Nach Karten von Wilderland (aus dem „Hobbit“) und Mittelerde (aus dem „Herr der Ringe“) wurde noch eine vom versunkenen Westen Mittelerdes veröffentlicht, von Beleriand – aus dem „Silmarillion“.
Beleriand ist jener versunkene Halbkontinent, in dem sich im Ersten Zeitalter von Mittelerde die wichtigsten Heldentaten und Schlachten abspielten, die Tolkien in seinen Werken erzählt. Die Ereignisse von „Der Herr der Ringe“ und [„Der kleine Hobbit“ 481 tragen sich wesentlich später zu, nämlich im Dritten Zeitalter. Während im First Age die Elben, Halbgötter (Maiar) und Götter (Valar) das Geschehen dominieren, verlassen die Elben am Ende des Third Age Mittelerde, um es den Menschen zu überlassen. (Nach den Ereignissen des „Herrn der Ringe“ bricht das Vierte Zeitalter an.)
Beleriand ist einer der Hauptschauplätze des [„Silmarillion“ 408 (1977), jenes Buches, das Tolkiens Sohn Christopher aus vielen verstreuten Manuskripten zusammengestellt hat. Der Mittelteil schildert die Kriege der Elben gegen Morgoth und Sauron um den Besitz der ihnen gestohlenen Silmaril-Edelsteine, in denen das Licht der zwei Bäume des Segensreiches Valinor eingefangen ist. Den letzten der Silmarils trägt Earendil über das Firmament, uns sichtbar als die hellstrahlende Venus, der Abendstern.
Die Karte
… stammt noch von Christopher Tolkien. Er stellte sie im Jahr 1977, als das „Silmarillion“ erschien, fertig. Mit Sicherheit hat er mehrere Jahre daran gearbeitet, denn die Erzählungen und Skizzen seines Vaters waren zuweilen widersprüchlich. Die Karte ist gut lesbar, aber ich habe die Städtenamen mit der Lupe suchen müssen: Menegroth, Nargothrond und Gondolin.
Die Karte selbst besticht durch ihre wichtigste Farbe: grün. Es ist das Grün von tiefen, ausgedehnten Wäldern und Prärien, die überall von Flüssen und Gebirgsketten begrenzt oder durchbrochen werden. Bei den einzigen Territorien, die nicht eingezeichnet sind, handelt es sich um die Lande östlich der Blauen Berge/Ered Lindon (die im „Herrn der Ringe“ das westlichste Gebirge sind), um Valinor und auch um Morgoths Angband mit den drei Vulkanen, Thangorodrim.
_Die Illustrationen_
… stammen von Tolkienspezialist John Howe. Er beriet ja auch den Regisseur Peter Jackson bei den Dreharbeiten zur Filmtrilogie. Persönlich gefällt mir von allen Tolkien-Illustratoren sein Stil am besten. Der Stil ist auf die dramatische Wirkung von Dynamik und den Effekt weniger Farben ausgerichtet.
So etwa ist seine Darstellung von Morgoths Festung (ganz oben) ganz in rötlich-schwarzen Schlackefarben gehalten, die Küstenszene jedoch in Blauweiß (Wasser), Weiß (Schwäne, Segel) und Schwarz (Felsen). Diese Szene begrenzt die Karte am unteren Rand.
Die linken und rechten Begrenzungsfelder enthalten zwei heroische Szenen. Rechts ist Turin Turambar in der Schlucht zu sehen, an deren oberem Ende der schwarze Kopf Glaurungs hervorragt. Links ist vermutlich Luthien Tinuviel ist zu sehen – die Gestalt trägt weder Rüstung noch Kopfbedeckung – wie sie eine tiefe Schlucht betritt, an deren oberem Ende ein weißer Kalkfelsen emporragt. Es könnte sich dabei um den Wachtturm Tol Sirion handeln. Allerdings fehlt auf dem Bild der Sirion selbst. Doch wenn es sich um den Zugang zu Gondolin handeln würde, würde ich Turin oder Húrin in Rüstung erwarten, bevor er den Trockenen Fluss entlangwandert.
Zu den schönsten Illustrationen gehören die sechs Embleme, die Tolkien selbst entworfen hat und die den wichtigsten Elben zugeordnet sind. Zwei erkenne ich wieder. Links in der Mitte ist das blumenförmige Emblem Luthien Tinuviels. Rechts unten ist das mit Feuersymbolen verbrämte Emblem Feanors, des Herstellers der Silmarils, zu sehen. Die restlichen vier Embleme gehören vermutlich zu Finwe, Elwe (Thingol), Earendil (Beren) usw. Ich finde es wundervoll, dass sie in die Karte aufgenommen wurden.
_Der Begleittext und das Glossar_
In seinem Begleittext „Westlich der Berge, östlich des Meeres: zur Karte von Beleriand“ fasst Brian Sibley den Hintergrund für dieses fiktive Territorium zusammen. Aufgrunddessen versteht auch derjenige Kartenleser, der das „Silmarillion“ und die damit zusammenhängenden Texte nicht gelesen hat, mit welchen wichtigen Episoden und Gestalten manche Landschaften und Landmarken verbunden sind.
Beispielsweise fällt dem Betrachter das Land Doriath auf. Es ist nicht nur von Flüssen umschlungen, sondern auch von tiefen Wäldern umgeben, doch in seinem Mittelpunkt befindet sich eine Stadt: Menegroth. Brian Sibley erzählt uns nun, wie es zur Gründung dieses Königreiches der Elben durch Thingol und Melian kam und was es mit Menegroth auf sich hat. Ähnlich verfährt er mit der schönen, aber verborgenen Stadt Gondolin.
Auch von den Landen, die auf der Karte nicht eingezeichnet sind, erzählt er, denn seine Synopse beginnt mit der Schöpfung und endet mit dem Untergang Beleriands am Ende des Ersten Zeitalters. Also kommen auch Valinor, Eressea und Morgoths Festung Angband vor, die man auf der Karte vergeblich sucht.
Das 17 Seiten starke Glossar beschränkt sich auf Orte und Landschaften, doch erzählen die Einträge auch von wichtigen Ereignissen wie etwa einer Schlacht. Einige Einträge wurden von John Howe illustriert, so etwa Turin Turambars Kampf gegen den Drachen Glaurung.
_Wem nützt dieses Werk?_
Sollte man sich also diese Karte zulegen? Sie ist vollständig und bringt keine neuen Daten im Vergleich zum Original von 1977.
Die Anschaffung lohnt sich, wenn man a) die Originalkarte aus dem „Silmarillion“ nicht hat (und nicht wesentlich mehr Geld für dieses Buch anlegen will), aber einen Einstieg sucht, und b) wenn man das Original hat, aber als Tolkien-Fan den oben aufgeführten Mehrwert, den die neue Karte bietet, besitzen möchte, und c) wer einen schönen Wandschmuck erwerben möchte – womöglich einen, der den Tolkien Calendar ergänzt.
„Der erste Band der märchenhaften Erfolgstrilogie!
In einem Venedig, in dem die Zauberei nie gestorben ist, suchen Meerjungfrauen und geflügelte Löwen, Meisterdiebe und Zauberspiegelmacher die Fließende Königin. Aber nur Merle gelingt es, ihr Vertrauen zu gewinnen. Als die Mächte des Bösen das phantastische Wesen jagen, entbrennt im Labyrinth der dunklen Gassen und Kanäle ein abenteuerlicher Kampf.“ (Verlagsinfo)
Im 23. Band seiner Gor-Saga schildert John Norman die Abenteuer von Tarl Cabot, dem Agenten der Priesterkönige, in den Wirren des Krieges, der zwischen den Mächten Ar und Cos um die Vorherrschaft auf dem Kontinent ausgebrochen ist. Während seiner Mission wird das Spiel der Verräter innerhalb von Ars Mauern offensichtlich – sehr zum Leidwesen aller Agenten, die sich in Ars Diensten sicher wähnen… John Norman – Renegades of Gor (Gor 23) weiterlesen →
Bei einem Überfall von Terroristen wurden ihre Lungen verätzt; seither gilt Major Yanaba Maddock als kampfunfähig. Doch in Wahrheit hat man sie auf einen heiklen Geheimauftrag geschickt: Sie soll den fernen Eisplaneten Petaybee erforschen. Dort geschehen seltsame Dinge: Kostbare Metalle, die aus dem Weltall entdeckt wurden, lassen sich nicht mehr orten, und mutierte Wesen sollen im Inland ihr Unwesen treiben. Yanaba versucht hinter das Geheimnis all dieser unerklärlichen Phänomene zu kommen – und sie entdeckt plötzlich, daß sie wie durch ein Wunder zusehends gesundet und daß heilige Gesänge über den Planeten wehen, als würde ein Gott die Menschen von Petaybee rufen. (Verlagsinfo) Anne McCaffrey / Elizabeth Ann Scarborough – Die Gesänge des Eisplaneten (Eisplanet 01) weiterlesen →
Dave Duncan ist den meisten deutschen Fantasy-Lesern durch seine beiden Pandemia-Zyklen bekannt. Waren diese schon ziemlich gelungen, so soll die Trilogie „Das große Spiel“ laut Kritik noch besser sein. Ich kann das bestätigen, denn schon der erste Band liest sich fast von alleine. Weitere Zyklen des Autors sind „Das Siebte Schwert“ und „Des Königs Klingen“.
83 Jahre nach der Schlacht um Corrino ändert sich das Schicksal der daran Beteiligten rapide. Der ins Exil gegangene Feldherr Vorian Atreides wird Opfer eines Raubüberfalls von Sklavenjäger, die alle Arbeitsfähigen verschleppen. Auf Poritrin will er sie mit Hilfe des Imperators Corrino befreien. Unterdessen suchen die Harkonnens überall nach ihm, um sich für die nach der Schlacht erlittene Schmach zu rächen: Sein Adjutant Abulurd Harkonnen wurde wegen Feigheit vor dem Feind verbannt.
Obwohl die letzte Reste der Maschinenverbände und alle Denkmaschinen systematisch vernichtet werden, wagen es die Bene Gesserit, im Verbogenen Computer weiterhin einzusetzen. Sie planen das genetische Schicksal der Menschheit. Zugleich sieht sich die einzige Ehrwürdige Mutter Raquella unter großen Zeitdruck: Obwohl sie schon 130 Jahre alt ist, hat sie immer noch keine Nachfolgerin, an die sie ihr Wissen in Form von Erweiterten Erinnerungen weitergeben kann. Ist Valya Harkonnen bereit, sich der notwendigen Prüfung zu stellen und das injizierte Gift umzuwandeln? Brian Herbert & Kevin J. Anderson – Sisterhood of Dune. The Great Schools of Dune 01 (Der Thron des Wüstenplaneten) weiterlesen →
„Zwanzig Lichtjahre weit sind sie geflogen, haben die ausgepowerte Erde hinter sich gelassen und sind entschlossen, den erdähnlichen Planeten Eridanus Omega Zwei in Besitz zu nehmen. Eine paradiesische Welt, nur – sie ist bewohnt. Es kommt zu einer dramatischen Begegnung zweier Rassen.“ (Verlagsinfo) Michael Lorenz – Die nackten Wilden. Zukunftsroman weiterlesen →
„Die Geschichte von Kullervo“ ist „der Ursprung meiner Versuche, eigene Legenden zu schaffen“, sagte JRR Tolkien. Die Hauptfigur ist ein tragischer Held wie Túrin, Turambar, Beren Einhand und Frodo. In direkter Linie ist er sogar die Vorlage für Túrin, den Drachentöter.
„Kullervo ist ein Waisenknabe mit übernatürlichen Kräften und einem Schicksal voller Schrecken. Er wächst bei seinem Onkel auf, dem finsteren Magier Untamo. Jener hatte einst seinen Vater umgebracht, seine Mutter entführt und Kullervo selbst, als er noch ein Junge war, dreimal zu töten versucht. Doch die Stunde der Rache ist nicht mehr fern.“ (korrigierte Verlagsinfo)
Diese etwa 1912 – noch vor der ersten Earendel-Geschichte – entstandene Geschichte wurde im Nachlass auf einem Dutzend großer Blätter im Folio-Format gefunden. Der komplette Text ist mit Anmerkungen und Kommentaren versehen. Das gleiche gilt für Tolkiens Aufsatz „Über das Kalevala oder Das Land der Helden“, der angehängt ist.
Die Herausgeberin Verlyn Flieger hat neben der Einleitung noch einen Essay mit dem Titel „Tolkien, das Kalevala und Die Geschichte Kullervos“ beigefügt- Der Tolkien-Fan und -Experte bekommt also ein Konvolut, das auf dem Niveau von Tolkiens Epos über Sigurd und Gudrun angesiedelt und dementsprechend anspruchsvoll ist.
Der richtige Fantasy-Roman für Halloween (oder die Walpurgisnacht). Eine Mischung aus Tierfabel, Douglas Adams‘ Satire und Neil Gaimans Dark Fantasy à la „Sandman“, mit Zutaten aus H. P. Lovecrafts Gruselwerk.
Die unheimlichen Illustrationen von Gahan Wilson sorgen für den zusätzlichen makabren Kick!
Die letzte Schlacht gegen den Dunklen König steht bevor. Wandernde Gaukler berichten unterdessen von der Wilden Jagd nach dem Horn von Valere, dessen Klang die toten Helden ins Leben zurückruft. Als das Horn gestohlen wird, muss Rand al’Thor einmal mehr seine magischen Kräfte einsetzen, gegen die er sich so heftig zur Wehr setzt. Denn nur mittels des magischen Instruments können die düsteren Mächte zurückgeschlagen werden … – »Das Rad der Zeit. Das Original« vereint Robert Jordans Romane – vollständig neu bearbeitet – in der kompletten Fassung der amerikanischen Originalausgabe. (Verlagsinfo) Robert Jordan – Die Jagd beginnt (Das Rad der Zeit 2 – Das Original) weiterlesen →
Mikael Blomkvist reist von Stockholm in den hohen Norden zur Hochzeit seiner Tochter. Im Zug erfährt er von Entwicklungen, die den Enthüllungsjournalisten neugierig machen: Abseits des medialen Rampenlichts tobt dort oben ein Kampf internationaler Firmen um natürliche Ressourcen und Billigstrom. Zur selben Zeit begibt sich Lisbeth Salander nach Nordschweden, um ihre Nichte kennenzulernen. Die junge Svala hat sich geschworen, ihre verschwundene Mutter, eine Sami, zu finden und sich endlich gegen ihren Stiefvater zu wehren. Denn wie ihre Tante ist Svala furchtloser und genialer, als sie aussieht. Nach Jahren treffen Salander und Blomkvist wieder aufeinander und befinden sich bald im Auge eines Sturms. (Verlagsinfo)
Vaelin Al Sorna, der berühmteste Gefangene des Reichs und sein größter Kämpfer, erzählt die atemberaubende Geschichte seines Lebens. Er ist auf einem Schiff unterwegs, das ihn zu dem Ort bringen soll, an dem es für ihn um Leben und Tod geht. »Er besaß viele Namen. Noch nicht einmal dreißig Jahre alt war er im Lauf der Geschichte bereits reich mit Titeln beschenkt worden: ›Schwert des Königs‹ hieß er für den wahnsinnigen Herrscher, der ihn als Geißel zu uns sandte; ›Junger Falke‹ für die Männer, die ihm in die Wirrnisse des Krieges folgten; ›Dunkelklinge‹ für seine cumbraelischen Feinde und ›Rabenschatten‹ für die geheimnisvollen Stämme des großen Nordwaldes.« (Verlagsinfo)
Dies ist wieder mal eine jener Anthologien, denen Isaac Asimov, einer der bekanntesten SF-Autoren, nur seinen Namen, das Vorwort und eine Story geliehen hat. Die Kärrnerarbeit hatten Marty und Joe zu erledigen, d. h. die Herausgeber Martin Greenberg und Joseph Olander. Und entgegen der Ankündigung des Rückseitentextes sind weder Arthur C. Clarke noch Alfred Bester noch James Blish mit Beiträgen vertreten.
Dennoch ist die Storysammlung kein kompletter Reinfall, sondern bietet mit Novellen von John W. Campbell (Vorlage zu Nybys & Hawks‘ sowie Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“) und Theodore Sturgeon (über das Paradies der freien Liebe) zwei herausragende Beiträge, die man als SF-Fan kennen sollte.
_Die Herausgeber_
Isaac Asimov, geboren 1920 in Russland, wuchs in New York City auf, studierte Biochemie und machte seinen Doktor. Deshalb nennen seine Fans ihn neckisch den „guten Doktor“. Viel bekannter wurde er jedoch im Bereich der Literatur. Schon früh schloss er sich dem Zirkel der „Futurians“ an, zu denen auch der SF-Autor Frederik Pohl gehörte. Seine erste Story will Asimov, der sehr viel über sich veröffentlicht hat, jedoch an den bekanntesten SF-Herausgeber verkauft haben: an John W. Campbell. Dessen SF-Magazin „Astounding Stories“, später „Analog“, setzte Maßstäbe in der Qualität und den Honoraren für gute SF-Storys. Unter seiner Ägide schrieb Asimov nicht nur seine bekannten Robotergeschichten, sondern auch seine bekannteste SF-Trilogie: „Foundation“. Neben SF schrieb Asimov, der an die 300 Bücher veröffentlichte, auch jede Menge Sachbücher, wurde Herausgeber eines SF-Magazins und von zahllosen SF-Anthologien.
Übrigens ist in den biobliografischen Daten auch Martin H. Greenberg als Herausgeber ausgewiesen. Er gibt wahrscheinlich noch heute Anthologien zu einfallsreichen Themen heraus. Auch Joseph Olander ist ein Anthologist, denn Anthos sind in den USA ein einträgliches Geschäft für Verlage, um ihr Copyright mehrmals zu verwerten.
_Die Erzählungen_
_1) Brian W. Aldiss: Wer kann einen Menschen ersetzen? (1959)_
Nach dem Atomkrieg sind die Menschen fast vollständig ausgestorben. Das kapieren die Robotmaschinen aber erst nach und nach. Sie können nicht arbeiten, weil ihnen niemand mehr Anweisungen gibt, und weil das Klasse-eins-Zentralgehirn in der Hauptstadt sich im Krieg mit zwei Klasse-zwei-Gehirnen befindet, kommt es als Befehlsgeber auch nicht in Frage. Die verwaisten Maschinen machen sich auf nach Süden, weil es dort noch eine winzige Kolonie überlebender Menschen geben soll. Als sie einen zerlumpten, halbnackten, verletzten und ungeniert pinkelnden Mann treffen, sind sie glücklich, endlich ihren Meister gefunden zu haben.
|Mein Eindruck|
Teils eine traurige Post-Holocaust-Satire, teils eine Lewis-Carroll-Fantasie, liest sich die Story kurzweilig und wie ein Märchen. Sie wäre lustig, wenn der Anlass dafür nur nicht so ernst wäre.
_2) Mark Clifton: Was habe ich getan? (1958)_
Der Erzähler ist ein Stellenvermittler (so wie der Autor jahrelang Personaldirektor war) und kann von Berufs wegen einen Menschen im Handumdrehen einschätzen und beurteilen. Aber nicht diesen Typen, den er eines Tages am Imbissstand sieht. Der ist völlig ohne Ausdruck. Wenig später sitzt der Typ in seinem Büro, um sich vermitteln zu lassen. Aber obwohl der Fremde Astronomie studiert haben will, sagt er, seine Mathekenntnisse seien bescheiden – und er verspricht sich, als er angibt, das Sonnensystem haben zehn Planeten.
Spätestens jetzt ist unserem Chronisten klar, dass er es mit einem Fremdweltler zu tun hat, und sagt dies auch. Dessen Augen werden auf einmal völlig schwarz. Ja, das Ganze war ein Selbsttest. Dann verschwindet er. Doch unser Mann verfolgt ihn unauffällig. Allerdings wohnt in dem Häuschen, worin der Fremde verschwunden ist, nur ein altes Ehepaar, das äußerst misstrauisch ist. Wochen später ist der Fremde wieder im Stellenmaklerbüro, diesmal verkleidet als eine Art Romeo mit umwerfendem Charme. Die totale Übertreibung, aber das sagt unser Mann nicht.
Der Fremdweltler stellt ihn vor eine entscheidende Wahl, ein Dilemma: Entweder hilft er den Arkturianern bei ihrer Invasion der Erde, indem er ihnen beibringt, völlig glaubwürdig menschlich aufzutreten – oder die Menschheit wird ausgerottet. Der Arkturplanet hat ein Übervölkerungsproblem und braucht Lebensraum – auf der Erde. Das Dilemma: Die Menschheit wird entweder schnell oder langsam vernichtet. Protest fruchtet nichts. Also entschließt sich unser Mann zu einem hinterlistigen Plan.
Natürlich haben sich die Arkturianer in Beverly Hills niedergelassen. Unter der Hollywood-Bande fallen sie kaum auf mit ihrem marionettenhaften Auftreten. Es sind dreißig, die Vorhut, alle mit menschlichen Körpern versehen. Unser Mann lehrt sie, woraus Menschen bestehen: Körper, Geist, Seele. Und dann lehrt er sie Dinge über den Menschen, die ihnen zum Verhängnis werden, sobald sie sie anwenden …
|Mein Eindruck|
Das ist mal eine Invasionsstory der ungewöhnlichen Art. Die Kenntnisse, die unser Chronist – und mit ihm der Autor – einbringt, sind sehr interessant, denn man findet sie kaum jemals in der SF: gewöhnliche menschliche Eigenschaften aus dem Alltag. Was uns aber völlig normal erscheint, unterscheidet sich radikal von unseren Idealen, wie sie in der Literatur zu finden sind, etwa in frommen Büchern und romantischen Dramen.
Der Autor erweist sich als völlig desillusioniert, was die Besserungsfähigkeit der menschlichen Natur anbelangt. Und so fällt es dem Stellenvermittler leicht, den Aliens alle Ideale anzutrainieren, welche die Menschen ersehen – und aufs Heftigste ablehnen, sobald sie ihnen begegnen … Das sagt schon viel über diese Ideale aus. Und dass der Erzähler dazu gezwungen ist, sie zu lehren und zugleich zu verraten, veranlasst ihn zu der Frage im Titel der Story.
_3) Robert Silverberg: Warum? (1957)_
Wozu Raumfahrt, warum? – Brock und Hammond sind zwei Weltraumerforscher, die inzwischen schon elf Jahre unterwegs sind und 146 (oder 164) Welten besucht haben. Nirgends fanden sie intelligentes Leben, und allmählich hat Brock die Nase voll. Er stellt Hammond die unausweichliche Frage: „Warum? Warum machen wir das noch?“ Sie fingen an, als sie beide dreiundzwanzig Jahre alt waren und von der kleinen, engen, schmutzigen Erde genug hatten. Sie waren beileibe nicht die ersten Raumerkunder und werden nicht die letzten sein. Aber ihr Tun erscheint Brock allmählich sinnlos.
In der Nacht hat Hammond auf der Welt Alphecca II einen seltsamen Traum. Er träumt, er habe Wurzeln und würde wie eine Pflanzen wachsen. Doch gleichzeitig wünscht er sich, über den nächsten Hügel wandern zu können. Bevor er Brock davon erzählen kann, zeigt dieser ihm am Morgen, dass ihr Raumfahrzeug von Ranken überwuchert ist. Als sie die Gegend erkunden, wird Brock von einer dieser Ranken gepackt und um ein Haar entzwei gerissen. Natürlich gelingt die Befreiung, und sie ziehen sich ins Schiff zurück.
Endlich findet Hammond die Antwort auf die Frage seines Freundes …
|Mein Eindruck|
Silverberg ist ein Meister darin, sich einer vielfach vernachlässigten und missachteten Empfindung des Menschen anzunehmen: Langeweile, |ennui|. Wenn man schon alles gesehen, erlebt und besessen hat, wenn man unsterblich ist und ewig lebt, welche Werte gibt es dann noch, die einen Menschen veranlassen könnten, weiterleben zu wollen? Es ist eine der Fragen, die sich die SF stellt: Was bedeutet es, menschlich zu sein?
In dieser Story findet sich durch die Erfahrung des Gegenteils die Antwort auf die Frage, warum Menschen den Raum befahren. Weil sie eben Menschen sind und sich fortbewegen können. Pflanzen, selbst wenn sie intelligent sind, können dies nicht. Und wenn die Ranken einen Raumfahrer umschlingen, dann nicht, um zu fressen, sondern aus Neid und Eifersucht! Es ist das Privileg des Menschen, mobil zu sein, erkennt Hammond. Fortan nutzen die beiden Erkunder dieses Vorrecht weidlich aus und fliegen weiter in Regionen, die noch nie zuvor ein Mensch sah.
_4) Ron Goulart: Was ist aus Schraubenlocker geworden? (1970)_
Der Privatdetektiv Tom ist auf der Suche nach der kalifornischen Millionenerbin Mary Redland. Sie ist aus einer psychiatrischen Klinik verschwunden. Als er ihr Strandhaus betritt, wird er von einer intelligenten Spülmaschine attackiert, doch er kann sie überlisten, so dass sie über die Klippe ins Meer fällt. Mary Redlands Vater, der Erfinder, scheint eine ganze Reihe solcher Roboter gebaut zu haben – manche davon zu dem Zweck, Menschen zu töten.
Nach einigen Recherchen stößt er auf das mondäne Herrenhaus der Redlands. Im „Spielhaus“ hat sich Mary versteckt. Sie scheint ganz allein zu sein, als er sie findet. Tom scheint ein alter Freund der Familie zu sein, denn sie schüttet ihm sogleich ihr Herz aus. Der Grund, warum sie in der Psychiatrie war, scheint eine Gehirnwäsche gewesen zu sein. Die hatte ihr ihr Vater verpasst, um einen Mordplan zu vertuschen, den sie mitangehört hatte. Sowohl beim Mord als auch bei der Vertuschung half ihm dabei der Roboter Schraubenlocker. Dieser war als Marys Privatlehrer angestellt und sollte sie beschützen. Doch warum tat er ihr die Gehirnwäsche an?
Da tritt ein Mann ein, der eine Pistole auf Tom und Mary richtet. Es ist Schraubenlocker selbst. Er beschützt Mary immer noch vor der Wahrheit, warum dies alles damals geschah, als sie ein kleines Mädchen war, und besuchte sie sogar in der Klinik. Das löste ihre Flucht aus. Doch was hat er als Entschuldigung vorzubringen?
|Mein Eindruck|
Die Story ist eine hübsche kleine Detektivgeschichte. Das Besondere daran: Die Übeltäter scheinen Roboter zu sein. Was zunächst recht lustig wirkt, wird zunehmend ernst, bis es auf einer tragischen Note endet. Diese Roboter scheinen nicht den Asimov’schen Gesetzen der Robotik zu gehorchen, und doch ist es so. Bekanntlich dienen die Gesetze dazu, den Menschen ebenso wie den Roboter vor Schaden zu bewahren. Aber wie bewahrt man ein kleines Mädchen davor, einen dauerhaften seelischen Schaden davonzutragen?
_5) Kate Wilhelm: Wo bist du gewesen, Billy Boy, Billy Boy? (1971)_
Als Billy Gordon erst acht ist oder so, erlebt er, wie sein Vater, ein Professor (vermutlich der Soziologie oder Ökonomie), dem Senat vorschlägt, den drohenden Untergang der Welt durch eine radikale Lösung aufzuhalten. Die Überbevölkerung, die zu einer tödlichen Umweltverschmutzung führt, könne nur noch durch ein Mittel aufgehalten werden: Die Hälfte der Bevölkerung muss sterben, damit die andere überleben kann. Man erklärt Prof. Gordon für wahnsinnig.
Nichtsdestotrotz führt allein schon die Drohung und Überlegung über die Maßnahme zu Demonstrationen, die just, als Billy mit seiner Mutter Weihnachtsgeschenke kaufen will, zu gewalttätigen Ausschreitungen führen, in deren Verlauf seine Mutter ums Leben kommt. Doch Billy überlebt. Verfügt er über eine besondere Gabe?
Als er erwachsen ist, hat die Regierung einen Orwell’schen Überwachungsstaat errichtet, der gegen seine rebellischen Gegner brutal vorgeht. In seiner Marketingfirma sind keine Mitarbeiter mehr, er ist der letzte. In seiner Drei-Mann-Band verfasst er einen melancholischen Song, und als er am Abend mit ihnen nach Hause geht, fasst er mit Rhonda den verrückten Plan, sich mit einem Panzerwagen zum platten Land durchzuschlagen, raus aus der umkämpften Stadt.
|Mein Eindruck|
Diese Story, die völlig unchronologisch und nonlinear erzählt wird, muss man wahrscheinlich mehrmals lesen, um sie vollständig zu verstehen. Allerdings hat sie mich so deprimiert, dass ich dazu keinerlei Lust verspüre. Auf jeden Fall geht es um das Eintreffen der von Prof. Gordon vorhergesagten Katastrophe, aber auch um die Lösung, die er vorschlug: Die andere Hälfte der Bevölkerung verschwindet – und das in nur etwa 15 bis 20 Jahren, die Billy braucht, um erwachsen zu werden und einen führenden Job in seiner Firma zu erringen. Die beunruhigende Frage ist allerdings: Wie kam es zu diesem massenhaften Verschwinden? Könnte Billy etwas damit zu tun haben?
_6) Theodore Sturgeon: Wenn alle Menschen Brüder wären, würdest du einen davon deine Schwester heiraten lassen? (1967)_
Eigentlich ist Charli Bux nur ein Sesselfurzer und Rechnungsprüfer, aber er arbeitet im zentralen galaktischen Archiv und stolpert dabei über merkwürdig billige Rohstoffangebote. Hartnäckig, wie Charli nun mal ist, versucht er mehr darüber herauszufinden, außerdem mag er Jamaica Blue Mountain Kaffee und würde ihn selbst gerne so günstig kaufen. Auf der Welt Lethe jedoch kommt er nicht weiter, denn allen seinen Bemühungen, nach Vexvelt weiterzukommen, scheinen „unglückliche Umstände“ einen Riegel vorzuschieben. Dass es im Zentralarchiv keine Aufzeichnungen über diesen Planeten gibt, findet Charli ebenfalls ziemlich verdächtig.
Nun ist jedoch der Raumhafen von Lethe ein übles Pflaster, und so kommt es, dass Charli Gelegenheit hat, einem echten Vexveltianer im Kampf gegen nächtliche Räuber beizustehen. Zum Dank nimmt ihn der Mann namens Vorhidin an Bord seines Raumschiffs mit zu seiner verbotenen und versteckten Heimatwelt. An Bord lernt Charli die bezaubernde Tamba kennen, eine freigebige Schönheit mit rabenschwarzem Haar, die Charli gerne in die Mysterien der vexveltianischen freien Liebe einführt. Vorhidin hat absolut nichts dagegen, ganz im Gegenteil. Charli, das ist klar, verliebt sich auf der Stelle in Tamba. Klar, dass er neugierig ist auf die Welt, von der Tamba stammt.
Kurz gesagt, ist Vexvelt ein ökologisches Utopia mit dem besonderen Flair von Kalifornien. Die Gesellschaft gedeiht und alle sind happy. Doch schon in der ersten Nacht erleidet Charli einen Schock: Tamba will nicht mit ihm schlafen, sondern mit ihrem Bruder Stren. Sie habe es diesem versprochen. Charli braucht Wochen, bis er darüber hinwegkommt, und verantwortlich ist dafür vor allem die Fürsorglichkeit von Tambas rothaariger Schwester Tyng. Doch als er diese eines Morgens im Bett ihres Vaters Vorhidin vorfindet, bricht Charli vollkommen zusammen. Wieder dauert es Wochen, bis Vorhidin Charli so weit hat, dass Charli bereitet ist, die Besonderheit von Vexvelt zu verstehen und zu akzeptieren.
Doch eine Sache hat Charli immer noch nicht begriffen: Warum die anderen Welten eher bereit wären, Vexvelt auszuradieren, als mit den Verfemten Handel zu treiben, und sei er noch so lukrativ. Ja, die Vexvelter können sogar Krebs heilen. Erst als er mit seinem Boss, dem Archivmeister, gesprochen hat, muss er resignierend anerkennen, dass es nun mal so ist, das niemand etwas mit dieser Kultur zu tun haben will. Wenn er auf Vexvelt umsiedeln will, muss er allem entsagen, was er gekannt und geliebt hat. Eine schwere Wahl.
|Mein Eindruck|
Diese Novelle wurde 1967 als Beitrag für Harlan Ellisons berühmte Anthologie „Dangerous Visions“ veröffentlicht. Alle Beiträge sollten eingefahrene Vorstellungen in Frage stellen und den Leser provozieren. Und tatsächlich ist diese Geschichte auch heute noch – und solange es das Inzest-Tabu geben wird – dazu angetan, Aversionen und Diskussionen auszulösen. Denn keineswegs wird hier Inzest mit Eltern und Geschwistern als negativ dargestellt, sondern vielmehr als positiver kultureller und biologischer (!) Faktor.
Die Geschichte braucht sehr lange, bis dem Leser die Wahrheit enthüllt wird, warum die Außenwelt diesen Planeten so schrecklich findet und geächtet hat. Das ganze Drumherum wird in dem langen Dialog durchgekaut, den Charli mit seinem Archivmeister führt. Charlie erzählt nicht alles, und deshalb erfahren wir seine zurückgehaltenen Erinnerungen in Kursivschrift. Erst das letzte Drittel ist praktisch Charlis Erlebnis aus erster Hand und besteht wiederum in der Hauptsache aus einem langen Dialog, wobei Vorhidin alle Punkte vorbringt, die für Inzest und gegen dessen Ächtung sprechen. Warum aber Charli so disponiert ist, am Ende zu den Vexveltianern überzulaufen, wird aus der Geschichte nicht ersichtlich. Das ist eine weitere Schwäche.
All diese Quasselei fand ich jedenfalls sehr ermüdend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leser von „Dangerous Visions“ zusätzlich zu dieser Story auch noch das obligatorische, ausführliche Vorwort von Herausgeber Harlan Ellison ertragen konnten.
Jedenfalls würde ich dem Leser, der Sturgeon als einen der wichtigsten und besten Story-Erzähler kennenlernen will, die neuen Storysammlungen empfehlen, die der |Shayol|-Verlag veranstaltet. Michael Iwoleit hat Sturgeon in seinem Essay im „Heyne SF Jahr 2007“ ausführlich vorgestellt (ab. S. 285).
_7) John W. Campbell: Wer geht dort? (1938)_
Dies ist die literarische Vorlage für Howard Hawks‘ & Christian Nybys SF-Film „Das Ding aus einer anderen Welt“ – und natürlich auch für dessen Remake von John Carpenter!
Die Besatzung der amerikanischen Südpol-Station ist im ewigen Eis auf ein außerirdisches Raumschiff gestoßen, das seit zwanzig Millionen Jahre hier liegen muss – es hat einen zweiten magnetischen Südpol verursacht. Um eindringen zu können, sprengen sie das U-Boot-förmige Vehikel mit Thermit – und setzen es dabei in Brand, weil sie zu spät merkten, dass es vor allem aus Magnesium bestand. Doch ein Insasse ist entkommen, nur um jedoch sogleich zu Eis zu gefrieren. Und diesen Eisblock haben sie nun auf einem Tisch in ihrer Basis liegen.
Was ist damit zu tun, lautet nun die Frage, die die Wissenschaftler zu entscheiden haben. Bringt der Außerirdische Mikroben mit, die Menschen schaden könnten? Nachdem man sich entschieden hat, den Block aufzutauen, ist schließlich zu erkennen, dass das Fremdwesen drei rote Augen in einem blauen Fell hat und sich Tentakel am „Kopf“ bewegen – es lebt! Doch keiner hat daran gedacht, dass es Gedanken lesen oder beeinflussen könnte. Noch ahnt auch keiner, dass es die Gestalt von organischen Lebensformen annehmen könnte.
Als das Alien auf einmal verschwunden ist und es nicht gefunden werden kann, dämmert Kommandant Garry und seinem Vize McReady die schreckliche Wahrheit: Das Alien kann sich in jeden der Männer verwandelt haben, indem es dessen Zellsubstanz imitiert. Und ebenso schnell kann es sich mit der zusätzlichen Zellmasse vermehren und andere Lebewesen, etwa Schlittenhunde, übernehmen und imitieren.
Die Frage ist nun: Gibt es einen endgültigen Test, der beweist, dass ein menschlich aussehender Proband mit absoluter Sicherheit kein Alien ist?
|Mein Eindruck|
Anfang und Ende des Textes sind der Action gewidmet, und Hawks dürfte wohl alles bis Seite 30 verwendet haben. Doch dann kommt eine Zäsur, die einen ruhigen Mittelteil einleitet, in dem fast nur geredet wird. Das ist ziemlich ermüdend, wenn auch notwendig, um die Lage zu begreifen, in der sich die Leute nach dem Verschwinden des Alien befinden (man denke an den Alien-Film von Ridley Scott). Sie haben zudem nicht viel Zeit, denn das Alien wird versuchen, die ganze Erde zu erobern und mit seiner Art zu bevölkern.
Mir hat das Lesen nicht viel Spaß gemacht, denn die Szenen sind wie gesagt nicht sonderlich anschaulich, bis auf das Finale, und die Erzählmethode derartig antiquiert, dass ich nur den Kopf schütteln konnte. Am Anfang berichtet McReady seitenlang in einem ununterbrochenen Monolog von den Ereignissen beim Raumschiff der Aliens. Dann treten die einzelnen Wissenschaftler auf, und allein schon die Aufgabe, sich deren Namen zu merken, ist anspruchsvoll.
Noch seltsamer ist jedoch die Methode der Charakterisierung. Das war wohl der damalige Groschenheftstil, aber so holzschnittartig trieben es selbst Asimov und Heinlein nicht. McReady ist ein bronzener Riese und ein anderer Mann scheint nur aus Stahl zu bestehen. Klar, dass wir diesen Typen trauen sollten. Aber nur weil das behauptet und mehrmals wiederholt wird, muss es noch lange nicht glaubhaft klingen. Wahrscheinlich hielt der Autor seine (meist jugendlichen) Leser für begriffsstutzig.
In der Übersetzung durch Rosemarie Hundertmarck, die hier vorliegt, wurden alle Kapitel säuberlich nach Sinn- und Zeiteinheiten getrennt.
_8) Damon Knight: Auge um Auge – aber wie? (1957)_
Die Vorhut der irdischen Flotte unter dem Kommando von Commander Carver versucht auf der erdähnlichen Welt eines Sterns vom Sol-Typ einen Stützpunkt zu errichten und Handelsbeziehungen zu etablieren. Während eine Delegation auf dem Planeten Kontakt mit dem Ältestenrat der intelligenten Gorgoner aufnimmt, nimmt das Raumschiff einen Vertreter der Gorgoner an Bord. Die Forscher für Fremdwesen, die Xenologen, taufen ihn auf den Namen George. Nach einer Weile können sie sich gut mit ihm verständigen, doch der Begriff „panga“ ist ihnen ein Rätsel. Ist es eine Verwandtschaftsbezeichnung? Aber warum ist sie dann so verwirrend?
Da kommt es zum einem peinlichen Zwischenfall bei einem Bankett im Kapitänszimmer. Während George sich bislang immer zurückgehalten hat, reißt er beim Dessert der Gattin des Kapitäns das Dessert weg und verzehrt es selbst! Die werte Dame kippt hintenüber und bekommt einen hysterischen Anfall. Klar, dass George erst einmal in Sicherheit gebracht wird. Die Xenologen wollen keinen diplomatischen Zwischenfall riskieren, wenn ihre Delegation auf dem Planeten als Geisel genommen werden könnte. Erst einmal die Gorgoner fragen.
Der Ältestenrat urteilt, dass George von den Geschädigten, also den Menschen, bestraft werden müsse. Und zwar muss diese Strafe so angemessen ausfallen, als wenn sie von einem Gorgoner vollstreckt worden wäre. Falls die Bestrafung nicht angemessen und rechtzeitig bis Ablauf einer Frist erfolgt ist, werde die Delegation stattdessen bestraft. Nun ist guter Rat teuer: Wie bestraft man ein Wesen, das kugelrund ist, sich beliebig strecken und unter Wasser atmen kann? Wie sich herausstellt, spielt „panga“ eine Schlüsselrolle – in letzter Sekunde …
|Mein Eindruck|
Nach Bewältigung dieser Krise beim Erstkontakt hat der Kapitän jedoch keinerlei Interesse mehr an der Welt dieser Gorgoner und zieht mit seiner Flotte weiter. Die Logik dahinter erschließt sich dem Leser bei genauerem Nachdenken durchaus, allerdings wird sie ihm nicht auf dem Silbertablett serviert.
Die Story ist wunderbar anschaulich erzählt, und eine ganze Reihe von komisch-drastischen Szenen sorgen ebenso für Unterhaltung wie die überraschenden Wendungen am Schluss. Auf jeden Fall weiß man am Ende auch, was unter „panga“ zu verstehen ist.
_9) Frederik Pohl: Ich Plinglot, wer du? (1958)_
Vor dem US-Senat sagt ein Mr. Robert S. Smith aus, er habe einen Aktenordner gefunden, in dem stehe, dass die Russen Kontakt zu den Außerirdischen vom Aldebaran hätte und sie demnächst erwarten würden. Wenig später trifft Mr. Smith (der sich nun anders nennt) den kommunistischen Parteisekretär in Moskau und verrät ihm bzw. seinen Unterlingen, die Amis würden demnächst Besuch vom Aldebaran bekommen. Wenig später taucht Mr. Smith in Paris auf, um einem Monsieur Duplessin vom Liebesleben der edlen Aldebaran vorzuflunkern. Enthusiastisch bietet M. Duplessin den Aldebaranern seinen Schutz vor den schurkischen Amis und Russkis an.
Da nun der Boden für seine Mission bereitet ist, verschnauft Mr. Smith für einen Moment, bevor er in der Mojave-Wüste seine Rakete auf Kurs zum Mars schickt. Doch kurz vor ihrem Start entdeckt er einen Aldebaraner an Bord, einen blinden Passagier. Das etwa dreißig Zentimeter große Wesen beschwert sich bitterlich darüber, was Mr. Smith mit seinem Volk auf dem schönen aldebaranischen Planeten angerichtet hat. Er habe alle Völker, die seit hundert Jahren friedlich kooperiert hätten, aufeinander gehetzt, bis der Atomkrieg ausbrach und dabei die Meere verdampften.
Mr. Smith – oder Plinglot von Tau Ceti – schickt den letzten Mohikaner mitsamt seiner Rakete zum Mars, damit diese von dort zur Erde zurückkehre und die Menschen gehörig in Aufruhr versetze – oder sogar mehr. Dann begibt er sich nach Washington zum Senat. Durch den Aldebaraner abgelenkt, hat Plinglot jedoch vergessen, wieder eine menschliche Gestalt anzunehmen. Ups, er erlebt eine Überraschung nach der anderen …
|Mein Eindruck|
Mr. Smith ist offensichtlich ein |agent provocateur|, der einen Kriegsausbruch hervorrufen will. Wie sich zeigt, ist er für unseren galaktischen Sektor zuständig und handelt im Auftrag seiner Mutter. Und wie könnte man eine Rasse, die gerade die Raumfahrt entdeckt, besser kurzhalten, indem man einen Krieg provoziert, der diese Rasse um Jahrhunderte zurückwirft oder gar völlig vernichtet?
Geschickt und anschaulich erzählt, warnt diese Story aus dem Kalten Krieg ebenso wie William Tenns (folgende) Story vor dem Atomkrieg und dem Holocaust. Sie ist zugleich ein Aufruf zu Frieden und Versöhnung, aber auch zu Wachsamkeit gegenüber Kriegstreibern wie Mr. Smith.
_10) William Tenn: Wollt ihr nicht ein bisschen schneller gehen? (1951)_
Der SF-Autor, der den Ich-Erzähler darstellt, wird eines Tages von einer Art Gartenzwerg in einer Fliegenden Untertasse entführt und zum Mutterschiff geflogen. Dort befinden sich andere Vertreter der menschlichen Rasse. Sie fragen sich alle, was sie hier sollen und wer die Kobolde sind.
Der Oberkobold hält per Live-Übertragung eine Ansprache an die Menschen. Er stellt sie vor eine Wahl. Da sie eine selbstmörderische Spezies sind und da die Kobolde gerne diesen schönen blauen Planeten als neue Heimstatt übernehmen würden, sollten die Menschen doch bitteschön die ultimative Waffe wählen, die ihnen die Kobolde anbieten, und sich gefälligst selbst eliminieren.
Das Problem der Kobolde ist nämlich: a) Sie haben wenig Zeit und b) die Menschheit hat sich mit den Atombomben (noch) nicht in die Luft gejagt und c) ein Krieg mit H-Bomben würde den Planeten Erde auf Jahrmillionen unbewohnbar machen. Höchste Zeit daher, dass sich die Menschen gegenseitig umbringen. Also, wie wär’s?
Als der Erzähler wieder nach Hause gebracht worden ist, fragt er sich, welcher Vertreter der Menschheit so verrückt sein könnte, den Kobolden ihre Wahl positiv zu beantworten. Ein einfaches Signal würde schon genügen. Man stellt eine Schüssel Milch vor die Tür …
|Mein Eindruck|
Diese kurze Story wurde 1951 veröffentlicht, und sicherlich unter dem überwältigenden Eindruck der ersten H-Bomben-Versuche der USA und – wenig später – der Sowjetunion. Das Wettrüsten im Kalten Krieg begann, der Weltuntergang schien in greifbare Nähe gerückt zu sein. Und dann kommen die Außerirdischen in ihrer Gartenzwergverkleidung und stellen die Menschheit vor eine verhängnisvolle Wahl.
Auf diese Weise macht der Autor klar: Wenn schon die Menschen nichts Vernünftiges mit diesem Planeten anfangen können, so gibt es doch eine Reihe anderer Interessenten, die dieses nette Weltraumgrundstück haben wollen. Möglichst ohne lästige Mitbewohner. Dummerweise haben die Menschen bloß diese eine Welt. Aber wie lange wird der Frieden dauern, bis es einem Selbstmörder einfällt, das letzte Signal zu geben?
Wie man sieht: eine Geschichte mit einem grimmigen Hintergrund und einer ernsten Botschaft, aber lustig vorgetragen.
_11) Isaac Asimov: Die letzte Frage (1956)_
In den 1950er Jahren (als diese Story entstand) stellen zwei angesäuselte Computertechniker zum ersten Mal jene Frage an das leistungsfähigste Elektronengehirn. Die Frage, die Multivac beantworten soll, lautet: „Gibt es eine Möglichkeit, die Entropie umzukehren?“ Die Entropie ist bekanntlich die allgemeine Bewegung des Universums zu allgemeinem Chaos, Energieverlust und Wärmetod. „Ließe sich beispielsweise eine neue Sonne schaffen, um die Entropie umzukehren?“ Diese Frage wird den jeweiligen Superhirnen ihrer Zeit immer wieder gestellt, heißen sie nun Mikrovac, Galaktischer AC, Universaler AC oder gar Kosmischer AC. Noch in Milliarden Jahren wird sie gestellt.
Und immer lautet die Antwort gleich: „Bisher reichen die Daten für eine sinnvolle Antwort noch nicht aus.“ Bis auf das letzte Mal, als der Kosmische AC, der vollständig im Hyperraum existiert, auf eine geniale Antwort verfällt. Schließlich verfügt er nach dem Ende des Universums über genügend Daten …
|Mein Eindruck|
Die letzte Frage gilt, wie zu erwarten, den letzten Dingen. Eines dieser letzten Dinge ist das Ende von allem. Lässt es sich aufhalten oder gar – verwegener Gedanke – umkehren? Bemerkenswert ist an der Story, dass die Frage nicht dem Papst oder dem Dalai Lama gestellt wird, sondern dem leistungsfähigsten künstlichen Gehirn. Denn die Frage gilt ja nicht einem Glaubenssatz – wo ist Gott? -, sondern einem wissenschaftlichen Faktum: Die Entropie nimmt unendlich zu. Das ist einfach einer der Hauptsätze der Thermodynamik. Er gilt schon seit Jahrhunderten unangefochten. Warum sollte ihn also ein wissenschaftlich errichtetes Gerät nicht beantworten können?
Da die Frage nie beantwortet wird – „unzureichende Daten“ -, begleitet sie die Menschheit bei ihrer Ausbreitung über das Sonnensystem, die Galaxis und alles darum herum. Denn die Menschen sind nicht nur überall, sondern auch unsterblich geworden. Trotz dieser annähernden Allmacht können sie den Hauptsatz der Thermodynamik nicht beugen, sondern werden vielmehr dessen Opfer. Auch sie können der Entropie nur auf dem Wege des Hyperraums entgehen, wo der Kosmische AC weiterexistiert. Und nur von dort aus lässt sich ein Neuanfang wagen: „Es werde Licht …“
Der Biochemieprofessor Asimov vermittelt in seiner Geschichte einige wertvolle Einsichten über die Begrenztheit menschlichen Wollens und Erkennens angesichts der Gesetze der Physik. Und ob Computer nun wirklich aus Molekülen gebaut werden oder nicht, spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle. Heute wird jedenfalls schon daran geforscht.
_Unterm Strich_
Anthologieherausgeber haben sich schon die abgelegensten Themen einfallen lassen – von Katzen und Einhörner über den Götter-Olymp bis hin zu Nanotechnologie. Warum nicht auch zu Fragen, um mal eine überflüssige zu stellen? Aufgrund des Alters dieses Buches – es erschien 1980 – sind die Storys zwar nicht gerade die neuesten (die modernste erschien 1971), aber dafür sind ein paar gute Namen unter den Autoren, und es sind nicht, wie so oft, alles Männer.
Das Niveau bewegt sich meist im guten Mittelmaß, wie mir scheint, und nur ein oder zwei Ausreißer nach oben sind zu verzeichnen. Einer davon könnte als „Wer geht da?“ angesehen werden, doch ich bin kein Fan von John W. Campbell. Aber auch Theodore Sturgeon, von dem ich ansonsten viel halte, hat mich diesmal etwas enttäuscht. Die restlichen Storys sind ganz nett, aber sicherlich nicht weltbewegend. Nur bei Kate Wilhelms „Billy“-Story könnte man ins Grübeln verfallen, denn sie liefert keine fixe Lösung, sondern nur ein Puzzle, das man selbst zusammensetzen muss.
Am lustigsten und hintersinnigsten ist wohl Damon Kinights Geschichte über die Gorgorianer. Sie erfordert, nach etlichen überraschenden Wendungen, ein wenig Nachdenken über den Schluss der Story. Aber die Lösung sollte kein Problem sein. Alles in allem bietet der Band also eine Menge Antworten – und stets auch Informationen über den jeweiligen Autor, ideal für Einsteiger.
Taschenbuch: 303 Seiten
Originaltitel: The Future in Question, 1980
Aus dem US-Englischen von Rosemarie Hundertmarck
Bewährungsprobe für Liebende: Showdown mit der Superwaffe
Band 1: Leviathan:
August 1914. Der österreichische Thronfolger und seine Frau werden von Serben ermordet, die Alte Welt droht aufgrund der Bündnisse in den Weltkrieg zu stürzen. Prinz Aleksandar wird halb entführt, halb vor deutschen Verfolgern gerettet, entkommt zunächst in die neutrale Schweiz.
Plötzlich landet dort das britische Luftlenkschiff „Leviathan“, eine walförmige Mischung aus Tier und Maschine, und Aleksandar lernt die junge Deryn kennen, die sich als Junge verkleidet in die britische Luftmarine geschmuggelt hat, um hier ihren Lebenstraum vom Fliegen zu verwirklichen. Können sie gemeinsam den Verfolgern entgehen und die drohende Kriegskatastrophe abwenden? (Verlagsinfo)
Band 2: Behemoth
Die geheime Mission der Leviathan geht weiter! Nach einer wilden Verfolgungsjagd landet das Luftschiff »Leviathan« in Konstantinopel. Doch dort erwartet die Crew eine böse Überraschung: Es gelingt ihnen zwar, dem Sultan ihr Geschenk zu überbringen – doch der hat sich bereits anderweitig verbündet, und ihre Friedensmission endet in einem völligen Desaster!
Allein und von Feinden gejagt, finden sich Alek und Deryn im vor Unruhe brodelnden Konstantinopel wieder. Doch sie haben einen außergewöhnlichen Trumpf in der Hand: Nur sie wissen von den Plänen der Briten, das sagenhafte Meer-Ungeheuer »Behemoth« ins Osmanische Reich zu leiten … Umgeben von Verrätern und überraschenden neuen Verbündeten muss Alek zum ersten Mal seine eigenen Entscheidungen treffen. (Verlagsinfo)
Band 3: Goliath
Nach ihren Abenteuern im Osmanischen Reich sind Alek und Deryn wieder auf der „Leviathan“, die jetzt die Neue Welt ansteuert: Kalifornien, Mexiko und New York lauten die Ziele. Und noch jemand ist mit an Bord: Nikola Tesla, ein russischer Erfinder, der eine Maschine namens Goliath entwickelt hat, die angeblich die Macht besitzt, die halbe Welt zu zerstören.
Aleks Bemühungen, den Krieg zu beenden, scheinen mehr denn je zum Scheitern verurteilt. Inmitten tödlicher Intrigen und verwirrender Geheimnisse müssen er und die als Junge verkleidete Deryn sich schließlich dem Letzten stellen: der Stunde der Wahrheit. (Verlagsinfo) Scott Westerfeld – Goliath. Die Stunde der Wahrheit (Leviathan 03) weiterlesen →
Im London des Jahres 1893 verschwinden Menschen. Die Nächte verbreiten Angst und Schrecken, niemand fühlt sich mehr sicher. Man erzählt sich in den Straßen von Geistern, welche die Menschen entführen – in die Tiefe unter selbigen Straßen. Und Scotland Yard streitet alles als Unfug ab.
Als Sherlock Holmes durch H. G. Wells einen zurückgekehrten Zeitreisenden aufspürt, vermutet er einen Zusammenhang mit den Morden und Entführungen, und damit ist er der grausamen Wahrheit bereits sehr nahe: Es sind die Morlocks aus der Zukunft, die den Nabel der zivilisierten Welt terrorisieren. Holmes stellt sich ihnen entgegen. Aber nicht alleine … (erweiterte Verlagsinfo) Ralph E. Vaughan – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine weiterlesen →
„Zweitausend Schiffe rasen durch die Leere des Raums…
An Bord die letzten Überlebenden der Erde – auf der Suche nach einer neuen Heimat für die Menschheit…
Besatzung und Passagiere scheinen gefangen in einem zur Wirklichkeit gewordenen Traum…
Und die endlosen Tiefen des Alls bergen ein letztes, düsteres Geheimnis…
Für diesen außergewöhnlichen Roman erhielt Norman Spinrad, eines der herausragenden Talente der Science Fiction, 1975 den Jupiter Award.“ (Verlagsinfo)
Wie sähe die Zivilisation heute ohne Christentum aus? Nun, jedenfalls wesentlich menschenfreundlicher und fortschrittlicher, meinen die zwei Autoren der „Hammer & Kreuz“-Trilogie. Sie haben diese Annahme einmal in einem alternativen Geschichtsverlauf nachgezeichnet. Das Ergebnis ist durchaus bedenkenswert, auch für Leser ohne Hang zu nordischen Religionen. Aber auch Leser, die unterhalten werden wollen, kommen hier voll auf ihre Kosten.
_Vorgeschichte_
Im Jahr 865 suchen die Wikinger mit grausamen Raubzügen den Norden Englands heim. Shef, ein junger Schmied nordischer Abstammung mit erstaunlicher Auffassungsgabe für technische Zusammenhänge, bringt den Wikingerbanden blutige Niederlagen bei und baut eine Streitmacht auf – unter einer Fahne, die sowohl den Hammer Thors als auch das Kreuz als Zeichen führt. Er selbst wählt als sein „Totem“ die Pfahlleiter, denn sie ist das Symbol für seinen göttlichen Vater Rigr, einen der nordischen Asen.
Shef schlägt sogar eine Streitmacht der Franken, die die katholische Kirche gegen ihn ausgesandt hat. Im 2. Band der Trilogie, [„Der Pfad des Königs“, 791 erobert Shef aufgrund seiner brillanten Ideen Skandinavien und besiegt seine wichtigsten Kontrahenten, die Söhne Ragnar Lodbroks, der England plünderte. Fortan regiert er als der Eine König des Nordens, während sein Mitkönig Alfred von Wessex halb England beherrscht. Doch Shef hat sich in Deutschland einen mächtigen Feind geschaffen: Bruno, den Lanzenritter. Dieser wird unterstützt von Diakon Erkenbert, der bei der Eroberung von York durch die Wikinger entkommen war. Dieses Duo taucht nun, im 3. Band, wieder auf: Bruno ist Kaiser der Deutschen und Franken.
_Handlung_
Im Süden Europas haben die Nachfolger des West- und des Oströmischen Reiches, Kaiser Bruno und der Patriarch von Byzanz, ein Militärbündnis geschlossen, um die vorgedrungenen Piraten der Mohammedaner zurückzuschlagen. Denn wer die Inseln beherrscht und deren Brunnen, der beherrscht das Mittlemeer. Mit Hilfe des geheimnisvollen „Griechischen Feuers“, dem aus Erdöl gewonnenen Naphtha, verbrennen die Griechen die arabische Flotte. Nun ist der Weg nach Südfrankreich und Spanien frei. Doch dort herrschen die Araber unter dem Kalifen von Cordoba.
Der immer auf „Neues Wissen“ erpichte Shef erhält die Nachricht, dass die Griechen eine neue Waffe einsetzen. Außerdem macht er sich Sorgen um seine strategische Lage: Sobald Spanien wieder christlich ist, geht es England und dem Norden an den Kragen, also seinem Reich. Mit seiner Flotte von Schlacht- und Langschiffen besucht er erst einmal Cordoba. Dort interessieren ihn die Kunst des Fluges und Teleskope. Außerdem freut es ihn, dass hier anscheinend Moslems, Christen und Juden einträchtig zusammenleben. Allerdings müssen letztere Steuern zahlen, die Moslems aber nicht.
Nächste Stopps sind Mallorca und Septimanien, das in der Gegend von Montpellier liegen dürfte, an einen steilen Berghang geschmiegt: Auch hier leben Juden und Christen zusammen, allerdings gibt es hier auch christliche Ketzer, die später als Katharer bekannt und von der Inquisition blutig verfolgt wurden. Die Ketzer erkennen in Shefs Emblem die Pfahlleiter, die für sie eine heilige Reliquie darstellt: den Gral beziehungsweise graduale. Diesen Gral sucht Bruno verzweifelt aus den Ketzerburgen zu bergen, um seine Macht zu mehren.
Natürlich wissen sich die Ketzer umgehend die Unterstützung Shefs zu sichern, indem sie seine Geliebte, Svandis, entführen. Svandis ist zwar Atheistin, aber das macht nichts: Shef muss sie wiederhaben. Es kommt, wie es kommen muss: Wieder einmal stehen sich Shef und sein Erzrivale Bruno gegenüber – zwar nicht Aug in Aug, aber doch mit drastischen Resultaten: Shef lässt Feuer vom Himmel regnen und schickt Knaben in Flugdrachen zur Aufklärung in die Luft, der Gral wird in Sicherheit gebracht und etliche Katapulte kommen zum Einsatz. Viel Action allhier: eine Schlacht der sechs Religionen: katholische Kirche, griechisch-orthodoxe Kirche, Nordischer Weg (= Shef), Juden, Islam und Ketzer.
Nachdem Shef in hartem, knappem Kampf Bruno geschlagen hat, erhält dieser die willkommene Gelegenheit, den Kalifen von Cordoba, der den Ungläubigen mitsamt Heer entgegen gezogen ist, vernichtend zu schlagen. Durch Verrat fällt ihm auch noch der Gral in die Hände. Frohgemut zieht Kaiser Bruno gen Rom, um den dortigen Papst durch Diakon Erkenbert, seinen treusten und intelligentesten Berater, zu ersetzen. Dass die Italiener etwas dagegen haben, dürfte klar sein – und der amtierende Papst sowieso.
Und wenn sich Shef nicht beeilt, kommt er zu spät, um sein eigenes Reich gegen diesen fanatisch christlichen Kaiser zu verteidigen. Es kommt schon bald zum Showdown vor den antiken Mauern der Ewigen Stadt …
_Mein Eindruck_
Im Vergleich zu den Landschaften und Ideengebäuden, auf die Shef und seine Mannen (und Frau) in diesem Band treffen, muten die vorherigen geradezu vorsintflutlich und finster an. In den warmen südlichen Gefilden des Mittelmeers tauchen nun Geisteshaltungen und Begriffe auf, die uns schon recht neuzeitlich vorkommen.
|Erfindungen 1: Algebra|
Bei den Arabern von Cordoba erfährt Shef erstmals vom Konzept der Zahl Null, die die Araber „sifr“ nennen, wovon unser Wort „Ziffer“ stammt. Damit eng verbunden ist das Konzept der Algebra (al-gabr), das es Shef erstmals erlaubt, besser zu rechnen, als es die Römer konnten. Da Diakon Erkenbert nur römisch rechnen kann, um seine Katapultschüsse richtig einzustellen, hat Shef nun einen schweren militärischen Vorteil: Ihm fallen Teilen, Malnehmen, Abziehen und Addieren sehr viel leichter, insbesondere auch noch auf einem Rechenbrett, dem Abakus. Mit nur zwei Schüssen zerstört er das gegnerische Katapult: zack, peng!
|Erfindungen 2: Fliegen|
Das ist nicht alles: Von den Arabern lernt Shef das Fliegen. Dass dies nicht ganz ungefährlich ist, sieht er schon an seinem arabischen Lehrmeister Ibn-Firnas: Der hat sich schwer am Bein verletzt. Doch bei eigenen Versuchen mit dem Drachenfliegen greift Shef zunächst auf Knaben zurück, dann traut er sich selbst – mit viermal größerer Segelfläche.
|Erfindungen 3: Sprengstoff, Luftwaffe|
Von den Griechen klaut Shef das Geheimnis des Griechischen Feuers. Dies zusammen mit dem Drachenflug erlaubt ihm die Entwicklung einer Art Luftwaffe – die von den Christen natürlich sofort für Engel mit Flammenspeeren gehalten wird. Dass man solches Feuer auch werfen kann, demonstrieren seine Loki-Jünger vor Rom.
|Erfindungen 4: Buchdruck|
Die weitaus folgenreichste Erfindung Shefs dürften allerdings der Buchdruck mit beweglichen Lettern und die damit gedruckte Progaganda sein. Denn was nützen militärische Siege, wenn der Gegner weiterhin borniert und in alten Denkmustern verhaftet bleibt? Die drei Weltreligionen Christentum, Islam und Judentum sind allesamt Religionen des Buches: Neue Gedanken dürfen nicht gegen die niedergeschriebenen Glaubenssätze, das Dogma, verstoßen. Daher, so Shef, würden Araber nie richtig fliegen lernen: Es ist nicht Teil des Dogmas (dessen, was – von Wenigen, die dazu befugt sind – gelehrt wird).
Nachdem er den Ketzern der Pyrenäen eines ihrer heiligen Bücher abgeluchst hat, verbreitet Shef das alternative Evangelium, demzufolge Jesus von Nazareth gar nicht in den Himmel auffuhr, sondern putzmunter im Untergrund weiterlebte und fröhlich Kinder zeugte. Der heilige Joseph von Arimathaia holte den überhaupt nicht toten Religionslehrer mit einer Leiter (= Graduale oder Gral) vom Kreuz und verbarg ihn. Joseph wird im verbotenen Evangelium des Nikodemus erwähnt und ist im südenglischen Glastonbury kein Unbekannter …
|Erfindungen 5: Sexualaufklärung|
Wesentlich lustiger als solche Ketzerei ist jedoch die Verbreitung der Tricks und Tipps, die Svandis von den arabischen Frauen gelernt hat: Damit kann ein christlicher Mann, etwa ein Bischof, einer Frau, etwa einer Mätresse, beiwohnen, ohne mit ihr ein Kind zu zeugen, das er dann wieder teuer unterhalten müsste (es kostet Mitgift oder Lehrgeld). Die Autoren führen mehrere amüsante Beispiele für die Folgen der Lektüre solcher Bettratgeber an. Selber schuld, wer sich beim Lesen erwischen lässt – das Büchlein wird konfisziert und der Leser schier exkommuniziert oder nach Sibirien verbannt. Es gibt eben nichts Gefährlicheres, als über Sex Bescheid zu wissen.
Man kann sich leicht vorstellen, dass es stets eine gewisse Menge Text erfordert, um solche bahnbrechenden Erfindungen zu erklären und ihre Übernahme und Umsetzung zu schildern. Leider schaffen es die beiden Autoren nicht immer, die Geduld des Lesers nicht überzustrapazieren. Das war besonders an ein oder zwei Stellen in der Mitte der Fall. Das belegt aber einmal mehr, dass diese Trilogie nicht nur aus Abenteuerromanen besteht, sondern in erster Linie eine Art alternative Ideengeschichte ist: Was wäre, wenn …
|Die zweite Ebene: Lokis Ausbruch|
Wie gesagt, ist Shef der Sohn des Gottes Rigr. Immer wenn Shef ein gewisses Quantum von „Mutterkorn“, dem giftigen Belag von Roggenkörnern, genossen hat, bekommt er Visionen, zumindest lebhafte Träume. Er sieht dann das Geschehen in der Anders- oder Götterwelt, unter anderem kommuniziert er mit seinem Vater – der ganz bestimmt nicht sein Freund ist. Andersherum ist er dann dort selbst präsent (auch wenn Svandis dies vehement abstreitet).
So bekommt er mit, dass Loki zunächst von seinen göttlichen Brüdern wegen „Verrats“ in einer unterirdischen Höhle gefesselt und dem ätzenden Gift einer Schlange ausgesetzt worden ist. Eines Tages jedoch ist Loki frei (Shef weiß nicht, dass Rigr dafür verantwortlich ist) und auf Rache aus. Loki, der listenreiche Gott des Feuers, bietet Shef seine Hilfe an, wenn er ihm dient. In der Folge gelingt Shef die Nutzbarmachung des Griechischen Feuers und des Sprengstoffs.
Doch Shef hat eine Abneigung, Loki bei seiner Rache zu helfen. Schließlich lebt der Lichtgott Balder, für dessen Tod Loki verantwortlich gemacht wurde, ja noch, wenn auch hinter den Mauern von Hel. Und so schafft Shef schließlich auch in der Anderswelt, was ihm im Diesseits gelingt: Versöhnung zwischen zwei völlig unterschiedlichen Standpunkten. Es kommt eben darauf an, beiden Seiten etwas zu geben, was sie zufrieden stellt. (Wenn es nur immer so einfach wäre!)
_Für wen eignet sich dieses Buch?_
Freunde der |Recluce|-Fantasyromane von L. E. Modesitt könnten sich an manche Szenen erinnert fühlen: In einer archaisch-frühmittelalterlichen Welt tauchen Maschinen auf und schließlich sogar Raumschiffe („Sturz der Engel“).
Allerdings schildern Harrison und Holm die Entstehung solcher Erfindungen aus einem komplexen und durchdachten Umfeld heraus: Shef hat eine Philosophie des Suchens nach „Neuem Wissen“, die Teil der Religion des „Weges“ ist. Insofern wirken diese Anachronismen nicht aufgesetzt oder von Außenstehenden eingeführt (wie abgestürzte Raumschiffe), sondern von innen her erzeugt oder zumindest aufgenommen und weiterentwickelt. (Die Araber haben keinen Buchdruck entwickelt, lediglich die Grundlage.) Hieran dürfen sich Freunde der Kultur- und Ideengeschichte erfreuen.
Kritiker der Religionen des Buches (s. o.) und ihrer dogmatischen Lehren kommen ebenfalls auf ihre Kosten. Sie werden hier reichlich Munition finden.
Dass die wichtigsten Erfindungen dem militärischen Vorteil dienen, ist natürlich für Pazifisten nicht so schön. Andererseits wären die Träger der neuen Ideen ohne diese Vorteile schlicht und ergreifend vernichtet worden: Es war bekanntlich im Mittelalter weitverbreitete Sitte, Andersdenkende, „Ketzer“ genannt, aufzuknüpfen. Auch Judenprogrome waren in Mitteleuropa an der Tagesordnung.
Glücklicherweise kommt der Humor nicht zu kurz. Der richtet sich gegen zwei Mitglieder von Shefs Expeditionstrupp. Brand ist ein hochaufgeschossener Norweger, dessen Abstammung offenbar nicht ganz menschlich ist, jedenfalls was den homo sapiens angeht. – Und Svandis, die aufbrausende Atheistin an Shefs Seite – und in seinem Bett – weiß ab und zu durch ihre unorthodoxen Ansichten zu verblüffen: Sie nimmt Thesen der Psychoanalyse vorweg. Dadurch steht sie manchmal in den Augen ihrer männlichen Expeditionskollegen recht merkwürdig da. Denen ist es lieber, Visionen und seltsame Zufälle durch den Willen der Götter zu erklären.
|Originaltitel: King and Emperor, 1996
Übertragung aus dem US-Englischen & Glossar: Frank Borsch
Webseite des Autors: http://www.harryharrison.com|
Seitdem die Verdunstung der Meeresoberfläche durch künstliche Moleküle verhindert wird, regnet es nicht mehr. Die zunehmende Dürre sorgt für das Erscheinen von Rissen in der menschlichen Zivilisation. Schließlich sieht sich auch der Arzt Dr. Charles Ransom gezwungen, mit ein paar Schützlingen die zerstörte Stadt zu verlassen und an der Küste eine Zukunft zu suchen. Doch an der von Flüchtlingen überlaufenen Küste herrscht das pure Chaos …
Dies ist der zweite Roman der Trilogie „Hammer und Kreuz“ um einen alternativen Geschichtsverlauf im Mittelalter. Shefs Abenteuer (siehe meine [Rezension 782 zu „Hammer des Nordens“) finden nun in Skandinavien ihre Fortsetzung, bis er den entscheidenden Kampf gegen die drei verbliebenen Söhne Ragnar Lodbroks aufnehmen kann: Shef wird König des Nordens.
_Handlung_
Nachdem seine Schwester Godive seinen Allianzpartner König Alfred von Wessex und Mercien geheiratet hat, ist Shef, der König von Ost- und Mittelanglien, relativ einsam. Da trifft es sich gut, dass es eine Menge für sein Land zu tun gibt. Shef lässt eine Reihe von sogenannten ‚Schlachtschiffen‘ bauen, auf denen sich jeweils ein schwerfälliges Katapult befindet. Mit diesen Schiffen segelt er nach Friesland, um dort den auf Raubzug ausfahrenden Wikingern aus Dänemark Paroli zu bieten.
Schon bald kommt es zu einem Seegefecht mit der Flotte der Ragnarssöhne, in dessen Verlauf Shef zwar ein oder zwei feindliche Schiffe versenken kann, sein eigenes Schiff aber im Wattenmeer der Elbmündung auf Grund setzt. Mit knapper Not entkommt er den Nachstellungen der gewieften feindlichen Anführer und findet Unterschlupf in einem fremden Dorf in Dithmarschen. An der Tür wird er erst einmal von einem Fausthieb niedergestreckt – sicher ist sicher, denkt sich der Hausherr. Er freundet sich mit Karli, dem Boxer, an, soll aber dann von den Dörflern in Haithabu als Sklave verkauft werden. Haithabu ist ein hervorragender Ort für Shefs Bemühen, wieder Kontakt zu seiner Sekte aufzunehmen, und so willigt er ein.
Haithabu, an der Schlei in Schleswig-Holstein gelegen, ist im Jahr 867 vor seiner Zerstörung durch die Wikinger der wichtigste Handelsplatz zwischen Süd- und Nordeuropa. Und König Horik sorgt dafür, dass hier jeder mit praktisch allem Handel treiben kann. Natürlich wartet auch hier Ärger auf Shef. Mit knapper Not entkommt er sowohl einem neuen Deutschritterorden (die Leute von Diakon Erkenbert) als auch Angehörigen der Ragnarssons und natürlich dem Dithmarscher Sklavenhändler. Dafür verscherbelt ihn König Horik an die Norweger in Kaupang, dem späteren Oslo.
In Kaupang berät die Akademie des ‚Weges Asgards‘ über die Zukunft, die Shef für die Welt bedeutet: Ist er der prophezeite Einiger und Retter der Welt, der aus dem Norden kommt? Die Priesterschaft ist gespalten, und so wird Shef auf eine geheime Probe gestellt. Wird ihm sein fast schon sprichwörtliches Glück beistehen?
|Königin Ragnhilds Rache|
Die Verhältnisse in Südnorwegen sind kompliziert, und Shef gerät ahnungslos mittenhinein. Die Frau des erfolgreichen Königs Halfdan von Ostfold ist Königin Ragnhild. Sie residiert auf einer Insel im Oslo-Fjord, die nur über mehrere Brücken und zwei vorgelagerte Inseln zu erreichen ist. Bei ihr wohnt ihre Schwiegermutter, doch die beiden hassen sich bis aufs Blut. Ragnhilds einziger Lebenssinn liegt in der Erziehung ihres Sohnes Harald Schönhaar.
Doch das Verhängnis beginnt, als sie Shef zu sich einlädt: „Die Brücke ist bewacht, doch das Eis ist dick.“ Der sexuell frustrierte Shef zieht umgehend mit Freund Karli los. Leider ist das Eis zwar dick und es bricht auch nicht, doch es säuft einfach ab! Beinahe finden die beiden ein nassen beziehungsweise eisigen Tod. Gleich darauf müssen sie mit ein paar bissigen Wolfshunden fertigwerden. Als Lohn der Mühe darf sich Shef in den Armen Königin Ragnhilds fast um den Verstand rammeln, und auch Karli wird in dieser Hinsicht gut versorgt.
Von den Sklavinnen der Königin erfährt Karli, dass Shef nach erfolgreicher Befruchtung der Königin vergiftet werden soll. Karli haut heimlich ab und holt seine Freunde zu Hilfe, die denn auch einen erfolgreichen Angriff auf die Königinneninsel starten. Als unbeabsichtigte Folge dieses Angriffs sterben der junge Harald Schönhaar sowie die Schwiegermutter Ragnhilds, und schließlich wird sogar der König von ihr vergiftet. Ragnhilds Wut kennt keine Grenzen mehr. Als Shef nach Nordnorwegen flieht, setzt sie ihm nach, um ihre Rache zu bekommen …
_Mein Eindruck_
Dies ist nur die erste Hälfte des Inhalts dieses abenteuerlichen Romans. Shefs Reisen führen ihn zu riesigen Trollen, merkwürdigen Finnen, zwischen Mörderwalen und Wölfen hindurch bis nach Schweden. Mit seinen Freunden macht er zahlreiche Entdeckungen und ebenso viele Erfindungen, da ja der Weg Asgards stets nach neuem Wissen strebt.
Erfunden werden: die drehbare Windmühle, der mechanisch betriebene Hammer, gehärteter Stahl, ein gepanzertes Schlachtschiff mit zwei Katapulten – und sogenanntes ‚Winter-Ale‘, das wohl so etwas wie Aquavit sein könnte. Insgesamt beachtliche Leistungen. Der Eindruck entstand bei mir, dass diese Romantrilogie durch solche Elemente nicht nur Fantasy ist, sondern ebenso auch Science-Fiction. Dafür spricht auch das Element des alternativen Geschichtsverlaufs.
_Unterm Strich_
Während auch in diesem Band wieder Action und Abenteuer überwiegen, so findet doch nun die Frage, woher Shef kommt und was er auf Erden soll, eine vorläufige Antwort, die für die Religionen von größter Bedeutung ist. Shef ist offenbar nicht der Sohn eines Menschen (siehe ‚Shef Sigvarthsson‘ in Band 1), sondern der des Gottes Rigr, der wiederum Odins Sohn ist. Daher findet auch das Ringen zwischen Odin und Rigr um Shefs Zukunft seine Fortsetzung, was sich etwa in der Spaltung der Sekte des Wegs Asgards äußert: Odins Priester Valgrim schließt sich der rachsüchtigen Ragnhild an, muss aber dafür einen hohen Preis bezahlen.
Beide Götter beeinflussen Shef mit ihren Visionen, und Shefs Aufgabe besteht darin, zu wählen, wessen Einfluss er gehorchen will. Er entscheidet sich schließlich für keinen von beiden, sondern geht seinen eigenen Weg, den der Lanze. Die Lanze hat er in einer Trollhöhle gefunden, und es ist diejenige, die ein deutscher Legionär Jesus am Kreuz in die Seite gestoßen hatte. (Diese Lanze wird von den Leuten des deutschen Ritterordens verzweifelt gesucht.)
Mithin vereint Shef nun die beiden nordischen Götter mit dem christlichen Gott in sich, wenn es um Entscheidungen geht. Für mich ist es vor allem dieses Element, das es so spannend und interessant macht, seinen Weg zu verfolgen, so etwa dann, als er Anhänger des ‚Wegs‘ aus Schweden vor dem Opfertod retten muss.
|Humor|
Dieser zweite Band erschien mir noch humorvoller als der erste, soweit dies überhaupt möglich ist. Doch da es sich unter anderem auch um eine Reiseerzählung à la Karl May handelt, sorgen die Begegnungen mit fremden Sitten und Bräuchen für komische Elemente. Zu Shefs denkwürdigsten Erlebnissen gehört sicherlich der Besuch bei einem finnischen Schamanen, bei dem er den Urin seiner Trinkbrüder zu trinken hat. Da dieser Urin mit einem Fliegenpilzextrakt durchsetzt ist, kommen Shef recht wunderliche Visionen in den Sinn. Viel spricht trotzdem nicht dafür, dass sich diese Trinksitte ausbreiten wird …
Ach so – und Königin Ragnhild? Tja, um deren Schicksal zu erfahren, müsst ihr das Buch schon selbst lesen. Ich bin ja nicht der Spoiler vom Dienst.
|Originaltitel: One King’s Way, 1995
Übertragung aus dem Englischen & Glossar: Frank Borsch|
Clodaghs Zwillingsschwester Deirdre heiratet, und das Haus ist voller Gäste. Da außerdem Clodaghs Mutter Aisling hochschwanger ist, bleiben die Hochzeitsvorbereitungen an Clodagh hängen. Das wäre an sich kein Problem, zumal ihr Cousin Johnny unter den Gästen ist, und damit auch sein Leibwächter Aidan, zu dem Clodagh sich schon länger hingezogen fühlt. Nur ist unter Johnnys Leibwächtern dieses Mal auch Aidans Ziehbruder Cathal, dessen arrogante, gelangweilte und unhöfliche Art Clodagh ziemlich ärgert. Dann wird kurz nach der Geburt ihr kleiner Bruder Finbar entführt, und das, während Clodagh bei ihm war, um auf ihn aufzupassen! Clodagh fühlt sich schuldig und macht sich auf den Weg, um das Baby zu suchen …