Berg, Carol – Tor der Erneuerung (Rai-Kirah-Saga 3)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948
Band 2: [„Tor der Offenbarung“ 4705

_Im Verlauf des letzten Bandes_ hat Seyonne eine Menge schwieriger Entscheidungen getroffen, immer in der Hoffnung, damit die Welt zum Guten zu verändern. Inzwischen aber scheint es, als hätte er so ziemlich alles vermasselt! Er hat furchtbare Alpträume, die immer wiederkehren, und der schlimmste von ihnen hat nichts mit all den Gräueln zu tun, die er in seinem Leben gesehen hat, sondern vielmehr mit einer Zukunft, die er mehr als alles andere fürchtet. Außerdem verliert er auch tagsüber immer wieder die Kontrolle über sich selbst, sodass die Pflegemutter seines Sohnes es kaum noch wagt, ihn in die Nähe des Jungen zu lassen.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, schickt ihm die Heged der Hamrashi einen Meuchelmörder auf den Hals, und Seyonne muss schon bald erkennen, dass die Hamrashi es nicht allein auf ihn abgesehen haben. Ihr Angriff gilt vor allem Aleksander. Hin- und hergerissen zwischen seinem Bedürfnis, Aleksander zu schützen, und dem Drang, die Ursache seines Alptraumes zu bekämpfen, verzettelt sich Seyonne mehr und mehr.

_Wurde der Leser im Vorgängerband_ regelrecht mit neuen Charakteren überflutet, so begegnet er diesmal lediglich zweien, die wirklich von Bedeutung sind:

Die Lady in Grün taucht zunächst nur gelegentlich auf, und offenbar will sie etwas von Seyonne. Aber erst gegen Ende, als Seyonne die letzte Entscheidung treffen muss, gelingt es ihr, mit ihm zu reden und ihm einige ausgesprochen wichtige Dinge zu offenbaren – was es für Seyonne aber nicht unbedingt leichter macht.

Nyel ist ein alter Mann mit graumeliertem Haar und tiefgründigen blauschwarzen Augen, von einnehmendem Äußeren, sehr zivilisiertem Benehmen und ausgesprochen ausgeprägter Anteilnahme an Seyonne. Er verhält sich ihm gegenüber nicht nur höflich, sondern ausgesprochen freundlich, ja, er scheint sogar echte Zuneigung für ihn zu empfinden und bietet ihm an, ihn im Gebrauch neuer Magie zu unterweisen. Das soll der gefürchtete, rachsüchtige, blutrünstige Gott sein, der vor tausenden von Jahren eingesperrt wurde, um die Welt vor endgültiger Vernichtung zu bewahren?

Tatsächlich hat die Autorin mit Nyel einen faszinierenden Charakter geschaffen – intelligent, vielschichtig und unergründlich, und trotz der Tragik, die ihn umgibt, niemals kitschig oder schmalzig. Das ist ausgesprochen gut gelungen. Die Lady ist nicht ganz so intensiv ausgearbeitet; weit wichtiger als ihre Person sind die Informationen, die Seyonne von ihr erhält.

Auch Seyonne macht in diesem Band eine erstaunliche Wandlung durch, allerdings nicht ganz von allein. Grob gesagt besteht das Buch aus dem Duell zwischen Seyonne und Nyel, sogar bereits zu einem Zeitpunkt, als noch keiner der Beteiligten, weder Charaktere noch Leser, dies überhaupt realisieren. Ganz allmählich baut die Autorin diesen Kampf auf, während es noch so scheint, als läge das Hauptaugenmerk im Augenblick noch auf Aleksanders Bemühungen, seinen Thron zurückzugewinnen. Erst als Seyonne Aleksander verlässt, um nach Kir’Navarrin zu gehen, wendet sich die Aufmerksamkeit der eigentlichen Thematik zu, aber selbst jetzt gelingt es der Autorin noch, die Verstärkung des Konflikts unter der Decke zu halten. Was die Falle so subtil macht, ist die Tatsache, dass Nyel Seyonne offenbar überhaupt nicht bekämpfen will. So kommt es, dass Seyonne das subtil geknüpfte Netz erst bemerkt, als der Leser schon längst ausgesprochen misstrauisch geworden ist!

Überraschend ist auch, wie die Autorin den Konflikt letztlich auflöst, unerwartet und gleichzeitig ohne irgendeiner der Figuren ihre Menschlichkeit zu nehmen.

_Spannung im herkömmlichen Sinne_ ist in diesem letzten Band des Zyklus mit Abstand am wenigsten zu spüren. Die gelegentlichen Scharmützel, die Aleksander auf seiner Suche nach Verbündeten ausficht, sind recht schnell abgehandelt, und die Verfolger, die der Thronräuber ihnen hinterherschickt, werden meist ohne größere Probleme ausgetrickst. Was nicht heißen soll, dass Aleksanders Flucht keine Opfer fordern würde. Aber das Hauptgewicht der Geschichte liegt auf Seyonnes Kampf mit seinen eigenen Ängsten und Befürchtungen und natürlich seinem Widersacher in Kir’Navarrin. Da es sich dabei um keinen bewaffneten Kampf handelt oder auch nur um ein offenes Duell Willen gegen Willen, bleibt die Gefahr sehr unterschwellig. Selbst der Leser, der schon recht bald misstrauisch wird angesichts von Seyonnes ungewöhnlichem Verhalten, ist sich nicht wirklich sicher, welche Maßnahmen Nyel letztlich ergreifen wird, um sein Ziel zu erreichen, bis es eigentlich schon zu spät ist.

Trotzdem fand ich das Buch nicht langweilig. Seyonnes Entwicklung, die faszinierende Persönlichkeit Nyels und die klischeefreie Auflösung der Geschichte machen das Buch allemal lesenswert. Seyonne ist zwar auch diesmal wieder mehr verwirrt als bei klarem Verstand, was erneut die besondere Stimmung zwischen ihm und Aleksander aus Band eins stark einschränkt. Trotzdem kann der Abschluss der Trilogie, wenn schon nicht mit ihrem Auftakt, so doch zumindest mit ihrem Mittelteil problemlos mithalten.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie |Rai-Kirah| und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 3: Restoration
Ins Deutsche übertragen von Simone Heller
733 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-24363|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

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