Man schreibt das Ende des 21. Jahrhunderts. Der Mars ist schon weit fortgeschritten in seiner Terraformung. Es gibt Oberflächengewässer und eine dünne Atmosphäre. Ökospektoren suchen immer weitere Quellen für Methan, Wasser und dergleichen. Schon gibt es die ersten für den Mars genetisch angepassten Menschen, die Froyks. Als Tel-Mel Murray und ihr Vater auf eine Methanquelle stoßen, sind sie schlagartig reich. Doch als sie ohne ihn vom Äquator nach Wells City zurückkehrt, ereignet sich eine Katastrophe, die ihr Leben ebenso umkrempeln wird: Eine gewaltige Sonneneruption legt sämtliche Technik lahm. Das Leben auf dem Mars ist akut bedroht – auch von der Erde … John Barnes – Der Himmel, so weit und schwarz. SF-Roman weiterlesen →
Joe Kurtz ist ein entlassener Sträfling und ehemaliger Privatdetektiv, der versucht, ein halbwegs ehrliches Leben zu führen. Das ist aber in einer Stadt wie Buffalo im Bundesstaat New York gar nicht so einfach. Denn nur die Mafia kann Joe einen lukrativen Job geben. Und die hat bekanntlich eine Menge Feinde.
„Hardcase“ ist der erste Roman der Kurtz-Trilogie:
Hardcase;
Hard Freeze;
Hard as Nails.
„Enders Schatten“ ist die parallel geführte Geschichte zu „Ender: Das große Spiel“, das demnächst von Wolfgang Petersen verfilmt wird (siehe Imdb.com). Der vierjährige Junge Bean ist mit außergewöhnlicher Intelligenz ausgestattet und kann dadurch auf den gefährlichen Straßen überleben. Eine Ordenschwester macht das Militär auf ihn aufmerksam, und er darf an der Kampfschule an Bord einer Raumstation das Privileg genießen, zum Soldaten ausgebildet zu werden. Allerdings nicht gegen Menschen, sondern gegen im Weltraum lebende Aliens, die Schaben.
Jessica möchte einen günstigen Gebrauchtwagen kaufen. Als sie mit dem Besitzer alleine in dessen Wohnung ist, fällt er über sie her und vergewaltigt sie. Jessica will nur noch eines: Rache. Deshalb entführt sie den Mistkerl in die einsame Wildnis. Sie will ihn erschießen, er soll sterben.
Aber die beiden befinden sich an einem bösen Ort. Die inzüchtigen Einwohner des Städtchens Hopkins Bend hüten seit Generationen ein grauenvolles Geheimnis – und Jessica kommt ihnen für ihre perversen Spiele gerade recht. (Verlagsinfo)
Der Autor
Bryan Smith lebt in Murfreesboro, Tennesee/USA. Er schreibt mit einer explosiven Kraft. In Rekordzeit hat er sich an die Seite von Richard Laymon, Edward Lee und Jack Ketchum gekämpft, in die Riege der Kultautoren brutaler Thriller. Mehr Info: http://thehorrorofbryansmith.blogspot.de/(Verlagsinfo)
Der Band 17 der „Bibliothek des Schreckens“ enthält eine Reihe der bekanntesten und besten Erzählungen des Horrormeisters aus Providence, darunter „Die Ratten im Gemäuer“ und „Das Ding auf der Schwelle“. Was mir noch wichtiger erscheint: Es gibt S.T. Joshis und David E. Schultz’ erhellenden Aufsatz über die Horrornovelle „Der Schatten über Innsmouth“ endlich auch in deutscher Übersetzung nachzulesen. Er war zuvor auf dem Hörbuch von |LPL records| bzw. |Lübbe Audio| verfügbar.
Die Wege von Harry Keogh, dem Nekroskopen, und Boris Dragosani, dem Nekromanten, kreuzen sich in diesem zweiten Band der über ein Dutzend Romane umfassenden „Necroscope“-Serie, die hierzulande exklusiv bei |Festa| erscheint. Die Konfrontation der beiden ist unausweichlich. Doch beide kämpfen nicht alleine, sondern mit Unterstützung (un)heimlicher Verbündeter.
Dieser Erzählband versammelt sechs Geschichten vom Horror-Altmeister in neuer Übersetzung, darunter den Kurzroman „Berge des Wahnsinns“. Zusätzlich enthalten sind die Essays „Geschichte des Necronomicons“, „Katzen und Hunde“ und ein Gedicht Lovecrafts über Clark Ashton-Smith sowie Erinnerungen seiner Schriftstellerkollegin Hazel Heald.
_Der Autor_
Howard Phillips Lovecraft, 1890-1937, hatte ein Leben voller Rätsel. Zu Lebzeiten wurde er als Schriftsteller völlig verkannt. Erst Jahre nach seinem Tod entwickelte er sich zu einem der größten Horror-Autoren. Unzählige Schriftsteller und Filmemacher haben sich von ihm inspirieren lassen.
Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island geboren. Als Howard acht Jahre alt war, starb sein Vater und Howard wurde von seiner Mutter, seinen zwei Tanten und seinem Großvater großgezogen. Nach dem Tod des Großvaters 1904 musste die Familie wegen finanzieller Schwierigkeiten ihr viktorianisches Heim aufgeben. Lovecrafts Mutter starb am 24. Mai 1921 nach einem Nervenzusammenbruch. Am 3. März 1924 heiratete Lovecraft die sieben Jahre ältere Sonia Haft Greene und zog nach Brooklyn, New York City. 1929 wurde die Ehe, auch wegen der Nichtakzeptanz Sonias durch Howards Tanten, geschieden. Am 10. März 1937 wurde Lovecraft ins Jane Brown Memorial Krankenhaus eingeliefert, wo er fünf Tage später starb. Am 18. März 1937 wurde er im Familiengrab der Phillips beigesetzt. Nach seinem Tod entwickelte er sich bemerkenswerterweise zu einem der größten Autoren von Horrorgeschichten in den USA und dem Rest der Welt. Sein Stil ist unvergleichlich und fand viele Nachahmer. (abgewandelte Verlagsinfo)
Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne sind nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman [„Der Flüsterer im Dunkeln“. 1961
Mehr zu Lovecraft kann man in unserer [Rezension 345 seiner Biographie von Lyon Sprague de Camp nachlesen.
Kurz und bündig mehr über Lovecraft: http://www.orchesterderschatten.de/autor.htm
_Die Erzählungen_
1) _Stadt ohne Namen_
Der Ich-Erzähler ist entweder ein Abenteurer oder ein archäologischer Forschungsreisender. Er hat sich in tiefste arabische Wüste begeben, um jene Stadt ohne Namen zu suchen, die den Arabern solche Furcht einjagt. Er stößt zunächst auf harmlose Hausruinen, aber dann auch auf tempelartige Artefakte. Als er am Abend das Heulen eines Windes hört, das nicht aus der Umgebung, sondern aus einer Tempelöffnung hervordringt, begibt er sich sogleich mit einer Fackel dorthin und dringt in den höhlenartigen Tunnel ein.
Die Tunnel, durch die er kriecht, sind seltsam niedrig und eng. Sollten hier wirklich menschliche Bewohner gelebt haben? Gerade, als er in einer Halle anlangt, geht seine Fackel aus. Er gerät jedoch nicht in Panik, sondern setzt auf seinen Tastsinn. Nach einer Weile glimmt ein Leuchten auf, so dass er besser sehen kann. Da sind Massen von Kästen aufgestapelt, in denen reptilienköpfige Wesen in prächtigen Gewändern ruhen. Auf den Wandmalereien erblickt er die Geschichte einer vorsintflutlichen Zivilisation, ihren Aufstieg und Untergang. Auf dem letzten (jüngsten?) Bild ist dargestellt, wie ein Mann von den Reptilienwesen zerrissen wird.
Hinter dieser Freskenhalle führt ein Tor zu einer Treppe, die wiederum hinunterführt zu einer Ebene leuchtender Unendlichkeit. Doch die Treppenstufen sind wie die engen Tunnel offenbar nicht für Menschenfüße ausgelegt, sondern für jene Wesen, die er nun am Fuß der Treppe knurren hört. Da hebt der Wind wieder an, heulend und kreischend fährt er in jenen leuchtenden Schlund hinunter. Die Morgendämmerung hat begonnen. Die Wesen klettern die Treppe herauf. Sie tragen Reptilienköpfe …
_Mein Eindruck_
1921 veröffentlicht, ist die Geschichte zwar noch im Geiste Lord Dunsanys, HPLs erstem Lehrmeister, geschrieben, weist aber schon klare Einflüsse anderer Vorbilder auf, so etwa von Lost-Race-Autoren wie Henry Rider Haggard („Sie“) und Abraham Merritt („Das Volk der Fata Morgana“, „Das Gesicht im Abgrund“, „The Ship of Ishtar“ und viele weitere), die alle in jener Zeit reüssierten. Auch ein gewisser Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer von „Tarzan“, war sich nicht zu schade für zwei solche Serien: „Pellucidar“ und die Marsianer, die nach Fantasyregeln leben.
Der typische HPL-Sound unterscheidet diese Story ganz beträchtlich aber von den Werken jener Konkurrenten. Erst einmal geht es sehr unheimlich, menschenleer und klaustrophobisch zu, zweitens ist der typische Schauplatz eine versunkene Stadt, die tief ins Erdinnere reicht und drittens sind am Höhepunkt der Story die vermuteten Kreaturen jener angeblich versunkenen Zivilisation immer noch quicklebendig. (Was die Frage nach dem Überlebenden des Chronisten aufwirft, aber die Antwort soll hier nicht verraten werden.)
2) _Das Fest_
Unser Chronist ist ein junger Mann, der zur Stadt seiner Väter am Ostmeer (= Providence an der US-Ostküste) gereist ist, von der er nur aus seinen Träumen weiß, aber wohin man ihn gerufen hat. Es ist die Zeit des Julfestes, das unter Christenmenschen als „Weihnachten“ bekannt ist. Nur ist unser Berichterstatter alles andere als ein Christenmensch. Das Land wurde vor 300 Jahren besiedelt, doch sein Volk ist weit älter und kam aus dem Meer, weshalb es noch die alten Riten ehrt.
Er trifft in Kingsport ein, der uralten, verwinkelten Stadt unter dem kirchengekrönten Berggipfel, wo der Friedhof noch viele alte Grabsteine beherbergt, darunter auch die von vier Verwandten, die im Jahr 1692 wegen Hexerei hingerichtet wurden. Er findet das Haus an der Green Lane, das noch vor dem Jahr 1650 erbaut worden ist.
Auf sein Klopfen öffnet ein alter Mann, doch weil der stumm ist, schreibt er dem Besucher seinen Willkommensgruß auf ein Stück Papier. Sein Gesicht ist so wächsern bleich, dass es aussieht, als trage er eine Maske. Zwischen Möbeln aus dem 17. Jahrhundert sitzt eine Alte an einem Spinnrad, die ihm zunickt. Nach der Lektüre bekannter Bücher wie dem verbotenen „Necronomicon“ schließt sich der junge Mann seinen Gastgebern an. In Kapuzenmäntel gehüllt, machen sich die drei auf den Weg, um am Julfest teilzunehmen. Er wundert sich, dass er und seine Begleiter im Schnee keine Fußabdrücke hinterlassen …
_Mein Eindruck_
In diesen beiden frühen Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung des von ihm glühend verehrten Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes („unity of effect“) ausgerichtet sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).
Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – teilweise verbürgte, meist aber gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte, ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: „Xenophobie“ nennt man dieses Phänomen. Zudem hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb.
|Degenerierte Hauptfiguren|
Degeneration ist das Hauptthema in [„Die Ratten im Gemäuer“, 589 eine Story, die 1924 im gleichen Jahr wie „Der Hund“ entstand und nur ein Jahr vor „Das Fest“. In „Der Hund“ sind die beiden frevlerischen Grabräuber moralisch so weit herabgesunken, dass ihre Sünden einen rächenden Fluch heraufbeschwören, der für ihre Bestrafung sorgt. In „Das Festival“ gehört der junge Chronist, ohne es zunächst zu ahnen, einem uralten Geschlecht von Humanoiden an, das seit alters einem unheiligen Gott opfert, der vermutlich mit Cthulhu gleichzusetzen ist. Denn an einer Stelle heißt es, dass dieses Volk aus dem Meer kam, genau wie die sinistren Bewohner des unseligen Innsmouth. Und in Lovecrafts Meer herrscht immer nur „der träumende Cthulhu“ in der Unterwasserstadt R’lyeh.
Während die erste Story ebenso gut von Wolfgang Hohlbein (vgl. dazu seinen Roman [„Anubis“) 2826 stammen könnte und mit ihrer Grusel-Action jedem modernen Leser gefallen dürfte, ist „Das Fest“ doch ein ganz anderes Kaliber. Sie ist auf sehr spezifische Weise Teil des Lovecraft-Mythos, wonach in der Gegend von Providence und dem nahe gelegenen Salem im 17. Jahrhundert – historisch belegte – Hexenprozesse stattgefunden haben. Dabei habe es sich um echte Hexer und echte Hexen gehandelt, die und deren Verwandte jedoch überlebt haben. Und wenn nicht in Fleisch und Blut, so doch als Gespenst: als untote Erinnerung.
|Unheilige Riten|
Diese Geister, behaupten diese und andere Storys, versammeln sich zum Julfest, um unheilige Riten in den Tiefen der Hügel Neuenglands etc. zu feiern. Neuengland ist bei HPL der Hort von Dimensionstoren, aus denen die Großen Alten, die einst von Göttern vertrieben wurden, wieder in unsere Welt einbrechen, manchmal um unheiligen Nachwuchs zu zeugen („Das Grauen von Dunwich“), manchmal um Menschen zu ihren Jüngern zu machen ([„Der Fall Charles Dexter Ward“). 897 Dass die alten Salem-Hexer („Das Ding auf der Schwelle“) ihnen helfen, dürfte klar sein. Und dass Cthulhus Nachkommen hier ihre Feste feiern, ebenfalls.
Das alles kann aber nicht verhindern, dass dieser Story irgendwie die Pointe abhanden kommt. Denn was ganz am Schluss folgt, ist viel zu schwach in der Wirkung, um aus der Story viel mehr als eine stimmungsvolle Studie in Horrorphantasien zu schmieden.
3) _Das gemiedene Haus_
Providence, Rhode Island. Im Jahr 1763 legte der Kaufmann und Seefahrer William Harris den Grundstein zu seinem neuen Haus in der Benefit Street (ehemals Back Street), ohne zu ahnen, dass sich unter dem Keller etwas weitaus Älteres befindet: der Friedhof, auf dem Angehörige der Hugenottenfamilie Roulet begraben wurden. Der erste bekannte Vorfahr der Roulets war ein Wolfskind.
Nun, von dieser Vergangenheit ahnen er und seine vielköpfige Familie nichts, doch schon als das fünfte Kind nur tot geboren wird, merken die Leute, dass etwas nicht stimmt. Auch der durchdringend üble Geruch scheint der Gesundheit nicht förderlich zu sein. Selbst die kräftigsten Mitglieder der Familie sowie ihrer Bediensteten klagen unter fortschreitender Schwächung, und der Arzt stellt eine Blutarmut fest. Nach mehreren Todesfällen, unter denen auch Harris ist, lebt seine Frau wahnsinnig im Obergeschoss und ihre Schwester führt das Haus. Schließlich äußert die aus einem rückständigen Teil der Gegend stammende Zofe Ann White den schlimmsten Verdacht: dass ein Vampir den Bewohnern dieses Hauses die Lebenskraft entziehe.
Im Jahr 1919 hat der Ich-Erzähler Whipple zusammen mit seinem achtzigjährigen Onkel Elihu Whipple in mühseliger Kleinarbeit diese Zusammenhänge herausgearbeitet. Eine Inaugenscheinnahme vor Ort hat in der Tat einen penetranten Geruch wie von Salpeter oder Schwefel zutage gefördert, und Whipple vermeint einen Schatten von etwas Übelriechendem in den Kamin und durch den Schornstein verschwinden zu sehen.
Doch abschließende Sicherheit kann es nur geben, wenn die Beobachtungen nicht tagsüber, sondern in der Nacht durchgeführt werden. Also richten sich die beiden Gentlemen mit Erlaubnis des gegenwärtigen Besitzers, ebenfalls eines Harris, im Keller des gemiedenen Hauses ein, das seit langen Jahren als unvermietbar leersteht.
Einer von ihnen wird es nicht mehr lebend verlassen.
_Mein Eindruck_
Wer zuvor nur die früheren Erzählungen HPLs gelesen hat, wird von der sorgfältigen Ausarbeitung und der modern anmutenden geistigen Kultur in diesem gediegenen Stück Prosa überrascht sein. Die tiefste Vergangenheit – zunächst das Frankreich des 17. Jahrhunderts – ist den modernen physikalischen Theorien wie der Quantenmechanik gegenübergestellt. Dazwischen liegen die Familiengeschichten der Harris und der Roulets als Bindeglied.
Räumlicher Mittelpunkt ist stets das gemiedene Haus, insbesondere dessen tiefer, übel riechender Keller. Wie sich herausstellt, befindet sich dort ein Etwas, das noch älter (und größer) sein muss als der älteste hier begrabene Roulet. Denn vor den Kolonisten waren die Naragansett-Indianer hier sesshaft. An diesem Punkt knüpfen die Motive der Erzählung an andere Geschichten HPLs an, die im Hinterland von Neu-England spielen, so etwa „The Dunwich Horror“. Möglicherweise hat HPL auch vom indianischen Walddämon Wendigo gehört oder gelesen und dessen Bild übernommen. Daher ist die Geschichte keine Vampirstory, sondern etwas weitaus Komplexeres.
Dafür braucht der Autor allerdings sehr lange, um dem Leser klarzumachen, um was es eigentlich geht. Obendrein versucht er noch ein wenig Name-dropping, um das Interesse des Lesers zu reizen. Edgar Allan Poe sei einst täglich auf dem Weg zu Mrs. Whitman, der von ihm verehrten Dichterin, am gemiedenen Haus vorübergegangen. Isn’t it ironic?
Wie auch immer: „Das gemiedene Haus“ von 1928 ist eine ebenso gute Erzählung wie viele der auf mittelguter Ebene angesiedelten HPL-Storys und sollte jedem HPL-Verehrer bekannt sein. Der Italiener Ivan Zuccon verarbeitete die Geschichte zusammen mit „Die Musik des Erich Zann“ (1922) und „The dreams in the witch house“ (1932) zu einem Horrorfilm im Jahr 2003.
4) _In den Mauern von Eryx_
Was wie eine planetare Abenteuergeschichte beginnt, endet in einem Alptraum. Die Menschen haben die dschungelüberwucherte Venus erobert, um dort Kristalle abzubauen, die der irdischen Energieerzeugung dienen. Doch auf dem Planeten leben reptilienartige Echsenmenschen, denen die Kristalle offenbar heilig sind. Als ein Mitarbeiter der Crystal Company auf dem Plateau von Eryx einen Kristall entdeckt, sind daher Echsenmenschen nicht weit. Bestimmt beobachten sie sein Bemühen, sich des Kristalls zu bemächtigen. Doch wie sich herausstellt, handelt es sich um eine Falle.
In dieser Falle hat sich bereits ein anderer Mitarbeiter gefangen. Als sich der neue Mitarbeiter, unser Berichterstatter, vorsichtig nähert, stößt er auf eine unsichtbare Mauer. Schlammbewurf zeigt, dass sie mit sechs Metern Höhe zu hoch zum Überklettern ist. Es muss also Öffnungen geben. Der Chronist begibt sich in das Labyrinth von Eryx, um an den Kristall heranzukommen …
_Mein Eindruck_
Was sich wie nach dem Experiment mit der Ratte im Labyrinth anhört, ist auch genau das. Ist der gefangene Mensch schlau genug, um die Belohnung, den Kristall, zu schnappen und wieder herauszufinden? Die Echsen nehmen an, dass er dies nicht ist. Die Story ist eine der wenigen, die mich immer an gewisse frühe SF-Groschenheft-Erzählungen erinnern. Darin gerät der Held regelmäßig in die Bredouille und muss sich wie weiland Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Wie schon in „Stadt ohne Namen“ dominiert das Element der Klaustrophobie.
5) _Gefangen bei den Pharaonen_
Der berühmte Entfesselungskünstler Harry Houdini alias Erich Weisz erzählt von einem Erlebnis, das er 14 Jahre zuvor im Jahre 1910 in Ägypten hatte. In seinem anfänglichen Reisebericht erweist sich der Erzähler als kenntnisreicher Berichterstatter, der auch über Tutanchamun Bescheid weiß, dessen Grab bekanntlich erst 1922 entdeckt wurde. Geführt von einem Fremdenführer, der sich Abdul Reis Drogman nennt, besucht Houdini nicht nur Kairos Altstadt und Museen, sondern selbstverständlich auch die Pyramiden von Gizeh.
Ganz besonders fasziniert ist Houdini von der löwenköpfigen Sphinx, die das Gesicht des Königs Chephren trägt, der die mittlere der drei großen Pyramiden zwischen 2800 und 2700 v. Chr. erbauen ließ. Verblüfft stellt der Reisende eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Gesicht seines Fremdenführers und der Chephren-Statue im Ägyptischen Museum von Kairo fest.
Bei einem Streit zwischen Abdul Reis und einem jungen arroganten Reiseführer geht Houdini vermittelnd dazwischen. Beim folgenden Zweikampf darf er Abdul Reis sekundieren. Das Duell findet auf der Spitze der Cheops-Pyramide statt, welche bekanntlich keine Außenverkleidung mehr besitzt, wodurch die Spitze ziemlich breit ist. Doch der mitternächtliche Ringkampf stellt sich als Vorwand heraus, den die Araber benutzen, um den berühmten Entfesselungskünstler zu verhöhnen. Sie fesseln ihn und lassen ihn in einen sehr tiefen Schacht hinunter.
Sich zu befreien, ist einfach, doch nun geschieht etwas, mit dem Houdini nicht gerechnet hat. Die Geister von zusammengesetzten Mumien – Kombination aus Tier und Mensch – marschieren zu einem riesigen Tor in der Tiefe. Auch Chephren (Abdul Reis?) und dessen Königin Nitokris, die stets nur „Königin der Ghoule“ genannt wird, wohnen der Opferungszeremonie bei. Doch wem oder was opfern sie? Als Houdini dies herausfindet, rennt er um sein Leben.
_Mein Eindruck_
HPL schrieb diese wunderbar farbenfrohe Erzählung, die zunächst an Karl Mays Orient-Romane erinnert, 1924 für seinen Freund, den berühmten Entfesselungskünstler Harry Houdini. Selbstredend darf Houdini seine entsprechenden Fähigkeiten hierin eindrucksvoll demonstrieren. Zudem kommen die altägyptischen Gottheiten zu ihrem Recht und vollführen, ganz im Geschmack von Houdinis Zeit, einen theatralischen Bühnenzauber, der den ansonsten so wackeren Helden in die Flucht schlägt. Liebhaber von H. R. Haggard oder anderen Orientalisten könnten sich über Mangel an unterhaltsamem Kolorit und actionreicher Spannung nicht beklagen.
6) _Berge des Wahnsinns_
Was geschah auf der Expedition in jenes Bergtal in der Antarktis, dass der Student Danforth dem Wahnsinn verfiel? Als der Expeditionsleiter William Dyer Danforth in der Nervenheilanstalt besucht, berichtet Danforth wieder von den Alten Wesen, die in Wahrheit seit jeher über die Erde geherrscht hätten. Dyer widerspricht ihm nicht, denn er hat sie ja selbst gesehen.
Genau deshalb besucht er einen Professor in Boston, um ihn zu bitten, dass die neuerliche Expedition, die Starkweather und Moore 1932 organisiert haben, in die Antarktis aufbricht. Er warnt ihn eindringlich vor den Gefahren, nicht zuletzt vor dem schier unaussprechlichen Horror, auf den er und Danforth dort gestoßen sind. Dyer warnt ebenso vor dem Versuch, die Eismassen abzuschmelzen oder gar Bohrungen vorzunehmen, waren diese doch seiner eigenen Expedition zum Verhängnis geworden. Da der Professor mehr und vor allem deutlichere Begründungen fordert, muss Dyer genauer berichten, was sich vor zwei Jahren, anno 1930, zugetragen hat …
|Dyers Expeditionsbericht|
Prof. William Dyer ist Geologe an der Miskatonic University von Arkham, unweit Boston. Da Prof. Frank Pabodie neuartige Bohrer hergestellt hat, sieht sich Dyer in der Lage, auch in der Antarktis nach ungewöhnlichen Gesteinen zu suchen. Er lädt den von ihm bewunderten Anthropologen Prof. Lake ein mitzukommen, und dieser sagt freundlich zu. Außerdem werden die drei Profs von ihren jeweiligen Assistenten begleitet, darunter Danforth, Moulton und Gedney. Lake hält Danforth für einen „Backfisch“, aber immerhin haben beide das verfluchte Buch „Necronomicon“ des verrückten Arabers Abdul Alkazred gelesen, ein zweifelhaftes Vergnügen, das nicht jedem Menschen vergönnt ist, denn das Buch ist in einem verschlossenen Raum der Bibliothek der Miskatonic-Uni weggesperrt.
Die zwei Schiffe „Miskatonic“ und „Arkham“ gelangen schließlich unter dem Kommando von Kapitän Douglas ins Zielgebiet, das Rossmeer. Hier ragt der immer noch aktive Vulkan Erebus empor, und der Rossschelfeisgletscher bricht hier ins Meer ab. Die Gegend gemahnt Danforth an die kalten Ebenen von Leng, über die er bei Alhazred gelesen hat. Er vermeint ein sonderbares Pfeifen zu hören, das sich mit dem Wind vermischt, der von den Perry-Bergen herunterbläst. Eine Luftspiegelung gaukelt ihm emporragende Burgen auf diesen steilen Höhen vor.
Am Monte Nansen weiter landeinwärts schlägt die Expedition ihr Basiscamp auf, und mit den vier Flugzeugen erkunden sie das Terrain ebenso wie mit Hundeschlitten. Schon bei den ersten Grabungen stößt Prof. Lake auf höchst ungewöhnliche Fossilien, die es hier gar nicht geben dürfte. Zwar ist bekannt, dass vor 50 Mio. Jahren die Erde sehr viel wärmer war und Dinosaurier auch Antarktika bewohnten, doch all dies endete vor spätestens 500.000 Jahren mit der ersten Eiszeit, der weitere folgten. Lake, dessen Funde bis ins Präkambrium zurückdatieren, setzt seinen Willen durch, noch weitere Stellen zu suchen. Auf einer weiteren Schlittenexkursion findet er mehr solche Fossilien, die es nicht geben dürfte.
|Lakes Expedition|
Am 24. Januar, mitten im Hochsommer der Südhalbkugel, startet Lake, um ein Camp 300 Kilometer entfernt auf einem Plateau zu errichten. Dem Expeditionsleiter berichtet er mit Hilfe des Funkgeräts. Seine Stimme ist gut zu verstehen. Sie mussten notlanden, und das Camp ist von quaderförmigen Strukturen und Höhlen umgeben. Eine Bohrung führt dazu, dass ihr Bohrer in eine Höhlung unter dem Eis fällt. Beim Eindringen in diese Höhle stoßen Lake und Moulton auf Specksteine, die fünf Zacken ausweisen, also eindeutig bearbeitet wurden – mitten zwischen Saurierknochen und Abdrücken von Palmblättern. Außerdem stoßen sie auf große tonnenförmige Gebilde, von denen sie vierzehn Stück bergen und aufs Plateau schaffen, um den Inhalt zu untersuchen.
Die Hunde reagieren sehr aggressiv auf diese Gebilde, und als Lake sie seziert, erinnern sie ihn an die Cthulhu-Wesen, die Alhazred beschrieb: eine fünfeckiger Kopf mit einem Kranz seitlich angebrachter Wimpern usw. Und es hat fünf Hirnhälften. Lake erinnert sich: „Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“ In seiner letzten Nachricht berichtet Lake, die Köpfe seien von der Sonne aufgetaut worden. Dann meldet er sich nicht mehr.
|Die Rettungsexpedition|
Mit dem zurückgehaltenen fünften Flugzeug fliegt Dyer mit Danforth und Pabodie zu Lakes Camp. Sie finden entsetzliche Verwüstung vor. Alle Hunde wurden zerfleischt, von den Männern ist zunächst keiner zu sehen, obwohl überall Blut ist – und Gestank. Sie stoßen auf sechs Gräber, die sternförmig angelegt sind, aber wo sind die restlichen acht Wesen? Die Leichen von elf Männern sind zum Teil seziert, doch von einem Mann fehlt jede Spur: Gedney. Er hat auch einen Hund mitgenommen. Können sie ihn noch retten?
Dyer und Danforth machen sich auf den Weg, um die ausgedehnte fremde Stadt, die sie beim Anflug entdeckt haben, zu erkunden und vielleicht eine Spur von Gedney zu finden. Welches Wesen mag das Camp derartig verwüstet haben? Sie werden es herausfinden, und wenn es sie den Verstand kostet …
|In Boston|
Dyer schafft es nicht, den Professor davon zu überzeugen, die Starkweather-Moore-Expedition zurückzuhalten. Er ahnt das Schlimmste. Als er wieder einmal den verrückten Danforth besucht, rezitiert dieser nur aus dem verfluchten „Necronomicon“: „Die Farbe aus dem All … der Ursprung, Ewigkeit, Unsterblichkeit …“
_Mein Eindruck_
Lovecraft setzte mit diesem Kurzroman das Romanfragment [„Der Bericht des Arthur Gordon Pym“ 781 von Edgar Allan Poe fort. Wo Poes Romanfragment abbricht, greift er die Szenerie, wenn auch nicht die Figuren, wieder auf, insbesondere den unheimlichen Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ Diesen Ruf stoßen zwar bei Poe weiße Vögel aus, doch bei Lovecraft wird der Ruf einem weitaus gefährlichen Wesen zugewiesen. Um was es sich dabei handelt, wird nie hundertprozentig klar, denn es ist protoplasmisch und somit formlos.
|Der Privatmythos|
Innerhalb des umfangreichen Cthulhu-Mythos über die Großen Alten nimmt „Berge des Wahnsinns“ eine meiner Ansicht nach nicht allzu herausragende Rolle ein, denn der Geschichtsentwurf, den Lovecraft hier präsentiert, unterscheidet sich nur in geringem Maße von dem in [„Der Schatten aus der Zeit“, 2358 „Der Flüsterer im Dunkeln“ und anderen Erzählungen. Aber die Geschichte an sich bietet dem Leser mehr spannende Unterhaltung als andere Storys und vor allem einen weit gespannten Hintergrund, der im Vordergrund der Aktionen zum Tragen kommt.
|Die Stadt im Eis|
Durch ihre Necronomicon-Lektüre wissen Lake und Danforth schon, womit sie es zu tun haben: mit den Großen Alten und ihren Vorgängern, den Alten Wesen. Die Stadt ist die der Alten Wesen, die vor Jahrmillionen zuerst landeten und ihre Kultur auf der Erde errichteten. Seltsamerweise ist Expeditionsleiter Dyer, unser objektiver Chronist, nur mäßig darüber erstaunt, dass er nun über ausgedehnte Überreste einer versunkenen, prähistorischen Zivilisation stolpert. In der ersten großen Halle befinden sich jedoch so etwas wie Wandmalereien und Hieroglyphen, die ihm die Geschichte der Vorzeit erzählen. Diese ist so komplex, dass ich empfehle, sie selbst nachzulesen. Dyer müsste viel stärker verwirrt, wenn nicht sogar bestürzt sein, so wie es Danforth ist.
|Der Wächter in der Tiefe|
Für Dyer und Danforth wird die Lage jedoch brenzlig, als sie auf die enthaupteten Überreste der entkommenen Alten Wesen stoßen, die Professor Lake aus der Höhle unter dem Eis geholt hatte. Was hat die Wesen getötet? Gibt es einen Wächter in der Tiefe, ähnlich einem Balrog in den Tiefen der Minen von Moria? Na, und ob! Die spannende Frage ist nun, wie dieses Wesen aussieht und ob sie es vielleicht besiegen können. Der Anblick des Wesens lässt Danforth wahnsinnig werden und von einem Sieg kann keine Rede mehr sein. Was wiederum den Schluss aufzwingt, dass die Starkweather-Moore-Expedition dem Tod geweiht ist, sollte sie im gleichen Gebiet forschen.
|Verhängnis|
Dieses Gefühl des Verhängnisses überschattet den gesamten Text und suggeriert dem Leser bzw. Hörer, dass er allein schon durch die Kenntnis dieses geheimen Wissens, das ihm Dyer mitteilt, vielleicht in Gefahr sein könnte. Zweifellos wusste Lovecraft aus Zeitschriften nicht nur über Einsteins Forschungsarbeiten Bescheid, sondern auch über das Bestreben der Physiker, dem Atom seine Geheimnisse zu entlocken. Die Experimente von Rutherford und Nils Bohr waren ihm vielleicht bekannt, aber er dürfte kaum gewusst haben, dass Enrico Fermi an einem Atomreaktor baute und die deutschen Physiker von Hitler für eine ganz besondere Aufgabe engagiert wurden: den Bau der ersten Atombombe. Verbotenes Wissen – möglicherweise hat Lovecraft ganz konkret solche Kenntnisse und Experimente darunter verstanden.
|Poe lässt grüßen|
Das erzählerische Brimborum, dessen er sich im Original bedient, kommt uns heute überladen und bis zur Grenze des Lächerlichen überzogen vor. Der von Poe erfundene Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ wird x-mal wiederholt, und im Buch bildet er sogar den Schluss des letzten Satzes. Das verleiht ihm eine schaurige Bedeutungsschwere, die ich nicht nachzuvollziehen mag. Aber bei genauerem Nachdenken ist der Ruf eben jenem Wächter in der Tiefe zuzuordnen, und dann wird erklärlich, warum Danforth diesen Ruf nicht vergessen kann. Denn er weiß, dass wenn dieser Ruf erneut ertönt, es für die Menschheit zu spät sein wird. „Das ist nicht tot, was ewig liegt …“
|Einschätzung|
„Berge des Wahnsinns“ ist einer der bedeutenden Kurzromane, die Lovecraft am Ende seines Lebens – er starb ein Jahr nach der Veröffentlichung – innerhalb seiner Privatmythologie schrieb. Die Antarktis-Expedition des Geologen Dyer stößt auf eine uralte Stadt, die von einer außerirdischen, vormenschlichen Zivilisation errichtet wurde. Und Andeutungen legen nahe, dass auf dem Meeresgrund noch viele weitere solche Städte auf ihre Entdeckung warten. Ob das für die heutige Menschheit so gut wäre, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. In der Stadt unter dem Eis vertreibt ein unheimlicher Wächter die neugieriger Forscher, und solche könnte es auch in weiteren Ruinen geben. Dyers Assistent Danforth hat den Wächter und dessen Brut gesehen und ist darüber verrückt geworden …
Ähnlich wie in „Der Schatten aus der Zeit“ und „Der Flüsterer im Dunkeln“ entwirft Lovecraft die Grundzüge seiner Mythologie, wonach erst die Alten Wesen von den Sternen kamen und die Stadt unterm Eis bauten, bevor die Cthulhu-Wesen anlangten und mit ihnen einen Krieg führten, an dessen Ende Wasser und Land zwischen den Rassen aufgeteilt wurden. Überreste beider Zivilisationen sind für Expeditionen wie die Dyers noch aufzuspüren, natürlich nur an sehr verborgenen Orten.
|Die verlorene Rasse|
Das Motiv der „Lost Race“, das Lovecraft in nicht weniger als 18 Erzählungen verwendet, war schon 1936 nicht mehr neu und vielfach erprobt worden. Am kommerziell erfolgreichsten waren dabei wohl Edgar Rice Burroughs, der Schöpfer des Tarzan, und Henry Rider Haggard, der mit „König Salomons Minen“, „Allan Quatermain“ und „Sie“ einen sagenhaften Erfolg unter den Spätviktorianern verbuchte. Ob Poe mit „Arthur Gordon Pym“ diese Mode schuf, als er seinen Helden in der Antarktis eine unbekannte Zivilisation finden ließ, sei dahingestellt, aber sowohl Jules Verne mit „Eissphinx“ als auch Lovecraft mit „Berge des Wahnsinns“ folgten diesem Vorbild in den eisigen Süden. In letzter Zeit knüpfte auch Michael Marrak mit seinem Roman [„Imagon“ 480 erfolgreich an dieses Vorbild an.
|Initiationsritus|
Bei Lovecraft wird die Expedition zu einem Initiationsritus. Der moderne Mensch ist sowohl mit dem sehr Alten als auch mit dem Ungeheuerlichen konfrontiert, und beides scheint seinen Verstand zu übersteigen (siehe Danforths Wahnsinn). Unterschwellig vermittelt Lovecraft seinen Kulturpessimismus dadurch, dass er Dyer erkennen lässt, dass die Menschheit weder die erste Zivilisation auf diesem Planeten war, noch auch die letzte sein wird. Das wiederum könnte dem einen oder anderen Leser Schauer über den Rücken jagen. „Das ist nicht tot, was ewig liegt“ (oder „lügt“, denn das Verb ist doppeldeutig), wird immer wieder zitiert. Ein Menetekel, an das immer wieder mit dem Ruf „Tekeli-li! Tekeli-li!“ gemahnt wird.
7) _Geschichte des Necronomicons_
Ein kurzer Abriss über die Biografie Abdul Alhazreds, dem Autor von „Al Azif“, dem späteren „Necronomicon“. Der Araber habe es angeblich um 730 n. Chr. geschrieben. Eine Chronologie listet die allesamt unterdrückten Ausgaben auf. Aber nirgendwo steht, warum Alhazred das verfluchte Buch schrieb, noch, was darin steht. Eine Andeutung liefert lediglich der Umstand, dass der Autor angeblich von einem selbst beschworenen Dämon verschlungen worden sei. Motto: Caveat auctor!
_Mein Eindruck_
Eine pseudo-literaturhistorische Abhandlung, die zentrale Fragen außer acht lässt. Nur für HPL-Anhänger interessant.
8) _Katzen und Hunde_
In dieser langen Abhandlung vergleicht HPL Hunde und Katze, aber auch deren Besitzer und deren Kulturen. Dabei gibt er durchweg der Katze den Vorzug. Entsprechen dem Hund die ungebildeten Plebejer, so der Katze die gebildeten Aristokraten, Poeten und Philosophen, kurzum die Gentlemen.
Damit nicht genug, versteigt sich HPL sogar zu einer rassischen Einteilung. Den plebejischen Hundebesitzern entsprächen demnach das Mittelalter, wohingegen zu den Katzenverehren die stolzen Ägypter, die klassischen Griechen und – man lese und staune – die Arier sowie der nietzscheanische Herrenmensch zählen.
_Mein Eindruck_
Der Aufsatz geht noch lange weiter, mit etlichen weiteren Klassifizierungen und Gegenüberstellungen, hinsichtlich Ästhetik, Reinlichkeit usw. usf. Er ist unwissenschaftlich, weil völlig auf subjektivem Empfinden basierend. Mir war schon zuvor bekannt, dass HPL sich in einer bestimmten Phase rassistische Entgleisungen leistete, aber dies ist das erste Mal, dass ich sie auch gedruckt lese. Sie stammen aus dem Jahr 1926. Der Essay ist nicht nur nervtötend selbstgerecht, sondern nimmt auch Klassifikationen vor, die sich heutzutage niemand mehr trauen würde. Der Übersetzer hat die zahlreichen Verweise auf andere Autoren auf vorbildliche Weise in Fußnoten erklärt.
9) _Für Klarkash-Ton, Herr von Averoigne_
Ein HPL-Gedicht für seinen Kollegen Clark Ashton Smith. Die Rede ist darin von einem dunklen, unheimlichen Turm, in dem ganz oben bleich ein Lichtlein brennt. Das Original steht direkt neben der (ungereimten) Übersetzung, so dass sich ein direkter Vergleich anbietet.
10) _Hazel Heald: In memoriam_
Hazel Heald lobt, wie HPL sich für angehende und aufstrebende Schriftstellerkollegen einsetzte und was für ein generöser und intelligenter Gentleman er war. Eine wahre Eloge, wie sie sich niemand wohlwollender wünschen könnte, allerdings auch ziemlich einseitig.
_Die Übersetzung_
A. F. Fischer besorgte diese neue Übersetzung, welche die alten ablöst, die der |Suhrkamp|-Verlag bislang feilbot. Allein diese Ablösung ist bereits dankenswert. Die Diktion ist jetzt mehr dem modernen Sprachgebrauch angepasst, ohne an vielseitigem Vokabular und der HPL eigentümlichen Stilvielfalt einzubüßen. Druckfehler konnte ich überraschenderweise keine finden.
_Unterm Strich_
Das Hauptstück dieser Auswahl in neuer Übersetzung ist sicherlich der überzeugende Kurzroman „Berge des Wahnsinns“, daher habe ich mich in meiner Interpretation darüber ausführlicher ausgelassen. Aber auch so mancher kürzere Text wie etwa „Das gemiedene Haus“ weiß zu überzeugen. Die Kooperation „In den Mauern von Eryx“ (zusammen mit Kenneth Sterling, was aber in den Quellennachweisen verschwiegen wird) ist ein Stück Sciencefiction, und „Gefangen bei den Pharaonen“ wurde erst später der Ko-Autorschaft HPLs mit Harry Houdini zugewiesen.
Die verstreuten Nebentexte über das „Necronomicon“ sowie „Katzen und Hunde“ und Lovecraft selbst werfen ein Licht auf die vielfältigen Interessen dieses homme des lettres. Der Essay „Katzen und Hunde“ bildet für mich allerdings Anlass zu Kritik, denn hier zeigen sich rassistische Tendenzen in HPLs Gedankengut. Der Übersetzer hat die zahlreichen Verweise auf andere Autoren auf vorbildliche Weise in Fußnoten erklärt.
In diesem Band finden sich eine Reihe früher Erzählungen, die uns heute wie pure Fantasy anmuten, ja, die sogar antike Schauplätze haben. Sie sind unterhaltsam zu lesen, aber allzu viele dieser literarisch mittelmäßigen Leicht- oder Fliegengewichte möchte man dann doch nicht über sich ergehen lassen. Die Übersetzung ist sehr kompetent, was sich besonders an dem Gedicht zeigt, das dem Original nahekommt, welches daneben abgedruckt ist.
Für Sammler ist der Band eine wichtige Ergänzung und Abrundung der HPL-Werke, aber für Einsteiger bietet der Band teils leichte Kost, mit „Berge des Wahnsinns“ einen Blick auf das, worauf sich HPLs Einfluss gründet: auf den Cthulhu-Mythos.
Nachdem nun vier Bände der „Gesammelten Werke“ erschienen sind, sollen noch die zwei Bände „Cthulhu“ und „Die großen Alten“ folgen.
|332 Seiten
Aus dem US-Englischen von A. F. Fischer|
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Ex-Scharfschütze Bob Lee Swagger möchte in Japan ein Schwert aus dem Zweiten Weltkrieg abliefern. Als die Unterwelt erfährt, dass es sich um ein altes und sagenhaftes Samurai-Schwert handelt, bringt sie es gewaltsam an sich, was Swaggers Gerechtigkeitssinn weckt; bald tobt ein blutiger Krieg, in dessen Verlauf die Opferzahl rasant in die Höhe schnellt … – Der vierte Band der Serie führt Bob Lee Swagger nach Japan, wo er ein wenig zu seitenstark in die Samurai-Mythologie abtaucht, wodurch ausführlich geschilderte Mord- und Metzel-Szenen aber nicht zu kurz kommen: erneut sehr unterhaltsam für eine hartgesottene Leserschaft.Stephen Hunter – Der 47. Samurai (Bob Lee Swagger 4) weiterlesen →
Ende des 19. Jahrhunderts sollten magisch belebte Lehm-Menschen („Golems“) die jüdische Gemeinde von Lowensport schützen. Das misslang bzw. gipfelte in einem Massaker. Während die Tragödie in Vergessenheit geriet, blieb das Wissen um die Golems erhalten; sie sollen nun Gangstern helfen, den lokalen Drogenmarkt zu übernehmen … – Verfasseruntypisch, d. h. nicht auf die bloße Reihung ekliger Sex-Szenen beschränkt, erzählt Edward Lee auf zwei Zeitebenen eine Geschichte, die sich in der Gegenwart verzahnt; dies buchstäblich, denn Lees Golems sind Mord-Monster, die für Horror der simplen, aber unterhaltsamen Art sorgen. Edward Lee – Golem weiterlesen →
Als das Flugzeug einer Rockgruppe abstürzt, landet es nicht nur in einem menschenleeren Einöd-Wald, sondern auch im Territorium eines Bigfoot-Monsters, das umgehend mit der Jagd auf die Eindringlinge beginnt … – Handwerklich solider, über weite Strecken geradezu altmodischer Horrorroman, der das oben skizzierte Szenario leichenreich durchdekliniert, sich abschweifungsarm auf das Wesentliche konzentriert einen unerwarteten Verlauf nimmt, jedoch unter einem schwachen Finale leidet: Futter für blutrünstige Monster und Leser, die solches Wüten lieben. Nate Southard – Down weiterlesen →
Ahnungslose Forscher, geile Teenies und mörderische Rednecks geraten auf eine Tropeninsel, die von mutierten Würmern heimgesucht wird, die ihre menschlichen Wirtskörper kontrollieren und nach neuen Opfern gieren … – Typischer Trash-Horror, der auf vordergründigen Ekel, Schmuddel-Sex und Brachial-Gewalt setzt, was auf die Spitze (und darüber hinaus) getrieben wird, sodass es durch die Übertreibung klamaukhaften Unterhaltungswert gewinnt: Hier ist richtig, wer gern lacht, weil unsympathische Zeitgenossen geschreddert werden! Edward Lee – Gewürm weiterlesen →
Nur drei Storys veröffentlichte Robert E. Howard (1906-1936) zu seinen Lebzeiten. Dennoch schuf er eine konturenstarke Figur, die er mit einer umfangreichen ‚Biografie‘ ausstattete und in jene mythische Urzeit versetzte, in der auch Conan, der Barbar, ‚lebte‘: Dieser (reich illustrierte) Band sammelt sämtliche Kurzgeschichten, Entwürfe und Fragmente, die aus Howards Feder stammen. Sie werden kundig kommentiert, sind vorzüglich übersetzt und belegen einmal mehr, wie nachhaltig Howard das Fantasy-Genre geprägt hat. Robert E. Howard – Kull: Verbannt aus Atlantis weiterlesen →
Obwohl der Serienkiller und Kannibale Jeffrey Dahmer im Gefängnis umgebracht wurde, werden ‚draußen‘ weiterhin Männer nach bekanntem Muster niedergemetzelt. Treibt ein Trittbrett-Mörder sein Unwesen, oder konnte Dahmer seinen Tod vortäuschen, um auszubrechen und dort weiterzumachen, wo das Gesetz ihm Einhalt gebieten konnte … – Geschickt spinnt Autor Lee, der durch die ‚echte‘ Profiler-Expertin Elizabeth Steffen unterstützt wird, sein Garn um den Tod eines authentischen Serienmörders; dabei verzichtet er weitgehend auf sein (keineswegs vermisstes) ‚Markenzeichen‘ – die detaillierte Darstellung sexueller Extrem-Aktivitäten – und präsentiert stattdessen einen spannenden Thriller. Edward Lee & Elizabeth Steffen – Dahmer ist nicht tot weiterlesen →
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wühlen zwei Grabräuber zu tief in Glasgows Friedhofserde; sie erregen die Aufmerksamkeit des „Leichenkönigs“, einer uralten, bösartigen und überaus schlauen Kreatur, die nichts gegen Frischfleisch einzuwenden hat und dem Duo auf den Fersen bleibt … – Mit brachialer Wonne lässt Autor Curran eine Vergangenheit erstehen, die vor Schmutz, Brutalität und Bosheit förmlich trieft, um vor diesem Hintergrund eine ebenso stimmungsvolle wie unappetitliche Horrorgeschichte zu erzählen: Wer seinen Grusel filigran vorzieht, sollte hier lieber Abstand halten! Tim Curran – Der Leichenkönig weiterlesen →
Vollständige Sammlung der neun Kurzgeschichten um den „Geisterdetektiv“ Carnacki, mit dem William Hope Hodgson (1877-1918) einen der ersten der noch heute in der Phantastik beliebten Erforscher übernatürlicher Phänomene bzw. ‚Ghostbuster‘ schuf. Die Storys sind spannend und angemessen gruselig, die Übersetzung ist ausgezeichnet, und als ‚Features‘ gibt es eine alte, weiterhin zutreffende Hodgson-Wertung durch H. P. Lovecraft sowie eine moderne, vorzügliche Einschätzung der Carnacki-Storys: elementarer Horror für die Leser klassischer Gruselgeschichten.William Hope Hodgson – Carnacki, der Geisterdetektiv weiterlesen →
14 Storys eines Meisters der klassischen „Pulp“-Phantastik und des Abenteuers; der unerhörte Schwung eines geborenen Geschichtenerzählers trägt über Logiklücken, Flachfiguren oder Inhaltsklischees mühelos hinweg und lässt vor den Leseraugen versunkene Welten und archaische Gräuel quicklebendig werden: Auch Band 5 der Howard-Edition bietet hohen Lektüregenuss!Robert E. Howard – Die Kinder der Nacht weiterlesen →
Geheime Forschungen an den Überresten einer außerirdischen Kreatur führen zur Erschaffung eines Mischwesens, das aus dem Labor ausbricht, durch den US-Nordosten tobt und dabei stetig wächst, bis es ganze Städte ausradieren kann … – Eine kleine Gruppe aus dramaturgischen Gründen eigentlich untauglicher aber heldenhafter Retter folgt dem Monster, dessen Untaten detailscharf beschrieben werden: Dies ist pure, klischeegespickte Horror-SF-Action, dessen wendiger Verfasser dem überraschungsfreien Stoff erstaunliche Unterhaltungswerte abringt: Monster- und Lesefutter. Jeremy Robinson – Nemesis weiterlesen →
Bauarbeiter stören lange unterirdisch verborgenes, wurmähnliches Monstermenschen-Pack auf, das nunmehr an die Oberfläche dringt und sich erschreckend bekämpfungsresistent zeigt … – Moderner Horror auf klassischer Lovecraft-Fährte; die drastischen Metzel-Szenen finden in einer erstaunlich kunstvoll heraufbeschworenen, sehr morbiden Grusel-Atmosphäre statt: gelungene Mischung aus Splatter und Geistergeschichte. Tim Curran – Nightcrawlers: Kreaturen der Finsternis weiterlesen →
24 weitere Geistergeschichten – einige nur Fragmente – zeugen abermals von einem jenseitigen (Nach-) Leben, das für jene, die seinen Bewohnern zu nahe kommen, üble Folgen zeitigt. Dazu kommen fantasylastige Storys, die den Einfallsreichtum des Verfassers unterhaltsam unterstreichen, zwei kurze Essays, in denen James über das Horror-Genre sinniert, sowie ein Nachwort, das die multimediale Bedeutung von M. R. James im und für das 21. Jahrhundert definiert … – Wiederum fabelhaft übersetzt und schlicht aber fein gestaltet, sorgt auch der zweite Band dieser Gesamtausgabe für Stunden nostalgischer und positiv altmodischer Grusel-Spannung: Endlich ist die Überlieferungslücke in Sachen M. R. James auch in Deutschland geschlossen!
Inhalt:
– Einige Bemerkungen zu Gespenstergeschichten (Some Remarks on Ghost Stories, 1929), S. 11-21:
19 Geschichten erzählen von bösartigen, sogar mörderischen Gespenstern, die von neugierigen Pechvögeln ohne Kenntnis der Folgen geweckt werden und diesen grausam zu Leibe rücken … – Klassisch angelsächsischer Spuk der Sonderklasse: Spannender, gruseliger und humorvoller geht es eigentlich nicht, weshalb bereits dieser erste Teil einer zweibändigen Sammlung sämtlicher „Ghost Stories“ von M. R. James ein Geschenk für den Genre-Freund ist. Eine behutsam modernisierende Übersetzung, drei informative Vorwörter sowie schauerlich-schöne Illustrationen sorgen für ein Buch, das sich der Horror-Freund einst mit in den Sarg legen lassen wird! Montague Rhodes James – Sämtliche Geistergeschichten (Band 1) weiterlesen →
Geist ist geil! Seit 2002 – Ständig neue Rezensionen, Bücher, Lese- und Hörtipps