Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Iain Banks – Träume vom Kanal. Zukunftsroman

Mit Cello und Bazooka in die Apokalypse

Eine junge japanische Cellistin gerät im Panamakanal in die Wirren des lokalen Bürgerkriegs. Unter dem Druck tragischer Ereignisse an Bord der festsitzenden Schiffe wandelt sich ihre Persönlichkeit zu etwas Schrecklichem, das schon lange in ihr schlummerte.

Der Autor

Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.
Iain Banks – Träume vom Kanal. Zukunftsroman weiterlesen

Ace Atkins – Robert B. Parker’s Kickback (Spenser 44)

Jugendbetreuung mal anders: Spenser und Hawk räumen auf

Eine Mutter aus Blackburn bittet Spenser, nach ihrem Sohn Dillon zu suchen. Der Junge wurde von Richter Scali, der eine Null-Toleranz-Politik vertritt, in ein Jugendgefängnis auf einer Insel gesteckt. 18 Monate Arbeitslager für einen Twitter-Scherz? Das kommt auch Spenser überzogen vor. In Blackburn scheint indes eine Art Mafia aus Justiz und Polizei am Werk zu sein, und kein Bürger will reden. Aber wo sind all die Jugendlichen hin?

Hinweis

„Kickback“ ist ein Begriff aus dem Korruptionsumfeld: Provision, Schmiergeld, Schutzgeld, Prozente – man kann es aber auch einfach „schmutziges Geld“ nennen.

Der Autor

Ace Atkins – Robert B. Parker’s Kickback (Spenser 44) weiterlesen

Arnaldur Indridason – Schattenwege. Island-Krimi

Die Liebe der GIs: eine Vergewaltigung Islands

„Ein alleinstehender Mann wird ermordet in seiner Wohnung entdeckt. Auf seinem Tisch liegen Zeitungsberichte über einen Mordfall aus den Kriegsjahren: Die junge Rósmunda war damals am Nationaltheater in Reykjavik aufgefunden worden. Die Wohnung des alten Mannes wirkt abgesehen von diesen Artikeln unverdächtig.

Bei einem gemeinsamen Essen mit seiner Ehemaligen Marta erfährt der pensionierte Polizist Konrad von dem Fall. Als sie ihm von den Zeitungsberichten erzählt, wird er hellhörig, denn dieser Fall ist ihm aus seiner Kindheit bekannt…“ (Verlagsinfo)

Konrad bietet der völlig überlasteten Marta an, sich in dem Mordfall umzuhören und stößt auf eine weitere Mordermittlung, die Anfang 1944 ergebnislos verlief. Aber warum wurde der alte Mann, der damals einer der Ermittler war, erst jetzt getötet? Er muss auf eine brisante Information gestoßen sein.

Arnaldur Indridason – Schattenwege. Island-Krimi weiterlesen

Stuart MacBride – Shatter the Bones / Knochensplitter (Logan McRae 7)

Logan McRae-Serie

01 „Die dunklen Wasser von Aberdeen
02 „Dying light“ („Die Stunde des Mörders“)
03 „Der erste Tropfen Blut“
04 „Flesh House“ („Blut und Knochen“)
05 „Blinde Zeugen“
06 „Dunkles Blut
07 „Shatter the Bones“ (Knochensplitter)
08 Close to the Bone (Das Knochenband)
09 The Missing and the Dead (In Blut verbunden)
10 In the Cold Dark Ground (Totenkalt)
11 The Blood Road (Totengedenken)
12 Die dunkle Spur des Blutes (All that’s dead, 2019; Goldmann, München 2022, ISBN 978-3-442-49299-2)

Kidnapper, Huren und kleine Mädchen – Aberdeen steht Kopf

Das schottische Gesangsduo Alison und Jenny McGregor war ein vielversprechender Kandidat für die Talentshow „Britain’s Next Big Star“. Doch seit sechs Tagen sind Mutter und Tochter verschwunden. Entführt, wie eine Lösegeldforderung deutlich macht. Lösegeld, das von ganz Großbritannien binnen 14 Tagen aufgebracht werden soll, sonst …

Die Ermittlung der Grampian Police Force in Aberdeen hat keinerlei Anhaltspunkte. Bis am sechsten Tag ein kleiner abgeschnittener Kinderzeh die Forderungen der Entführer drastisch unterstreicht.

Hinweis

Dieser Bericht basiert auf der englischen Originalausgabe.

Stuart MacBride – Shatter the Bones / Knochensplitter (Logan McRae 7) weiterlesen

Martin Österdahl – Silvester

Inhalt

Es sollte ein schöner Silvesterabend werden. Die frisch verliebten Teenager Ebba und Marlon wollen, dass sich ihre Eltern bei dem feierlichen Anlass endlich kennenlernen. Doch schnell wird klar, dass sich ihre Eltern längst kennen und sie etwas Furchtbares verbindet. Auch wenn sie versuchen, ihren Kindern zuliebe, das Beste aus der Situation zu machen, lange gelingt es ihnen nicht. Im Laufe des Abends steigert sich die angespannte Stimmung. Ein schrecklicher Verdacht erhärtet sich und schließlich wird ein Geheimnis gelüftet, das den Abend in einer Katastrophe enden lässt … (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

“Silvester” startet sofort absolut packend, denn bereits während der ersten paar Kapitel werden mehrere Bedrohungen angedeutet – einige vage, andere ganz konkret… Martin Österdahl – Silvester weiterlesen

Lee Child – One Shot / Sniper (Jack Reacher 9)

Verfilmter Sniper-Thriller

Sechs Schüsse. Fünf Opfer. Ein Stadt im Herzland der USA wird von Terror heimgesucht. Doch binnen Stunden hat die lokale Polizei den Fall gelöst. Der Fall ist so wasserdicht, dass sich der Bezirksstaatsanwalt bereits auf den Prozess freut. Es gibt nur einen Haken: Der angeklagte Schütze weigert sich zu reden und äußert nur einen Satz: „Holen Sie mir Jack Reacher!“

Doch der lässt sich nirgendwo finden. Als der Gesuchte jedoch in Florida die TV-Nachrichten schaut, erkennt er den Namen James Barr wieder – und erinnert sich an jene hässliche Sache vor 14 Jahren, die in Kuwait City geschah. Klarer Fall: Er muss Barr wiedersehen. Doch auf welcher Seite steht Reacher?

Der Autor
Lee Child – One Shot / Sniper (Jack Reacher 9) weiterlesen

Don Winslow – Kings of Cool. Drogen-Thriller

Surfer-Dudes und Drogenbarone

Der Aufstieg von Ben, Chon und Ophelia zum erfolgreichsten Marihuana-Start-up Kaliforniens verläuft alles andere als geradlinig. Korrupte Cops und rivalisierende Dealer stehen ihnen im Weg – und die Sünden ihrer Eltern. Ihre geschichte reicht weit zurück, bis in die Sechziger, als in Lagina Beach Surfer und Hippies zusammentrafen und einen pakt mit dem Teufel schlossen. „Ein episches Panorama voller, Sonne, Surfer und Sex. Eine Version des Höllensturzes. California dreaming? Vergiss.“ DIE WELT
Don Winslow – Kings of Cool. Drogen-Thriller weiterlesen

Kim Faber und Janni Pedersen – Blutland (Martin Juncker und Signe Kristiansen 3)

Jagd auf den Constrictor-Mörder

Martin Juncker ist gerade zur Kopenhagener Polizei zurückgekehrt, da entbrennt in der dänischen Hauptstadt ein Kampf zwischen Neonazis und Rechtsradikalen auf der einen Seite und autonomen Gruppen und Einwandererbanden auf der anderen. Dabei wird ein Neonazi erstochen, und Junckers frühere Partnerin Signe Kristiansen übernimmt die Untersuchung des Mordes. Kurz darauf wird die Leiche einer Frau in einem Naturschutzgebiet gefunden: erdrosselt und sexuell missbraucht. Martin ermittelt in diesem Fall, und zum ersten Mal seit langer Zeit arbeitet er wieder mit Signe zusammen. Denn die beiden vermuten, dass die Taten von demselben Mann verübt wurden – einem eiskalten Killer, der es vermag, auch die erfahrensten Polizisten auf die falsche Fährte zu locken. (Verlagsinfo)

Kim Faber und Janni Pedersen – Blutland (Martin Juncker und Signe Kristiansen 3) weiterlesen

Sebastian Fitzek – Die Einladung

Ein junges Mädchen steigt zu einem Mann ins Auto. Er ist ihr nicht ganz geheuer, doch möchte sie auch nicht die Nacht bei Minustemperaturen im Freien verbringen. Also entscheidet sie sich, den Mann zu begleiten. Doch im Hause angekommen, gibt er ihr Anziehsachen, die sie für ihn anziehen soll. Außerdem muss sie sich die Haare hochbinden. Dann ist er zufrieden, denn nun sieht sie aus wie sie. Er gratuliert ihr zum 14. Geburtstag. Ihr, seiner Marla. Und schließlich nimmt er sich selbst das Leben.

Vier Jahre später liefert Marla Lindberg ein Paket in eine ehemalige Geburtsklinik in Berlin-Wannsee aus. Vor der Klinik rettet sie einen Hund aus einem kochend heißen Auto. Im Inneren der Klinik aber erwartet sie ein unfassbares Grauen: Im Kreißsaal findet sie eine Gestalt, deren Gesicht eng mit Plastikfolie überzogen ist und die dadurch keine Luft mehr bekommt. In Panik sucht Marla nach etwas, um die Folie durchzuschneiden. Doch dann bäumt die Person sich auf und rammt ihr ein scharfes Metallstück ins Gesicht. Noch auf der Flucht bemerkt Marla in der Ecke des Raums eine Kamera auf einem Stativ – die ganze Szene ist gefilmt worden!

Weitere drei Jahre später verdient Marla Geld damit, dass sie sich Videos von Verbrechen ansieht, um zu entscheiden, ob sie echt sind oder nicht. Sie erinnert sich nur noch vage an die Flucht aus der Geburtsklinik, denn dabei wurde sie zu allem Unglück von einem Auto überrollt, wobei sie einen Schädelbasisbruch erlitten hat. Als sie Tage nach dem Unfall der Polizei von dem Vorfall im Kreißsaal berichten konnte, fand die Polizei keinerlei Spuren mehr von diesem Vorfall.

Noch zwei Jahre später befinden wir uns in der Haupthandlung – es ist neun Tage vor der Entscheidung und Marla hat die Einladung zu einem Klassentreffen auf eine einsame Berghütte erhalten. Das Treffen soll auf der Nebelhütte stattfinden, wo es keinerlei Handyempfang gibt. Marla entschließt sich, an dem Treffen teilzunehmen und stellt zu spät fest, dass die Einladung eine böse Falle ist…
Sebastian Fitzek – Die Einladung weiterlesen

Sebastian Fitzek – Flugangst 7A. Thriller

Nele ist hochschwanger und hat schon den Termin für den Kaiserschnitt im Krankenhaus. Dort soll ihr Kind auf die Welt kommen – hoffentlich, ohne dass sie sich bei Nele mit dem HI-Virus infiziert. Doch als Nele frühmorgens in das Taxi ins Krankenhaus einsteigt, muss sie schnell erkennen, dass ihr Fahrer sie leider nicht ins Krankenhaus bringt. Er hat ganz andere Pläne mit der hochschwangeren Frau.

Davon ahnt der erfahrene Psychiater Mats Krüger noch nichts, als er mit klopfendem Herzen in Buenos Aires in das Flugzeug nach Berlin steigt, um seiner Tochter Nele nach der Geburt beizustehen. Mats leidet unter schrecklicher Flugangst, der er versucht hat, in einem Flugangst-Seminar beizukommen. Im Flugzeug hat er verschiedene Sitze gebucht, um in jeder Situation auf dem vermeintlich sichersten Platz sitzen zu können. So fällt es ihm beim Einsteigen leicht, einer verzweifelten Mutter und ihrem Baby den Platz 7A in der Business-Class zu überlassen, denn das ist der gefährlichste Platz im gesamten Flugzeug.

Sebastian Fitzek – Flugangst 7A. Thriller weiterlesen

David Baldacci – Last Mile (Amos Decker 2)

Die Spur führt in den finsteren Süden

Der Memory Man ist zurück! Seit zwanzig Jahren sitzt Melvin Mars in der Todeszelle. Er soll seine eigenen Eltern ermordet haben. Doch kurz vor seiner Hinrichtung taucht wie aus dem Nichts ein anderer Mann auf und behauptet, das Verbrechen begangen zu haben. Ein Fall für Amos Decker, den Memory Man – der seit einem Unfall nicht mehr vergessen kann. Innerhalb einer Spezialeinheit des FBI klärt er ungelöste Schwerverbrechen. Schon bald zeigt sich, dass der Fall enorme gesellschaftliche Sprengkraft birgt. (Verlagsinfo)

Der Autor
David Baldacci – Last Mile (Amos Decker 2) weiterlesen

Viegas, Francisco José – Schatten der Tiefe. Jaime Ramos und Filipe Castanheira ermitteln

_Mordserie in der Kathedrale der Moderne_

Der Tatort: Portugal, die Weltausstellung in Lissabon 1998. Es kommt den Politikern der Hauptstadt höchst ungelegen, dass auf dem Expo-Gelände drei Leichen entdeckt werden. Der Schlüssel zu den Verbrechen scheint in einem verschollenen Video zu liegen, das einer der Ermordeten aufgenommen hat. Es soll den Beweis für die Existenz eines geheimnisvollen Giftfisches enthalten. Was hat das amerikanische Militär damit zu tun? Doch Inspektor Ramos stößt auf Gerüchte, dass dieses Video kompromittierendes Material enthält.

Zu allem Überfluss taucht auf den portugiesischen Azoren noch eine vierte Leiche auf. Dort ermittelt Inspektor Filipe Castanheira. Wie passen die vier Morde zusammen, fragen sich die beiden Kriminaler. Wo ist das Muster? Eine harte Nuss für das Ermittlerduo Jaime Ramos und Filipe Castanheira, doch die Zeit drängt.

_Der Autor_

Francisco José Viegas wurde 1962 in der portugiesischen Region Alto Douro geboren (die nicht gerade für Wohlstand bekannt ist). Er studierte in Lissabon und unterrichtete von 1983 bis 1987 Linguistik und Literatur an der Universität von Évora. Er ist als Literaturkritiker und Journalist tätig, war lange Chefredakteur des Literaturmagazins „LER“ und leitet die Zeitschrift „Grande Reportagem“. Er veröffentlichte bereits mehrere Gedichtbände und Reiseführer, bevor 1997 sein erster Kriminalroman erschien. Heute ist er laut Verlag einer der beliebtesten Krimiautoren Portugals.

Seine weiteren Krimis sind: „Der letzte Fado“ und „Das grüne Meer der Finsternis“. Auch sie sind bei |Lübbe| erschienen.

_Handlung_

Eigentlich ist Inspektor Jaime Ramos ja in Porto stationiert, aber offenbar hat er Mist gebaut, und sein Chef gibt ihm im Mai zwei Monate Sonderurlaub in der Hauptstadt. Acht Wochen entfernt von Rosa und den Strandausflügen! Kaum auszuhalten. Darauf erstmal eine Zigarre. Er fährt nicht ohne seinen Assistenten Isaltino de Jesus, sein Gewissen.

In Lissabon ist Weltausstellung oder, wie man hier so kosmopolitisch sagt: „Expo“. Es gibt auch gleich etwas zu tun. Denn im Atlantikbecken des Ozeanariums wurde eine nackte Leiche gefunden. Ein Mann ohne Zeh, das heißt: Ihm wurde der rechte große Zeh entfernt, nein, nicht abgebissen von einem hungrigen Fisch, sondern: abgeschnitten. Fachmännisch. Weshalb, warum, wozu, fragt sich Ramos, und vor allem: von wem?

Wer hatte nächtens Zugang zu diesem speziellen Becken, wo doch die gesamte Anlage rund um die Uhr per Video überwacht wird? Wer wusste darüber Bescheid? Ramos‘ Blick fällt auf eine Dame im Badeanzug, die sagt, sie komme aus Mexiko. Sie kannte den Toten: Es handle sich um Paulo Viveiros Costa, einen Meeresbiologen von den Azoren. Den portugiesischen Azoren, wohlgemerkt.

Diese mexikanische Biologin Elena Carreter kommt Ramos nicht ganz koscher vor, und er fühlt ihr ein wenig auf den Zahn. Bei mexikanischem Essen kommt er ihr etwas näher. Siehe da: Sie hatte etwas mit diesem Costa, er übernachtete in ihrem gemieteten Appartement, „so oft es nötig war“. Was soll das schon wieder heißen? Meint sie die Nummern, die sie mit ihm geschoben hat? Ramos fragt lieber nicht. Elena sagt noch, Costa habe sich für die Fische interessiert, die er von den Azoren mitgebracht habe. Sie war mit ihm noch essen, bevor er am nächsten Tag zurückfliegen wollte. Tja, so schnell kann’s gehen, denkt Ramos und pafft seine Zigarre.

Kaum hat er erfahren, dass Elena am nächsten Tag den Flieger nach Mexiko nehmen will, lässt er sie überwachen, vernimmt sie noch einmal und siehe da: Auch sie wird wenig später mausetot aufgefunden. Mit durchschnittener Halsschlagader – ein fachmännischer Schnitt mit dem gleichen Messer wie bei Costa. Ist das nicht ein merkwürdiger Zufall? Ein verdammt merkwürdiger, findet Ramos, sogar so merkwürdig, dass ihm allmählich mulmig wird. Wer überwacht ihn und seine Arbeit? Schnüffelt er in Dingen herum, die hochbrisant sind? Wenn man sich den Leiter der Expo anhört, so will der die Aufklärung der Mordfälle so schnell wie möglich.

Am nächsten Morgen taucht Leiche Nummer drei auf: eine Landschaftsarchitektin. Jetzt schlägt’s dreizehn, und der Expoleiter macht noch mehr Druck, doch der Chef der mexikanischen Abordnung stellt sich ahnungslos. Aber was Ramos im Moment am meisten interessiert: Was waren das überhaupt für Fische, die Costa von den Azoren brachte?

|Ponta Delgada, Sao Miguel, Azoren|

Ein hübsches Fleckchen Erde, findet Unterinspektor Filipe Castanheira, dieses Sao Miguel. Aber nicht für diesen mausetoten Unbekannten, über dem er gerade in einer alten Tabakfabrik steht. Castanheira lebt schon zehn Jahre auf dieser beschaulichen Insel, aber viele Leichen musste er noch nicht anschauen. Für den Unbekannten in den Managerklamotten war hier Endstation. Aber warum?

Ramos hat ihm eine Anfrage geschickt: Wer ist dieser tote Costa, der im Atlantikbecken gefunden wurde? Castanheira fragt dessen Professor an der Uni. Costa war ein Meeresbiologe, der hinter einer Unterart des Speisefisches Drachenkopf her war. Hinter dem Azorischen Drachenkopf, den die meisten Forscher für einen Mythos, eine Erfindung eines Amerikaners halten, aus dem Jahr 1969. Das war vor fast 30 Jahren. Dieser spezielle Drachenkopf soll ein extrem leistungsstarkes Nervengift produzieren, mindestens so stark wie das des Steinfisches. Wie apart, aber wen interessierte das?

Costa hatte auf der Insel eine Verlobte, Silvia Amari. Mann, die ist vielleicht sauer auf ihn, hat sie doch von seiner Geliebten Elena Carreter erfahren. Sie würde das abgelegene Haus, in dem Paulo bei ihr übernachtete, am liebsten abfackeln, sagt sie. Castanheira riecht Lunte. Wozu mochte wohl so eine betrogene Fast-Ehefrau fähig gewesen sein?

_Mein Eindruck_

Kann es wirklich so einfach sein? Natürlich nicht. Und natürlich ist dies auch nicht das Ende der Indizienkette, weder für Ramos noch für Castanheira. Es tauchen ein, zwei, viele Videobänder auf, und am Schluss weiß sich Ramos nicht mehr vor den gezückten Kassetten seiner Beglückwünscher zu retten, die sich bedanken, dass er endlich die Mordserie der Expo aufgeklärt hat. Na toll, denkt sich Ramos, er will aber lieber schnellstens wieder nach Hause, denn Rosa hat schon etwas ungnädig nach ihm gefragt. Dabei ist sie nicht mal mit ihm verheiratet.

|Ramos‘ seltsame Methoden|

Bevor er abreist, besucht er auf seine unnachahmliche und überraschende Art diverse Großkopfeten, darunter natürlich den Expoleiter, der ihn mit Brocken von Englisch und Französisch traktiert, sowie den undurchsichtigen Leiter der mexikanischen Delegation. Ramos hat eine Methode, die sogar seinen Kollegen Mereiles von der lokalen Polizei überrascht: Er schleicht sich am offiziellen Dienstweg vorbei. Flugs hat er eineinhalb Tage Vorsprung vor den werten Lissabonner Kollegen, findet Zeugen und Beweisstücke, die er verschweigt oder nur ein „zufällig“ auftauchen lässt. Selbst seine ertragreiche Vernehmung Elena Carreters hatte er weder beantragt noch angekündigt – genau deshalb wurde sie ja so ertragreich. Er saß ihr quasi wie ein Privatmensch gegenüber, und entsprechend freier konnte sie mit ihm reden. Nicht nur über Kochrezepte.

Ramos mag Kochrezepte, genau wie das Kochen ist ihm das Rauchen guter Zigarren ein wichtiger Lebensinhalt. Der Autor lässt ihn ganze Absätze herunterrattern, in denen er die Vorzüge von Zigarrenmarken aufzählt. Dabei bleibt zwangsläufig nicht unerwähnt, dass auch die Azoren ein wichtiges Tabaksproduktionsgebiet sind. Als Kollege Castanheira in Lissabon eintrudelt, kann es nicht ausbleiben, dass er zwei Kisten Zigarren für den geschätzten Kollegen Ramos mitbringt. Gegenüber gewissen renitenten Zeugen erweist sich eine gute Benida als eine begehrte Währung, die Herzen öffnet – und Lippen entsiegelt.

|Castanheira|

Ein unverwechselbarer Charakter ist dieser Ramos. Das kann man von Castanheira leider nicht behaupten. Obwohl die Ortsbeschreibungen von Sao Miguel wie eine Welle daherkommen, trägt dies doch kein bisschen dazu bei, den Unterinspektor näher zu charakterisieren. Vielleicht ist er mit seinen rund dreißig Jahren noch zu jung dafür, um eine der Schrullen von Ramos angenommen zu haben: Zigarrensucht, Fußballbegeisterung, Kochleidenschaft usw. Aber Castanheira ist ein scharfer Beobachter, dem kaum etwas entgeht, und eine so kleine Insel lässt sich im Nu nach Daten von Amerikanern, Mexikanern und Einheimischen durchkämmen. Voilà: Der Tote in der Tabakfabrik ist der von Ramos gesuchte Amerikaner. Und noch einen weiteren schlimmen Finger stöbert Castanheira auf …

|Stolperfallen der Erzähltechnik|

Nun könnte der Eindruck entstehen, die Geschichte würde nur so dahinplätschern, genährt von Kochrezepten und Spielständen. Nichts liegt dem Autor ferner als das. Vielmehr ist es ein für den Erstleser irritierendes Stilmerkmal dieses Romans, dass plötzlich sowohl Brüche als auch Zeitsprünge stattfinden. An Brüche kann man sich gewöhnen, aber nicht an unvermittelte Zeitsprünge. Denn es ist ja das ureigenste Merkmal des Kriminalromans, dass er den Fall von A bis Z aufrollt und dabei Ursache keinesfalls mit der Wirkung verwechselt.

Dazu ist es nötig, alles Indizien und Ereignisse in eine nachvollziehbare chronologische Reihenfolge zu bringen, wie in ein Korsett logischer Ordnung. Ob hie und da noch ein Glied in der logischen Kette fehlt, fällt nicht so sehr ins Gewicht. Wichtig ist die Nachvollziehbarkeit der Chronologie. Um dies zu gewährleisten, ist auf der erzählerischen Ebene die korrekte Handhabung grammatikalischer Zeitformen unabdingbar. Ansonsten würde zeitliches Chaos entstehen und die schöne Logik ginge zum Teufel: Ursache käme nicht mehr vor Wirkung, sondern irgendwann hinterher.

Die stillschweigende Perfidie des Erzählers / Autors besteht nun darin, die Chronologie zu unterminieren. Dies gelingt ihm durch ständig eingebaute Rückblenden. Diese werden jedoch nicht als solche angekündigt noch gekennzeichnet. Die „korrekte Handhabung grammatikalischer Zeitformen“ wäre nun sehr willkommen und hilfreich, doch so einfach will es der Autor seinem Leser nicht machen. In Ramos‘ einzigartigem Verstand verschwimmen vielmehr die Zeitebenen in einen sich ausbreitenden Ozean der Zusammenhänge. Das mag der intuitiven Entdeckung von Indizien entgegenkommen, verunsichert aber den Leser – oder es kommt einem Leser entgegen, der mit solchen modernen Techniken vertraut ist.

|Schatten der Tiefe|

Der Ozean ist die zentrale Metapher des ganzen Romans. Nicht nur haben Elena und Costa dort ihr Arbeitsfeld, sondern auch Lissabon – durch das Ozeanarium der Expo – und die Azoren sind davon umgeben. Ramos‘ Geist ist davon erfüllt, und er ahnt, dass es in Elenas Geist nicht viel anders aussieht. Doch der Ozean hat lichte Höhen dicht unter der Oberfläche – und er hat „Schatten der Tiefe“. Dorthin muss sich Ramos begeben: nicht buchstäblich natürlich, sondern mit kriminalistischen Mitteln. Er fängt auf diese Weise ein paar dicke Fische.

Dieser zweigeteilte Ozean ist das symbolhafte Spiegelbild sowohl der Welt, die die Expo nach Lissabon holt, als auch für Lissabon, das sich mit der Expo nun der Welt als moderner Saubermann präsentieren will. Auf dieser weißen Weste machen sich die drei Morde in der Expo denkbar schlecht aus, aber sie sind nur eine Verlängerung der Zustände, die in der Metropole schon immer geherrscht haben. Dies zu zeigen, ist das Anliegen Ramos‘ und die geheime Zielrichtung des Autors. Mit Ramos hat er einen Mann aus der Provinz in die Hauptstadt geholt, der das zwielichtige Geschehen dort mit distanziertem, kritischem Blick beobachtet – und sich keinen Deut um die korrekte Vorgehensweise schert. Sein Ermittlungserfolg gibt Ramos recht – und bestätigt den Autor in seiner versteckten Kritik.

_Unterm Strich_

Mit Viegas ist ein genuin portugiesischer Krimiautor zu entdecken, der uns Mitteleuropäern zum einen sein am Rande Europas gelegenes, aber wunderschönes Land präsentiert, zum anderen mit Inspektor Ramos ein Original zum Kennenlernen anbietet, das mehr als einen Blick verdient. Ein geistiger Verwandter von Kurt Wallander und Kommissar Van Veeteren ist dieser Mann der unkoventionellen Methoden, und in Isaltino de Jesus hat er sowohl einen Spiegel als auch ein Gewissen, so dass wir jede Fassette des knurrigen Inspektors kennen lernen.

Ähnlich wie Hakan Nesser ist Viegas kein Freund von geradlinigen Erzählsträngen oder gar eindimensionalen Figuren. Beides weiß er durch seine trickreiche Erztähltechnik zu unterlaufen. Das fordert vom Leser erhöhte Aufmerksamkeit, und ich ertappte mich beim mehrmaligen Lesen eines Absatzes, der so gar nicht zum Vorhergehenden passen wollte. Es schien mir, als würde der Autor zwischen den Zeilen wesentlich mehr erzählen, als auf der Seite stand. Dass dies wirklich so ist, erwies sich an den Sprüngen und Brüchen im Erzählverlauf – siehe oben.

Dennoch habe ich den Roman genossen, denn wenn man genau aufpasst, ergibt sich ein Gewebe, ein Bild, in dem es keine losen Enden mehr gibt. Und wem dies so erscheint, der sollte die letzten 20 Seiten noch einmal lesen. Denn hier tut sich noch eine ganze Menge an Ermittlung. Hier plätschert kein Epilog vor sich hin, der den Leser gütig in sein eigenes Leben entließe, nein: Es bleibt spannend bis zur letzten Seite. Der Roman ist ein trügerisch leicht zu lesendes Buch, doch die Mühe, die man investieren muss, lohnt sich.

|Originaltitel: Un crime na exposicao, 1998
301 Seiten
Aus dem Portugiesischen von Kirsten Brandt|
http://www.edition-luebbe.de/

Fielding, Helen – Geheimnisse der Olivia Joules, Die

_Gestatten? Rachel Pixley, Terroristenjägerin (oder: Knutschen mit Osama)_

Die freie Journalistin Rachel Pixley, die sich inzwischen den glamouröseren Namen „Olivia Joules“ zugelegt hat, trifft im mondänen Miami Beach einen Filmproduzenten, der sie fatal an einen gewissen Terroristenführer aus Saudi-Arabien erinnert. Der letzte Beweis, dass es sich um Osama Bin Laden handelt, liefert ihr seine Warnung, das Luxusschiff „Oceans Apart“ zu besuchen – welches denn auch prompt in die Luft fliegt. Kein Zweifel: Olivia muss die Welt vor diesem Mann retten! Wenn er nur nicht so schrecklich verführerisch wäre …

|Die Autorin|

Helen Fielding wurde weltbekannt durch die Verfilmungen ihrer Romane „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ und „Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns“, beide mit Renee Zellweger in der Hauptrolle (der zweite Film kommt noch im Dezember in unsere Kinos, keine Sorge).

_Handlung_

Man kann sich auch in Miami Beach fehl am Platz vorkommen. Wie eine Strafversetzung fühlt sich diese Mission an, denkt Olivia Joules, ihres Zeichens freie Journalistin für britische Zeitungen und Klatschblätter. Olivia wurde als Rachel Pixley in der Robin-Hood-Gegend von Nottingham geboren, hat aber entschieden, für eine Karriere in der Welt der Reporter, Reichen und Schönen klinge „Olivia Joules“ doch wesentlich glamouröser.

Doch der Glamour, den sie im Luxushotel Delano vorfindet, hält sich stark in Grenzen. Die Konversation mit ausgestopften Silikongirls und ahnungslosen Boy-Band-Boys unterfordert Olivias geistige Fähigkeiten beträchtlich. Deshalb fällt ihr auch sofort der fein gekleidete und sinnlich dreinschauende Pierre Ferramo ins Auge, der hier als Filmproduzent irgendetwas mit der Präsentation einer neuen Kosmetikkollektion namens „Devoree“ (= verschlungen) zu tun hat. Der Umstand, dass sein Gesicht arabische Züge trägt und er arabische Wörter wie „shukran“ (= danke) benutzt, bringt sie auf eine ebenso glorreiche wie schreckenerregende Idee: Es handelt sich offenbar um keinen Geringeren als Osama Bin Laden – natürlich nach einer Gesichts- und Beinoperation.

Olivia hat nichts Eiligeres zu tun, als ihrer Kollegin/Freundin Kate die Neuigkeit brühwarm zu verklickern. Die rät ihr, erstmal ordentlich zu recherchieren, bevor sie ihrem Chef Barry Wilkonson, der sie eh auf dem Kieker hat, irgendetwas anbietet. Gesagt, getan. Und sie werde keinesfalls mit Ferramo schlafen. Oder? Der Mann hat ja nicht mal einen Eintrag in Google, der für Olivia maßgeblichen Suchmaschine. Sehr verdächtig!

Nachdem sie sich von den Silikongirls Kimberley und Demi abgeseilt hat, lernt sie zwei britische Passagiere des Luxusschiffs „OceansApart“ kennen. Edward und Elsie wecken in Olivia alias Rachel so heimatliche Gefühle, dass sie sie unbedingt auf ihrem Dampfer besuchen will, der an der Mole vor Anker liegt. Als Ferramo dies am Abend davor erfährt, rät er Olivia, die heftig mit ihm knutscht, eindringlich davon ab. Warum bloß?

Dennoch geht Olivia wie jeden Morgen joggen. Am Hafen sieht alles ganz friedlich aus, bis plötzlich ein Donnerschlag die Ruhe unterbricht und die Zeit still zu stehen scheint. Noch ein Donnerschlag – er kommt von der „OceansApart“! Schneller als James Bond in seinen besten Jahren hechtet Olivia unter einen Frachtcontainer in Deckung. Noch ein Donnerschlag, und heiße Luft versengt ihr den Unterarm. Der Doppelrumpf des Ozeanriesen wurde entzwei gerissen, und eine der beiden Hälften sinkt wie einst die „Titanic“, während der andere Teil bereits Schlagseite hat. Todesmutig eilt Olivia, die ja auf eine Taucherausbildung zurückgreifen kann, in die Wellen, um Überlebende zu bergen …

Nun hat sich ihr Verdacht gegen Ferramo erhärtet: Bestimmt hat der Mann etwas mit diesem Anschlag zu tun. Was sonst könnte ihn veranlasst haben, schon wenige Stunden später Richtung Los Angeles zu verschwinden? Ungeachtet der flehenden Anrufe von Barry Wilkinson, doch um Himmels willen einen Augenzeugenbericht zu liefern, und der Tatsache, dass sie gerade erst im Krankenhaus aufgewacht ist, macht sich Olivia heldenhaft auf den Weg nach L. A. Denn garantiert wird Osama die Filmmetropole in Schutt und Asche legen. Was sie, Olivia Joules, zu verhindern wissen wird.

Leider werden ihre Versuche, das FBI zu warnen, abgehört, in der britischen Heimat missverstanden und gegen sie verwandt. Doch was kann eine Olivia Joules aufhalten? Höchstens die Liebe.

_Mein Eindruck_

„Olivia Joules and the Overactive Imagination“, wie das Buch im Original heißt, wurde offenbar als Fastfood-Lektüre für Ferienflieger konzipiert. Die Handlung ist mit Pappkameraden gespickt, allerlei exotische Schauplätze wie etwa Miami Beach, Catalina Island und Honduras werden abgeklappert – oder besser: vorgeführt – und die klassische „flotte Biene in Not“ gerät in allerlei schlüpfrige oder gar gefährliche Situationen, in denen sie, mit Mutterwitz und Hutnadel ausgestattet, ihre Frau stehen kann.

Auf solche abgedroschenen Werte wie „Realismus“ braucht der Leser also gar nicht zu warten. Vielmehr geht es um seine oder vielmehr ihre Unterhaltung. So mag sich Lieschen Müller gerne die große weite, mondäne Welt vorstellen – und vor allem die ach so gefährlichen Männer, die sie bewegen, vor allem, wenn sie auch noch gut gebräunt sind und einen Waschbrettbauch tragen.

|James Bond: He’s the man!|

Der begehrenswerteste Typ Mann ist für Rachel Pixley alias Olivia Joules offensichtlich James Bond himself. Der echte Bond, der sich nun Mr. „Widgett“ nennt (ein ziemlich schlecht erfundener Name, denn so heißen mittlerweile sämtliche Geräte und Sachen, für die man sich noch auf keine allgemeinverbindliche Bezeichnung hat einigen können) und für den Auslandsgeheimdienst MI6 Ihrer Majestät arbeitet, ist doch schon beträchtlich in die Jahre gekommen und fällt als Lover flach.

Dafür hingegen gibt es erstklassigen Ersatz. Scott Rich ist ihr schon in Honduras an die Wäsche gegangen – nicht dass sie etwas dagegen gehabt hätte, schließlich hat auch frau ihre Bedürfnisse. Doch nun kann sie ihrerseits ganz offen ihm an die Wäsche gehen, weil sie nämlich für die gleiche Seite arbeiten: Olivia für MI6 und Scott für die CIA.

|Alias Osama|

Und wo ist der verführerische „Pierre Ferramo“ alias Osama Bin Laden abgeblieben? Ohne zu viel verraten zu wollen, kann man doch festhalten, dass er sich als echter Araber entpuppt. Er nennt Olivia-Schätzchen seinen „kleinen Falken“ (saqr). Als ob sie immer zu ihm geflogen käme, wenn er ruft. Aber um als volltauglicher Terrorist für Al-Qaida arbeiten zu können, hätte er vielleicht doch seine Vorliebe für guten französischen Wein einschränken sollen. So hat Olivia leichtes Spiel, ihn besoffen zu machen und seine Siebensachen zu durchsuchen. Ach, wäre sie ihm bloß nicht in den Sudan gefolgt! Menschen können so leicht in der Wüste verloren gehen …

|Girls and wives|

Am besten hat mir an diesem Buch die respektlose Art und Weise gefallen, wie die Autorin ihre Geschlechtsgenossinnen betrachtet. (Die Männer sind für mich wenig interessant: entweder lächerlich oder gefährlich verführerisch, dazwischen gibt’s nichts.) Klar, dass es darunter eine Menge falscher Schlangen gibt, darunter eine waschechte Doppelagentin. Und ob die „beste Freundin“ Kate wirklich immer das „Beste“ für (oder von?) Olivia will, ist lange Zeit unklar.

Der größte Aha-Effekt besteht in der Beschreibung der zwei Silikon-Girls, die Olivia in Miami Beach trifft. Obwohl Demi und Kimberley aus zwei verschiedenen Länder, nämlich Amiland und Olivialand, kommen, sehen sie sich zum Verwechseln ähnlich: Beide haben riesige ausgestopfte Brüste, aufgespritzte Lippen, das gleiche GAP-T-Shirt (natürlich ohne BH) und tragen Jeans, die jenseits von Gut und Böse anfangen. Klar, dass auch ihre Sonnenbrillen und die blonde Haartracht identisch sind. Und klar ist auch, dass beide zum Film wollen, egal wie. Olivia fragt sich, in welcher Retorte das Duo gezüchtet worden sei. Für mich ist klar, dass MTV und VIVA ein gewisse Mitschuld tragen. Girlgroups wie |No Angels| oder |Destiny’s Child| weisen stets solche „Engelchen“ auf.

|Die Übersetzung|

Marcus Ingendaay stammt offensichtlich aus dem Norden unserer Republik. Dort sind Wörter wie etwa „bräsig“ sicher wohlbekannt, wenn auch nicht hier im Süden. Bis auf ein paar Umgewöhnungsprobleme gefiel mir daher die Übersetzung recht gut, denn sie trifft auch sehr schön den deutschen Umgangston.

Schon etwas weniger gefielen mir hingegen die zahlreichen Druck- und Tippfehler. Auch Buchstabendrehen sind recht beliebt. Am krassesten fiel die Wirkung auf Seite 320 aus, wo statt „blökte“ nun „bölkte“ steht. Das lässt an Werners „Bölkstoff“ denken und Übles befürchten. Schlimmeres lassen jedoch fehlende Wörter erahnen. So fehlt auf Seite 364 das Wort „die“ in dem Satz „Ein Raunen ging durch Menge auf dem Hollywood Boulevard …“. Hoffentlich ein Einzelfall.

Ich hätte mir auch die deutsche Entsprechung des Ortsnamens „Aswan“ sehr gut im Text (S. 278) vorstellen können. Der im Deutschen gebräuchliche Name lautet „Assuan“, genau wie im Namen des Staudamms. Ein Name, der mir regelrecht suspekt vorkam und für den die Autorin verantwortlich zeichnet, ist der Name „USS Ardeche“ für ein amerikanisches Kriegsschiff. Ardèche ist bekanntlich ein französischer Fluss, und man sollte auch als Bestsellerautorin wissen, dass Amerikaner nicht gut auf die Franzosen zu sprechen sind. Deshalb erscheint der Name „USS Ardeche“ nicht besonders plausibel, besonders nicht als fiktiver Name.

_Unterm Strich_

Man muss keinen Doktorhut haben, um diesen Fastfood-Thriller für Möchtegern-Agentinnen lesen zu können. Aber vielleicht ein Flugticket. Und viel Zeit in der Sonne, am Pool, im Solarium oder sonstwo, um sich damit die überflüssige Zeit zu vertreiben, bis Männe wieder Kohle nach Hause bringt, die dringend für den nächsten Shopping-Raubzug benötigt wird.

Die Lektüre fällt umso leichter, weil man und frau sich keine Gedanken über tief schürfende Motivationen oder gar Seelenqualen der Figuren den Kopf zerbrechen müssen. Hautpsache, die Action lässt nicht allzu lange auf sich warten – am besten im Bett. Auch die gefällige Übersetzung trägt einen gewissen Wortwitz zur Unterhaltung bei. Dennoch hätte der Verlag nicht auf einen Korrektor verzichten sollen, denn derart viele Druckfehler – und sogar fehlende Wörter – finde ich in der Regel nur in Taschenbüchern, die von unterbezahlten Leuten übersetzt worden sind.

Wer den Roman zwischendurch liest, macht keinen Fehler, aber wer dann auch noch in die unvermeidliche Verfilmung – mit Renée Zellweger, garantiert – reingeht, ist selber schuld.

Eric Van Lustbader – Schwarzes Schwert. Fernost-Thriller

Packender Fernost-Thriller

In New York beginnt eine Serie brutaler Morde… In Washington versuchen konspirative Kräfte, den Wirtschaftskoloss Japan in die Knie zu zwingen… In Tokio ist eine erbitterter Kampf um die mysteriöse Geheimgesellschaft „Schwarzes Schwert“ entbrannt. Der Roman konzentriert alle Elemente, die Lustbaders Welterfolg ausmachen: Sex und Sinnlichkeit, die rätselhaft-grausame Welt des Fernen Ostens und jene Männer, die bereit sind, einen scheinbar aussichtslosen Kampf aufzunehmen. (Verlagsinfo)

Die Konfrontation zwischen Japan und den USA in Sachen Wirtschaft und Technik erscheint in diesem Fernost-Thriller noch unausweichlich. Heute malen Autoren wie Tom Clancy eher die Chinesen als den Schwarzen Mann an die Wand.
Eric Van Lustbader – Schwarzes Schwert. Fernost-Thriller weiterlesen

Eric Van Lustbader – Der Weiße Ninja (Nicholas Linnear 03)

„Der weiße Ninja“ ist ein spannender Fernost-Thriller, wie sie 1980 bis 1990 in Mode waren. Typisch für Lustbader: die Mischung aus japanischer Kampfkunst und Mystik, heißem Sex, modernster Computertechnik und skrupelloser Gewalt. Nicholas Linnear, der amerikanische Ninja, tritt hier das dritte Mal auf, nach dem Weltbestseller „Der Ninja“ und dessen Folgeband „Die Miko„. Da ich Lustbaders Mischung mag, fand ich auch diesen Roman gut.

Der Autor

Eric Van Lustbader – Der Weiße Ninja (Nicholas Linnear 03) weiterlesen

Karin Smirnoff nach Stieg Larsson – Verderben

Stieg Larssons Millenium-Trilogie ist Anfang der 2000er-Jahre eingeschlagen wie eine Bombe. Auch ich habe die drei Bücher verschlungen und konnte sie kaum aus der Hand legen. Eine zweite Trilogie lieferte später David Lagerkrantz ab, nun liegt der erste Band einer dritten Trilogie vor – dieses Mal aus der Feder von Karin Smirnoff.

Mikael Blomkvist reist in den Norden Schwedens zur Hochzeit seiner Tochter Pernilla. Dort lernt er auch seinen künftigen Schwiegersohn kennen, den Lokalpolitiker Henry Salo. Im kleinen Städtchen Gasskas kämpfen Firmen um billige Strompreise und natürliche Ressourcen – Blomkvists Schwiegersohn in spe befindet sich mittendrin.

Zeitgleich ist auch Lisbeth Salander auf dem Weg nach Norden, um ihre 13-jährige Nichte Svala kennenzulernen. Deren Mutter ist nämlich spurlos verschwunden und damit Svala nicht in ein Heim muss, ist Lisbeth zur Betreuung gefragt. Die beiden verbindet einiges, auch wenn es auch genug Reibungspunkte gibt zwischen ihnen.

Auf der Hochzeit von Pernilla und Henry Salo verschwindet schließlich Pernillas Sohn – spätestens jetzt befinden sich Salander und Blomkvist im Auge des Stroms, wie die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken verspricht.
Karin Smirnoff nach Stieg Larsson – Verderben weiterlesen

Patterson, James; Paetro, Maxine – 8. Geständnis, Das

_|The Women’s Murder Club|:_

Der 1. Mord
Die 2. Chance
Der 3. Grad
Die 4. Frau (zusammen mit Maxine Paetro)
Die 5. Plage
6. Die 6. Geisel (zusammen mit Maxine Paetro)
7. „Die 7 Sünden“
8. “Das 8. Geständnis
9. „Das 9. Urteil“
10. „10th Anniversary“

_Romantik & Crime: nur für weibliches Publikum unterhaltsam?_

Jemand bringt die Oberen Zehntausend von San Francisco um, hinterlässt aber weder Spuren noch Hinweise auf die Todesursache. Die vier Mitglieder des Mordklubs sind ratlos, und Kommissarin Lindsay Boxer gerät schwer unter Druck. Obendrein verliebt sie sich auch noch in ihren Kollegin Rich Conklin, was die Ermittlungen nicht gerade vereinfacht.

_Die Autoren_

James Patterson, ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur, ist der Autor von fünfzehn Nummer-1-Bestsellern (inklusive diesem Buch). Allerdings sind es vor allem seine Alex-Cross-Thriller, die den Leser berühren. Folglich war Alex Cross bereits zweimal im Film zu sehen: „Im Netz der Spinne“ und „… denn zum Küssen sind sie da“ wurden beide erfolgreich mit Morgan Freeman in der Hauptrolle verfilmt. Für Einsteiger sei gesagt, dass Alex Cross ein sympathischer schwarzer Polizeipsychologe ist, der mit seiner Familie in Washington, D. C., lebt.

Patterson ist extrem fleißig. Sein letzter Solo-Roman hieß „The Lake House“, doch inzwischen wurde auch „Sam’s Letter to Jennifer“ veröffentlicht, das ähnlich aufgebaut ist wie der „tearjerker“ „Briefe an Nicholas“. Nähere Infos finden sich unter www.twbookmark.com und www.jamespatterson.com. Patterson lebt mit seiner Familie in Florida.

Maxine Paetro ist eine Journalistin und Schriftstellerin, die mit ihrem Mann in New York City lebt.

Die Serie zum The Women’s Murder Club umfasst bislang folgende Bände:

_Handlung_

Wie immer passieren in San Francisco viele Dinge gleichzeitig. Auf der Market Street im Stadtzentrum explodiert ein Bus, der Drogen transportiert, und es gibt zahlreiche Tote und Verletzte. Staatsanwältin Yuki Castellano, ein Mitglied des Women’s Murder Clubs, droht einen Prozess zu verlieren, weil sich die Schöffen nicht auf ein Urteil einigen können. Ein Rockstar findet einen nicht ganz unerwarteten Drogentod.

Ein Wohltäter der Obdachlosen, der als Bagman Jesus bekannt war, wird mit zerschlagenem Gesicht erschossen aufgefunden. Club-Mitglied Cindy, eine Zeitungsreporter, untersucht den Fall, weil die Cops gerade alle Hände mit einem anderen Fall zu tun haben.

Dieser Fall dreht sich um den rätselhaften Tod zweier herausragender Mitglieder der Oberen Zehntausend von San Francisco, Isa und Ethan Bailey. Was Inspector Lindsay Boxer und ihren Kollegen Rich Conklin so frustriert werden lässt, ist der seltsame Umstand, dass es, wie die Gerichtsmedizinerin Claire berichtet, keine nachweisbare Todesursache gibt. Sie könne nicht mal sagen, ob es sich um Selbstmord-Mord in Übereinstimmung gehe.

Doch wenige Tage später wird auch Sara Needleman, Isas Freundin aus der Oberschicht, auf gleichermaßen rätselhafte Weise ermordet aufgefunden. Der einzige Weg, um weiterzukommen, ist das haarkleine Vergleichen der Listen von Bediensteten – es sind Unmengen – und Bekannten – das sind noch mehr – in den beiden Fällen.

Lindsay kommt erst weiter, als ein alter Bekannter, der inzwischen im Rollstuhl sitzt, Akten aus dem Jahr 1982 hervorkkramt und ihr auf den Schreibtisch stapelt: eine ebenso rätselhafte Mordserie, die im Tod eines reichen Kerls namens Christopher Ross gipfelte – und dann abbrach. Na, das ist doch ein guter Einstieg. Als die Lehrerin, die einst Isa und Sara an der gleichen Schule unterrichtete, auspackt, geraten Lindsay und Rich sogar auf eine heiße Spur …

_Mein Eindruck_

Drei Handlungsfäden führt dieser Roman parallel, so dass sie sich unvermeidlich ab und zu überkreuzen. Dieses Überkreuzen erfolgt jedoch auf recht willkürlich, völlig romantische Weise, d.h. die Leben der drei jungen Damen Lindsay, Cindy und Yuki tangieren sich mal mehr, mal weniger. Das sollte die weibliche Leserin, für die der Damenkrimi geschrieben wurde, möglichst bei der Stange halten.

Wenn sich also Lindsay und Cindy für den gleichen Mann, nämlich den überaus attraktiven Rich Conklin, interessieren, dann ist das keineswegs Zufall, sondern die romantische Würze, die für einen Damenkrimi nun mal unabdingbar ist. Selbstverständlich hat dies rein gar nichts mit männlicher Logik zu tun. Aber davon will auch keine unserer Heldinnen etwas wissen. Sie interessieren sich mehr für Richs gutes, kräftiges Aussehen. Dass am Schluss des Buches mindestens ein Heiratsantrag stehen muss, versteht sich von selbst. Mehr sei nicht verraten.

Rein sachlich dreht sich die Mordserie um die Racheaktion einer getriezten und benachteiligten Exschülerin von Isa und Sara. Das lässt sich leicht nachvollziehen. Pikant wird diese Sache durch den Umstand, dass sie eine besondere Schlange als Mordwerkzeug einsetzt: die aus dem Sherlock-Holmes-Abenteuer „Das gefleckte Band“ bestens bekannte indische Krait. Ihr Biss tut nicht weh, doch ihr Nervengift lähmt die Atmungsmuskulatur und lässt das Opfer ersticken. Leider verweist die Autorin Maxine Paetro kein einziges Mal auf Sherlock Holmes, aber wenigstens auf einen indischen Fachmann – dessen Namen sie dann auch noch in der Erzählung verwendet.

Bagman Jesus war, wie Cindy im Laufe ihrer Ermittlung herausfindet, keineswegs ein Heiliger. Vielmehr war der Exstudent der Elite-Uni Stanford ein Drogendealer, der junge Mädchen um die 17 süchtig machte, um sie dann als Pusher einzusetzen, also als Straßendealer. Der Bus, der auf der Market Street in die Luft flog, beherbergte sein neu erworbenes Meth-Drogenlabor.

Doch wer in Wahrheit dann für seine Ermordung verantwortlich, fragen sich Cindy und Lindsay, die sich wegen Rich Conklin in die Haare kriegen. Waren es die beiden Billoiganwälte der Obdachlosen Neil und Alan Pincus, die einer Pusherin die Tatwaffe gaben? Oder waren es andere Geschädigte von Bagman Jesus, die sich allesamt schuldig bekennen? Die Wahrheit herauszufinden, obliegt künftig Yuki Castellano, der befreundeten Staatsanwältin.

Yukis Schicksal ist ein recht seltsames. Nach dem Tod ihrer Mutter (in Band Nr. 5) versucht sie auf eigenen Beinen zu stehen, doch in beruflicher Hinsicht läuft der neueste Fall nicht, wie er soll. Lediglich in privater Hinsicht findet sie in dem Arzt, der ihr eine Kopfwunde genäht und (zu ihrem Entsetzen!) den Kopf geschoren hat, eine neue Liebe. Zumindest bis zu dem Moment, in dem er ihr sein eigenes, seltsames Schicksal enthüllt …

_Unterm Strich_

Eigentlich können nur weibliche Leser etwas mit dieser Story etwas anfangen, und das erscheint folgerichtig, weil ja die ganze Serie nach ihnen ausgerichtet ist. Daher dürfte ihnen das romantische Gefecht zwischen Cindy und Lindsay um den attraktiven Rich Conklin nur willkommen und nicht etwa unplausibel erscheinen. Auch die Liebelei zwischen Yuki und dem Arzt dürfte voll die Erwartungen erfüllen, ebenso wie der Heiratsantrag, der den krönenden Abschluss aller Romanzen zu bilden hat.

Männliche Leser (wie ich) dürften die Behandlung der beiden Ermittlungen doch etwas zu lässig finden, zumal nur recht wenig Action vorzufinden ist. Allerdings ist die Dramatik der Szene, als die Serienmörderin festgenommen werden soll, nur schlecht zu überbieten. Die Frau steht mit gezückter Krait-Schlange da und bedroht den schmucken, tapferen Rich Conklin damit. Lindsay trifft fast der Schlag, doch dann tritt sie in Aktion. Doch auch ihr verzweifeltes Eingreifen kann nicht verhindern, dass Rich gebissen wird. Wird er durchkommen? Die Leserinnen bangen mit, die männlichen Leser fassen sich an den Kopf.

Auch die Ermittlung zu Bagman Jesus führt zu einem unerwarteten Resultat: Nicht weniger als acht Leute behaupten von sich, ihn ermordet zu haben, denn er verdiente es. Der Slogan „Jesus saves“ verspricht eben auch nicht mehr das, was es mal zu Hippiezeiten war, nämlich wirkliche Rettung. Wie sich doch die Zeiten geändert haben. Neuerdings verhökert Jesus übelste Drogen wie Crystal Meth.

Kurzum: Obwohl die sozialkritische Botschaft durchaus vorhanden ist, kommt der dargebotene Suchtstoff aus der Drogenküche James Pattersons (und Maxine Paetros) doch vor allem bei weiblicher Leserschaft an. Manche Wendungen erscheinen denn doch einfach zu unplausibel und lachhaft. Es sei denn, das Autorengespann hätte über Nacht einen Sinn für Ironie entwickelt.

|Gebundenes Buch: 352 Seiten
Originaltitel: The 8th Confession (2010)
Aus dem Amerikanischen von Leo Strohm
ISBN-13: ISBN-13: 978-3809025511|
[www.limes-verlag.de]http://www.limes-verlag.de

_James Patterson auf |Buchwurm.info|:_
[„Das Pandora-Projekt“ 3905 (Maximum Ride 1)
[„Der Zerberus-Faktor“ 4026 (Maximum Ride 2)
[„Das Ikarus-Gen“ 2389
[„Dead“ 5703
[„Blood“ 4835
[„Honeymoon“ 3919
[„Ave Maria“ 2398
[„Wer hat Angst vorm Schattenmann“ 1683
[„Mauer des Schweigens“ 1394
[„Stunde der Rache“ 1392
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391
[„Wer sich umdreht oder lacht“ 1390
[„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149
[„Vor aller Augen“ 1087
[„Tagebuch für Nikolas“ 854
[„Sonne, Mord und Sterne“ 537
[„Rosenrot Mausetot“ 429
[„Die Wiege des Bösen“ 47

Camilleri, Andrea – Rache des schönen Geschlechts, Die

„Commissario Montalbano lernt das Fürchten“ heißt dieser Roman im Untertitel. Sowohl der Untertitel als auch der Haupttitel werden mit entsprechenden Erzählungen gerechtfertigt. Im Gegensatz zu so manch anderem Werk auf dem deutschen Buchmarkt passt der Titel diesmal.

Das Buch enthält drei kurze Shortstorys (sorry: doppelt gemoppelt) von wenigen Seiten sowie drei Novellen von einer Länge zwischen 60 und 100 Seiten. Alle Geschichten gehorchen Edgar Allan Poes Forderung nach einer „unity of effect“: Sie erzielen jeweils eine beabsichtige Wirkung und haben eine identifizierbare Aussage. Die Lektüre dürfte also recht zufriedenstellend ausfallen. Ich stellte fest, dass die Novellen spannender sind als die Shortstorys.

|Der Autor|

Andrea Camilleri ist kein Autor, sondern eine Institution: das Gewissen Italiens. Der 1925 in dem sizilianischen Küstenstädtchen Porto Empedocle geborene, aber in Rom lebende Camilleri ist Autor von Kriminalromanen und -erzählungen, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur. Er hat dem italienischen Krimi die Tore geöffnet.

Die Hauptfigur in vielen seiner Romane, Commissario Salvo Montalbano, gilt inzwischen als Inbegriff für sizilianische Lebensart, einfallsreiche Aufklärungsmethoden und südländischen Charme und Humor. Er ermittelt in komplett erfundenen, aber „wirklich“ erscheinenden Orten wie Vigàta und Monte Lusa.

Allerdings ist der Commissario nicht der Liebling aller Frauen: Zu oft hindert ihn sein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein daran, dringende Termine mit seiner festen Freundin Livia wahrzunehmen, mit der er seit sechs Jahren liiert ist, die aber in Genua lebt, also aus „dem Norden“ kommt. (Auch Camilleris Frau stammt von dort, aus Mailand.)

Einige Montalbano-Krimis:

– Die Form des Wassers
– Das Spiel des Patriarchen
– Der Hund aus Terrakotta
– Die Stimme der Violine
– Der Kavalier der späten Stunde
– Der Dieb der süßen Dinge
– Die Nacht des einsamen Träumers
– Das kalte Lächeln des Meeres

_Die Erzählungen_

|Fieber| (2001)

Die Grippe geht um in Marinella, und auch Montalbano wird von der Krankheit nicht verschont. Überzeugt, dass ein Thermometer zur Senkung seines Fiebers beitragen werde, steht er also auf und begibt sich zur nächsten geöffneten Apotheke. Dort wird er Zeuge eines blutigen Überfalls, bei dem ein junges Mädchen angeschossen wird. Ein Stadtstreicher entpuppt sich als professioneller Helfer, als es darum geht, der Kleinen zu helfen. Dieses Detail kommt dem Commissario, als er wieder im Bett liegt und schwitzt, seltsam vor …

|Tödlich verwundet|

In Vigàta wurde der Wucherer Piccolo erschossen. Montalbano findet ein verwüstetes Schlafzimmer vor, in dem der Ermordete im Bett liegt. Angeblich hat ihn seine Nichte Grazia, die bei ihm als Dienstmagd lebte, so aufgefunden, nachdem ihn ein Einbrecher getötet hat. In blitzschneller Reaktion habe sie, die mit Pistolen umgehen kann, einen Revolver aus dem Nachttisch geholt und damit den flüchtenden Einbrecher tödlich verwundet. Dieser wird drei Tage später auch tatsächlich verblutet aufgefunden.

Doch wenn der Schütze ein Einbrecher war, wieso ist dann in Piccolos Safe nur noch so wenig Geld? Und warum findet man beim toten Schützen keine Waffe? Und wie kommt es, dass dieser sogenannte Einbrecher dafür bekannt war, eine ehrliche Haut zu sein und geradezu kindliches Gemüt zu haben? Montalbano wird stutzig und stößt schon bald auf eine hilfreiche Spur, die zu einem Unbekannten führt.

|A Hatful of Rain oder: Eine Handvoll Regen| (1999)

Sein Polizeipräsident schickt den Commissario nach Rom, um dort im Ministerium seine, Montalbanos, Verbesserungsvorschläge für die Polizeiarbeit zu unterbreiten. Das ist dem Kommissar überhaupt nicht recht: Er hasst das Fliegen und kann den Norden nicht leiden. Weil seine Reisetasche verlorengeht, muss er in Rom erst einmal Klamotten kaufen und ein teures Zimmer mieten. Der Kleiderladen gehört einem alten Schulkameraden, wie er entdeckt. Diesen Ernesto Lapis hätte er damals in der Schule meiden sollen, denn er hatte ihn zum Schuleschwänzen angestiftet. Doch nicht der Faulenzer ist zum Ganoven geworden, sondern Lapis‘ Sohn. Das entdeckt Montalbano, als er im Gewittersturm seine Kappe verliert und sie neben einem Hut landet. Der bedeutet dessen Besitzer, Antonio Lapis, auffällig viel. Warum, erkennt Montalbano, als er sich mit Lapis um Kappe und Hut prügelt und die Polizisten beide festnehmen. Der Hut steckt voller Drogenpäckchen …

|Das vierte Geheimnis|

Ein albanischer Gastarbeiter ist auf dem Bau vom Gerüst gefallen. Und für solche Lappalien interessiert sich Montalbano? Es wäre ihm sicherlich relativ gleichgültig, würden nicht zwei Ereignisse zusammentreffen: Er hat einen Alptraum, den er als Warnung auffasst, und er erhält einen anonymen Brief. Darin wird genau jener tödliche Arbeitsunfall des Albaners Pashko Puka angekündigt.

Montalbano lässt die Sache nicht auf sich beruhen, sondern schnüffelt weiter. Die Häufung solcher Arbeitsunfälle fällt ihm auf, und alle nur in der Bauindustrie. Waren es vielleicht Morde? Aber zu welchem Zweck? Der Chef der lokalen Carabinieri hilft ihm weiter – er ermittelt hauptamtlich in diesem Fall, bittet aber Montalbano um Mithilfe. Offenbar handelt es sich um eine Kampagne der Mafia gegen ehrliche Bauunternehmer, damit diese an einen bestimmten Konkurrenten verkaufen, der zur Mafia gehört. Doch wer mit diesen Ehrenmännern den Kampf aufnimmt, muss früh aufstehen …

|Montalbano hat Angst|

Bei einem seiner seltenen Besuche im Norden nimmt seine Freundin Livia ihn auf eine Ferienhütte in den Alpen mit. In der Nähe des Montblanc-Massivs ist die Luft zwar klar, aber eisig kalt. Um sich die Beine zu vertreten, begibt sich Salvo schon am frühen Morgen auf einen der Gebirgspfade, um die Gegend zu erkunden. Dabei hört er einen Hilferuf und eilt zur Rettung. Doch die Szene, die er antrifft, erscheint nur auf den ersten Blick normal: Ein Mann hält das Handgelenk einer Frau fest, die über einem Abgrund hängt und nur noch mit den Füßen auf einem schmalen Grat steht. Nicht der Mann, Dalbono, hat um Hilfe gerufen, sondern seine Frau Giulia. Und sie hielt die ganze Zeit die Augen geschlossen. Warum? Erst als Dalbono ihn am nächsten Morgen besucht, versteht Salvo, was wirklich los war: Dalbano wollte seine Frau am Abgrund loswerden, weil er schon seit zwei Jahren eine andere liebte …

|Die Dinge im Dunkeln liegen lassen|

Dies ist die den Titel rechtfertigende Erzählung. – Ein Priester bittet den Commissario ans Sterbebett einer Neunzigjährigen. Die Signora Maria Carmela Spagnolo möchte ihr Gewissen erleichtern. Das kommt dem Kommissar merkwürdig vor; wäre der Priester nicht geeigneter, um …? Aber nein, der beruft sich auf das Beichtgeheimnis.

Und so kommt es, dass Montalbano in einem Mordfall ermittelt, der fast fünfzig Jahre zurückliegt und in dem Signora Spagnolo eine Schlüsselrolle spielte. Sie brachte eine Unschuldige ins Gefängnis, um sich dafür zu rächen, dass diese Signore Spagnolos Geliebte war: Cristina, Maria Carmelas beste Freundin. Jedenfalls nur bis zu einem ganz bestimmten Tag …

_Mein Eindruck_

Es ist immer ein wenig schwierig, eine Sammlung von Erzählungen, wie das vorliegende Buch, auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zurückzuführen. Genauso gut könnte man von einem Fünfgängemenü für einen Gourmet behaupten, dass in praktisch jeder Speise Wasser enthalten sei, und das wohl mit Fug und Recht. So ähnlich verhält es sich mit den Camilleri-Storys.

Jedes Mal ist von einem Verbrechen die Rede, eines gegen die Sitten, gegen Menschen, gegen den Ermittler selbst. Sei’s drum. In den drei kurzen Geschichten und den drei Novellen ist nicht entscheidend, ob und welches Verbrechen aufgedeckt wird. (Sizilianische Verhältnisse sind offensichtlich lebensfeindlich.) Es geht vielmehr um die besonderen Eigenschaften des Ermittlers, der ihre Aufdeckung erst herbeiführt. Und dazu gehören auch seine mitunter unorthodoxen Methoden.

|Ungewöhnliche Methoden|

Könnte man sich einen Stefan Derrick vorstellen, der sich nächtens zu einem altgedienten Einbrecherkönig begibt, um sich in die fachgerechte Anwendung eines Dietrichs bei Überseekoffern einweisen zu lassen? Das nämlich tut Montalbano und begibt sich sodann ins Lager des Altenheims, in dem die Signora Spagnolo verstarb. Er weiß: Am nächsten Tag kommt der Erbe und nimmt sämtliche Habseligkeiten der Verstorbenen mit, mithin also jedes Beweisstück, das eventuell Aufklärung darüber liefern könnte, was vor 50 Jahren wirklich geschah. Des Commissarios eigenwilliger Riecher hat ihn nicht getäuscht: Er ergattert drei verräterische Liebesbriefe – heureka! Da können Stefan und Harry einpacken.

|Assis|

Apropos Stefan und Harry: Montalbano hat einen recht bemerkenswerten Assistenten, sozusagen sein Mädchen für alles. Catarella mag zwar wie zwanzig aussehen, verfügt aber über den Verstand und das kindliche Gemüt eines Siebenjährigen. Und wie der sich freut, als ihm der hochverehrte „Dottori“ Montalbano ein Geheimnis nach dem anderen anvertraut – ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen. Dabei verschwendet Catarella kaum einen Gedanken daran, dass sich die Ereignisse in „Das vierte Geheimnis“ einem gefährlichen Finale nähern. Es ist lediglich Montalbanos prophetischer Alptraum, der ihn davor warnt, was als nächstes geschieht: eine Schießerei, die für einen der drei Beteiligten tödlich ausgeht.

|Mörderinnen|

Wozu das titelgebende „schöne Geschlecht“ in puncto Verbrechen fähig ist, belegen nicht nur die Apothekerin (und vermeintliche Giftmischerin) Signora Spagnolo, sondern auch die Täterin in „Tödlich verwundet“. Ihr Onkel hat sie den Umgang mit Pistolen und Gewehren gelehrt, behauptet sie. Dieser Schuss kann auch nach hinten losgehen, findet der Commissario.

|Erotik|

In „Das vierte Geheimnis“ kommt nicht nur die kriminalistische, sondern auch die erotische Spannung zu ihrem Recht. Da funkt es ganz gewaltig zwischen Montalbano, beileibe kein Kostverächter, und der attraktiven Tochter des von der Mafia bedrängten Bauunternehmers. Aber da gibt es ja noch Salvos feste Freundin Livia, mit der er in [„Der Dieb der süßen Dinge“ 316 um ein Haar mal Adoptivvater eines Jungen geworden wäre. Mit Livia zofft sich Salvo für sein Leben gern, doch die Nähe zu ihr hat auch ihre Kehrseite. Salvo fürchtet sich, weil kein Übermensch, vor vielen Dingen. Dazu gehören Hunde ebenso wie das Fliegen und jede Art von Höhe.

|Phobien|

Das erweist sich in „Montalbano hat Angst“ als beinahe verhängnisvoll. In den Alpen wird Salvo furchtbar schnell schwindlig, und er verpestet die frische Bergluft mit dem Rauch zahlloser Zigaretten. Diese Akrophobie (Höhenangst) verhindert beinahe die Verhinderung und anschließende Aufklärung eines Verbrechens, das zunächst gar nicht wie eines aussieht. Montalbanos Stadt-Angst könnte man vielleicht Poliphobie (polis + phobos) nennen. Jedenfalls entwickelt sie sich bei seinem Rombesuch in „Hatful of Rain“ (ein Filmtitel) zu voller Blüte. Höchste Zeit, das sizilianische Urgewächs Montalbano in seine angestammte Heimat zurückzuverpflanzen.

_Unterm Strich_

Die sechs Erzählungen zeigen uns den Serienheld von ganz verschiedenen Seiten. Man muss ihn nicht immer sympathisch finden. Aber die Art und Weise, wie er Fälle löst und auf die Widrigkeiten des Lebens reagiert, macht ihn einfach interessant. Der italienische Wallander / van Veeteren? Warum nicht? Es gibt wesentlich schlechtere Vergleiche.

Bill Napier – Die Offenbarung. Thriller

Das geschieht:

Dr. Fred Findholm gilt als das schwarze Schaf seiner Familie, die im schottischen Aberdeen als renommierte Anwaltsdynastie etabliert ist. Jeder Sohn ist bisher dort eingetreten, doch Fred hat sich davongemacht. Bis in die Arktis hat es ihn verschlagen. Dort besitzt er eine kleine Wetterstation, deren Daten er verkauft. Das sichert ihm mehr schlecht als recht sein Auskommen. Deshalb greift Findholm zu, als ihn die „Norsk Advanced Technologies“ anheuert, um einem polaren Rätsel nachzugehen. Unweit der Insel Grönland und gefährlich nahe an den Ölförderstätten der Gesellschaft treibt ein Eisberg, auf dem ein geheimes Lager entdeckt wurde.

Findholm soll herausfinden, was dort vor sich geht. Er stößt auf eine mysteriöse Gruppe angeblich US-amerikanischer Forscher und Militärs, die ein abgeschossenes Flugzeug bergen wollen. Vor fünf Jahrzehnten ging es nieder, an Bord nicht nur die Leiche des Kernphysikers und berüchtigten Atomspions Lev Baruch Petrosian, sondern auch dessen Tagebücher. Mit diesen macht sich Findholm nach seiner Rückkehr aus dem Staub, als er merkt, dass er für die „Norsk“ und deren geheimnisvolle Hintermänner höchst gefährliche Kastanien aus dem Atomfeuer holen sollte. Petrosian hat einst eine Möglichkeit gefunden, die Ur-Energie des Universums anzuzapfen. Das potenzielle Ergebnis: eine Waffe, mit der sich die ganze Welt vernichten ließe.

Bill Napier – Die Offenbarung. Thriller weiterlesen

Lee Child – Way Out (Jack Reacher 10)

Jack Reacher, der Militärcop mit dem Ehrenkodex

Eigentlich wollte er nur einen Kaffee trinken – doch dann wird Jack Reacher Zeuge einer Geldübergabe. Frau und Tochter eines Millionärs sind verschleppt worden. Steckt wirklich nur eine Entführung mit Lösegeldforderung dahinter, oder hat es mit den schmutzigen Machenschaften des ach so besorgten Edward Lane zu tun, der sein Vermögen als Vermittler für Söldner gemacht hat? Reachers Instinkt für krumme Sachen ist geweckt. Er nimmt sich der Sache an – und gerät zwischen ungeahnte Fronten … (dt. Verlagsinfo)

Lee Child – Way Out (Jack Reacher 10) weiterlesen