Sebastian Fitzek – Die Einladung

Ein junges Mädchen steigt zu einem Mann ins Auto. Er ist ihr nicht ganz geheuer, doch möchte sie auch nicht die Nacht bei Minustemperaturen im Freien verbringen. Also entscheidet sie sich, den Mann zu begleiten. Doch im Hause angekommen, gibt er ihr Anziehsachen, die sie für ihn anziehen soll. Außerdem muss sie sich die Haare hochbinden. Dann ist er zufrieden, denn nun sieht sie aus wie sie. Er gratuliert ihr zum 14. Geburtstag. Ihr, seiner Marla. Und schließlich nimmt er sich selbst das Leben.

Vier Jahre später liefert Marla Lindberg ein Paket in eine ehemalige Geburtsklinik in Berlin-Wannsee aus. Vor der Klinik rettet sie einen Hund aus einem kochend heißen Auto. Im Inneren der Klinik aber erwartet sie ein unfassbares Grauen: Im Kreißsaal findet sie eine Gestalt, deren Gesicht eng mit Plastikfolie überzogen ist und die dadurch keine Luft mehr bekommt. In Panik sucht Marla nach etwas, um die Folie durchzuschneiden. Doch dann bäumt die Person sich auf und rammt ihr ein scharfes Metallstück ins Gesicht. Noch auf der Flucht bemerkt Marla in der Ecke des Raums eine Kamera auf einem Stativ – die ganze Szene ist gefilmt worden!

Weitere drei Jahre später verdient Marla Geld damit, dass sie sich Videos von Verbrechen ansieht, um zu entscheiden, ob sie echt sind oder nicht. Sie erinnert sich nur noch vage an die Flucht aus der Geburtsklinik, denn dabei wurde sie zu allem Unglück von einem Auto überrollt, wobei sie einen Schädelbasisbruch erlitten hat. Als sie Tage nach dem Unfall der Polizei von dem Vorfall im Kreißsaal berichten konnte, fand die Polizei keinerlei Spuren mehr von diesem Vorfall.

Noch zwei Jahre später befinden wir uns in der Haupthandlung – es ist neun Tage vor der Entscheidung und Marla hat die Einladung zu einem Klassentreffen auf eine einsame Berghütte erhalten. Das Treffen soll auf der Nebelhütte stattfinden, wo es keinerlei Handyempfang gibt. Marla entschließt sich, an dem Treffen teilzunehmen und stellt zu spät fest, dass die Einladung eine böse Falle ist…

Verwirrspiel

Das Buch braucht zunächst etwas Anlauf: Denn obwohl schon im ersten Kapitel der erste Mensch stirbt und Marla direkt im zweiten Kapitel in einem ehemaligen Kreißsaal um ihr Leben kämpfen muss, beginnt die eigentliche Handlung erst ab Seite 59, wo Marla entscheidet, an einem Klassentreffen teilzunehmen. Eigentlich möchte sie gar nicht teilnehmen, aber ihr Psychiater rät ihr dazu, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, und so begibt sie sich tatsächlich auf die weite Fahrt ins Ungewisse. Der eigentliche Grund, in die Nebelhütte zu fahren, ist allerdings Kilian. Kilian ist Marlas bislang einzige Liebe, doch nun hat sie ihn schon seit Jahren nicht mehr gesehen, vergessen konnte sie ihn allerdings nicht.

Als Marla auf Seite 90 endlich in der Nebelhütte ankommt, trifft sie dort aus der alten Clique allerdings niemanden an. Die ganze Hütte scheint verlassen. Doch das Kaminfeuer prasselt, das Licht ist eingeschaltet, auf dem Tisch stehen noch Teetassen mit lauwarmem Tee. Jacken und Schuhe finden sich noch alle in der Hütte. Wo sind nur die anderen? Wo können sie ohne wärmende Jacken und warme Stiefel hin sein? Marla ist es ein Rätsel, und so beginnt sie, zunächst systematisch die Hütte abzusuchen.

Auf Seite 97 findet Marla schließlich eine Karte mit einem Rätsel: Sieben Kinder sitzen in einem Schrank und treffen eine Entscheidung. Jahre später verabreden sich sechs davon zu einer als Klassentreffen getarnten Gruppentherapie in den Bergen. Mindestens einer der Gruppe wird für das Vergangene mit seinem Leben bezahlen. Was ist damals passiert? Und wer ist schuld?

Und nun ist die Rätseljagd endgültig eröffnet.

In typischer Fitzek-Manier fliegen die Augen nun nur noch so über die Seiten. Man saugt die Geschichte in sich auf, begleitet Marla durch die Hütte, fühlt genau wie sie das Unbehagen und weiß, dass hier etwas ganz schön faul ist. Das Tempo im Buch ist ab diesem Moment wieder sehr hoch und Sebastian Fitzek lässt einen auch kaum noch zu Atem kommen. Insgesamt 84 Kapitel sind es auf nur 376 Seiten, in denen er seine Leserinnen und Leser durch eine einsame, verlassene und gruselige Nebelhütte hetzt, in der die alten Freunde aber ganz offenbar nicht alleine sind. Denn es gibt hier eine Person, die ein böses Spiel spielt. Aber welches?

Rätselraten

Die Zutaten in Sebastian Fitzeks neuestem Werk sind die altbewährten. Er nimmt sich eine Person, die er ins Zentrum stellt und mit der er dann spielt. Marla ist hier für seine Erzählung das perfekte „Opfer“, denn sie ist nicht nur schwer traumatisiert durch den Vorfall in der Geburtsklinik, sondern sie leidet nach wie vor unter Gedächtnislücken und kann zudem Gesichter von Menschen nicht wiedererkennen. All das spielt hier zusammen und sorgt für ein nahezu perfektes Verwirrspiel, denn als Leser weiß man auch nicht mehr als Marla und ist genauso verwirrt wie sie.

Der Plot an sich ist allerdings nicht neu. Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich ein Hörbuch eines anderen bekannten deutschen Autors gehört, in dem ebenfalls eine Gruppe im Zentrum der Handlung stand und die Basis der Geschichte in der Vergangenheit lag, wo die Gruppe gemeinsam eine Entscheidung mit fatalen Konsequenzen getroffen hat. So auch hier. Welche Entscheidung dies aber war, das bleibt sehr lange im Dunkeln und ist auch kaum (nein, eigentlich gar nicht) ohne Fitzeks Hilfe zu enträtseln.

Klassentreffen mit bösem Ende

Das Tempo im Buch ist hoch, die Spannung steigt durch die kurzen Kapitel und vielen Szenenwechsel immer weiter an, sodass man das Buch innerhalb von ein bis maximal drei Tagen verschlingen muss, weil man unbedingt hinter das Rätsel blicken möchte. Und wie gewohnt baut Sebastian Fitzek am Ende noch ein bis zwei Wendungen ein, mit denen man sicherlich nicht rechnen konnte. Aber leider ist es mir auch dieses Mal die eine Wendung zu viel. Natürlich schafft er es immer wieder, seine Leser zu verblüffen und an der Nase herumzuführen. Aber leider gelingt dies inzwischen nur noch dadurch, dass die Wendung nicht mehr realistisch und nachvollziehbar ist.

Dies sei ein kleiner Abzug in der „B-Note“, aber auch mit seinem neuesten Buch hat Sebastian Fitzek es geschafft, mich von der ersten Seite bis kurz vor dem Ende blendend zu unterhalten und an sein Buch zu fesseln.

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3426281581
www.droemer.de

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