Gebhardt, Lisette – Japans neue Spiritualität

New Age im Land der aufgehenden Sonne.

Dies ist das wohl umfassendste und bestrecherchierte Buch zur japanischen Spiritualität und Religion der Gegenwart.
Japan? Das Fuji-Honda-Sony-Land, in dem die Angestellten in ihrer Firma wohnen? Nein, es wird eine Kultur vorgestellt, die auf ganz andere Weise vertraut und exotisch ist. Japan hat in viel kürzerer Zeit als die westeuropäischen Staaten die Entwicklung vom Nationalstaat zur internationalen Wirtschaftsmacht vollzogen und daraus resultieren die meisten Fragen, Probleme, Spannungen und Selbstfindungsansätze, um die es in “Japans neuer Spiritualität” geht.
Was mir zuerst auffiel: die Autorin liefert einen äußerst detaillierten, facettenreichen, widersprüchlichen Überblick der spirituellen Ansätze im heutigen Japan. Dadurch wird dieser Überblick viel mehr zum Abbild der tatsächlichen Situation, als o.g. Klischeevorstellung.

Ziel des Buches ist es, “Texte der japanischen Gegenwartsliteratur vorzustellen, die Religion und Religiöses/’Spirituelles‘ thematisieren. Zum anderen versucht [es], diese Texte im Umfeld einer ’neuen spirituellen Kultur‘ zu lokalisieren.” Besonders wichtig:
1. Eine wissenschaftliche Perspektive auf das Phänomen NewAge dürfte ungewohnt sein, da hierzulande das moralisierende Geschwafel der Amtskirchen jegliches Forschungsinteresse ad absurdum führt. Wenn man aber die Wechselwirkung von ‘spirituellen’ Fragen, Gesellschaft und dem Streben nach erlebbarer Religion unvoreingenommen beobachtet, sieht man Anderes als beim Versuch, ein Feindbild zu bestätigen.
2. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, möglichen Zukünften oder neuen Paradigmen sind komplexe Zusammenhänge. Diese können wir besser erkennen, wenn wir uns auf Entdeckungsreise ins fremde Japan begeben. Denn was uns selbstverständlich ist, sehen wir im Kontrast zum fremden Anderen.

Das Buch ist gespickt mit Quellenangaben, was das Lesen teils etwas erschwert. Buchbesprechungen, Artikel, öffentliche Diskussionen, zentrale Begriffe oder Biografien schnell vertiefen zu können, ist andererseits auch lohnenswert. Das Spektrum reicht von ‘Freaks’ über die AUM-Shinrikyo bis zu Künstlern und Schriftstellern – was ahnen lässt, dass das Intereesse an japanischer Spiritualität (was immer das genau sein mag) enorm ist.

Knut Gierdahl
Chefredakteur der [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de