denen man das unbedingte Bedürfnis verspürt, andere an dem Zauber teilhaben zu haben. Zumindest eines ist gewiss: Die Liebe zu Büchern hat noch keinem Herzen geschadet. Deshalb lautet mein Rat: „Die Mechanik des Herzens“ lesen und träumen!

|Taschenbuch: 194 Seiten
Originaltitel: La Mécanique du Cœur
Übersetzung aus dem Französischen: Sonja Finck
ISBN: 9783570585085|
http://www.carlsbooks.de

Allende, Isabel – Mayas Tagebuch

Isabel Allende hat erst kürzlich ihren 70. Geburtstag gefeiert. Seit der Veröffentlichung ihres ersten Romans, „Das Geisterhaus“, sind also bereits dreißig Jahre vergangen, in denen sie mit steter Regelmäßigkeit die Öffentlichkeit mit Geschichten versorgt hat. Und trotzdem gehen ihr die Romanideen nicht aus. Mit ihrem neuesten Werk, „Mayas Tagebuch“, möchte sie nun beweisen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehört.

Dabei bietet sie viel Bekanntes, denn ihre Romane verlangen nach ganz bestimmten Zutaten, um das gewisse magische Allende-Feeling zu versprühen, das ihre Fans so schätzen: ein wenig magischer Realismus, starke Frauenfiguren, schwere Schicksalsschläge, schräge Familien, eine Prise jüngere Geschichte (chilenische, zumeist) und einen guten Schuss Gefühl. Mit diesem Rezept ist sie bisher immer gut gefahren und auch bei „Mayas Tagebuch“ führt dessen Anwendung zu einem lesenswerten und kurzweiligen Ergebnis. Doch das gewisse Etwas, das in keinem Rezeptbuch steht und das sich auf geheimnisvolle Weise aus dem Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ergibt, kommt diesmal bei der Lektüre nicht auf.

_Die Titelheldin ist_ gute fünfzig Jahre jünger als die Autorin: Maya ist neunzehn, hat aber in ihrem kurzen Leben schon einiges hinter sich. Sie wächst behütet und glücklich bei ihren Großeltern in Berkeley auf. Diese Großeltern – die chilenische Exilantin Nidia und ihr zweiter Mann Paul – sind typische Allende-Figuren. Sie sind ungewöhnlich und unangepasst, aber dem Leser sofort sympathisch. Beim Lesen sehnt man sich zwangsläufig danach, Bekannte wie Nidia und Paul zu haben: loyal, hilfsbereit, abgedreht und immer mit einer guten Flasche Wein im Haus. Nidia glaubt an Horoskope und sieht die Aura ihres Gegenübers, während Paul per Teleskop in die Sterne guckt und immer Hut trägt. Ihre Erziehungsmethoden sind gewagt, pädagogische Lücken machen sie jedoch durch eine große Portion Liebe und Zuwendung wieder wett. Aus Maya könnte also eine glückliche junge Frau werden, würde Paul nicht an Krebs sterben, als sie gerade in die sowieso schwierigen Teenagerjahre kommt. Dieser Tod wirft beide Frauen aus der Bahn. Doch während Nidia ihrer Trauer Raum gibt und es so schafft, sie schließlich zu überwinden, bleibt Maya in ihrer emotionalen Lähmung gefangen und landet schlussendlich auf der schiefen Bahn. In der Schule gerät sie an die falschen Freundinnen, verdingt sich als Kleinkriminelle und macht erste Drogenerfahrungen. Als sie schließlich in einer schicken Privatklinik für suchtkranke Jugendliche landet, sucht sie das Weite und rutscht – für ihre Großmutter unauffindbar – unrettbar ins Drogenmilieu von Las Vegas ab, wo sie für den Dealer Brandon Leeman Kunden mit harten Drogen beliefert. Da Leeman jedoch noch in ganz anderen illegalen Geschäften die Finger drin hat, wird sie bald von der Polizei und dem FBI gesucht und als sie endlich wieder bei Nidia eintrifft, verschifft diese sie sofort auf ein winziges chilenisches Eiland zu einem alten Bekannten. Dort soll sie sich vor den amerikanischen Gesetzeshütern verstecken und ihre Wunden lecken.

Mayas Zeit auf Chiloé bildet die zweite Erzählebene des Romans und hier läuft Allende wahrlich zu Hochform auf. Mayas Drogenerfahrungen wirken immer eher plakativ als realistisch, eben nur wie eine Zutat zu einem Roman. Doch in die Welt von Chiloé tauchen Allende, Maya und schlussendlich der Leser gemeinsam ein. Die Insel ist nicht unbedingt rückständig – regelmäßig schauen Touristengruppen vorbei, es gibt Strom (meistens), Internet und einmal in der Woche Filmvorführungen im Schulhaus. Doch das Leben fließt merklich langsamer und so wird Maya auf sich selbst zurückgeworfen. Die Zeit tröpfelt träger dahin und man kann ganze Nachmittage nur damit zubringen, aufs Meer zu schauen, ein Buch zu lesen oder mit Nachbarn zusammenzusitzen. Maya findet Freunde auf Chiloé, fühlt sich den Menschen und dem Leben dort mehr und mehr verbunden und kann sich bald kaum noch vorstellen, ins schnelle und laute Berkeley zurückzukehren. Man beneidet Maya zwangsläufig um diese erzwungene Auszeit und bald erkennt auch sie selbst, welch ein Geschenk diese Insel ist.

Auf dieser Erzählebene kann Allende alle ihre Stärken ausspielen und hier wirkt sie am überzeugendsten. Leider schafft sie es nicht, beide Erzählstränge elegant zusammenzuführen. Maya erzählt beides – ihre Lebensgeschichte und ihre Zeit auf Chiloé – in Tagebuchform, doch schon diese Erzählsituation wirkt artifiziell und kaum plausibel. Mit fortschreitender Lektüre hat man mehr und mehr den Eindruck, die drogensüchtige Maya und die in sich ruhende Maya auf Chiloé seien zwei völlig verschiedene Figuren, so wenig haben beide gemein. Obwohl kaum Zeit vergangen ist, kämpft die neue Maya kaum mit ihrer Vergangenheit und schon gar nicht mit ihrer Drogensucht. Ihr Entzug war offensichtlich so erfolgreich, dass sie weder mit Spätfolgen noch mit Zwängen zu kämpfen hat. Nicht mal der überall erhältliche Alkohol lockt sie. Diese Diskrepanz zwischen der hoffnungslosen Drogensüchtigen und der gereiften Maya, die über alles hinweg scheint, nimmt dem Roman ein gutes Stück Glaubwürdigkeit. Ebenso unglaubhaft ist der Krimiplot, den Allende gegen Ende einführt und der recht simplizistisch Mayas Problem mit dem FBI löst. Die Marschrichtung (und der Bösewicht) sind allerdings zehn Meilen gegen den Wind zu erschnuppern und so möchte man Isabel Allende raten, es möglichst nicht noch einmal mit einem „Whodunit?“ zu versuchen. Dieser Teil des Romans geht nämlich gründlich schief.

_Ansonsten lohnt sich_ „Mayas Tagebuch“ vor allem wegen der Nebencharaktere und dem Schauplatz in Chile, nicht so sehr wegen der Beschreibung von Mayas Absturz und Drogensucht. Man könnte Isabel Allende Routiniertheit vorwerfen, doch es ist gerade dieses immer neue Verweben von bekannten Elementen, das ihre Fans so an ihren Romanen schätzen. Und auch wenn „Mayas Tagebuch“ kein Erfolg auf ganzer Linie ist, so verdient er doch einen wohlwollenden erhobenen Daumen.

|Hardcover: 448 Seiten
Originaltitel: El cuaderno de Maya
Übersetzung aus dem Spanischen: Svenja Becker
ISBN: 9783518422878|
http://www.suhrkamp.de

_Isabel Allende auf |Buchwurm.info|:_
[„Im Bann der Masken“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=605
[„Die Stadt der wilden Götter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1431
[„Im Reich des goldenen Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1432
[„Zorro“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1754
[„Inés meines Herzens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4229
[„Das Siegel der Tage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5269
[„Mein erfundenes Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2979
[„Die Insel unter dem Meer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6604

Rautenberg, Eire – Traumgeboren

Eire Rautenberg, eigentlich Inge Rautenberg, nennt sich aufgrund ihrer Liebe zur ‚Grünen Insel‘ Eire. Bekannt ist sie weniger durch die Publikation ihres autobiografischen Romans ‚Dona da Casa – Herrin des Hauses – Eine Liebe in Portugal‘ die schon 1994 erfolgte, sondern eher durch zahlreiche Publikationen in Anthologien und spirituellen Zeitschriften wie |AHA|, |Shekinah|, |Tattva Viveka|, etc., die alle durchweg lesenswert sind.

Hier liegt nun die zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage ihres 2002 erschienenen Gedichtbandes ‚Traumgeboren‘ vor. Wie stets präsentiert der |Araki|-Verlag von Georg Dehn eine besondere Publikation. In Anlehnung an Friedrich Nietzsche könnte man sagen: ‚Ein Gedichtband für alle und keinen‘. Die Gedichte des Bandes sind in neun Themenbereiche gegliedert. Der erste Themenkomplex (‚Verborgen‘) reht sich um den Dichter und das Dichten bzw. Kunst an sich. Der Künstler (bzw. Eire als Dichterin) will sich nicht nur mitteilen. Ein Kunstwerk (Gedicht) ist wie eine Geburt, das Hervorbringen von etwas Einzigartigem; es soll in dieser Welt lebendig wirken, soll ein Dienst an der Menschheit sein und erhofft keinen Lohn, wohl aber Kritik bzw. Resonanz.

Nicht nur der zweite Themenkomplex ‚Ich bin‘ trägt autobiographische Züge. Er zeigt das Rad der Zeit von Geburt bis Alter. Eine ‚Reise‘ vom ‚Wachsenland‘, welches als Kind betreten wurde, bis hin zur ‚Altertumsforschung‘. Schon hier wird deutlich, dass die Dichterin auch Kritikerin ist und gesellschaftliche Probleme anspricht. Es geht darum, auch würdevoll alt zu werden, das Kind in sich zu wahren, frei zu bleiben. Durchweg verwendet Eire Metaphern (z. B. Wachsenland für Kindheit), die nicht immer leicht zu verstehen sind, oft erst im Kontext oder der Reflexion klarer werden. Ebenso erschafft sie im kreativen Prozess des Werdens ihres Gedichtbandes stets neue Worte und Wortkombinationen (Garten der Kindheit für Erleben als Kind), die ihre Botschaften auf den Punkt bringen.

Weitere Themen sind Spiritualität (thematisiert unter ‚Maat‘ und ‚Heidenarbeit‘), Beziehungen (Kapitel ‚Zwischen uns‘ und ‚Mein Herz stolpert dir nach‘) sowie Freiheit – nicht nur als Rede- und Denkfreiheit – wie in den Kapitel ‚Rede mit Engelszungen‘ oder ‚Kein Blatt vor dem Mund‘.

In ihrer Verehrung der alten Götter tritt ihre naturreligiöser Lebens- und Sichtweise hervor, die in ‚Mondgöttin‘ einen Höhepunkt erreicht und einer Anrufung der Mondgöttin gleicht. Eire nennt es auch ein ‚liturgisches Gedicht für acht Stimmen im Kreis …‘ im Untertitel. Das weiblich Spirituelle, die Intuition, die Naturverbundenheit wird in der neuen Auflage auch in Beziehung zu ihren späteren Erfahrungen in Kulten bzw. Orden gesetzt, ihre Rationalität, Gruppenbindung und Elitedenken. Klar betont Eire immer wieder Werte wie Freiheit, Liebe, Natur, Menschsein in natürlicher Art und Weise. Ebenso verfügt sie über den nötigen Humor und Zynismus, negative Eigenschaften (wie z. B. Egoismus, Narzissmus) in der ihnen gebührenden Weise darzustellen.

Mühe hatte der Rezensent mit der Form. Diese wird schon in der Reflexion über Kunst, in ihrem Gedicht ‚Kunst‘, welches auch auf dem Rückumschlag abgedruckt ist, aufgehoben:

Kunst

Der Durst
nach Stoff
nach Form
nach Werk

dies erkennen
sich entbinden
wenn vollendet
auslöschen

Meist handelt es sich um zwei bis fünfzeilige Verse, die selten einem Reimschema unterworfen sind, wenn dann ggf. a:b, a:b. Der Begriff ‚unterworfen‘ wurde bewusst gewählt, da das häufig hohe abstrakte oder metaphorische Niveau sich kaum in Jamben oder Trochäen ausdrücken ließe. Schon die Einteilung in Zeilen und Verse stellt oft ein Problem dar, da Zeilen oder Verse nicht immer als ‚Sinneinheiten‘ auftreten und durch das bewusste Weglassen der Interpunktion manchmal etwas schwer zu lesen bzw. verstehen sind. Sinn- oder Spracheinheiten (Satz) gehen oft über einen Vers hinaus, wobei im selben Vers auch schon die nächste Sinn- oder Satzeinheit beginnt.

Vielleicht hätte ein Übergang in das Lyrische dem Werk besser gestanden. Natürlich ist sich der Rezensent der Problematik des Lyrik-Begriffes und der Lyrik-Diskussion bewusst, dennoch soll hiermit nicht allein die Zugehörigkeit zur poetischen Gattung gemeint sein, sondern gilt „demnach als stimmungshafte Verschmelzung von Subjekt und Objekt als Ergebnis der Verinnerlichung der gegenständlichen Wirklichkeit“ (siehe Metzler Literatur Lexikon -> lyrisch).

Es ist stets Eires Wirklichkeit, die sie uns mitteilt, ihr Leben, Denken, Fühlen, sowie Weisheiten und Erfahrungen, an denen sie uns teilhaben lässt. Auch wenn sie als Jahrgang 1956 nicht mehr ’so‘ jung ist, so ist sie doch im Herzen jung und spricht zu uns von Herz zu Herz, welches die Aufhebung aller Formen möglich machen könnte (also auch der Versform). Wer sich durch die Themen und Verse angesprochen fühlt, wird eine Bereicherung erfahren, wenn er sich Zeit und Ruhe zum Genießen, Reflektieren und Verstehen nimmt, vielleicht auch zum Forschen (Mythologien, Religionen), Leben (Lieben) oder Nachahmen (Kampf um Freiheiten, ‚Revolution‘).

|120 Seiten, Paperback
ISBN: 978-3-941848-01-6|

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_[Martin Dembowsky]http://martinus-schatztruhe.blogspot.de/ _

Janzen, Rhoda – Fix und forty

_Inhalt_

Als sie mit 42 in die Wechseljahre kommt und ihr Mann wenig später auf Gay.com seine große Liebe findet, beschließt Rhoda Janzen, wieder nach Hause zu ziehen: zu einer Mutter, der kein Gesprächsthema zu intim ist, und einem Vater, der als Pastor arbeitet und neben Jesus auch den Erfinder des Seniorenrabatts preist. Eine selbstironische Liebeserklärung an die Heimat – von einer, die auszog, um wieder einzuziehen.

_Meinung_

Als mir „Fix und forty“ damals angeboten wurde, habe ich einen leichten, kurzweiligen Roman erwartet, der zu den typischen Frauenromanen gehört. Da habe ich mich nur leider getäuscht und somit konnte ich mich nicht so ganz auf die Geschichte einlassen. Das Kleid, der Titel und die Kurzbeschreibung deuten zunächst auf einen Frauenroman hin, der mich für eine kurze Zeit unterhalten sollte, leider war dieser dann doch deutlich ernster und tiefgründiger. Normalerweise ist eine gewisse Tiefe immer gut, allerdings war ich nicht darauf vorbereitet, sodass es sehr lange gebraucht hat, bis ich dem Buch wirklich eine faire Chance geben konnte.

„Fix und forty“ ist der erste Roman von Rhoda Janzen. Obwohl mir der Schreibstil gut gefallen hat, brauchte es doch eine ganze Weile, bis ich voll und ganz in der Geschichte war. Die Handlung wird eindringlich, authentisch und sensibel erzählt und das Buch liest sich flüssig.

Allerdings hat es mir bei diesem Buch deutlich an Humor gefehlt. Zwar wird das Buch als sehr humorvoll und spritzig betitelt, wirklich viel gemerkt habe ich davon jedoch nicht. Sehr schade, denn es war massenhaft Potenzial für witzige Momente vorhanden, leider wurden diese nur nicht genutzt.

Rhoda Janzen hat mit Sicherheit kein einfaches Leben. Bereits als Kind war sie anders als die anderen Kinder, denn sie gehört zu den Mennoniten, die streng gläubig sind und viele Verbote und Regeln geschaffen haben. Als sie alt genug ist, versucht sie sich ein normales und bodenständiges Leben aufzubauen, doch leider ist auch dies nicht wirklich gelungen. Sie heiratet, verliert ihren Mann jedoch an einen anderen Mann und dazu hat sie öfters mit ihrer Gesundheit zu kämpfen. So wird ihr z.B. die Gebärmutter entfernt, was sie zusätzlich belastet.

Leider ist sie – meiner Meinung nach – dumm genug, zurück zu den Mennoniten zu gehen. Für viele ist dies vielleicht die einzige nachvollziehbare Entscheidung, ich musste jedoch mit dem Kopf schütteln. Sie fühlte sich früher nie wohl dort und ist regelrecht in ein neues Leben geflüchtet, aber dennoch kehrt sie reumütig zurück. Das passt meiner Meinung nach nicht so ganz, aber gut, Einstellungen können sich schließlich ändern.

Dazu hat mich die Geschichte der Mennoniten nicht wirklich interessiert. Hätte ich gewusst, dass dieses Buch so dermaßen religiös angehaucht ist, hätte ich vermutlich meine Finger davon gelassen. Von daher kann man dem Verlag einen Vorwurf machen, dass sie das Thema nicht deutlicher in der Kurzbeschreibung erwähnt haben. Ich wette, ich bin nicht die Einzige, die vom Inhalt irritiert ist und etwas anderes erwartet hat.

Positiv zu betrachten ist allerdings, wie sehr die Autorin ihre Familie schätzt und daran erinnert, wie wichtig es doch ist, eine Familie zu haben, zu der man immer wieder zurückkehren kann und die einen trotz mancher Fehlentscheidungen erneut in die Arme schließt.

Die Covergestaltung ist ganz hübsch anzusehen, allerdings nicht wirklich etwas Besonderes. Die Kurzbeschreibung ist dagegen eine absolute Katastrophe. Man denkt schnell an einen Chick-Lit-Roman, doch weit gefehlt. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn man das Thema Religion deutlich angesprochen hätte, denn so sorgt die Kurzbeschreibung nur für Verwirrung und lässt enttäuschte Leser zurück.

_Fazit_

Insgesamt hat mir „Fix und forty“ leider nicht gefallen. Dabei mag ich der Autorin noch nicht einmal die große Schuld zuweisen, sondern eher dem deutschen Verlag, der seine Leser mit der Beschreibung in die Irre führt. Hätte ich von Anfang an gewusst, was mich bei dem Buch wirklich erwartet, wäre ich mit Sicherheit anders mit dem Inhalt umgegangen. So bleibe ich leider enttäuscht zurück.

|Taschenbuch: 256 Seiten
Originaltitel: Mennonite in a Little Black Dress: A Memoir of Going Home
Ins Deutsche übertragen von Sabine Schilasky
ISBN 978-3492274173|
http://www.piper-verlag.de
http://www.rhodajanzen.com

Robyn Carr – Wintermärchen in Virgin River (Virgin River 4)

_|Virgin River|:_

Band 1: „Neubeginn in Virgin River“
Band 2: „Wiedersehen in Virgin River“
Band 3: „Happy End in Virgin River“
Band 4: „Wintermärchen in Virgin River“
Band 5: „Ein neuer Tag in Virgin River“
Band 6: „Verliebt in Virgin River“
Band 7: „Zurück in Virgin River“
Band 8: „Under the Cristmas Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „Gemeinsam stark in Virgin River“ (Oktober 2012)
Band 10: „Endlich bei Dir in Virgin River“ (Januar 2013)
Band 11: „Moonlight Road“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Midnight Confessions“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Promise Canyon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Wild Man Creek“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Harvest Moon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 16: „Bring Me Home for Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
Band 17: „Hidden Summit“ (noch ohne dt. Titel)
Band 18: „Redwood Bend“ (noch ohne dt. Titel)
Band 19: „Sunrise Point“ (noch ohne dt. Titel)

_Inhalt_

Wer kann das sein? Ian Buchanan erwartet keinen Besuch. Er hat sich in das kleine Dörfchen Virgin River zurückgezogen, um alleine zu sein. Nie wird er sich verzeihen, dass er seinen schwerverletzten Freund gerettet und ihm damit drei schmerzvolle Jahre bis zum Tod beschert hat. Doch die junge Witwe, die kurz vor Weihnachten vor seiner Tür steht, scheint fest entschlossen, ihm für diese Tat zu danken. Ian hat das Gefühl, dass Marcie Sullivan ihm direkt bis in die Seele schauen kann. Da sieht sie seinen Schmerz, aber auch den Wunsch, Vergebung zu erfahren. Kann er mit ihr zusammen wirklich lernen, die Geister der Vergangenheit zu bannen und wieder glücklich zu werden?

_Meinung_

Virgin River geht in die vierte Runde – und dieses Mal ganz anders, als man es bislang gewohnt war. Robyn Carr kündigt bereits in ihrem – wie immer sehr sympathischen – Vorwort an, dass dieses Buch etwas ganz besonderes ist, und dies merkt man schnell.

Die Geschichte ist relativ eigenständig und kann auch ohne Vorwissen gelesen werden. Zwar kommen die Protagonisten der eigentlichen Reihen ebenfalls vor, erhalten aber mehr oder weniger nur eine Nebenrolle. Die Geschichte spielt mitten im dritten Band „Happy End in Virgin River“ und geht so gut wie gar nicht auf die aktuellen Geschehnisse in Virgin River ein, was ich sehr gelungen finde.

Der Schreibstil ist Robyn Carr wie immer sehr gelungen. Die Stadt und die Umgebung werden liebevoll beschrieben, alte Charaktere lernt man aus neuen Blickwinkeln kennen und die Geschichte liest sich sehr flüssig, einfühlsam und melancholisch. Endlich mal wieder eine Reihe, die nicht nach dem zweiten Band rapide abstürzt, sondern nach wie vor mit vielen guten Ideen glänzt.

Die Charaktere konnte ich direkt ins Herz schließen. Zwar erfährt man von Jack, Preacher, Mel und Paige nicht unbedingt etwas Neues, aber es ist interessant zu sehen, wie Außenstehende über die Einwohner denken und mit welcher Großzügigkeit und Herzenswärme Fremde begrüßt werden.

Marcie ist eine mutige, junge Frau, die durch die Marines in bereits jungen Jahren zur Witwe wurde. Nach einer Trauerphase rafft sie sich auf und möchte ein neues Leben beginnen, was ihr jedoch erst gelingen kann, wenn sie Ian findet, der ihren Mann zunächst gerettet hat. Da er sich jedoch vollkommen abschottet, hat sie keine andere Wahl, als ihn zu suchen, damit sie mit der Vergangenheit abschließen kann. Ihre Entschlossenheit und ihr Mut, Ian zu finden, ist beispielhaft und ich habe mich schnell mit ihr identifizieren können. Sie liebt ihren verstorbenen Mann, ist aber lange nicht so emotional und trauernd wie andere Frauen. Vielmehr denkt sie auch an sich und weiß, dass ihr Leben trotz all der Trauer und Verluste nicht vorbei ist und sie die nächsten Schritte gehen muss.

Ian ist dagegen das genaue Gegenteil. Früher war er sehr mutig und bei den Marines, wo er vielen Soldaten das Leben gerettet hat. Allerdings kann er es sich nicht verzeihen, dass er Marcies Mann zunächst gerettet hat, denn dadurch musste er noch lange unter seinen Verletzungen leiden, bis er ihnen erlegen ist. Er schottet sich ab und bricht zu sämtlichen Menschen den Kontakt ab, dazu gehören auch seine Verlobte und sein Vater. Sein Zwiespalt und seine Gefühle werden gut dargestellt und auch er ist ein liebgewonnener Charakter, über den ich gerne mehr erfahren würde.

Die Suche nach Ian wird glaubwürdig und emotional dargestellt. Marcie steckt immer in einem gewissen Zwiespalt, weil sie die Suche auf ihre Weise angeht. Ihre Schwester ist gegen die Suche und möchte lieber einen Profi aufsuchen und das nötige Geld wird auch immer knapper. Zum Glück lernt sie in Virgin River Jack und Preacher kennen, die sie mit Essen und Trinken versorgen, sodass sie Geld für Benzin sparen kann.

Die Covergestaltung ist wunderschön und passt sich den bisherigen Teilen an. Die Winterlandschaft ist gelungen und strahlt eine gewisse Melancholie und Hoffnung aus. Die Kurzbeschreibung liest sich gut und macht Lust auf mehr. Perfekt!

_Fazit_

Auch wenn „Wintermärchen in Virgin River“ etwas aus der Reihe fällt, ist es dennoch eine wunderbare Geschichte, die das Herz berührt und zum Nachdenken anregt. Besonders empfehlenswert für Leser, die zum ersten Mal etwas von Virgin River lesen möchten.

|Taschenbuch: 332 Seiten
Originaltitel: Virgin River Christmas
Ins Deutsche übertragen von Barbara Albreter
ISBN 978-3899419566|
[www.mira-taschenbuch.de]http://www.mira-taschenbuch.de
[www.robyncarr.com]http://www.robyncarr.com

Carr, Robyn – Wiedersehen in Virgin River (Virgin River 2)

_|Virgin River|:_

Band 1: [„Neubeginn in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7723
Band 2: [„Wiedersehen in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8100
Band 3: [„Happy End in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8099
Band 4: [„Wintermärchen in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8101
Band 5: „Ein neuer Tag in Virgin River“
Band 6: „Verliebt in Virgin River“
Band 7: „Zurück in Virgin River“
Band 8: „Under the Cristmas Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „Gemeinsam stark in Virgin River“ (Oktober 2012)
Band 10: „Endlich bei Dir in Virgin River“ (Januar 2013)
Band 11: „Moonlight Road“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Midnight Confessions“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Promise Canyon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Wild Man Creek“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Harvest Moon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 16: „Bring Me Home for Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
Band 17: „Hidden Summit“ (noch ohne dt. Titel)
Band 18: „Redwood Bend“ (noch ohne dt. Titel)
Band 19: „Sunrise Point“ (noch ohne dt. Titel)

_Inhalt_

Flucht! Das ist der Gedanke, der Paige Lassiter beherrscht. Nur fort von ihrer Heimatstadt, fort von ihrem brutalen Ehemann. Auf ihrer verzweifelten Suche nach einem sicheren Ort für sich und ihren kleinen Sohn landet sie in Virgin River und wird in einer regnerisch-kalten Oktobernacht von John „Preacher“ Middleton aufgenommen. In Gegenwart des eindrucksvollen Ex-Marines mit dem sanften Wesen fühlt Paige sich sofort sicher und geborgen. Und auch sie bringt in dem verschlossenen Mann eine Saite zum Klingen, deren Ton er zuvor nie gehört hat. Doch erst als Paiges Exmann in Virgin River auftaucht und seine Frau und sein Kind zurückverlangt, entdecken beide, welche Gefühle sie wirklich füreinander hegen.

_Meinung_

„Wiedersehen in Virgin River“ ist der zweite Teil der wunderbaren „Virgin River“-Reihe. Auch wenn dieses Buch Teil einer Reihe ist, muss man diese nicht zwingend nach der Reihenfolge lesen. Von Vorteil wäre es hier aber dennoch, da immer wieder Ereignisse aus dem ersten Band hervorgeholt werden.

Während im ersten Band hauptsächlich über das Leben von Mel und Jack berichtet wurde, bekommen nun Preacher und Rick ihre großen Auftritte. Beide sind mit Mel und Jack sehr verbunden und haben bereits im ersten Band eine kleine Rolle gespielt. Nun erfährt man als Leser mehr über die Beiden und man muss sie einfach in sein Herz schließen. Der Schreibstil ist weiterhin flüssig und gut gewählt. Robyn Carr versteht es einfach, ihre Leser immer wieder aufs Neue für sich zu gewinnen.

Bereits bekannte Charaktere haben sich weiterentwickelt und konnten auch weiterhin von sich überzeugen.

Preacher ist ein Einzelgänger, der es hasst, im Mittelpunkt zu stehen. Er lebt ruhig und bescheiden in der Bar, die er zusammen mit Jack betreibt. Durch sein burschikoses Aussehen haben die Leute sehr viel Respekt vor ihm, einige haben sogar Angst vor ihm, wenn sie ihn nur nach dem Aussehen beurteilen. Durch Paige beginnt er sich zu öffnen und zeigt auch seine weiche Seite. Paige und ihr Sohn Christopher bedeuten ihm von Anfang an eine Menge und seine Bemühungen und Gedanken haben mich nicht kalt gelassen – im Gegenteil. Preacher ist ein so lieber Kerl, dass man ihm am liebsten die ganze Welt gönnen würde.

Auch Paige und Christopher muss man einfach ins Herz schließen. Paige hat durch ihren Mann Wes eine Menge durchleiden müssen und flüchtet vor ihm aus ihrer Heimatstadt Los Angeles. Durch ihre Erlebnisse ist sie sehr sensibel und besitzt nur wenig Selbstvertrauen, das sie jedoch nach und nach immer mehr zurückgewinnt.

Rick ist mit seinen 17 Jahren noch sehr jung. Er lebt mit seiner Großmutter in Virgin River und sieht in Jack und Preacher seine größten Bezugspersonen. Die drei sind so eng miteinander verbunden, dass Jack schnell zu einer Vaterfigur für ihn wurde. Durch die Schwangerschaft seiner Freundin Liz wird er zum Mann und stellt sich dem Erwachsenenleben.

Aber auch Mel und Jack werden in diesem Buch weiterhin thematisiert. Mels Schwangerschaft ist eines der Ereignisse in Virgin River und Jack kann sein Glück kaum fassen. Gleichzeitig stehen die Beiden Preacher und Rick in jeder Situation bei.
Die Covergestaltung passt sich dem ersten Band an. Zu sehen ist diesmal der See, an dem sich Preacher, Rick und Jack regelmäßig zum Angeln treffen. Die warmen Farben passen perfekt zur Landschaft und laden zum Träumen ein.

_Fazit_

Insgesamt konnte mich auch der zweite Band der „Virgin River“ von sich überzeugen und in seinen Bann ziehen. Robyn Carr hält an lieb gewonnenen Charakteren fest und erweitert die Kleinstadt mit neuen Bewohnern, die man direkt in sein Herz schließt. Eine tolle Reihe, die ich nur immer wieder empfehlen kann.

|Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: Shelter Mountain
Ins Deutsche übertragen von Barbara Albreter
ISBN 978-3899417500|
[www.mira-taschenbuch.de]http://www.mira-taschenbuch.de
[www.robyncarr.com]http://www.robyncarr.com

Carr, Robyn – Happy End in Virgin River (Virgin River 3)

_|Virgin River|:_

Band 1: [„Neubeginn in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7723
Band 2: [„Wiedersehen in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8100
Band 3: [„Happy End in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8099
Band 4: [„Wintermärchen in Virgin River“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8101
Band 5: „Ein neuer Tag in Virgin River“
Band 6: „Verliebt in Virgin River“
Band 7: „Zurück in Virgin River“
Band 8: „Under the Cristmas Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „Gemeinsam stark in Virgin River“ (Oktober 2012)
Band 10: „Endlich bei Dir in Virgin River“ (Januar 2013)
Band 11: „Moonlight Road“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Midnight Confessions“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Promise Canyon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Wild Man Creek“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Harvest Moon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 16: „Bring Me Home for Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
Band 17: „Hidden Summit“ (noch ohne dt. Titel)
Band 18: „Redwood Bend“ (noch ohne dt. Titel)
Band 19: „Sunrise Point“ (noch ohne dt. Titel)

_Inhalt_

Brie Sheridan weiß nicht, woher sie die Kraft nehmen soll weiterzuleben. Verstört und verletzt liegt die erfolgreiche Staatsanwältin nach einem brutalen Überfall im Krankenhaus, als sich die Tür öffnet und Mike hereinkommt. Der beste Freund ihres Bruders weiß als ehemaliger Marine, wie wichtig es ist, in schweren Zeiten Beistand zu haben. Aufopferungsvoll kümmert er sich um Brie, die mit seiner Hilfe wieder ins Leben zurückfindet. Doch je mutiger sie wird, desto weniger traut sie sich, ihren Gefühlen für Mike nachzugeben. Zu tief sitzen die Enttäuschungen der Vergangenheit. Erst als Mike ihr bei dem Prozess gegen ihren Peiniger zur Seite steht, erkennt sie die Tiefe seiner Liebe zu ihr.

_Meinung_

„Virgin River“ – eine Reihe, die ich bislang gerne und intensiv verfolgt habe. Nachdem ich von den ersten beiden Bänden sehr angetan war, stand für mich fest, dass ich auch den dritten Band lesen möchte. Zwar liest sich der dritte Teil deutlich anders als seine Vorgänger, aber dennoch hatte ich meinen Spaß mit den Charakteren und dem verschlafenen Ort Virgin River.

Robyn Carr hat mal wieder alle Register gezogen und Virgin River erneut zu einem sehr liebevoll beschriebenen Ort gemacht, den ich sehr gerne immer wieder in Buchform besuche. Allerdings liest sich die Fortsetzung etwas anders als die bisherigen Bände, denn nun wird die Geschichte aus mehreren Sichten erzählt, anstatt immer nur aus ein bis zwei Perspektiven. Dies fand ich besonders gut, weil neue Charaktere so sehr gut eingeführt wurden und man bereits bekannte Charaktere noch besser kennen lernen konnte – und dabei habe ich Charaktereigenschaften entdeckt, die bislang eher nicht bekannt waren.

Besonders auffällig ist es bei Jack, der in diesem Band recht verändert rüber kommt. Bislang war er ein sehr ausgeglichener Mann, der mit jedem Bewohner gut auskommt und alles stets locker sieht. Allerdings reagiert er bei Brie und Mike alles andere als gelassen, vielmehr wirkt er sehr steif und verbissen, was so gar nicht zu seinem bisherigen Charakter passt. Auch wenn ich Jack in diesem Buch etwas weniger mochte als sonst, bleibt er dennoch ein gern gelesener Protagonist.

Neben Mike und Brie lernt man in diesem Buch die beiden Schüler Tommy und Brenda kennen, die bislang gänzlich unbekannt waren. Letztere lernt man eher im Hintergrund kennen, was jedoch ausreichend ist, da das Hauptaugenmerk hier klar auf Brie und Mike gerichtet ist. Beide stehen Jack sehr nahe, Mike ist einer seiner besten Freunde und Brie ist seine jüngste Schwester, auf die er besonders gut aufpassen möchte. Sie haben eine schwere Zeit durchgemacht. Während Mike bei einem Polizeieinsatz lebensbedrohlich verletzt wurde, muss sich Brie von einer Vergewaltigung erholen, die ihr ein ehemaliger Angeklagter angetan hat. Während Mike förmlich nach Virgin River geflüchtet ist und dort noch einmal von vorne anfangen möchte, fährt Brie eher mit gemischten Gefühlen nach Virgin River, um auf das Baby von Jack und Mel aufzupassen, während sie für ein paar Tage die Stadt verlassen.

Ihre jeweiligen Geschichten werden authentisch und ausführlich dargestellt. Während man beide bereits aus den Vorbänden als Nebenfiguren kennen lernen durfte, haben beide nun ihre nötige Zeit erhalten, um dem Leser ausführlich bekannt gemacht zu werden.

Allerdings wurden selbst mir die Handlungsstränge am Ende doch zu viel. Zwar haben alle Stränge eine Verbindung zueinander, aber bis diese endgültig zusammengeknüpft sind, dauert es eine Weile, was stellenweise dann doch zu vollgepackt wirkt. Jedoch hat Robyn Carr es erneut geschafft, dass jede Seite etwas Besonderes ist, wovon ich nur sehr selten losgekommen bin. Die Autorin bleibt sich und ihren Charakteren treu und schafft eine perfekte Mischung aus alten und neuen Charakteren sowie die allgemeine Entwicklung der Stadt Virgin River.

Die Covergestaltung ist wunderschön und übertrifft erneut das Originalcover. Die warmen Farben und der See geben zusammen ein romantisches Bild ab, welches man sehr gerne live erleben möchte. Ein Kritikpunkt ist jedoch die Kurzbeschreibung, die mir zu sehr in die Irre führt, da es in diesem Buch alles andere als nur um Brie geht. Es wäre schön gewesen, wenn man sich nicht nur auf sie fixiert hätte, da man sonst schnell falsche Erwartungen hat.

_Fazit_

Insgesamt konnte mich auch dieser Band der „Virgin River“-Reihe voll und ganz überzeugen. Sympathische Charaktere und eine wunderbar beschriebene Kleinstadt machen diese Reihe zu einem großartigen Erlebnis, das man nicht missen mag. Ich freue mich auf den vierten Band, der sich bereits in meinem Besitz befindet.

|Taschenbuch: 432 Seiten
Originaltitel: Whispering Rock
Ins Deutsche übertragen von Barbara Albreter
ISBN 978-3899418217|
[www.mira-taschenbuch.de]http://www.mira-taschenbuch.de
[www.robyncarr.com]http://www.robyncarr.com

Joyce, Rachel – unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry, Die

_Harold Fry ist 60 Jahre alt_ und seit einem halben Jahr pensioniert. Er lebt gemeinsam mit seiner Frau Maureen in einem netten Haus mit Garten, versteht sich gut mit seinen Nachbarn und verbringt seine Tage stets auf dieselbe Art und Weise. Augenscheinlich sind er und seine Ehefrau glücklich, doch der Schein trügt und die perfekte Maske von Harold Frys Leben beginnt eines Tages zu bröckeln, als er einen Brief von seiner alten Freundin Queenie Hennessy erhält. Darin erfährt er, dass sie Krebs hat und in Kürze sterben wird. Ergriffen und schockiert schreibt Harold ihr sofort eine Antwort, währenddessen seine Frau Maureen, wie so oft, nicht weiß, wie sie mit ihm umgehen soll und nicht die richtigen Worte findet, und möchte den Brief nur kurz zum Briefkasten bringen. Dann allerdings läuft er weiter, am Briefkasten vorbei, am Postamt vorbei und findet sich an einer kleinen Tankstelle wieder. Inspiriert von einem Gespräch mit einer jungen Frau dort beschließt Harold schließlich, einfach weiter zu laufen. 1000 Kilometer durch ganz England, um bei seiner alten Freundin Queenie zu sein und sie zu retten.

Doch will er durch diese Pilgerreise nicht nur seine Freundin Queenie retten, er rettet, wenn es ihm auch zunächst nicht bewusst ist, vor allem sich selbst und seine Ehe. Auf seinem langen Fußmarsch trifft Harold Fry die verschiedensten Menschen, die ihn positiv und negativ beeinflussen, denkt über seine Vergangenheit und sein festgefahrenes Leben nach und räumt mit allem auf. Immer wieder gerät er an seine Grenzen und muss sich überwinden, weiter zu machen, immer wieder holen ihn verdrängte Erinnerungen ein, die er bewältigen muss. Doch Harold Fry hat sich in den Kopf gesetzt, die 1000 Kilometer hinter sich zu bringen.

_Rachel Joyce hat mit ihrem Debüt_ wahrlich ins Schwarze getroffen und ein Werk verfasst, dass seinesgleichen vergeblich sucht. Und dabei ist „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ nicht einmal besonders spannend oder packend, dafür aber umso berührender. Die Geschichte des Mannes, der sein Leben Revue passieren lässt und sich all seinen Fehlern stellt, regt zum Nachdenken an, geht sofort tief unter die Haut und sitzt noch lange nach Genuss des Buches dort fest. Auch werden sich viele Leser zumindest ein Stück weit in Harold hinein versetzen können, dessen Leben größtenteils aus jeder Menge kleinerer Sorgen, unausgesprochenen Vorwürfen an sich selbst und andere, stets denselben kleinen Streitereien sowie zahllosen Fragen, wie es so kommen konnte, ob man aus diesem Teufelskreis jemals wieder herauskommt oder ob man nicht schon früher hätte etwas anders machen können, besteht. Harolds Leben bietet einfach so viele kleine Aspekte, die auf den ersten Blick alltäglich und durchschnittlich erscheinen, das Buch auf den zweiten Blick aber gerade dadurch so interessant machen, dass sich jeder ein Stück weit in ihnen wieder findet.

Aus diesem Grunde kann ich auch nur zum Kauf von „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ raten. Für manch einen hat die Lektüre vielleicht sogar ähnlich heilsame Wirkung wie die Pilgerreise für Harold Fry.

|Gebunden mit Schutzumschlag, 384 Seiten
Originaltitel: The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry
Ins Deutsche übersetzt von Maria Andreas-Hoole
ISBN-13: 978-3810510792|
http://www.fischerverlage.de/verlage/krueger__verlag

Evers, Horst u.a. – Urlaub mit Punkt Punkt Punkt

_Inhalt_

Das lässt sich nur mit Humor ertragen! Fluglotsenstreik, Horrorhotel, Algenpest, Durchfall – wer in den Urlaub fährt, hat oft nicht viel zu lachen. Es empfiehlt sich daher die Mitnahme dieses Buches: Alle hier versammelten Autoren sind ausgewiesene Experten fürs Komische. Und es gelingt ihnen mit ihren Geschichten, selbst in die gefürchtete schönste Zeit des Jahres ein bisschen Sonnenschein zu zaubern.

_Meinung_

Als ich „Urlaub mit Punkt Punkt Punkt“ als Geschenk erhalten habe, war ich zunächst sehr skeptisch, da ich bislang Bücher von Horst Evers immer gemieden habe. Dann wurde ich jedoch noch neugierig und wollte ihm und anderen Autoren in diesem Buch eine Chance geben.

Leider war mein erstes Gefühl genau das Richtige, denn das Buch konnte mich nur in sehr wenigen Momenten überzeugen. Erstaunlicherweise war direkt die erste Geschichte diejenige, die mich überzeugen konnte, alle anderen waren eher müde und eintönige Erzählungen, die ich nicht unbedingt am Strand hätte lesen wollen. Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet der Autor, den ich immer eher skeptisch betrachtet habe, mich nun unterhalten konnte.

Horst Evers hat in seiner Geschichte zwar enorme Wortwiederholungen drin, allerdings hat mich dies – wenn man die anderen Geschichten vergleicht – kaum gestört. Anders dagegen die anderen Geschichten, die zwar allesamt eine recht gute Länge haben, aber sonst mich nicht vom Hocker gerissen haben. Vor allem von Rita Falk bin ich enttäuscht, da ich von ihr deutlich mehr erwartet habe.

Die jeweiligen Urlaubserlebnisse waren stellenweise 08/15-Momente, die man nicht unbedingt aufs Papier bringen musste, weil es diese allesamt in besserer Form schon einmal gab.

Die Schreibstile sind jedoch allesamt ganz nett, es fehlte mir nur das Besondere, was ich in dem Buch schmerzlich vermisst habe. Besonders Kurzgeschichten müssen mich direkt mit dem ersten Satz ansprechen, bei einigen war es dagegen eher abschreckend. Hätte ich dieses Buch mit in den Urlaub genommen, hätte ich mich maßlos über das unnötige Gepäck geärgert, denn „Urlaub mit Punkt Punkt Punkt“ ist, zumindest für mich, nicht gerade die perfekte Urlaubs-, bzw. Strandlektüre.

Wie gesagt, die Geschichten, die allesamt von Urlaub handeln, sind nicht unbedingt schlecht, aber es fehlt in nahezu jeder Geschichte mindestens die Besonderheit und die Lockerheit. Ich kann mir vorstellen, dass es für Autoren schwer ist, eine Kurzgeschichte zu schreiben, erst recht, wenn sie mehrere hundert Seiten lange Bücher gewohnt sind, aber dennoch fehlt bei einigen schlicht und ergreifend das Talent, auch bei einer Kurzgeschichte zu überzeugen. Positiv ist dagegen, dass ich nun endlich Horst Evers für mich entdeckt habe und ihm in Zukunft eine Chance geben werde.

Das Cover ist ganz hübsch und ist passend zum Thema Urlaub. Allerdings erlebt man die Situation auf dem Cover nur selten in den jeweiligen Geschichten, was ich ein wenig schade finde. Die Kurzbeschreibung ist ganz okay, allerdings wird da so dermaßen übertrieben, dass ich im Nachhinein nur müde drüber schmunzeln kann.

_Fazit_

Insgesamt ist „Urlaub mit Punkt Punkt Punkt“ nicht die perfekte Urlaubslektüre, wie sie vom Verlag dargestellt wird. Müde Geschichte und Handlungen ohne Höhen und Tiefen gibt es hier dagegen mehr als einmal. Eine Geschichte für zwischendurch ist sicherlich mal nicht schlecht, allerdings würde ich empfehlen, dieses Buch nicht mit in den Urlaub zu nehmen.

|Taschenbuch: 288 Seiten
ISBN 978-3499258862|
http://www.rowohlt.de/

Horst Evers

Haji, Nafisa – Worte auf meiner Stirn

_Über Dichtung und Wahrheit und eine verflixte Großfamilie_

Die Journalistin Saira findet sich nach Jahren der unsteten berufsbedingten Wanderung plötzlich mit Sakina, der jungen Tochter ihrer Schwester, in ihrem Elternhaus in Los Angeles wieder. Rückblickend überlegt sie, wie sich ihr Leben bis zu diesem Zeitpunkt gestaltet hat, und versucht zu ergründen, welche Episoden aus der Vergangenheit ihrer Familie bis in die Gegenwart hineinwirken und ihr eigenes Leben maßgeblich beeinflusst haben.

Der wichtigste Ansatzpunkt in diesem autobiografischen Roman um einen großen pakistanischen Familienclan, der sich im Laufe des 20. Jahrhunderts über die Erdteile verstreut hat, sind die Geschichten, die Sairas Mutter ihren Töchtern seit frühester Kindheit erzählt hat. In ihnen spielen Pflicht, Verantwortung und vor allem die Heirat und Familiengründung die wichtigste Rolle. Sie sollen Moral lehren und Orientierung für den eigenen Lebensweg bieten. Was bei der älteren Schwester Ameena gut funktioniert, wirkt sich auf Saira insofern fatal aus, dass sie die Geschichten früh zu hinterfragen beginnt und mehr wissen will als für die Aussageabsicht der Mutter gut ist.

Auf einer Reise zu Familienfeierlichkeiten nach Indien erfährt Saira als Teenager, dass der Mann, welcher durch seine verhängnisvolle Leidenschaft für den Tanz angeblich bald gestorben ist, nachdem er sich und seine Familie ins Unglück gestürzt hatte, in Wahrheit ihr Großvater war, der sich nach einer Heirat mit einer Engländerin tatsächlich lange Zeit bester Gesundheit erfreute und Sairas Verwandte hinterlassen hat, die sie nie kennen lernen durfte, weil sich ihre Mutter von ihrem eigenen Vater losgesagt hat. Damit beginnt Saira zu verstehen, dass ihre große Familie voller Geheimnisse ist, und im Laufe ihres Lebens entdeckt sie immer mehr Wahrheiten hinter den Geschichten ihrer Mutter. Sie findet heraus, dass diese Geschichten sich aus nicht erfüllten Erwartungen und Enttäuschungen entwickelt haben. Unbeliebte Entscheidungen abseits der indischen und muslimischen Tradition werden dabei aus dem Familiengedächtnis verbannt; notfalls die Personen gleich mit. So hat ihr Großvater sich für die Freiheit und gegen die schöne, fügsame, traditionelle Frau entschieden. Ihre Tante Big Nanima hat sich halb gewollt, halb aus Mangel an Gelegenheit gegen die Heirat und für eine berufliche Karriere entschieden. Schließlich entscheidet sich auch Sairas homosexueller Cousin dafür, seine Neigung der Familie zu enthüllen und katapultiert sich damit aus ihr hinaus.

Das Finden der eigenen Stimme in einem Leben, in dem die Vorstellungen der modernen westlichen Welt und der Traditionen des alten Pakistan sich beständig aneinander reiben, wird durch das Symbol der „Speaker’s Corner“ in London immer wieder illustriert. An diesem Ort der freien Meinungsäußerung lernt der Großvater seine spätere englische Frau kennen, und dort entscheidet sich einmal mehr auch Sairas Schicksal, als sie die Möglichkeit, Journalistin zu werden, erkennt.

Natürlich muss Saira auch lernen, dass die gewonnene Freiheit ihre Schattenseiten hat. Big Nanima zeigt Saira auf, auf welche Möglichkeiten sie für ihren Traum verzichten musste. Aber sie macht ihr auch klar, dass die Traditionen ein Vorteil im Leben sein können und nicht grundsätzlich zurückgewiesen werden müssen. So lebt Big Nanima zwar als Dozentin ein selbständiges Leben, aber sie wird trotzdem nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben von ihrer Familie, die für jedes Mitglied lebenslang Verantwortung trägt, aufgefangen, weil sie ihre Freiheit nur in einem für ihre Familie vertretbaren moralischen Rahmen ausgelebt hat. Als ihre Mutter Saira mit Hilfe des riesigen Familiennetzwerkes an den Ehemann bringen will, rät Big Nanima Saira zu Verständnis für die Tradition und dazu, ihren Lebensweg so zu gehen, dass sie das Gute aus beiden Welten vereint: „Du musst dich entscheiden, was für ein Leben du willst. Aber übereile nichts und wirf nicht alles Alte dem Neuen zuliebe über Bord! Mach Platz für beides, Saira! Das alte Familiennetzwerk, das steht uns bei, wen wir geboren werden – und wenn wir sterben. Es ist nicht immer schlecht. Hier sterben Leute nicht allein und unbemerkt in ihren Wohnungen […] Es gibt Zeiten, in denen man sein Leben nicht selbst in der Hand hat, Saira. Und in diesen Zeiten brauchen wir alle … wie hast Du das genannt? Ein Drehbuch? … Ein Drehbuch, nach dem wir uns richten können.“

Schließlich zeigt die Tradition auch Saira nach Jahren der beruflichen Selbstverwirklichung und mit dem festen Vorsatz, keine Familie zu gründen, eine Möglichkeit, nach dem Tod der Schwester, die den traditionellen Weg der Heirat und Familiengründung gegangen ist, einen Weg zur Weiterentwicklung auf. Das überraschende Ende des Romans, das einmal mehr ein gut gehütetes Familiengeheimnis enthüllt, illustriert, dass es immer wieder Wendepunkte im Leben gibt, weil das Leben immer auch von unvorhersehbaren äußeren Umständen geprägt wird. Sich der Verantwortung zu stellen, bietet Saira die Möglichkeit, sich mit ihrer Vergangenheit zu versöhnen und einen Weg zu gehen, den sie für sich bereits verworfen hatte.

Nafisa Haji schreibt mit der bezaubernden Leichtigkeit einer Geschichtenerzählerin über das schwierige Thema der Identitätsfindung von Immigranten in der postmodernen Welt, in der die über Jahrzehnte bewährten Strukturen und Lebensmuster kaum noch Orientierung bieten. Sie stellt die nüchterne westliche Welt, in der das Individuum vorrangig auf sich allein gestellt ist, der lauten, bunten indischen Welt der Großfamilie mit ihren Traditionen, Erwartungen und Verpflichtungen so gegenüber, dass dem Leser nicht nur Kritisches, sondern auch viel Liebevolles über die indische Kultur erzählt wird. Was für die erste Generation der Auswanderer scheinbar noch selbstverständlich ist, kann von den Kindern hinterfragt oder gar abgelehnt werden. Die noch heimlich erschlichene Möglichkeit Sairas zum Theaterspielen in der Schule wird für Sakina bereits selbstverständlicher Teil des Schullebens sein. Sie wird nicht frei von Ängsten und Zweifeln leben. Dennoch wächst auch sie mit den Worten auf, die die Mütter der Familie ihren Töchtern seit Generationen zur Beruhigung in Angstsituationen auf die Stirn schreiben, die bedeuten, „… dass es viele Dinge gibt, die wir nicht verstehen können. Die Vergangenheit. Die schlimmen Dinge, die geschehen sind. […] Und das macht uns Angst. Vor dem, was in Zukunft geschehen kann.“ Aber sie wächst auch mit der Gewissheit auf, dass die Angst ein Bestandteil des Lebens ist und sie trotzdem ihren eigenen Weg zum Glück und zur Zufriedenheit finden wird.

|Originaltitel: The Writing on my Forehead
Übersetzung: Christine Frick-Gerke
368 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3426198421|
http://www.droemer-knaur.de

Ogawa, Yoko – Geheimnis der Eulerschen Formel, Das

Eine Frau kommt als Haushälterin zu einem verschrobenen Mathematikprofessor, der nach einem Unfall zurückgezogen auf dem Grundstück seiner Schwägerin in einem kleinen Häuschen lebt. Seit dem Unfall kann der Professor sich nur an diejenigen Dinge erinnern, die in den letzten 80 Minuten geschehen sind. Alles andere hat er vergessen, außer der Mathematik mit ihren geheimnisvollen und anmutigen Formeln. Um sich jeden Morgen wieder an seine Haushälterin zu erinnern, hat der Professor sie auf einen Zettel gezeichnet und diesen an seinen Anzug geheftet, ein anderer Zettel erinnert ihn daran, dass sein Kurzzeitgedächtnis nur noch 80 Minuten währt. Weitere Zettel erinnern ihn an andere wichtige Dinge, die er sonst vergessen würde.

Bereits acht Haushälterinnen hat die Schwägerin des Professors nach kurzer Zeit entlassen, doch mit der neunten soll alles anders werden: Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen gewinnt sie das Vertrauen des Professors. Als sie ihm erzählt, dass zuhause ihr zehnjähriger Sohn auf sie wartet, besteht der Professor darauf, dass der Sohn – den er aufgrund seines flachen Schädels schnell Root tauft – nach der Schule auch zum Haus des Professors kommt, damit er nicht so lange alleine sein muss. Schnell schließt der Professor den Jungen in sein Herz, löst mit ihm zusammen die Hausaufgaben, stellt ihm allerlei mathematische Rätsel und versucht, dem Jungen die Schönheit der Mathematik näher zu bringen.

Auch wenn dies bei Root nicht so sehr fruchtet, so versteht dieser nach den Erklärungen des Professors zumindest seine Hausaufgaben, doch die Haushälterin lässt sich von der Liebe des Professors zur Mathematik anstecken. Zuhause versucht sie abends, die mathematischen Rätsel zu lösen und hinter das Geheimnis aller möglicher Formeln zu kommen. Aber es ist mehr als die Mathematik, die diese drei Menschen miteinander verbindet – bis Root und seine Mutter den Professor zu einem Baseballspiel mitnehmen und plötzlich alles in sich zusammenbricht, was die drei sich aufgebaut haben …

_Die Schönheit der Mathematik_

„Das Geheimnis der Eulerschchen Formel“ heißt dieses schmale Büchlein einer der erfolgreichsten japanischen Autorinnen. Doch wer diesen Titel zu wörtlich nimmt, könnte enttäuscht werden. Zwar kommt die Eulersche Formel auch zur Sprache und wird auch ansatzweise erklärt, doch geht es in diesem Buch nicht in erster Linie darum, hinter die Geheimnisse der Mathematik zu blicken, sondern die Mathematik ist das Bindeglied zwischen drei sehr unterschiedlichen Menschen – einer Haushälterin, die mit ihrem Sohn in sehr einfachen Verhältnissen lebt und auf den Job beim Professor angewiesen ist, und besagten Professor, der die schwierigsten Rätsel der Mathematik zu lösen vermag, aber sich nicht länger als 80 Minuten an etwas erinnern kann. Wie diese drei Menschen zusammenfinden, welche Rolle die Mathematik dabei spielt und wie die drei – so unterschiedlich sie auch sind – immer mehr zusammen wachsen, das beschreibt Yoko Ogawa in dem vorliegenden Buch.

Zunächst tritt die Haushälterin mit großer Skepsis ihre neue Stelle an, weiß sie doch, dass der Professor bereits acht Haushälterinnen in kürzester Zeit rausgeworfen hat, doch vom ersten Moment an ist alles anders. Schnell findet die Haushälterin einen Weg, zu dem Professor vorzudringen und mit ihm umzugehen. Ogawa erzählt eine Geschichte von einer sehr ungewöhnlichen Persönlichkeit, die einen tief bewegt und berührt. Es ist eine sehr leise Geschichte, die sich nie in den Vordergrund drängt und es sind zarte Bande, die die Haushälterin zum Mathematik-Professor knüpft – zarte Bande, die nach dem Baseballspiel schlagartig zu zerreißen drohen.

_Die Schönheit der Sprache_

Das Büchlein hat leider nur 256 Seiten und ist ratzfatz gelesen, da die Seiten nur sehr spärlich bedruckt sind, aber welch eindrucksvolle Geschichte die Yoko Ogawa in dieser Kürze entfaltet, beeindruckt von den ersten Seiten an. Ogawa hat einen sehr anmutigen und ansprechenden Schreibstil und eine herrlich poetische Ausdrucksweise, in der man versinken mag. Ein Beispiel:

|“Mir gefiel auch die Form der Ziffern, die er mit seinem Bleistift aufs Papier zauberte. Die 4 wirkte rund und üppig wie der Knoten einer Geschenkbandschleife, während die 5 sich derart weit vorlehnte, dass sie fast ins Stolpern geriet. Die einzelnen Zahlen waren zwar nicht besonders akkurat, aber alle besaßen ihre eigene Persönlichkeit. Seine Liebe zu den Zahlen, die der Professor zeit seines Lebens hegte, fand sich darin wieder.“|

Hier sitzt jedes Wort und lässt einen beim Lesen ins Schwärmen geraten, denn die Gratwanderung zwischen poetischer Sprache und klischeehaftem Geschwafel meistert Ogawa überzeugend, nie gleitet sie ins Kitschige ab, sondern bleibt immer in sicherer Entfernung von dieser Grenze zum Gewöhnlichen. Ihre Schreibweise ist wahrlich außergewöhnlich und das eigentliche Geheimnis hinter dem Erfolg ihres Buches. Natürlich zeichnet Yoko Ogawa auch wunderbare Charaktere, die einem das Herz erwärmen mit ihren herzensguten und liebevollen Eigenschaften und Eigenarten, doch wie Ogawa all dies geschickt zu Papier bringt, ohne wirklich ein Wort zu viel zu schreiben, ist eine wahre Meisterleistung.

_Zauberhaft_

Es ist gar nicht viel, das in diesem Buch passiert – zumindest auf der reinen Handlungsebene. Doch was zwischen den Zeilen steht und insbesondere, was unausgesprochen zwischen den handelnden Charakteren passiert, was sich hier aufbaut und wie die drei zueinanderfinden, ist eine großartige Geschichte. Wir lernen drei sympathische, allerdings nicht alltägliche Figuren kennen, die hier eine außergewöhnliche Freundschaft eingehen. Bindeglied sind mathematische Rätsel und der Zauber, der einigen Zahlen innewohnt. Sie sind das Bindeglied zwischen der Haushälterin und dem Professor, der sich in der normalen Alltagswelt nicht zurechtfindet und sich daher in die Welt der Zahlen zurückzieht.

Yoko Ogawa schafft es in eindringlicher Weise, uns diese wunderschöne Geschichte zu erzählen und sie uns so nahe zu bringen, dass wir tief von ihr berührt werden. Wer Wert auf schöne Sprache legt, auf eine außergewöhnliche und zurückhaltende Geschichte, die man so sicherlich noch nicht gelesen hat, der ist hier genau richtig!

|Gebunden: 256 Seiten
Originaltitel: Hakase no Aishita Sushiki
ISBN-13: 978-3-935890-88-5|
http://www.liebeskind.de

Kuttner, Sarah – Wachstumsschmerz

_Inhalt_

Luise und Flo sind ein Paar und beschließen, endlich erwachsen zu werden. Sie suchen eine Wohnung, ziehen zusammen, schaffen sich ein gemeinsames Bett an und tanzen zu Manfred Krug durch ihre neuen Zimmer. Doch nach kurzer Zeit stehen sie im Flur nebeneinander wie zwei an der Raststätte vergessene Kinder. Luise hat das Gefühl, nur Erwachsen zu spielen. Irgendwie ist dieses Leben falsch. Als ob jemand plötzlich alles verwandelt hätte, die Regeln geändert für das Leben, ab dreißig oder so. Quarterlife Crisis: Darf man die zahllosen Möglichkeiten des Lebens einfach ignorieren und wie ungebetene Gäste vor der Tür stehen lassen? Wie kann man der Liebe vertrauen, wenn man nicht mal sich selbst vertraut? Wie konnte die Zeit nur so schnell vergehen? Und was fangen wir mit den nächsten zwei Dritteln des Lebens an?

_Eindruck_

Endlich! Nach über zwei Jahren Wartezeit gibt es nun endlich einen neuen Roman von Sarah Kuttner. Ihr erstes Werk „Mängelexemplar“ gehört für mich zu meinen allerliebsten Büchern und somit stand schnell fest, dass ich auch diese Geschichte unbedingt lesen muss. Enttäuscht wurde ich hierbei nicht, denn „Wachtumsschmerz“ ist fast genauso gut wie „Mängelexemplar“. Was Sarah Kuttner schreibt, glaubt man ihr einfach. Die Autorin schafft es auch dieses Mal, dass man sich beim Lesen unglaublich wohlfühlt. Die Charaktere sind sehr authentisch und man erkennt sich – zum Teil unfreiwillig – in ihnen wieder. Wer bereits „Mängelexemplar“ gelesen hat, dürfte den wunderbaren und flüssigen Schreibstil bereits kennen. Ich bin während der Geschichte nur so durch die Seiten geflogen und konnte von der Handlung nicht genug bekommen. Die Geschichte wird salopp in der Gegenwart geschrieben, zeigt aber auch immer wieder kleine Memos, bei denen nicht sofort klar ist, worauf diese hinauslaufen. Lange habe ich darüber gerätselt und die Auflösung hat mich ein wenig sprachlos zurückgelassen. Außerdem ist eine große Portion Humor und Sarkasmus in diesem Buch vertreten. Auf urkomische Art und Weise beschreibt Sarah Kuttner das Zusammenleben und die kleinen und großen Macken der Protagonisten.

Luise und Flo sind zwei grandiose Charaktere, die ich sofort in mein Herz geschlossen habe. Beide haben große Angst vor der Zukunft und lieben ihre eigenen vier Wände. Nun, wo der Umzug in das erste gemeinsame Heim ansteht, werden beide nachdenklich und verarbeiten diesen Schritt auf vollkommen andere Art und Weise. Ihre Gedanken, Gefühle und Zweifel bezüglich der Zukunft und dem Zusammensein werden sehr authentisch dargestellt. Auch die Frage, ab wann man als Erwachsen gilt und ab wann man seine kindliche Seite ablegen muss, bleibt während der ganzen Geschichte präsent. Während Flo oftmals ruhig, gelassen und humorvoll reagiert, ist Luise stellenweise das genaue Gegenteil. Sie ist sehr emotional, verletzlich und manchmal sogar schon fast zu sarkastisch. Beide haben ihren eigenen Humor, der oftmals nicht sofort bei mir gezündet hat, aber je mehr ich über die beiden Protagonisten erfahren habe, umso besser habe ich sie und ihre Art verstanden. Aber es geht hierbei nicht nur um das Thema Erwachsenwerden, sondern auch um andere Dinge, wie Luises Familie und die Beziehung zwischen Luise und Flo, bei der ich oftmals das Gefühl hatte, dass die sich – bis auf den Umzug – nicht wirklich weiterentwickelt.

Ihre Ängste und besonders ihre Zweifel werden gut dargestellt. Die Frage, ob etwas ab einem gewissen Alter einfach getan werden muss, hat mich auch lange nach dem Buch beschäftigt. Muss man sich der Gesellschaft anpassen? Muss man ’normal‘ sein? Was bedeutet ’normal‘?

Für diese und andere Fragen ist Luises Schwester Jana zuständig, die mitten in ihrem Psychologiestudium steckt und ihre Mitmenschen gerne analysiert. Dabei spielt besonders Luise oftmals eine große Rolle, die so manches Mal mit ihrem Verhalten auffällt. Wirklich grandios ist dabei allerdings, dass Jana die Fragen nie vollständig beantwortet. Vielmehr lässt Sarah Kuttner ihre Leser weiterhin an der Gedankenwelt teilhaben und regt sie an, über ihr Leben und ihre Verhaltensweisen nachzudenken.

Ein ganz großes Thema sind in diesem Buch auch die Emotionen, die mich sehr von sich überzeugen konnten. „Wachstumsschmerz“ hat alles, was man sich als Leser wünschen kann: Sarkasmus, Humor, Trauer, Freude, Angst, Sehnsucht, Zweifel. Man kann gar nicht anders, als sich in irgendeiner Form hier wieder zu erkennen.

_Insgesamt konnte mich_ Sarah Kuttner erneut mit ihrem wunderbaren Schreibstil, grandiosen Charakteren und einem Feuerwerk an Emotionen überzeugen. Zwar reicht die Geschichte nicht ganz an „Mängelexemplar“ heran, aber dennoch konnte sie mich von der ersten bis zur letzten Seite an begeistern und zum Nachdenken anregen. Hoffentlich muss man bis zum nächsten Buch nicht wieder ganze zwei Jahre warten. Absolute Kaufempfehlung.

|Taschenbuch: 280 Seiten
ISBN 978-3100422064|
http://www.fischerverlage.de
http://www.sarahkuttner.de

_Sarah Kuttner bei |Buchwurm.info|:_
[Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2435
[Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3678

James, Julie – Für alle Fälle Liebe

_Inhalt:_

Anwältin Cameron Lynde hört mit an, wie im Hotelzimmer nebenan eine Frau ermordet wird. Und den Fall übernimmt ausgerechnet FBI-Agent Jack Pallas, der mit Cameron noch eine Rechnung offen hat. Nach einem unglücklichen Ereignis in der Vergangenheit macht Jack Cameron für den Niedergang seiner Karriere verantwortlich. Doch nun müssen die beiden zusammenarbeiten, um einen gefährlichen Mörder zu überführen. Und stellen schon bald fest, dass sie tiefere Gefühle füreinander entwickeln …

_Meine Meinung:_

Cameron verbringt eine Nacht im Hotel, weil ihr Haus renoviert wird. Mitten in der Nacht wird sie von eindeutigen Geräuschen aus dem Nachbarzimmer geweckt. Lange kann sie kein Auge zumachen, bis das Pärchen zum Ende kommt. Nach einem kurzen Nickerchen wacht sie wieder auf, weil sie denkt, dass es bei dem Pärchen in eine zweite Runde geht. Da sie gerne schlafen würde, ruft Cameron beim Hoteldirektor an, nicht ahnend, dass dieser Anruf ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Aufgescheucht von einem Türknallen schleicht sie an ihre Tür und sieht einen Mann weggehen. Als wenige Minuten später das Hotelpersonal auf ihrer Etage erscheint und in das Zimmer nebenan geht, wird Cameron ungeduldig. Kurze Zeit später kommen dann Krankenwagen und Polizei an. Nun weiß Cameron, dass etwas Schlimmes passiert ist. Sie wird in ihrem Zimmer sozusagen gefangen gehalten und muss sich kurze Zeit später ihrem schlimmsten Albtraum stellen, denn ausgerechnet Jack Pallas muss die Ermittlungen leiten.

Jack hatte vor drei Jahren eine verdeckte Ermittlung laufen gehabt und kurz vor der Anklageerhebung durch Cameron musste sie den Fall schließen, weil ihr Vorgesetzter es so wollte. Dann wurde Jack versetzt und hat Cameron die Schuld dafür gegeben. Verärgert hatte Jack dann ein unerfreuliches Interview gegeben und unfeine Dinge über Cameron gesagt, was sie ihm heute noch übel nimmt. Aber alles ändert nichts daran, dass sie nun mit Jack und seinem Kollegen zusammen arbeiten muss, um den Mörder der jungen Frau zu finden, auch wenn es zwischen Jack und Cameron immer mal wieder knallt und heftig die Funken fliegen. Auf dem Junggesellinnenabschied ihrer Freundin Amy kommt es zu einem Zwischenspiel zwischen Cameron und Jack. Als sie dann nach ein paar Tagen in ihrem Haus überfallen und angeschossen wird, beschließt Jack in Camerons Haus zu ziehen und so persönlich für ihren Schutz zu garantieren. Immer heftiger werden die Gefühle der beiden und entladen sich dann auf der Hochzeit von Amy. Wie zurück im Haus von Cameron ist es für beide fast zu spät sich näherzukommen, denn der Mörder ist näher, als sie dachten.

Cameron ist eine liebenswürdige, leicht schräge Frau, die als Staatsanwältin arbeitet. Jack ist ein knallharter Cop mit einem weichen Herzen. Als die beiden aufeinandertreffen, knallt es gewaltig, sowohl mit Wortgefechten als auch bei den Emotionen. Mit Esprit und Lebensfreude versuchen sie nun einen Mörder zu finden und miteinander klarzukommen.

_Fazit:_

Julie James hat es geschafft, mit außergewöhnlichen aber auch herrlich normalen Charakteren ein richtig gutes Buch zu schreiben. Sowohl die Handlung, die einfach aber auch genial ist, als auch die Protagonisten machen diese Story einfach lesenswert. Man kann einfach nicht aufhören, weil man wissen möchte, wie es denn weitergeht. Dem Leser ist schon klar, dass sich Cameron und Jack sowieso am Ende kriegen, aber der Weg dahin ist so herrlich komisch, dass es einfach mal etwas Neues ist. Der Schreibstil schwankt zwischen Janet Evanovich, Carly Phillips und Susan Mallery. Man freut sich schon auf mehr Bücher von Julie James hier in Deutschland.

|Taschenbuch: 336 Seiten
Original: Something About You
ISBN-13: 978-3802586798|
http://www.egmont-lyx.de

Scheunemann, Frauke – Welpenalarm (Herkules 3)

_|Dackel Herkules|:_

Band 01: [„Dackelblick“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6989
Band 02: [„Katzenjammer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7023
Band 03: _“Welpenalarm“_
Weitere Bände sind in Planung.

Merkt denn außer mir niemand, dass dieser kleine Mensch zum Himmel stinkt? Im wahrsten Sinne des Wortes! Brrr, es ist unerträglich, meine empfindliche Dackelnase schmerzt schon richtig. Ich beschließe, der Ursache für dieses Problem selbst auf den Grund zu gehen, und zerre an Henris Hose. Kurz darauf halte ich sie in der Schnauze. Jetzt noch weg mit der Windel, so macht Carolin das schließlich auch immer. Apropos Carolin – in diesem Moment biegt sie um die Ecke und stürzt sich mit einem Schrei auf mich: »Herkules, du böser, böser Hund! Komm sofort raus aus der Wiege!« Sie packt mich am Nacken und gibt mir einen Klaps auf den Po. Beleidigt jaule ich auf und verkrieche mich in mein Körbchen. Ich hab’s ja gleich gewusst: dieses neue Baby würde nur Ärger bringen! (Verlagsinfo)

_Kritik_

Erneut erzählt Frauke Scheunemann in „Welpenalarm“ von den Abenteuern des liebenswerten Dackels Herkules.

Getreu ihres Plots aus den vergangenen Büchern um Herkules erzählt Frauke Scheunemann wieder von dem seltsamen Verhalten der Menschen aus der Perspektive von Herkules. Diesmal steht die verwirrende Zeit von Caros Schwangerschaft und die anstrengende erste Zeit mit dem neuen Familienmitglied im Fokus. Charmant und mit einem Augenzwinkern wird so das Verhalten der menschlichen Rasse dargestellt. Letztendlich bemerkt ja doch nur unser vierbeiniger Freund, wie schwer wir Menschen uns das Leben gerne machen.

Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt flüssig zu lesen. Der gewählte Stil passt perfekt zu dem herzigen Vierbeiner, der uns Leser schnell zu verzaubern weiß. Drollig ist nach wie vor Herkules‘ Wortverständnis. Kater Beck, der aus gebildetem Hause stammt, wirft mit so manchen, für Herkules unbekannten, Wörtern um sich. Mit Raffinesse wandelt Herkules diese so geschickt um, dass letztlich der Sinn vollkommen passt. Die Leser werden schnell von den Ereignissen gefesselt sein, da Frauke Scheunemann es versteht, Neugier zu schüren. Ob die Ereignisse in der frisch gegründeten Patchwork Familie oder das überraschende Auftauchen Herkules‘ großer Liebe, Lesespaß ist hier garantiert.

Die Darsteller sind gewohnt liebenswürdig und sympathisch konzipiert. Herkules erobert die Herzen der Leser mit seiner drolligen Art im Sturm, unterstützt von seinem besten Freund, dem Kater Beck. Auch die attraktive Hundedame Cherie bekommt wieder einen Auftritt und lässt Herkules kleines Herz Purzelbäume schlagen. Nicht zu vergessen die menschlichen Darsteller, wobei besonders Caro und Marc diesmal etwas einzustecken haben. Besonders dürfte dagegen Luisa den Lesern ans Herz wachsen, ihre kindliche Art, mit den Ereignissen umzugehen, wirkt authentisch. Besondere Sympathiepunkte bekommt auch der ehemalige Obdachlose Willi, der erneut zu der Geschichte beiträgt.

_Autorin_

Frauke Scheunemann, geboren 1969 in Düsseldorf, ist promovierte Juristin. Sie absolvierte ein Volontariat beim NDR und arbeitete anschließend als Journalistin und Pressesprecherin. Seit 2002 ist sie freie Autorin und schreibt zusammen mit ihrer Schwester Wiebke Lorenz unter dem Pseudonym »Anne Hertz« sehr erfolgreich Romane. 

Frauke Scheunemann ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und dem kleinen Hund Elmo in Hamburg.

_Fazit_

Zum dritten Mal erzählt Frauke Scheunemann uns Lesern auf ganz bezaubernde Art vom Leben des charmanten Dackels Herkules. Humorvoll, aber dennoch mit ernsten Passagen punktet „Welpenalarm“. Gerne lassen sich die Leser in die Gedankenwelt der Vierbeiner entführen und ab und zu erkennt man sich doch mal wieder. Nicht nur, aber besonders Hundefreunde dürften von der Geschichte begeistert sein. Herkules, seine Freunde und Familie ziehen die Leser in ihren Bann. Bitte mehr davon.

|Broschiert: 288 Seiten
ISBN-13: 978-3442203918|
http://www.randomhouse.de/pageundturner

Stevenson, D. E. – Stich ins Wespennest

Es gibt Bücher, die waren zu ihrer Zeit durchaus erfolgreich, und trotzdem verschwanden sie aus dem ein oder anderen Grund in der Versenkung. „Stich ins Wespennest“ von D. E. Stevenson ist so ein Fall – 1934 erstmals in England veröffentlicht, sind wohl weder Titel noch Autor dem heutigen Leser ein Begriff. D. E. Stevenson hieß eigentlich Dorothy Emily und der berühmte Louis Stevenson war ein Cousin ihres Vaters. Das Schreiben war ihr also quasi in die Wiege gelegt. In über 40 Romanen hat sie von ihrem Talent Gebrauch gemacht. Nun hat sich der |Manhattan|-Verlag vorgenommen, den Namen der Autorin auch in Deutschland wieder in das Bewusstsein der Leser zu rücken. Und tatsächlich ist es schwer, sich dem Charme von „Stich ins Wespennest“ zu verschließen.

_Der Roman spielt irgendwann_ in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Schauplatz ist ein beschauliches Dorf im Süden Englands. Silverstream ist sozusagen die Blaupause für jede Art menschlichen Zusammenlebens: Es gibt die herrische Furie, die versucht, jegliches gesellschaftliches Leben an sich zu reißen. Es gibt einen alten Junggesellen, sogar ein lesbisches Pärchen. Es gibt Apfelbäume in Vorgärten und Katzen, die sich auf Kaminvorlegern zusammenrollen. Und es gibt Barbara Buncle. Miss Buncle und ihr Hausmädchen Dorcas leben in einem kleinen Cottage von einer jährlichen Dividende, die auf ihr Erbe anfällt. Doch die Weltwirtschaftskrise hat diese lebenswichtige Dividende beunruhigend zusammenschrumpfen lassen. Gemeinsam überlegen Miss Buncle und Dorcas nun, wie man zu Geld kommen könnte. Hühnerhaltung wird sofort verworfen. In Ermangelung jeglicher anderer Ideen wird beschlossen, dass Miss Buncle ein Buch schreibt.

Schon hier wird Miss Buncles Naivität deutlich: Denn wer würde je denken, mit einem Buch Geld verdienen zu können? Darüber hinaus geht Miss Buncle jegliche Fantasie ab, weswegen sie über das schreibt, was sie kennt: Silverstream und dessen Bewohner. Sowohl der Ort als auch die Charaktere werden zwar umbenannt, doch verfremdet werden sie kaum. Als „Der Störenfried“ tatsächlich einen Verleger findet und die Dorfbewohner schließlich auf das Buch stoßen, ist der Aufruhr verständlicherweise groß. Denn Miss Buncle hat zwar keine Fantasie, aber sie ist eine ungemein genaue Beobachterin: Den Einwohnern von Silverstream wird damit ungefragt der Spiegel vorgehalten, und nicht allen gefällt, was sie darin sehen. Da Miss Buncle unter Pseudonym veröffentlicht hat, wird daraufhin wild spekuliert, wer in ihrer Mitte ein solches „Machwerk“ verfasst haben könnte. Von Klage ist die Rede und von Einschüchterungsversuchen. Doch „Der Störenfried“ verkauft sich außerordentlich gut und Miss Buncles Verleger drängt sie, eine Fortsetzung zu schreiben.

_“Stich ins Wespennest“ ist kein großes Buch._ Es ist weder wichtig noch bahnbrechend. Doch es ist charmant, unterhaltsam, komisch und mit sicherem Auge komponiert. Kurz: Die Lektüre macht einfach Spaß, denn „Stich ins Wespennest“ will nichts anderes als den Leser intelligent zu unterhalten. Der Roman möchte gute Laune verbreiten. Man fühlt sich in Silverstream sofort zu Hause – und wenn die Figuren auch fiktiv sind, so kennen wir doch alle eine Miss Buncle, einen Colonel Waterfoot und eine Mrs Weatherstone Hogg. Die Personen sind aus dem Leben gegriffen, und genau deshalb ist es auch so leicht, sich sofort häuslich in „Stich ins Wespennest“ einzurichten.

Barbara Buncle selbst ist ein Herzchen – unglaublich naiv und immer bereit, das Gute im Menschen zu sehen. Nach der Lektüre des Manuskripts kommt Miss Buncles Verleger zu dem Schluss: „Vielmehr war der Autor ein sehr kluger Mensch, der das Buch in ironischer Absicht geschrieben hatte, oder ein sehr schlichter Mensch, der es in gutem Glauben verfasst hatte.“ Letzteres trifft wohl den Nagel auf den Kopf, denn Miss Buncle ist schier überwältigt sowohl von dem Erfolg ihres Buchs als auch von den Reaktionen darauf. In ihrer Gutgläubigkeit hätte sie nie mit so viel aufwallender Feindschaft gerechnet! Doch D. E. Stevenson lässt nie einen Zweifel daran, dass sie einen leichtfüßigen Unterhaltungsroman geschrieben hat. Und so muss der Leser nie Ängste ausstehen: Selbst, wenn die Dorfbewohner fast schon zur Lynchjustiz greifen, um den unbekannten Autor ausfindig zu machen, weiß man als Leser immer, dass alles gut ausgehen wird. Und das ist dann auch so: Barbara Buncle findet die Liebe (oder eher: die Liebe findet sie) und mit ihrem selbst verdienten Geld kann sie das dörfliche Silverstream verlassen und ein neues Leben beginnen.

D. E. Stevenson war mit „Stich ins Wespennest“ ähnlich erfolgreich wie Barbara Buncle mit dem fiktiven „Störenfried“. Und so gibt es auch zu „Stich ins Wespennest“ eine Fortsetzung. Hoffen wir, dass der |Manhattan|-Verlag sich auch „Miss Buncle Married“ vornehmen wird!

|Gebunden: 352 Seiten
Originaltitel: Miss Buncle’s Book
Übersetzung: Thomas Stegers
ISBN-13: 978-3442546879|
http://www.randomhouse.de/manhattan

Autoren-Team Oculus – Gegen Märchen ist kein Kraut gewachsenen

_Ambitioniertes Projekt auf Kosten der Autoren_

„Es war einmal“ – so fangen viele Märchen an. Das gibt dem Leser die Gewissheit, dass man an ein Märchen geraten ist, und so beginnt auch die Auswahl der 25 Kräutermärchen, die der |Oculus|-Verlag aus der Fülle von ca. 100 zu einem Schreibwettbewerb eingesandten Texten für seine Anthologie „Gegen Märchen ist kein Kraut gewachsenen“ getroffen hat.

Weise Frauen und Kräuter sind darin eine häufig genutzte Symbiose, doch es tummeln sich zwischen den gut 240 Seiten auch Drachen, Hexen, Feen, Könige und Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen sowie andere Personage des Genres. Die Themen sind auf der einen Seite vertraut märchenhaft und auf der anderen Seite fantasievoll über das Märchen hinaus. Sie erstrecken sich von einem Mädchen, das mit einer geheimnisvollen Kräuterfrau auszieht, um seiner Mutter zu helfen und die Hand des Prinzen zu gewinnen („Das geheimnisvolle Kraut“), über die nur durch weise Voraussicht einer Kräuterfrau abgewendete Apokalypse in „Lavendula“ und „Die List der Königin“, die mit Hilfe eines Krautes ihr Land vor Eroberern zu schützen versteht, bis zu „Samanthas Traum“ von der Sehnsucht des Menschen nach der Verbundenheit mit der Natur. Das Märchen „Die Hasel“ erzählt eine zeitlose und sprachlich hervorragend ausgearbeitete Geschichte von Liebe, Opfer und Erlösung sowie einem Leben im Einklang mit der Natur. Ähnlich im Gedächtnis wird das Märchen vom Drachen „Chillo Pfefferoni“ bleiben, das mit einem Augenzwinkern und originellen magischen Utensilien wie einer Feuerspeiflasche von einer Prinzessin erzählt, die nicht gerettet werden will, und davon, wie Chillo Pfefferoni dennoch vorschriftsmäßig alle Regeln für seine Initiation einhalten kann, um als erwachsener Drache anerkannt zu werden.

Ich hätte mir in einigen Märchen ein strengeres Lektorat oder ein gründlicheres Korrektorat gewünscht. Darüber hinaus ist „Krähen über dem Erlenbusch“ beispielsweise zwar spannend, geheimnisvoll und sogar sprachlich überzeugend, aber es fehlt das Märchenhafte; die Moral, die Trennung von Gut und Böse und das Happy End. Die Geschichte über Ursula, die zu Bärlauch wurde, wirft Fragen auf, die man mit einem Märchenkonzept aus Gut und Böse hätte beantworten können: Warum liebt das Mädchen jemanden, der sie vergessen hat? Warum hat er sie überhaupt vergessen? Demgegenüber fehlt in „Melissa“ selbst das obligatorische Hochzeitsfest nicht. „Annas Garten der Seele“ ist sehr didaktisch und fällt eher unter die Kategorie Mysteriöses und Lebenshilfe als unter Märchen.

Unter die didaktischen Geschichten fallen weiterhin die Herleitung der Bezeichnung Migräne und der Verarbeitung der Heilwirkung des gleichnamigen Krauts in „Basilikum“ oder „Ricco und die Kraft des sonnengelben Krauts“ über den Einsatz von Johanniskraut gegen Depressionen. Dem Märchen von „Artemisia“ hätte eine konsequente Überarbeitung hinsichtlich der Zeitformen und eine Überarbeitung der unlogischen Zusammenhänge gutgetan. Zunächst wird zum Beispiel erklärt, dass sich der Himmel zur schwarzen Nacht verfinstert, wenn Dragos geflogen kommen, aber wenn Artemisia kommt, blendet plötzlich die Sonne.

Die Herausgeberin wollte die Vielfalt der Märchen zeigen. Daher hat auch ein gereimtes Märchen Eingang in die Anthologie gefunden. Leider fehlt dort völlig die Handlung und es handelt sich bestenfalls um eine in schlichten Reimen und uneinheitlichem Rhythmus eingeführte Figur einer Kräuterfrau. Auch ordnen sich die Zeitformen dem Reim unter, was nicht für die Qualität der Lyrik spricht. An dieser Stelle hätte man die Autorin wie einige andere mehr in diesem Buch eigentlich vor sich selbst schützen müssen, denn jedem Autor wird es ein Bedürfnis sein, nicht so offensichtlich an der Oberfläche kritisierbare Texte abgedruckt zu finden.

Zeitformen- und Wortfehler in Sätzen wie „Layla war in diesem Moment überwältigt, ja, sprachlos von seiner Schönheit und seiner Farbenpracht, dass es nicht zu beschreiben ist.“ (S. 76) hätten leicht ausgemerzt werden können. Teilweise lesen sich ganze Absätze dieser Märchen wie Aufsätze aus der Oberstufe (vgl. S. 160), die mit deutlicher Überarbeitung berichtigt und geglättet werden müssten, bevor man sie zwischen Buchdeckel packt, denn die vorhandenen guten Arbeiten gehen zwischen ihnen unter. Auffällig sind auch der unprofessionell anmutende Satz der Texte mit Leerzeilen statt Einrückungen und die Zeichnungen, die von mäßig begabten Schülern angefertigt zu sein scheinen. Die Frage, ob man sich dieses Buch für 17 Euro leisten muss und sich die Ausgaben der Autoren, die sich an der Herstellung des Buches beteiligten, gelohnt haben, darf daher gestellt werden.

|Broschiert: 240 Seiten
ISBN-13: 978-3942567039|
http://www.oculus-verlag.de

Barreau, Nicolas – Frau meines Lebens, Die

_Inhalt_

Eines Mittags sitzt im Pariser Lieblingscafé des passionierten Buchhändlers Antoine wie vom Himmel gefallen die Frau seines Lebens. Beim Hinausgehen wirft die schöne Unbekannte ihm ein Kärtchen mit einer Telefonnummer zu, die aber nicht mehr vollständig ist. Antoine hat nun zehn verschiedene Möglichkeiten und nur vierundzwanzig Stunden Zeit, um die Frau seines Lebens wiederzufinden …

_Meinung_

Schon sehr lange bin ich um dieses Buch herumgeschlichen, war mir aber nie sicher, ob es mir wirklich gefallen könnte. Nun, wo ich dem Buch endlich eine Chance gegeben habe, kann ich nur sagen: Gott sei Dank habe ich dieses Buch gelesen!Nicolas Barreau hat es geschafft, mich von der ersten Seite an zu verzaubern. Zwar trieft die Geschichte an manchen Stellen nur so vor lauter Klischees und gewisse Handlungsstränge sind alles andere als authentisch, aber das nahm ich gerne so hin, weil sie dennoch wunderschön geschrieben ist und der Autor sich der Klischees bewusst ist, was er auch durch seinen Protagonisten Antoine ausdrückt:

„Ist es nicht erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit man jedes noch so blöde Klischee akzeptiert, wenn man glücklich ist?“ (Seite 19)

Der Schreibstil ist sehr intensiv. Nicolas Barreau weiß, wie er seine Leser in den Bann ziehen kann und dies nutzt er auch gekonnt aus. Schauplätze und Charaktere werden sehr detailliert beschrieben, sodass ich mir alles sehr gut bildlich vorstellen konnte. Man kann schon fast sagen, dass man mit Antoine eine kleine Stadttour macht, dann Museen, Parks, Bars und Straßen werden genau beschrieben. Allerdings schreibt der Autor auch zum Teil zu ausführlich, viele Gedankengänge werden auf den knapp 150 Seiten mehrfach wiederholt, was bei der Kürze des Buches unnötig erschien. Aber trotz dieser Langatmigkeit an wenigen Stellen, konnte mich der Schreibstil überzeugen.

Sehr schön fand ich auch, wie Antoine über Literatur denkt und die Art, wie er seine Gedanken ausdrückt:

„Mag sein, dass für manche die Literatur die angenehmste Art ist, das Leben zu ignorieren, wie Fernando Pessoa einmal geschrieben hat. Aber im Grunde will man das Leben doch nur dann ignorieren, wenn es so geworden ist, wie man es nicht haben wollte. Ich finde, Literatur muss die Welt nicht zwangsläufig draußen vor der Tür lassen – im Gegenteil! Oft genug holt sie die Welt auch zu uns herein.“ (Seite 7)

„Literatur kann ein wunderbarer Weg in die Wirklichkeit sein, weil sie uns die Augen öffnet für alles, was passieren kann. Was jeden Tag passieren kann!“ (Seite 8)

Die Charaktere sind sympathisch und ich konnte mich gut in sie hineinversetzen. Auch wenn die Geschichte aus der Sicht von Antoine geschrieben ist, erfährt man dennoch etwas von seiner Geschäftspartnerin und seinem besten Freund sowie der unbekannten Traumfrau Isabelle, von der er nur den Namen kennt. Antoine ist in mancherlei Hinsicht ein kleiner Träumer, der die Welt ab und zu sehr naiv betrachtet. Als Buchhändler liebt er Literatur und schätzt die Stille, in der er sich mit seinen Büchern zurückziehen kann. Er wirkt bodenständig, charmant und offen, allerdings übertreibt er es auch ein wenig bei der Suche nach Isabelle, so sehr er an die Liebe glaubt, so naiv geht er an die Sache auch heran. Ohne Isabelle zu kennen, bezeichnet er sie direkt als die Frau seines Lebens, was nicht so ganz zu seinem Alter passt, da er mit seinen 32 Jahren eigentlich etwas realistischer an die Sache herangehen sollte. Aber dennoch muss man ihn einfach gern haben und fiebert mit ihm mit.

Ein Kritikpunkt ist allerdings die Suche nach Isabelle, die mir ein wenig zu viel war. Zwar ist es löblich, dass Antoine sie unbedingt kennen lernen möchte, aber die Art und Weise, wie hier vorgegangen wird und vieles wiederholt wird, empfand ich stellenweise eher als zu aufdringlich und naiv. Die Romantik, die auf den ersten Seiten durch seine Gedankengänge entstanden sind, ging dadurch im Laufe der Geschichte immer mehr
verloren.

Ein absoluter Hingucker ist die wunderschöne Covergestaltung. Die Farben sind perfekt miteinander abgestimmt und von der Wiese aus hat man einen tollen Blick auf den Eiffelturm. Dazu wurde Isabelle gut auf der Wiese platziert. Die Kurzbeschreibung gefällt mir jedoch eher weniger, weil hier nahezu die ganze Geschichte erzählt wird. Dadurch wurde ich nur selten überrascht.

_Fazit_

Trotz einiger kleiner Schwächen hat mir „Die Frau meines Lebens“ gut gefallen. Nicolas Barreau hat mit seinem Debütroman mein Herz berührt und mir zwei schöne Lesestunden beschert. Besonders empfehlenswert für Leser von Marc Levy, Nicholas Sparks und Cecelia Ahern.

|Taschenbuch: 144 Seiten
Ins Deutsche übertragen von Sophie Scherrer
ISBN 978-3492253567|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de

Tolstoi, Lev / Tolstaja, Sofia – Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

|Kämpfen Sie – bitte|

_1. „Der Mensch ist nicht monogam“_

Man darf dieser These nicht glauben, so wahr, wie sie auch sein mag und verleiten könnte Untreue hinzunehmen oder im Falle des Eintretens zu trösten. Nach dem Traktat Tolstois, anders können wir dessen Kreutzersonate nicht nennen, darf diese Erkenntnis einfach nicht gelten. Er behauptet doch nichts anderes, als dass das Ende des Geschlechtlichen im Sinne von dessen Verbrennendem, Zerreißendem, ja auch Mordendem nichts anderes wäre, als das Ende der Geschichte.

Man muss Ihnen wohl zumuten, auf diese Problematik einen rein männlichen Blick zu werfen. Wenn auch das Gegenstück, das Tolstois Frau Sofja liefert, angeblich ein Spiegelbild ihrer Verletztheit über dieses Outing ihres Mannes, des gefeierten russischen Dichters, ist und viel mehr Einblicke liefert in das reale Leben, mit dem die Frauen sich umgeben, sie einen wirklichen Roman daraus macht, fehlt ihr doch der Mut das Grundsätzliche dieser Sache anzuerkennen.

In ihrer Version des gemeinsamen Grundmusters, dass ein erfahrener Mann eine junge Frau ehelicht in der festen Absicht, nunmehr von seiner Verworfenheit zu lassen, die wohl auch ihre Familiengeschichte ist, gerät der Mord des Ehemanns an seiner vermeintlich untreuen Gattin geradezu zu einem Unfall, ein Zufall fast, dass ein marmornes Wurfgeschoss allzu genau trifft und auch noch tödlich ist, wir aber mehr um die zurückgelassenen Kinder bangen, als um sie.

Hat uns nun Tolstoi die Tür aufgetan zum Verständnis des Ganges der Welt, zu den Quellen der Kultur, dem Erwerb von Wissen, Selbstachtung und jeglicher Betriebsamkeit? Hat er einen Sinn ausgemacht in unserem lebenslangen Treiben und diesen in einem Trieb entdeckt, die Treue des geliebten Menschen sicherzustellen? Man kann das als zwei Varianten von Eifersuchtsdramen abtun, wobei er eine Abhandlung schreibt, die kaum noch romanhafte Züge hat und sie einen Allerweltsroman, um der Sache die Spitze abzubrechen, eine Rechtfertigung durch den Blick in die Wohlgesinntheit der weiblichen Seele, während er zeigt, wie die Imagination davon zum Verbrechen drängt, ohne diese überhaupt darzustellen.

_2. Das Ende der Welt_

Wenn man die Sache nur noch an der Oberfläche betrachtet, nicht gerade auch hinter den Liebesbeteuerungen des Partners das Gegenteil zu erforschen trachtet, wenn man nicht seine Kräfte aufbietet, die Treue des Anderen zu erhalten, wo man doch so großzügig die eigene als zusätzliches Beschwernis für ihn eingesetzt hat, wehrt man auch nicht der Knochenhand, die sich an den Glockenstrang gelegt hat, um das Ende der Welt einzuläuten.

In der modernen Welt ist Untreue eine Frage der Statistik geworden und dabei handelt es sich sogar um die reale und nicht die eingebildete, die diese beiden Romane darstellen. Ein Freund verzieh mir nicht, dass ich seine Attitüde durchschaute, mit der er die Untreue seiner Frau zu einer normalen Angelegenheit stilisieren wollte und als ich selbst eine Frau fand, die nicht nur schön ist, sondern mir auch die Treue hält, war dem Ehepaar der Umgang mit uns nicht mehr angenehm.

Indem man diese Eifersuchtsgeschichten als Spiegelbild der Ehe der Tolstois einstuft, gibt man dem Impuls nach, diese Probleme nicht mehr bei sich selbst zu suchen, sondern im Sinne dessen, wovon die Boulevardpresse lebt, voyeuristisch auszulagern. Wenn die Liebe zu sich selbst, wie man sagt, immer der Anfang eines romanhaften Lebens ist, dann erzwingt das noch nicht die Selbstliebe, weil die Romanhaftigkeit noch andere Ursachen haben kann.

Doch wollen wir überhaupt noch ein romanhaftes Leben? Wollen wir es nicht nur noch einfach möglichst bequem hinter uns bringen? Legen wir uns noch die Frage vor, ob das nicht eben das Ende der Welt ist? Man muss nicht zur Selbstliebe greifen, die einsam macht, ein billiger Ausweg ist, man kann sich auch den anderen verpflichtet fühlen, die im Begriff sind mit einem zusammen unterzugehen. Gerade das Glück der anderen sichern zu wollen ist eine viel tauglichere Waffe, die man wie jede zuerst gegen sich selbst zu richten hat. Wem es nicht gelingt, sich der Liebe seiner Liebsten zu versichern, der bringe gefälligst sich selbst um und nicht sie, aber umbringen sollte man sich unbedingt, weil das eben zur Romanhaftigkeit gehört und dem Ende der Welt wohl auch am entsprechendsten ist.

_3. Sollte man des Endes der Welt wehren?_

Mit Recht kann man heute pessimistisch sein, ob es legitim ist zu leben. Da wir immer älter werden, könnte man annehmen, dass unsere Aufgabe, die wir auf der Welt zu erledigen haben, größer geworden wäre. Eigentlich halten wir nur aus, oder besser, wir werden ausgehalten von der Medizin, die sich nicht fragt, wie lebenswert dies Leben wirklich noch ist, sondern jeden heilt und am Leben hält.

Tolstoi schmäht die Mediziner, weil sie die Sexualität zu einem notwendigen Bestandteil der Gesundheit erklärt hatten. Tolstaja verehrt sie, weil sie einer Mutter ersparen können, den Tod eines Kindes ertragen zu müssen. Es greift heute die Kritik, dass die Mediziner, die einst auch die führenden Naturforscher waren, heute vor der Beantwortung der Frage zurückschrecken, dass es sein kann, dass unser Leben gar nicht mehr lebenswert ist.

Der ältere Tolstoi – ganz Rigorist – hat radikale Konsequenzen gezogen, indem er den Fleischkonsum eingestellt hat, weil er die Augen nicht mehr vor dem Umbringen der Tiere für diesen Genuss verschließen wollte. Auch der Jagd hat er entsagt. Haben wir doch die ganze bisherige Geschichte darauf verwendet, uns zu sonnen, wie sehr wir doch die Krone der Schöpfung sind, so ist heute die damit verbundene Macht immer mehr infrage gestellt.

„Wären wir Menschen nicht mehr auf der Erde, würde es der Erde besser gehen“, sagte der Dalai Lama, räumt also nicht nur den Tieren, sondern selbst den toten Dingen ein Recht ein, das hinter dem unseren nicht zurücksteht. Das Ende der Menschheit wäre auch gar nicht das Ende der Welt, sondern so eine Art Müllzeitalter, wo unsere Hinterlassenschaften langsam wieder überwuchert würden. Wir erlebten solche Dinge schon des Öfteren mit zu viel gewordenen Bauten des Sozialismus oder das Ende der nicht mehr reparierbaren Dinge. Wer will, kann sich auch den Müllplatz der nicht mehr reparierbaren Liebesbeziehungen ansehen. Sollte man dessen nicht wehren? Ich meine – ja.

|Goethe wollte die Eitelkeit als Wert retten, Tolstoi das Verbrennende der Liebe, nun ist es an uns.|

|Gebunden: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3-7175-2260-7|
http://www.manesse-verlag.de

Proust, Marcel – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

_Der Autor_

Man darf sich Marcel Proust nicht als allzu erfolgreich vorstellen, auch wenn er dann den Prix Goncourt erhalten hat, die höchste französische Auszeichnung für Literatur. Musste er sich doch zunächst mit einem Kritiker duellieren und auch sein erstes Buch auf eigene Kosten verlegen. Das Vermögen, das er seiner jüdischen Mutter verdankte, machte ihn jedoch vom Geschmack seiner Zeit weitgehend unabhängig und so soll er dann in einem mit Kork ausgeschlagenen Raum, aus dem das Sonnenlicht verbannt war, seine Werke geschaffen haben, in denen es nun allerdings nicht an Details mangelte. Ähnliches, die Suspendierung des Fernsehens für mindestens ein halbes Jahr, wird auch von der kleinen Schar der Fans empfohlen, die ihn für den größten Autor aller Zeiten halten.

_Frauen_

Obwohl sie in seinem Leben keine sichtliche Rolle gespielt haben, sind sie in seinen Werken das beherrschende Thema. Das beginnt schon mit seiner eigenen Mutter, deren gelegentliche Verweigerung eines Gutenachtkusses aus gesellschaftlichen Rücksichten, ihn im ersten Abschnitt in Zustände versetzt, wie sie schwerwiegenderen Problemen zukämen, aber nebenhin wird an diesem Exempel ausführlich deutlich, dass die eigene Mutter wohl die einzige Frau ist, auf die man sich im Leben noch verlassen kann. Da er seine, wie auch seinen Vater, allerdings in relativ jungen Jahren verloren hat, steht dann natürlich die Frage, die Generationenfolge nicht unterbrechen zu können und auch die anderen Vergnüglichkeiten zu genießen, die der Umgang mit Frauen bieten kann.

Diese geschlechtliche Liebe wird aber in dem ersten Teil, und zum Lesen nur dieses konnten wir uns bisher verstehen (In Swanns Welt), an einem anderen Protagonisten, einem reichen weltgewandten jungen Mann namens Swann abgehandelt, von dessen familiärer Herkunft wir nun wieder fast nichts erfahren und der genau vor die Aufgabe gestellt ist, sich im Zuge seelischer Sehnsüchte und gesellschaftlicher Verpflichtungen, wenn nicht eine Gattin, so wenigstens eine Geliebte zu suchen. Gesellschaftliche Verpflichtungen bestehen in Paris allerdings darin, tägliche Besuche bei möglichst geistreichen oder wenigstens hochgestellten Personen zu besuchen, und da ihm Letzteres gegeben ist, hat er zunächst auch bei den Geistreichen einen Stein im Brett.

In diesem Kreis, wo „Langweiler“ klar ausgegrenzt sind, lernt Swann eine Frau namens Odette Crécy kennen, die für ihn erst als schön gelten konnte, als ihm die Ähnlichkeit mit Botticellis Sephora einkommt, da er doch ein Kunstliebhaber und -sammler ist und ihn auch die Sonate eines Komponisten, dessen trauriges Schicksal schon im Kindheitsteil des Haupthelden eine Rolle spielte, sehr berührt hatte, dies zur Ouvertüre ihrer Liebe wurde.

Obwohl er bis dahin einen ziemlichen Verschleiß an schönen Mädchen aller Schichten hatte, gelingt es Odette, ohne dass Arglist zu unterstellen wäre, ihn völlig für sich einzunehmen, wenn sie zum Beispiel sagt: „… ich habe niemals etwas vor! Ich bin immer frei, für Sie ganz bestimmt. Wann immer bei Tag oder Nacht es Ihnen angenehm wäre, mich zu sehen, lassen Sie mich nur holen, ich werde immer glücklich sein, so schnell wie möglich zu kommen.“ Nun war Odette allerdings eine Halbweltdame, woraus in dem Roman, vielleicht skandalöser Weise, kein Drama gemacht wird, man aber durchaus miterlebt, dass sich ihre anfängliche Begeisterung, die sich ansatzweise dann noch als Unwahrheit herausstellt, in einen von ihr bestimmten Abstand wandelt, wo dann Swann auch genug an Launen auszustehen hat und seine monatlichen 4000 Francs an sie dann nicht mehr so gut investiert scheinen.

Jetzt könnte ein wahrhaft Verliebter, und dass dies notwendig Leiden bedeutet, daran wird kein Zweifel gelassen, völlig abgleiten, seinen vermeintlichen gesellschaftlichen Verpflichtungen gar nicht mehr nachkommen, aber Proust ist ein bisschen wie Lilienthal, er hat sich vorgenommen, dass der Flug nicht enden wollen soll und fliegt nicht nur über die 564 Seiten dieses Romanteils, sondern weiter und weiter und könnte faktisch gar nicht mehr damit aufhören, nur um Peripetien zu vermeiden, also Unglücksfälle, die dem ganzen Flug dann ein Ende bereitet hätten.

Odettes Seite bleibt dabei allerdings das weiblich Geheimnisvolle, manchmal des Lügengespinsts Verdächtige, das darum aber nicht weniger Überlegene. Indem die Geliebte also die anfangs Hingebungsvolle ist, die wünschenswerterweise auch noch Tugendhaftigkeit unter Beweis zu stellen hätte, ist Proust etwas frauenfeindlich. Indem er aber dem weiblichen Prinzip, das Ergebnisse kompliziertester männlicher Überlegungen quasi nebenhin erzielt, als grundsätzlich überlegen anerkennt, rückt er das schöne Geschlecht in die Nähe des Göttlichen, was auch jeder Leserin gefallen mag.

Wie es Swann gelungen sein soll, aus inzwischen aussichtsloser Lage bezüglich dieser Liebesbeziehung, die nie ganz offene Odette zu seiner Gattin zu machen, ist wohl eine so banale Tatsache, dass dafür im ganzen Roman keine Zeile im oft seitenweise absatzlosen Text übrig ist, denn es steht wohl auf dem Buchdeckel.

Das kann weder die in Erfahrung gebrachte Wertschätzung Odettes für Swann in seiner Abwesenheit gewesen sein, noch waren weitere romantische Begebnisse in petto, die den anfänglichen Zauber hätten wiederherstellen können, das war einfach die Zeit. Das unerbittliche Altern steht ungenannt im Hintergrund, die aus Schwäche geborene Vernunft, die dann aber für sich selbst steht und anderweitige Bauchgefühle, die da noch rumoren könnten, letztlich besiegt, so wie auch Napoleon gegen eine noch so einfallslose Welt letztlich keine Chance hatte.

_Credo_

Die Zeit – das hätte das Credo sein können, denn diese verlockt schon im Titel alle, die erkannt haben, dass sie sie irgendwie verloren haben. Doch wie Proust dem Otto Lilienthal gleicht, der Meter um Meter immer weitersegelt, so gleicht er auch einem Bergmann, der eine unerschöpfliche Mine entdeckt und nun jeden Abend wertvolles Erz mitbringt und nie taubes Gestein, von dem man sich nehmen kann, denn man ist ja Leser, sich einem die Frage aufdrängt, ob das wohl für alle Zeiten so gehen wird, der Bergmann aber nicht antwortet, sondern nur immer in gleicher Weise fortfährt. Die wenigsten wagen dann die Hypothese, dass es etwas Unerschöpfliches geben könne, wollen von der täglichen Ration gar nichts erst wissen. Doch die wenigen, die daran glauben, nachdem sie „leidenschaftlich das Problem der Realität der Außenwelt oder der Unsterblichkeit der Seele zu erfassen versucht haben, ihrem erschöpften Hirn die Entspannung schlichten Glaubens gestatten“, also glauben und an sich spüren, dass sie einen Teil dieses großen Schriftstellers in den Händen halten, ein kostbares Gut, wie sich heute in unserer sprachlosen Zeit herausstellt, nämlich die |Beredsamkeit| – eine wahrlich unerschöpfliche Mine.

|Taschenbuch, 4222 Seiten
ISBN-13: 978-3518397091
Originaltitel: A la recherche du temps perdu|
[www.suhrkamp.de]http://www.suhrkamp.de/suhrkamp__verlag__14.html

Carr, Robyn – Neubeginn in Virgin River

_|Virgin River|:_

Band 1: _“Neubeginn in Virgin River“_
Band 2: „Wiedersehen in Virgin River“
Band 3: „Happy End in Virgin River“
Band 4: „Wintermärchen in Virgin River“
Band 5: „Ein neuer Tag in Virgin“ River (März 2012)
Band 6: „Verliebt in Virgin River“ (April 2012)
Band 7: „Zurück in Virgin River“ (Juli 2012)
Band 8: „Under the Cristmas Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „Forbidden Falls“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „Angel’s Peak“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „Moonlight Road“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „Midnight Confessions“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „Promise Canyon“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Wild Man Creek“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „Harvest Moon“ (noch ohne dt. Titel)

_Inhalt_

Für Mel verändert sich innerhalb von wenigen Sekunden das komplette Leben, als ihr Mann in einem Supermarkt unschuldig erschossen wird. Von ihrer Trauer überwältigt hat sie nur einen Wunsch: Raus aus Los Angeles in ein ruhigeres Leben. Sie kündigt ihren Job im Krankenhaus und verkauft ihr Haus, um ins kleine Dorf Virgin River zu ziehen. Hier möchte sie dem Arzt des Dorfes helfen und neue Kraft tanken. Doch das Dorf sieht nicht so aus, wie auf den Fotos, die sie zuvor erhalten hat. Die Straßen sind holprig und das versprochene Landhaus gleicht einer Ruine. Am liebsten würde sie sofort wieder aus Virgin River flüchten, wären da nicht ein ausgesetztes Baby und Barbesitzer Jack, der sich vom ersten Moment an liebevoll um sie kümmert …

_Meinung_

Robyn Carr war mir vor „Virgin River“ gänzlich unbekannt, von daher war ich besonders gespannt, was ich hier zu erwarten habe – und ich bin sehr begeistert. „Neubeginn in Virgin River“ ist für mich eine der Überraschungen des Jahres und der erste Band der „Virgin River“-Reihe. Der Schreibstil ist unglaublich toll. Robyn Carr erzählt die Geschichte so intensiv, dass ich mir vorkam, als wäre ich selbst ein Teil des Dorfes und des Geschehens. Die Landschaften, Häuser und Menschen sind bis ins kleinste Detail beschrieben, sodass man sich ein sehr gutes Bild von allem machen konnte. Ich wurde nahezu mitgerissen und habe mit den Charakteren gelitten und mich für sie gefreut.

Vor allem Mel ist eine unglaublich tolle Person, die man einfach ins Herz schließen muss. Sie ist bodenständig, sympathisch, wunderschön und hat ein Herz aus Gold. Ihr Schicksalsschlag wird sensibel thematisiert und als Leserin bin ich mit ihr durch das Bad der Gefühle gegangen. Sehr erfrischend ist ihre Zusammenarbeit mit dem Doc. Er ist der
griesgrämige, alte Mann, der sich nötige Hilfe nicht eingestehen möchte und Mel lebt für ihren Job und liebt jeden einzelnen Tag davon. Auch Jack ist ein interessanter Charakter. Er ist ein Naturbursche mit sportlicher Figur und verdreht den Frauen im Dorf und der Umgebung den Kopf. Seine Bar ist der Treffpunkt des Dorfes und er ist direkt an der Quelle, wenn es um Gerüchte und Neuigkeiten geht.

Die Annäherung zwischen Mel und Jack wird gut dargestellt. Sie gehen vorsichtig und sensibel miteinander um und versuchen auf den anderen behutsam einzugehen, denn beide haben ein Päckchen zu tragen, dass sie verarbeiten müssen. Durch ihr Alter (Mel 32, Jack 40) sind sich beide dessen bewusst, welche Verantwortung sie füreinander tragen und wirken alles andere als naiv. Sehr positiv überrascht bin ich von der Covergestaltung. Meistens sind die Cover von Mira eher unglücklich gewählt, aber in diesem Fall gefällt mir das Cover deutlich besser als das Original. Die Landschaft und das Landhaus am Waldrand sind perfekt eingefangen und ich konnte mir Virgin River gut vorstellen.

_Fazit_

Insgesamt konnte mich „Neubeginn in Virgin River“ mehr als überzeugen und ich bin bereits dabei, den zweiten Band zu lesen, in dem Preacher, der in Jacks Bar arbeitet, eine große Rolle spielt. Fans von Susan Mallery, Nora Roberts und Sandra Brown werden auch Robyn Carr lieben. Absolut empfehlenswert.

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: Virgin River
Ins Deutsche übertragen von Barbara Alberter
ISBN 978-3899416909|
[www.mira-taschenbuch.de]http://www.mira-taschenbuch.de
[www.robyncarr.com]http://www.robyncarr.com