Silva, Daniel – Engländer, Der

Daniel Silva, ehemaliger |CNN|-Journalist, erfreut die Leserwelt schon seit einiger Weile mit seinen Thrillern. In „Der Engländer“ steht erneut Gabriel Allon, Mitglied des israelischen Geheimdienstes und nebenberuflicher Restaurator, im Vordergrund.

Gabriel, der nach dem Bombenattentat auf Ehefrau und Kind zurückgezogen in Cornwall lebt, wird zur Restauration eines Bildes in die Villa eines Schweizer Bankiers und Kunstsammlers bestellt. Es ist klar, dass sein Auftrag mehr beinhaltet als das Bild. Auguste Rolfe hatte sich an den israelischen Geheimdienst gewandt, um diesem etwas anzuvertrauen.

Doch als Gabriel die Villa erreicht, liegt der Hausherr erschossen in seinem Salon. Die Schweizer Polizei versucht Gabriel den Mord anzuhängen, doch die Ermittlungen werden eingestellt. Gabriel entdeckt, dass einige sehr wertvolle Gemälde aus Rolfes Kunstsammlung gestohlen wurden – und dass einige dieser Bilder eine schmutzige Nazivergangenheit zeigen. Irgendjemand scheint verhindern zu wollen, dass diese Vergangenheit ans Tageslicht gerät, und schreckt auch nicht davor zurück, über Leichen zu gehen.

Anna Rolfe, die Tochter des Toten und eine weltberühmte Geigerin, gerät in tödliche Gefahr, als Gabriel sie nach den Geschäften ihres Vaters befragt. Gabriel tut alles, um sie zu beschützen, aber der Feind scheint überall zu lauern und hat es nicht nur auf Anna abgesehen …

Silva hat mit „Der Engländer“ einen überwältigenden Thriller geschrieben. Alles wird von der vielschichtigen, genial verwobenen Konstruktion des Buches getragen, die von hinten bis vorne durchdacht zu sein scheint. Dabei liefern die politischen und geheimdienstlichen Verstrickungen von vornherein einen guten Nährboden für einen spannenden Plot.

Silva nutzt dies aus, um mit einigen handwerklichen Tricks noch mehr Spannung ins Spiel zu bringen. Abrupt endende Kapitel oder handlungsrelevante, herausgeschnittene Stücke entwickeln eine unausweichliche Sogwirkung. Die Personen, die distanziert und rätselhaft dargestellt werden, scheinen alle in etwas verwickelt zu sein, so dass Silva viele verschiedene, wenn auch kurze Erzählstränge zur Verfügung stehen, die er einflechten kann.

Die Personen stellen einen weiteren, nicht zu verachtenden Spannungsfaktor dar. Zum einen sind sie, wie schon erwähnt, so dargestellt, dass sie in sich bereits einen „kleinen Thriller“ ergeben, soll heißen, dass ihre Vergangenheit und ihre Geheimnisse nur tröpfchenweise in die Geschichte einsickern. Man möchte folglich unbedingt wissen, was denn nun wirklich hinter Gabriel oder dem mysteriösen Auftragskiller steckt, den alle nur „Engländer“ nennen. Der Leser spürt ganz genau, dass beinahe alle Charaktere Dreck am Stecken haben, aber Silva hält sich damit zurück, zu viele Informationen freizugeben.

Dadurch entsteht natürlich ein sehr distanzierter Eindruck von den Personen, was in diesem Fall aber nicht negativ ins Gewicht fällt. Zum einen passt die Verschlossenheit sehr gut zu Handlung und Erzählstil und zum anderen gibt sie Silva die Möglichkeit für interessante Brüche innerhalb der Geschichte. Diese entstehen, wenn er den sonst so gefühlskalt wirkenden Protagonisten plötzlich echte Emotionen unterjubelt. Meist sind das kurze Momente der Schwäche, die man so nicht erwartet. Diese kleinen Überraschungen sorgen dafür, dass das Buch an Tiefe gewinnt und dadurch noch vielschichtiger wird, als es ohnehin schon ist.

Der Schreibstil verbindet den sorgsam konstruierten Plot und die gelungenen Charaktere mit einer nüchternen, klaren Sprache. Der Autor benutzt weder blumige Rhetorik noch trödelt er mit nutzlosen Informationen herum. Er kommt auf den Punkt, auch wenn die eine oder andere Beschreibung im Buch etwas zu genau geworden ist. Bei Landschaften oder Ortsbeschreibungen sind seine detaillierten Erklärungen definitiv ein Pluspunkt, aber dass er bei jeder Autofahrt erwähnen muss, in welchen Gang der Fahrende gerade schaltet, ist unnötig.

Das ist dann aber auch der einzige Kritikpunkt, den „Der Engländer“ zulässt. Ab und an sind die Beschreibungen des ansonsten passend kühlen Schreibstils etwas zu minutiös. Ansonsten versteht sich Daniel Silva darauf, in „Der Engländer“ einen ausgesprochen vielschichtigen und spannenden Plot zu konstruieren und entsprechend darzustellen, der dem Leser den Atem raubt.

http://www.piper-verlag.de

|Siehe ergänzend dazu Dr. Maike Keuntjes [Rezension 1930 zu „Die Loge“.|

Schreibe einen Kommentar