Classic SF: Ausgezeichnete SF-Auswahl vom Ende der 70er Jahre
Dieser Auswahlband aus dem Jahr 1980 enthält Erzählungen von Jaygee Carr, Milton Rothman, Barry Longyear, Tanith Lee und Herbert Somplatzki, der als erster deutscher Autor einen lokalen Beitrag beisteuern durfte. Darum stellt dieser siebte Auswahlband einen Wendepunkt in der IASFM-Reihe dar. Neben der Story gab es fortan eine Abstimmung, in der die Leser den jeweils besten Beitrag wählen konnten, sowie eine SF-Börse, in der sie Bücher anbieten bzw. suchen konnten.
Die Herausgeber
Isaac Asimov, geboren 1920 in Russland, wuchs in New York City auf, studierte Biochemie und machte seinen Doktor. Deshalb nennen seine Fans ihn neckisch den „guten Doktor“. Viel bekannter wurde er jedoch im Bereich der Literatur. Schon früh schloss er sich dem Zirkel der „Futurians“ an, zu denen auch der SF-Autor Frederik Pohl gehörte. Seine erste Story will Asimov, der sehr viel über sich veröffentlicht hat, jedoch an den bekanntesten SF-Herausgeber verkauft haben: an John W. Campbell.
Dessen SF-Magazin „Astounding Stories“, später „Analog“, setzte Maßstäbe in der Qualität und den Honoraren für gute SF-Stories. Unter seiner Ägide schrieb Asimov nicht nur seine bekannten Robotergeschichten, sondern auch seine bekannteste SF-Trilogie: „Foundation“. Neben SF schrieb Asimov, der an die 300 Bücher veröffentlichte, auch jede Menge Sachbücher, wurde Herausgeber eines SF-Magazins und von zahllosen SF-Anthologien.
Birgit Reß-Bohusch ist seit vielen Jahren für den Heyne-Verlag als Übersetzerin und Herausgeberin tätig.
Die Erzählungen
1) Jaygee Carr: Die Freistatt (Sanctuary)
Crispin DeLong ist ein Gauner, aber als seine Gespielin nach dem Konsum von Porno-Senso sterbend in seinem Bett liegt und, als er zurückkehrt, stirbt, ist ihm klar, dass er damit nichts zu tun haben sollte. Er schafft es gerade noch zu einer schnellen Yacht, die ihn an den Rand des Sonnensystems bringt. Doch schon im nächsten System, in das er springt, wird er von zwei Polizeischiffen erwartet. Ein Katz-und-Maus-Spiel entbrennt, in dem er die Maus ist. Ein letzter verzweifelter Mikrosprung lässt ihn auf einem idyllischen Planeten landen.
Mit sanftester Landung bugsiert er seine Yacht in einen fünffachen Steinkreis, der als heilige Freistatt anerkannt und respektiert wird. Doch der Kreis hat einen Wächter, der ihn, Crispin DeLong, NICHT respektiert, ist es zu fassen. Ein Strahl Energie aus dem Blaster macht dem ein Ende. Seltsam sind jedoch die Blumen, die im innersten Kreis aus dem Boden wachsen und ein Blätterdach bilden. Sie sind aus Wolfram und anderen edlen Elementen. Und sie sprechen zu seinem Geist…
Als die Cops die Einheimischen fragen, ob es in Ordnung geht, wenn sie Crispin mitnehmen, weist der Typ, den sie als „Mönch“ ansehen, zu ihnen, dass sie doch bitte einen Moment warten sollen, dann würden sie verstehen, was mit dem Verbrecher los sei. Es stellt sich heraus, dass Crispins Geist ganz von der Aufgabe erfüllt ist, der Hüter dieses Haines zu sein.
Seine Freistatt hat sich in etwas anderes verwandelt. Die Cops verschwinden wieder, um Meldung zu machen. Dass es mit Crispin DeLong mal so ein trauriges Ende nehmen würde, zumindest bis der nächste Anwärter auf die Hüterschaft über den Hain erscheint: entweder ein verzweifelter Verbrecher oder ein Mensch mit der Bereitschaft zur Selbstopferung.
Mein Eindruck
Die lebhaft erzählte, aber dennoch philosophisch angehauchte Geschichte zeigt die zwei Seiten auf, die eine Zuflucht aufweisen kann: Sie bewahrt vor Verfolgung, stellt aber ihre eigenen Bedingungen an den Flüchtling: Er muss ihr Hüter werden. Damit wird er wiederum zu ihrem Gefangenen, zumindest in Geist und Seele.
2) Milton Rothman: Das erste Verbrechen
Die Erde wird von mehreren Kolonien umkreist, die an den Lagrange-Punkten der Schwerkraft schweben. Auf der Lagrange-Kolonie, die zehn km lang ist und zwei km im Durchmesser misst, arbeitet Joshua Pike als Direktor. Er freut sich mit seiner Familie auf Weihnachten, das kurz bevorsteht. Sein Sohn Noah beschwert sich auf der Party, dass er kein Klavier als Geschenk bekommen, Joshua entgegnet, der Transport von der Erde herauf wäre viel zu teuer. Da entgegnet ein Mann, der sich Ernie nennt, das müsse ja nicht so bleiben, und verschwindet.
Leo Renninger, der IT-Leiter, informiert Pike an den folgenden Tagen, dass verschiedene Elektronikbauteile abhandengekommen seien. Als er nach diesen Teilen gesucht und die Datenbank durchforstet habe, stellte, er, Renninger, fest, dass sich jemand mit einer falschen Identität Zugang zum Zentralcomputer verschafft habe. Das ist ein viel ernsteres Problem, findet Pike. Denn mit der Liste der gestohlenen Teile kann er nichts anfangen: Elektronik, Akustik, Mechanik – wozu soll das gut sein?
Weil Pike sich weigert, die Kolonie durchsuchen zu lassen, weil er die Bürgerrechte achtet, frischt Renninger seinen Kontakt zum terranischen Geheimdienst wieder auf. Am nächsten Tag erhält Pike eine Drohung vom Leiter des Geheimdienstes: Wenn Pike das Problem nicht in den Griff bekommen, werde der Geheimdienst kommen und seinen Saftladen übernehmen. Und das würde das Ende sämtlicher Bürgerrechte bedeuten, ist Pike klar.
Doch auch eine gründliche Zimmer-für-Zimmer-Durchsuchung erbringt weder Diebesgut noch Indizien. Erst als Pike die Kommunikationsvorgänge der Kolonie durchsuchen lässt, stößt er auf eine ungewöhnlich häufige Verbindung mit einer mysteriösen Allen Corporation. Sie stellt Musikinstrumente und deren Elektronik her. Und nun weiß er auch, bei wem er ganz genau suchen lassen muss…
Mein Eindruck
Des Rätsels Lösung löst bei Pike, einer Art männlicher Teddybär, Lachen aus. Sie soll hier nicht verraten werden, aber der Autor richtet unser Augenmerk auf den spannenden Gegensatz zwischen Sicherheit des Gemeinwesens (Kolonie) und den Rechten der einzelnen Bürger. Diese Spannung besteht ja auch heute noch und zu allen Zeiten, in denen Bürger noch Rechte haben. Es gibt ja immer mehr Länder, in denen es keinerlei Bürgerrechte mehr gibt, und wehe dem, der solche einzuklagen versucht!
Die Drohung des Geheimdienstes verschärft die Spannung zwischen Sicherheit und Bürgerrecht noch beträchtlich. Konnte Pike bislang auf freiwillige Mitwirkung seiner Bürger zählen, so geht dies bei einer Repressalie wie einer gründlichen und erzwungenen Durchsuchung der Räumlichkeiten nicht mehr: Das winzige bisschen Privatsphäre, das einem Bürger und seiner Familie gewährt wird, wird ihm dadurch auch noch entzogen. Die Folge könnten Gegenmaßnahmen seitens der Bürger sein, etwa Sabotage. Auf einer zerbrechlichen Welt aus Glas, Stahl und Kunststoff könnte das verheerende Folgen zeitigen (so etwa in der Romantrilogie „Paratwa“ von Christopher Hinz, siehe meine Besprechungen).
Durch einen kleinen, aber spannenden Vorgang, der sich als harmlos herausstellt, zeigt der Autor also eine ernste Problematik auf, die in jeder Demokratie von Bedeutung ist.
3) Barry B Longyear: Du, mein Feind (Enemy Mine, verfilmt)
Die Drak führen Krieg gegen die Menschen, um in den Besitz des Planeten Fyrine-4 zu gelangen. Während eines Kampfes im Weltraum über dieser Welt stürzen zwei Piloten ab, ein Drak und ein Terraner: Jerriba (sein Sippenname) Shigan (sein Eigenname) und Willis E. Davidge. Davidge muss aus dem Meer an Land kriechen, bis er die große Rettungskapsel des Drak erreicht. Doch sich sofort totzuschlagen, müssen sie sich vor den riesigen Brechern des Ozeans in Sicherheit bringen, die sie zu ersäufen drohen. Selbst eine ummauerte Höhlung in den Klippen kann die Brecher nicht stoppen, und nur der Aufenthalt in der Rettungskapsel bewahrt sie vor dem Ertrinken.
Davidge, dem inzwischen die Verständigung mit „Jerry“ gelungen ist, verliert in der Kapsel durch die Stöße das Bewusstsein und wacht erst fast zwei lokale Wochen, also fast einen Erdmonat später wieder auf. Sie befinden sich jetzt auf einer größeren Insel und in relativer Sicherheit. Hier hat Jerry sogar eine Hütte aus Holz erbaut und ein Feuer fürs Kochen entfacht. Davidge erinnert sich, dass Jerry, der zweigeschlechtliche Hermaphrodit, ein Kind austrägt, sein zweites. Die Schwangerschaft muss schon ziemlich fortgeschritten sein.
Jerry stirbt bei der Geburt, doch das Kleine überlebt.: Jeriba Zammis Zu Davidges Verwunderung entwickelt es sich ganz anders und viel schneller als ein Menschenkind. Doch eines Tages geschieht das Unvermeidliche: Es entdeckt, dass es selbst drei Finger aufweist, sein „Onkel“ Davidge hingegen fünf. Der Mann erklärt ihm den Unterschied zwischen Menschen und Draks und alles, was sich daraus ergibt. Zammis erklärt nach Monaten des hart erkämpften Zusammen- und Überlebens, dass er Davidge nicht vergessen werde. Davidge hat ihm alles überliefert, was ihm Jerry gelehrt hatte, besonders die Namenslisten der Drak-Sippen und die Philosophie.
Als sie nach zwei oder drei Jahren ein Raumflugzeug über den Himmel von Fyrine-4 zischen sehen, bricht Zammis auf, um Kontakt aufzunehmen. Menschen kommen, um Davidge abzuholen und zu ihrer Station zu bringen, doch dort ist Zammis nicht. Der Krieg sei zwar vorbei, erfährt Davidge, doch es scheint mehr eine Art Waffenstillstand zu sein, überwacht von einer gemeinsamen Kommission.
Nach einem doofen Job, bei dem er menschliche Western in Draksprache übersetzt hat, beschließt Davidge, einen angesparten Sold zu investieren und nach Drak zu reisen, um Zammis wiederzusehen. Immerhin hat er alles beigebracht, was er seinerzeit wusste. Geht es dem Jungen gut? Davidge muss es herausfinden.
Die Begegnung mit dem mächtigen Jeriba-Clan auf Draco ist schon die erste Herausforderung in Sachen Rassismus. Erst das Herunterleiern aller Generationen der Jeriba bis ins 195. Glied verschafft ihm genügend Glaubwürdigkeit, dass er bleiben und Zammis sehen darf. Doch dann wartet der härteste Schock auf ihn: Zammis wurde in einer Irrenanstalt untergebracht. Kein Wunder, denn wer die feindlichen Erdlinge für seine Freunde hält, muss tatsächlich geisteskrank sein…
Mein Eindruck
Die preisgekrönte Novelle, die zur Vorlage für einen Hollywoodfilm mit Dennis Quaid (als Davidge) und Louis Gossett jr. Wurde, unterhält zunächst mit ihren raschen Szenenfolgen und einem schnoddrigen Zynismus, den sich Davidge, der Chronist zueigen gemacht hat. Erst nach dem Tod Jeribas und dem Aufwachsen seines – ebenso hermaphroditischen – „Sohnes“ Zammis schwenkt Davidges Erzählton in Richtung Emotionalität und Sympathie. Erst ganz am Schluss erlaubt der Autor seinem Erzähler ein ganz klein wenig Pathos, und am Rande erfahren wir, dass Draks und Menschen auf Fyrine-4 eine gemeinsame Forschungsstation errichtet haben. Ist dies der Anfang des Friedens, den sich Zammis erhofft hat?
Wie auch immer: Das Generalthema ist Rassismus und wie es gelingen kann, ihn zu überwinden. Nach und nach legt Davidge, der Chronist, seine eigenen Vorurteile an den Tag, ebenso die von Jeriba. Dessen Schimpfwort „Irrkmaan“ für Menschen wird allerdings an keiner Stelle erklärt. Die Bedeutung muss sich der Leser selbst aus dem Kontext erschließen.
Aber es gibt auch viel Humor. In den Monaten vor seinem Tod durch Geburt lehrt Jerry seinen Freund die Philosophie der Draks. Sie ist der irdischen, die überliefert ist, absolut ebenbürtig. Ihre wichtigsten Lehrsätze sind in einem kleinen Buch niedergelegt, das in einen Würfel gesteckt werden und um den Hals getragen werden kann. Und wie soll sich Davidge für dieses Geschenk revanchieren? Indem er Jerry die Philosophie von Mickymaus nahebringt. Davidge verspricht, sein Bestes zu versuchen.
4) Tanith Lee: Die Frau, die aus der Kälte kam (The Thaw, 1979)
Man schreibt das Jahr 2193. Vor 200 Jahren haben viele kranke Menschen die Möglichkeit der Kryotechnik genutzt, in der Hoffnung, dass in ihrer Zukunft eine Heilung möglich wäre. Jetzt soll mit Carla Brice die erste dieser Patientinnen aufgetaut werden, zufällig lebt ihre vielfache Enkelin Tacey noch und wird zu diesem großen Ereignis in die Kryo-Zentrale gebeten. Es ist ein PR-Coup der Mediziner, und damit sie dabei mitmacht, verspricht man ihr einen hübschen Batzen Geld. Den kann sie als arbeitslose Pulp-Fiction-Coverdesignerin gut gebrauchen.
Die Wiedererweckung gelingt, Carla bekommt ihre erste belebende Spritze. Ihr Haar ist rot wie das einer Löwin, erscheint es Tacey. Eine Feier mit viel Alkohol findet statt, und als sie ihrer Ur-Oma endlich das Händchen reichen soll, ist Tacey stockbesoffen. Ihre ersten Worte zeugen ebenfalls nicht gerade von höherer Intelligenz. Alle Mediziner liegen der rotmähnigen Göttin Carla zu Füßen, wie soll man sich da vernünftig benehmen? Tacey kommt sich vor dieser Löwin vor wie ein kleines Kätzchen.
Und dann auch noch das: Die Mediziner erwarten von ihr, dass sie die Göttin in ihrem bescheidenen Privatappartement aufnimmt, also mindestens einen Monat lang. Carla schläft erst einmal aus, allerdings in Taceys Schlafzimmer. Sie muss mit dem Sofa vorliebnehmen. Aber der Chefarzt hat sie auch davor gewarnt, dass Carla ein paar Macken aufweisen könne. Und tatsächlich: Als Tacey an einem der folgenden Tage aufweist, vermisst sie ihre einzige Pflanze. Carla hat sie einfach aufgegessen.
Carla ist reich, denn sie hat ja vor 200 Jahren, bevor sie ihre Herzkrankheit bekam, rechtzeitig für Investitionen vorgesorgt. Ihr Reichtum hindert sie indes nicht daran, von Tacey zu erwarten, dass diese für alle Unkosten aufkommt. Kurz gesagt: Tacey selbst merkt, dass sie auf den Status einer Sklavin absinkt. Hat Carla sie hypnotisiert? Sie erlebt einen einschneidenden Vorfall, als nach drei Wochen der Chefarzt vorbeischaut, von Carla verführt wird und Tacey am nächsten Morgen seine zerfleischte Leiche entsorgen soll.
Sie kapiert immer noch nicht, was in Wahrheit vorgeht. Geduldig erklärt es ihr Carla. Sie ist natürlich nicht Carla, schon seit ihrem Auftauen nicht. Und nun warten 4090 Monster wie sie auf ihr Auftauchen und Erwachen…
Mein Eindruck
Der ultimative Horror erwartet den Leser ganz am Schluss der feinen, aber clever verrätselten Geschichte. Ohne die Pointe verraten zu wollen, sei doch nochmal darauf hingewiesen, was der Chefarzt zu Tacey gesagt hat: Dass zwischen Einschlafen und Erwachen, zwischen Einfrieren und Auftauen alles Mögliche passieren könne. Und dies bietet beispielsweise die Gelegenheit für eine feindliche Übernahme auf der mentalen Ebene. Diese macht aus der Schauergeschichte eine SF-Geschichte.
Ansonsten schildert die Geschichte einen krassen Fall von Generationenkonflikt. Dass Tacey so „dumm“ ist, wie sie selbst sagt, ist keineswegs ihre eigene Schuld: Carla 2.0 verfügt offenbar über Techniken wie Hypnose und die STIMME à la Bene Gesserit, der sich Tacey unmöglich entziehen kann. Auch heftiger Konsum von Alkohol hilft ihr nicht, denn sie gibt den Fusel alsbald wieder von sich. Umso hilfloser muss sie sich ihrer x-fachen Uroma unterordnen. Wenigstens fängt sie nicht mit dem Essen von Zierpflanzen an.
5) Herbert Somplatzki: Ein Kuss aus Sternenstaub im Salz des Meeres
Der hochgewachsene Torsten Swenson bemannt mit dem dicken Tamarow die Messstation des besten neuen Radioteleskops der Welt, das auf einer Insel im Pazifik errichtet wurden. Torsten liebt das morgendliche Bad im Ozean. An diesem Morgen vernimmt er eine Stimme und hält sich für verrückt.
Tamarow hingegen ist immer noch ganz der Alte. Kaum ist Torsten allein, hört er jedoch schon wieder jene Stimme, allerdings nur in seinem Kopf. Er reißt sich am Riemen, stellt das Tonbandgerät an und nimmt die Stimme auf. Als er das Band abspielt, ist nur seine eigene Stimme zu vernehmen. Auf sein Bitten hin stellt sich die Inhaberin der Stimme vor: Inga. Klingt nach einer Frau. Leider befinde sie sich Milliarden Kilometer von ihm entfernt. Er wünscht, sie wäre hier, um ihm Gesellschaft zu leisten.
Da sie sich ineinander verlieben, entspricht sie seinem Wunsch, sie auch in einer körperlichen Erscheinung sehen und würdigen zu können. Auch das lässt sich bewerkstelligen, denn Torsten Vorstellungen vom Körper der idealen Frau liegen wie ein offenes Buch in seinem Geist bereit. Allerdings kommt es bei der Anpassung der Größenverhältnisse eben dieser Körper aneinander zu einem schweren Fehler, der Inga in Tränen ausbrechen lässt…
Mein Eindruck
Dies scheint die technisch-wissenschaftliche Version von H.C. Andersens Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ zu sein. Hier wie dort geht die Geschichte traurig aus: Inga ist eine Riesin. Auch diese Pointe hat eine Vorlage: Brian W. Aldiss veröffentlichte schon in den 1950er Jahren einen entsprechenden Berechnungsfehler. Der kitschige Anfang von Somplatzkis Story hat mich ebenfalls nicht begeistert: zu viel überbordende Ästhetik. Und überhaupt: Auf welcher Insel soll denn dieses gewaltige Radioteleskop stehen? Und was hat es auf einer dunstigen Insel zu suchen, wo doch die besten Plätze auf Berggipfeln zu finden sind. Hier herrscht meist Funkstille und die sauberste Luft der Welt.
Die Übersetzung
Es gibt kaum Druckfehler in diesem Buch, was auf die hohe Qualität des Korrektorats hinweist. Dieses existierte noch vor der Einführung der elektronischen Textverarbeitungen, die heute verbreitet sind.
S. 75: „Wir zim[m]erten ein Tor aus Holzpfählen…“: Das zweite M fehlt.
Unterm Strich
Aus der kleinen Anzahl mittelmäßiger Geschichten ragen die Beiträge von Barry B. Longyear und Tanith Lee heraus. Lees Geschichte wandelt sich von einer reinen Schauer- zu einer SF-Geschichte, während Longyears verfilmte Novelle den Wandel von einer Kriegsgeschichte zu einem Robinson-Crusoe-Garn beschreibt. Denn die beiden abgestürzten Piloten müssen ja wie Defoes Crusoe auf einem feindseligen Planeten überleben und sich dafür einiges einfallen lassen.
Statt eines „Freitags“ hat unser Crusoe jedoch einen ebenbürtigen Freund gefunden, ohne es zu ahnen. Daraus ergeben sich weitreichende Pflichten. Die Erfüllung der Pflichten verändert das Verhältnis der beiden feindseligen Seiten grundlegend. Der Idealismus, der sich darin verrät, wird vom Realismus der geschilderten Szenen aufgewogen, so dass die Botschaft vom Leser akzeptiert werden kann.
Der deutsche Beitrag enthält wie die beiden ersten eine ironische Wendung. In diesem Märchen, das auch von H.C. Andersen à la „Die kleine Meerjungfrau“ stammen könnte scheint es ein Happy-end geben zu können, doch dann geschieht ein fataler Irrtum, der eben dieses Happy-end unmöglich macht. Im Vergleich dazu ist Lees Geschichte wesentlich finsterer: Vorsicht vor Wandlungen, wenn sie zu gut erscheinen, um wahr zu sein.
Taschenbuch: 174 Seiten.
O-Titel: Isaac Asimov’s Science Fition Magazine, 1979/79.
Aus dem Englischen von Birgit Ress-Bohusch und Keto von Waberer.
ISBN-13: 9783453306646
Der Autor vergibt: