Wolff, Gabriele – Ein dunkles Gefühl

Krimis gibt es viele, und nur wenige schaffen es, sich wirklich aus dieser Masse hervorzutun. Autoren, die immer wieder gerne einen Aufmerksamkeitsbonus bekommen, sind solche, die in irgendeiner Weise direkt mit diesem Genre in Kontakt stehen. Die Oberstaatsanwältin Gabriele Wolff ist so eine. Allerdings siedelt sie ihren Krimi „Ein dunkles Gefühl“ nicht etwa in der Justiz an, sondern bei der Kriminalpolizei.

Ihre Hauptperson heißt Friederike Weber, eine unverheiratete und kinderlose Frau, die stets gute Laune und einen eigenen Sinn für Humor hat. Der vergeht ihr allerdings, als sie zwangsversetzt wird: Obwohl fest im Kommissariat für Todesfälle etabliert, soll sie aufgrund einer Laune der Verwaltung plötzlich bei den Sexualdelikten aushelfen. Und das ausgerechnet, nachdem sie einen mysteriösen Todesfall hereinbekommen hat. Ein zwanzigjähriger Student scheint sich umgebracht zu haben, aber wieso bringt sich ein junger Mann, dem es nicht schlecht zu gehen schien, um? Da muss doch mehr dahinterstecken. Obwohl es eigentlich nicht mehr ihre Aufgabe ist, ermittelt Friederike neben ihrer neuen Arbeit weiter. Und siehe da! Der Fall eines jungen Mädchens, das seinen Stiefvater des sexuellen Missbrauchs bezichtigt und dabei augenscheinlich, aber nicht nachweislich lügt, scheint Verbindungen zum Mordfall aufzuweisen. Doch bevor Friederike dies bemerkt, ist es schon fast zu spät. Die Lage in der Familie der Vierzehnjährigen spitzt sich zu…

„Ein dunkles Gefühl“ lebt vor allem durch seine Hauptperson. Friederike Weber bestreitet die Erzählperspektive alleine, und dementsprechend konzentriert sich die Erzählung nebenbei auch auf ihr Privatleben. Dieses unterscheidet sich schon dadurch von dem anderer Kriminalkommissare, dass sie sich weder in Alkohol ertränkt noch schwer depressiv ist. Friederike widerlegt sämtliche Genreklischees, was das Buch zu einer heiteren Angelegenheit werden lässt. Die forsche und ironische Art der Protagonistin lässt die 255 Seiten im Flug vergehen, vor allem, wenn sie in Kombination mit anderen Figuren auftritt. Diese sind ebenfalls sehr menschlich und vor allem sehr sorgfältig dargestellt. Trotz der Konzentration auf Friederike lässt Wolff es sich nicht nehmen, auch die Nebencharaktere ausführlich und vor allem originell darzustellen. Das trägt sehr viel zu der guten Atmosphäre des Buches bei.

Die Handlung ist sicherlich authentisch dargestellt. Wolff lässt die Bürokratie und die Komplikationen, die eine gute Ermittlung manchmal behindern, nicht außen vor und bietet dadurch einen realistischen Einblick in das Leben auf dem Polizeirevier. Doch obwohl sie aufgrund ihres Jobs sicherlich ausreichend Erfahrung mit echten Fällen hat, wirkt der Plot von „Ein dunkles Gefühl“ manchmal ein wenig konstruiert. Gerade die Zusammenführung der beiden Fälle geht nicht ohne Fragezeichen vonstatten. Die Begründung, welche sie für die Lösung des Missbrauchsfalles liefert, ist sicherlich möglich, wird aber nicht besonders stichhaltig dargestellt. Hier wäre es vielleicht notwendig gewesen, die Erklärungen etwas breiter, vielleicht sogar psychologisch begründeter zu gestalten. Der Laie wird vielleicht nicht verstehen, welche Mechanismen tatsächlich hinter dem Verhalten des Mädchens stecken, der Experte wird die Aufbereitung vielleicht als oberflächlich empfinden. Trotzdem muss man Wolff zugute halten, dass sie gute Absichten hegt. Ihre Handlung hält sich außerhalb üblicher Täter-Opfer-Schemen auf und beweist damit viel Mut.

Der Erzählstil der Autorin ist offen, manchmal sogar plauderhaft. Er passt mit seiner lockeren Art und dem beweglichen, aber nie abgehobenen Wortschatz zur Protagonistin, die immer wieder für saftige Dialoge sorgt. Wolff versteht es dabei vor allem, das vertraute Verhältnis zwischen zwei Personen auch in deren Gesprächen wiederzugeben. Dies sorgt dafür, dass das Buch wie aus einem Guss und direkt aus dem Leben gegriffen wirkt.

Gabriele Wolff hat für ihren Krimi „Das dritte Zimmer“ 2004 den Glauser-Preis erhalten. Mit „Ein dunkles Gefühl“ wird ihr dies vermutlich nicht gelingen, da sich einige Teile der Handlung als Stolperfalle für das Buch erweisen. Dennoch lässt sich über diesen Fehler leicht hinwegschauen, denn Bücher, die so homogen und atmosphärisch wirken, sind selten. Die Protagonistin, die Natürlichkeit, der Erzählstil – wenn’s mit diesem Buch nicht mit einem Preis klappt, dann sicherlich mit einem der nächsten.

http://www.gabrielewolff.de
http://www.diana-verlag.de

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