E. & H. Heron – Flaxman Low – Der Fall Yand Manor (Gruselkabinett Folge 193)

Der Geist aus der Gruft

Der berühmte französische Philosoph Thierry zweifelt an der Existenz von übersinnlichen Erscheinungen. Kann Flaxman Low ihn bei einem dreitägigen Aufenthalt auf Yand Manor House vom Gegenteil überzeugen? Der dortige Geist unterscheidet sich jedenfalls von allem, was der Geisterjäger bisher erlebt hat …

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Die Autoren

E. & H. Heron sind ein Autorenpaar. Sein Serienheld Flaxman Low agiert in mehreren Gruselkabinett-Episoden.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Flaxman Low: Rolf Berg
Butler Wilkins: Bernd Kreibich
Monsieur Thierry: David Berton
Sir George Blackburton: Peter Reinhardt
Sir Gilbert Blackburton: Marc Gruppe
Kutscher: Stephan Bosenius

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio, bei advertunes und den Planet Earth Studios statt. Die Illustration trug Bastien Ephonsus bei.

Handlung

Der berühmte französische Philosoph Thierry zweifelt an der Existenz von übersinnlichen Erscheinungen. Da kommt er bei Flaxman Low genau an den Richtigen! Der hat sich ja als Geisterjäger einen gewissen Ruf erworben. Thierry erweist sich als sein schärfster Kritiker. Er findet sogar, das Porträt der Isis über dem Kamin habe Ähnlichkeit mit Low – Frechheit! Low bietet ihm an, ihn eines Besseren zu belehren und quasi aus dem Fall Yand Manor House einen Präzedenzfall zu machen: die Bekehrung eines Positivisten, der nur glaubt, was er sehen kann.

Eine Leiche

Per Zug geht’s nach Yand, dann per Droschke weiter zum Manor House. Dass die Tür offensteht, ist schonmal ungewöhnlich. Als sie ein eintreten, brennt keine Lichtquelle, aber das Tageslicht genügt, um zu erkennen, dass Sir George, der Herr dieses Gemäuers, reglos am Boden liegt. Doch noch hat ihn Fluch des Hauses nicht ereilt, er sei nur etwas geschwächt, sagt Sir George. Doch er weist auf die Quelle allen Übels, dort hinter dieser Tür, die zum Esszimmer führt.

Als sie es betreten, erblicken sie einen reglosen jungen Mann, der in einem großen Sessel am Kamin sitzt. In seinem Gesicht fallen die starren, verdrehten Augen auf. Das sei der Wildhüter Battie, sagt Sir George. Er habe ihn entdeckt, als sich eine unsichtbare Gestalt über ihn beugte, die sich durch glutrote Augen, die wie vergittert aussahen, auszeichnete. Zusammen tragen sie die Leiche hinaus.

Schwarze Haare

Low interessiert sich für den „Tatort“ und nimmt dabei besonders die mannshohe Kamineinfassung unter die Lupe. Da sind allerlei Fabelwesen zu sehen, darunter ein Greif mit weit aufgerissenem Maul. Low kommt eine blöde Idee: Er will einen Selbstversuch wagen. Er streckt die Hand aus und erhält Kontakt mit dem Fluidum, das vom Greifen ausgeht. Und siehe da: Er erblickt vier schwarze Haare. Da im Haus keine Dame wohnt, kann es sich nur um Haare eines schwarzhaarigen Mannes handeln – und die von Sir George sind schlohweiß, die von Battie blond und kurz. Und die der Putzfrau grau. Von wem also stammen sie, lautet die knifflige Frage. Thierry freut sich: Endlich gibt es für den sogenannten „Geist“ eine natürliche Erklärung!

Mehr Rätsel

Nach einem Aufenthalt im Krankenhaus ist Sir George wieder auf den Beinen und bereit, die Gentlemen herumzuführen. Schnell wird klar, dass die Außentür direkt zum Westportal der nahen Kirche führt. Dort befindet sich auch der Eingang zur Familiengruft derer von Blackburton. Zu dieser hat natürlich Sir George die Schlüssel.

Am Abend entspannen sich die Gentlemen im Esszimmer. Es beunruhigt Low, dass Battie infolge eines schweren Schocks starb, daher sein starrer Todesblick und die aufgerissenen Augen. Wurde er erdrückt? Plötzlich spuckt Thierry aus: „Bah!“ Das Selterswasser schmeckt scheußlich. „Es geht los!“, warnt ihn Low. Und tatsächlich: Ein große Macht scheint sich im Zimmer breitzumachen und drückt die Männer wie mit einer gewaltigen Fleischmasse an die Wand. Die Lampe geht aus, und in die Finsternis ruft Low: „Zur Tür, Thierry!“ Doch er bekommt keine Antwort…

Mein Eindruck

Von dieser nahezu fatalen Begegnung hat Low eine Trophäe behalten: einen mehrere Zentimeter langen Fingernagel (vgl. Titelillustration) – und einen langen Kratzer an seiner Wange. Sein Blut scheint jedoch noch in Ordnung zu sein, so dass er zunächst mal nicht von einem Vampir ausgeht – an die er sowieso nicht glaubt. Doch er erforscht zusammen mit Sir George den Stammbaum der Blackburtons und stößt dabei auf eine Art Nekromanten namens Gilbert Blackburton, der im Jahr 1802 vorzeitig zu Grabe getragen wurde. Und zwar in einem Sarg, der nach seinen eigenen Entwürfen gezimmert worden war. „Er hatte grp0ße Angst vor dem Tod“, weiß Sir George zu berichten.

Was die drei Geisterjäger in der Familiengruft vorfinden, darf nicht verraten werden. Aber es gemahnt doch schon an die sattsam bekannten Elemente einer ordentlichen Vampirgeschichte. Die Besonderheit an dem Yand Manor Fall besteht darin, dass sich die Gestalt des Nekromanten mit den Fähigkeiten eines Alchimisten verbindet, denn es ist von einem Zauberspruch die Rede, mit dessen Hilfe Sir Gilbert den Verfall seines Körpers und somit dessen Tod aufzuhalten vermochte.

Deshalb trägt er immer noch schwarze anstelle von weißen Haaren, doch seine Fingernägel und Augenwimpern sind weitergewachsen. Das hat ein paar bizarre Phänomene zur Folge, die Low direkt in Augenschein nehmen kann. Thierry, der Positivist, ist zunächst zufrieden, doch die überwältigende Gegenwart des nächtlichen Besuchers bekehrt ihn zu einem Geisterforscher. Diese Heimsuchung ist die zentrale Gruselszene des Hörspiel und jede Sekunde ihr Geld wert.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Der Geisterjäger wird von Rolf Berg mit einer tiefen, vertrauenerweckenden Stimme gesprochen. Er hält gerne Vorträge, die man durchaus übergehen kann. Sein stimmliches Gegenteil ist der ältliche Butler Wilkins, den Bernd Kreibich so richtig etepetete und betulich darstellt. Er steht eindeutig auf Cornish Tea Time: Scones, Clotted Cream und Marmelade – so ist’s stilecht. Leider weiß der Franzmann nichts damit anzufangen. Doch mit Froschschenkeln kann Wilkins nicht dienen.

Nebenfiguren

Die Nebenfiguren verdienen durchaus Beachtung. In vorerster Reihe ist dabei Thierry zu nennen, den David Berton mit einem leichten französischen Zungenschlag charakterisiert. Sir George Blackburton wird von Peter Reinhardt als liebenswürdiger alter Witwer dargestellt, der endlich den Familienfluch loswerden will. Zugleich beschleichen Sir George Zweifel an der ethischen Rechtmäßigkeit des von Low vorgeschlagenen Verfahrens. Er muss erst einmal drüber schlafen, doch dann zeigt er sich umso entschlossener, wohl vor allem um seines Seelenheils willen.

Den Hörer mag verwundern, dass „Sir Gilbert Blackburton“ nicht nur eine Rolle, sondern auch ein Sprecher zugewiesen ist, will man dem Booklet glauben: Was, bitteschön, hat denn Marc Gruppe an Zeilen aufzusagen, die diese Rolle rechtfertigen? Nun, es sind keine Zeilen, die Gruppe zu deklamieren hat, sondern ein dissonantes Geheul, ein Knurren, und alles schön unterlegt mit viel Hall. So sollte eine Grauen erregende Gruselszene anzuhören sein!

Geräusche

Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Eine tickende Standuhr, gluckernder Tee, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln.

Diesmal kommt das unheimliche Röcheln und Heulen des Phantoms hinzu, das dem Hörer kalte Schauder den Rücken hinunterjagt. Zudem ist stets klar, ob eine Szene drinnen oder draußen spielt. Drinnen ist – neben den genannten Geräuschen – fast immer der Hall von den Wänden des alten Gemäuers zu vernehmen, draußen aber stets das Zwitschern von Vögeln, das Rufen eines Käuzchens und das Rauschen von Wind.

Die zentrale Gruselszene zeichnet sich dadurch aus, dass diese Trennung zwischen drinnen und draußen durchbrochen wird und dadurch Angst erzeugt wird. Das Grauen kommt von der draußen gelegenen Gruft, die die Vergangenheit symbolisiert – die nicht sterben will. Es bricht ins Innen und in die Gegenwart ein, um dort jegliche Ordnung zu zerstören. Die Aufgabe der Geisterjäger liegt also auf der Hand: Sie müssen die Zeit wieder ins Lot bringen, wie weiland ein melancholischer Dänenprinz („time is out of joint“).

Die Musik

Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird. Hier steigert sich die Spannung sehr dezent von Szene zu Szene, denn die Handlung besteht aus einer Abfolge von sich steigernden Konfrontationen. Drama wechselt sich mit Harmonie und Entspannung ab, bevor es wieder Zeit für gruseliges Drama ist. Wer nicht aufpasst, wird von solchen abrupten Wechseln kalt erwischt.

Der Score klingt nicht in langsamen harmonischen Kadenzen aus, sondern mit einem dramatischen Crescendo. Am Ende bleibt, wie schon während der Gruselszene, ein pulsierender Bass übrig, der langsam vergeht, bis nur noch der rauschende Wind zu hören ist.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt eine Szene, die in der Handlung nicht vorkommt: Der Geist von Sir Gilbert Blackburton sitzt in seinem reich verzierten Sessel an einem Kaminfeuer, in dem zwei Totenköpfe zu erkennen sind. Sir Gilbert ist nicht nur ganz in das Schwarz eines Wanderpredigers gewandet, sondern weist auch klauenartige Finger auf: Der kleine Finger der linken Hand fehlt! So soll es auch sein. Wie es zu diesem Verlust gekommen ist, erzählt das Hörspiel…

Im Booklet sind die zahlreichen Titel des GRUSELKABINETTS und der SHERLOCK HOLMES Reihe bis Herbst 2024 (Folge 196) verzeichnet. Es bleibt die spannende Frage, was der Verlag als Folge 200 plant! Die Vorschau wird online auf der neugestalteten Homepage bestens dargeboten. Die letzte Seite des Booklets zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Von Herbst 2023 bis Frühjahr 2025

185: Lovecraft: Die Musik des Erich Zann (September 23)
186: ETA Hoffmann: Der Ghoul (Oktober 23)
187: Blackwood: Die Weiden (November 23)

188: Seidel: Der Hexenmeister
189: McGraup: Heimlich
190: Grimm: Schauermärchen 1

191: Grimm & Bechstein: Schauermärchen 2 (9/24)
192: Lovecraft: Gefangen bei den Pharaonen (Okt. 24)
193: Heron: Flaxman Low – Der Fall Yand Manor House (11/24)

194: E.F. Benson: Das Geständnis des Charles Linkworth (3/2025)
195: Upward & McGraup: Heimtückisch (04/2025)
196: Heron: Flaxman Low – Saddler’s Croft (05/2025)

Unterm Strich

Der Spuk auf Yand Manor House kombiniert Elemente der alchimistischen Lehre, die nach Unsterblichkeit und dem Stein der Weisen strebte, mit dem Vampir-Mythos, der ebenfalls Unsterblichkeit zu seinem Kern zählt. Die weiteren Vampirmythen wie Entjungferung durch Biss, Infektion und Hörigkeit kommen hier zum Glück nicht zum Tragen. Dennoch kann sich der Hörer nicht über wohlige Gruselschauer nicht beschweren, denn die zentrale Szene verrät, welche Schrecken der Verursache dieses Schreckens Nacht für Nacht verbreitet.

Kein Wunder also, dass Sir George diesen Horror schleunigst loswerden will. Doch Low lernt in Monsieur Thierry einen ungläubigen Thomas kennen, der ihm keineswegs zur Hand gehen, sondern ihm vielmehr kritisch über die Schuler schauen will. Der Franzmann, der sogar eine leckere Cornish Tea Time verschmäht – ganz klar ein kulturelles Verbrechen – verkörpert den „gesunden Menschenverstand“, der der empirischen Wissenschaft huldigt. Dass solche Rationalisten heutzutage völlig aus der Mode gekommen sind, belegen die Erfolge der populistischen Schlangenölverkäufer Marke Trump und Putin.

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders die Akustik der Hauptszene ist sehr ausgefeilt und verfehlt ihre Wirkung nicht.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars. Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling.

CD: 64 Minuten.
ISBN-13: 9783785786932

www.titania-medien.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)


ISBN 9783785786932
ISBN-10: 378578693X

CD: 64 Minuten.
ISBN-13: 9783785786932

www.titania-medien.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)