Ein wunderlicher Titel, der aber nichts mit merkwürdiger Science-Fiction zu tun hat, sondern sehr treffend beschreibt, was das Werk des in Deutschland nicht sehr bekannten Okkultisten beinhaltet. Lediglich im Magazin „Mescalito“ wurden in den achtziger Jahren Texte von Parsons veröffentlicht, mittlerweile wird man dank des Internets allerdings eher fündig.
Jack Parsons (bürgerlich John Whiteside Parsons, 1914 – 1952) war führendes Mitglied des OTO (Ordo Templi Orientis) und Lieblingskind Aleister Crowleys. Er schrieb das „Buch Babalon“, welches als viertes Kapitel des „Liber Al“ gilt und damit zum Vorläufer der Maat-Magick von Soror Nema wurde. L. Ron Hubbard, der Gründer von Scientology, arbeitete sehr eng mit ihm zusammen und brannte dann aber 1947 mit Parsons Frau und einem Batzen Geld durch, eine Aktion, die einen „magischen Krieg“ nach sich zog. Das Grundgerüst der Scientology stammt insgesamt vom OTO, wurde allerdings so verändert, dass kein direkter Zugang in die hierarchische Spitze mehr möglich ist. Parsons war ein typischer Anti-Christ, der stark gegen die repressive Sexualmoral des Christentums rebellierte, damit in der Boheme starken Anklang fand und in der Öffentlichkeit ebenso wie Crowley mehrfach für Skandale sorgte.
„Dem Himmel das Feuer stehlen“ – ein solcher Titel lässt vor meinem inneren Auge Prometheus erscheinen, wie er – dem Verbot des „Allvaters“ Zeus zuwiderhandelnd – das Feuer der Erkenntnis vom Sonnenwagen des Helios stiehlt, um es den von ihm geschaffenen Menschen zu schenken. Der Untertitel „Eine Technik zur Erschaffung individueller Zaubersysteme“ scheint ebenfalls Großes zu verheißen: Hat der amerikanische Magier Stephen Mace hier tatsächlich eine Art richtungsweisendes Modell entwickelt, welches es dem willigen Adepten ermöglicht, ein individuelles, auf ihn persönlich ausgerichtetes Zaubersystem maßzuschneidern? Und falls ja, läuft dies gar auf einen prometheischen Akt hinaus, welcher die schöpferische Kraft den „göttlichen“ Entitäten entreißt, um sie wieder in die Hände des Menschen zurückzulegen?
Um die Antwort gleich vorweg zu geben: Nein, Mace tut etwas ganz anderes. Wer mit dem Titel dieses dünnen Buches aus dem |Bohmeier|-Verlag ähnliche Dinge assoziiert hat wie ich, braucht ab hier eigentlich gar nicht mehr weiterzulesen. Andererseits sind persönliche Erwartungen immer eine recht subjektive Angelegenheit. Lassen wir den Titel also mal außen vor und schauen, was das Buch inhaltlich zu bieten hat.
„Dem Himmel das Feuer stehlen“ ist laut Auskunft des Autors eine Synthese aus den magischen Lehren von Abramelin, Aleister Crowley, Austin Osman Spare sowie der persönlichen Erfahrungen von Stephen Mace selbst. Das Resultat dieser Verschmelzungsarbeit beruht, wie bereits zu Beginn des Buches deutlich wird, auf einem einzigen magischen Paradigma: Dem so genannten „Geistermodell“. Dieses Modell ist bezeichnend für den traditionellen Schamanismus, aber auch (zumindest teilweise) für Magier wie Franz Bardon oder Gregor A. Gregorius, sowie die Magie des |Golden Dawn| und des O.T.O. (vgl. etwa „Schule der hohen Magie“ von Frater V.D.). Es basiert auf der Grundannahme, der Magier interagiere mit real existierenden, externen Wesenheiten. Mace fügt hier noch ergänzend hinzu, dass wir „Geister“, „Götter“ und „Dämonen“ auch als Aspekte unserer Psyche interpretieren könnten. Der inhaltliche Rahmen ist jedoch festgesteckt – daran kann angesichts der im Buch vorgestellten Techniken überhaupt kein Zweifel bestehen. Paradigmenwechsel werden hier gar nicht erst in Betracht gezogen.
Ich werde im Folgenden nicht die praktische Effizienz der einzelnen beschriebenen Techniken bewerten. Ob und inwiefern Magie im Einzelnen funktioniert, ist eine Frage der persönlichen Überzeugung und Erfahrung. Zur Debatte steht allerdings sehr wohl, was Mace verspricht, und was er davon einhalten kann. (Es ist ein beliebter Trick in der Okkultbranche, sich auf vage Andeutungen zu beschränken, um auf kritische Nachfrage hin zu verkünden, der „wahre“ Adept würde sich das Nötige schon von selbst zusammenreimen.) In erster Linie geht es hier also um folgende Leitfragen:
* Ist das von Mace beschriebene Modell in sich schlüssig und kohärent?
* Vermittelt es Inhalte und Techniken, welche in dieser Form neu sind?
* Kann der Leser anhand dieses Modells ein vollständiges Zaubersystem erschaffen, oder benötigt er darüber hinausgehend noch weitere Informationen?
Was mir gleich zu Beginn negativ auffällt: Viele Kapitel sind nur ein oder zwei Absätze lang. Dies führt unter anderem dazu, dass dieses Buch es bei gerade einmal 78 Seiten auf stolze 23 Kapitel bringt. Ich zitiere mal das vollständige (!) Kapitel Nr. 3, „Das Feuer vom Himmel stehlen“:
|“In diesem Essay bieten wir eine Technik an, welche Individuen dazu benützen können, um exakt auf ihre eigenen unbewußten Realitäten zugeschnittene Zaubersysteme zu erschaffen. Indem er unseren Anweisungen folgt, kann der Leser (oder die Leserin) sein unter der Bewußtseinsschwelle liegendes Selbst dazu anregen, seine eigenen Symbole zu entwerfen, um die Kräfte, die er darin findet, darzustellen. Sein Resultat wird in der Essenz eine persönliche Sprache der Kraft sein, eine, die nur für ihn selbst von Bedeutung ist, doch voll Potential, da es seine eigene Seele ist, die sich auf diese Art und Weise ausdrückt.“|
Es geht also um die Erschaffung persönlicher Symbolismen innerhalb des Paradigmas „Geistermodell“, nicht etwa um die „Erschaffung persönlicher Zaubersysteme“. Letzteres würde nämlich implizit voraussetzen, dass jeder Magier mit dem Geistermodell arbeitet. Wenn man davon einmal absieht, besteht aber immerhin noch die Möglichkeit, dass Mace ein paar interessante Anregungen zur Erschaffung persönlicher Riten vermittelt.
Zunächst erläutert Mace, dass Magie a) das Führen eines magischen Tagebuchs und b) hartes Training erfordert. Soweit nichts Neues. Sodann stellt Mace ein Bannungsritual vor, welches ihm vorgeblich durch seinen Lehrer Frater O.T.L. übermittelt wurde. Bei diesem vorgefertigtem Ritual fallen mir spontan zwei Kritikpunkte auf: Zum einen ist es keineswegs erwiesen, dass Bannungsrituale überhaupt notwendig sind (vgl. etwa Frank Lerch). Zum anderen mag es tatsächlich einen bestimmten Glaubenssatz im Unterbewusstsein verankern, wenn man sich regelmäßig vorstellt, man sei von einer Hülle aus weißem Licht umgeben. Weshalb dies aber nun dazu führen soll, „viele der gewohnten Abwehrhaltungen aufzugeben“, ist mir auch nach wiederholter Lektüre nicht ganz klar.
Im nächsten Kapitel, „Beschwörungen“, erläutert Mace, wie ein Magier seine psychische Energie kanalisieren soll, um Veränderungen gemäß seines Willens zu bewirken. Die zu beschwörenden „Geister“ stehen innerhalb dieses Paradigmas für die einzelnen Aspekte der eigenen Psyche. Mace geht hier von einem dualistischen Prinzip aus: Stärke, was gut für dich ist, und schwäche, was schlecht für dich ist. Gerade aus psychologischer Sicht ist diese Strategie jedoch äußerst zweifelhaft. Unsre „schlechten Angewohnheiten“ resultieren nämlich oftmals aus unbewussten Ängsten, Wünschen und Sehnsüchten, welche eigentlich etwas Positives für uns bedeuten. Das Problem ist also eher kommunikativer Natur, weil wir uns in diesen Fällen nicht bewusst machen, was wir |eigentlich| wollen. Anstatt den „inneren Schweinehund“ (wer will schon so genannt werden?) zu exorzieren, sollte man sich also lieber mit ihm symbolisch in Verbindung setzen, um ihn zu befragen, weshalb er sich so verhält, wie er es tut.
Leider stellt sich an dieser Stelle auch heraus, dass Mace sein magisches Modell auf Moralvorstellungen aus der judäochristlichen Mystik stützt:
|“Wenn du Magie benutzt, um ‚zu bekommen‘ (ob Reichtum, deinen Fick oder deine Rache), statt ‚zu erkennen‘ oder ‚einzutauschen‘ oder ‚zu machen‘, wirst du eine Mauer zwischen dir und dem Rest des Universums errichten – zwischen dem Empfänger und dem Empfangenen – und dich auf diese Weise von der Quelle deiner Kraft ausschließen.“|
Auf die Idee, dass auch das individuelle Selbst eine Quelle der Kraft sein kann, scheint Mace noch nicht gekommen zu sein. Da ist es natürlich um so verständlicher, dass er noch kurz zuvor behauptet hat, in der magischen Theorie verschmelze „unser unbewußtes Gemüt letztendlich mit jenem Gottes“.
Die traditionellen Magiesysteme (Mace nennt hier Kabbala, Voodoo und Rosenkreuzertum) haben bei ihren Beschwörungen mit der Technik ritueller Identifikation gearbeitet. Mace stellt als Alternative das Prinzip von Austin Osman Spares „aktivem Vergessen“ vor. Im anschließenden Kapitel folgt dazu noch eine Anleitung zur Sigillenerschaffung gemäß Spares Ideen. Diese Technik wurde bereits in etlichen anderen Büchern |en detail| beschrieben, weshalb ich hier auf eine erneute Wiederholung verzichte.
Im nächsten Kapitel geht es um die „errettende Gnade des Fehlschlags“. Hinsichtlich eines Argumentes muss ich Mace hier absolut beipflichten: Anstatt sich seinen Willen passiv von der Welt aufoktroyieren zu lassen, ist es auf jeden Fall besser, zunächst an sich selbst zu arbeiten. Ansonsten besteht stets die Gefahr, dass Wünsche in Erfüllung gehen, die man bei näherer Betrachtung eigentlich gar nicht gehabt hätte. {Anm. d. Lekt.: Willkommen in der Konsumgesellschaft.}
Ansonsten kommen hier wieder die Moralvorstellungen des Weißlicht-Magiers durch: Handle nie selbstsüchtig, attackiere andere nur zu Verteidigungszwecken usw. Als Beispiel führt er Kollegen an, welche diese Grundsätze missachteten, und danach „Schicksalsschläge“ erlitten. Ich bin überzeugt: Wenn diese Kollegen nicht fiktiver Natur sind, dann haben sie zumindest seine moralischen Prinzipien geteilt. Wer davon überzeugt ist, in magischer Weise „gesündigt“ zu haben, muss sich auch nicht wundern, wenn der Schaden dreifach zurückkommt.
Nachdem die theoretische Basis errichtet wurde, geht es nun an die rituelle Praxis. Mace bekräftigt noch einmal, dass sein Modell auf der psychologischen Ebene arbeite. Die dabei nun folgenden Kapitel über das automatische Zeichnen, das Konzipieren persönlicher Buchstaben, die Astralprojektion, den heiligen Schutzengel, die Todesstellung und die Erstellung von Talismanen haben alle eines gemeinsam: Nach der Lektüre ist man zwar informiert, was die einzelnen Techniken bezwecken sollen, und wer dies in der magischen Historie bereits getan hat, aber wie man dies selbst konkret bewerkstelligen soll, bleibt weiterhin offen. Meist bleibt es bei Anmerkungen wie „lade eine Sigille darauf und meditiere über das Ergebnis“. Mich hat beim Lesen öfter das Gefühl beschlichen, dass Mace mit Vorliebe dann ein neues Kapitel beginnt, wenn es eigentlich zum Kern der Sache kommen müsste.
Ich will nicht abstreiten, dass Maces Beschreibungen der einzelnen Themenbereiche durchaus in sich schlüssig sind, aber für Anfänger sind seine Ausführungen aufgrund der geringen Informationsdichte ungeeignet, und wer sich entweder anderweitig oder autodidaktisch das entsprechende Wissen angeeignet hat, braucht „Dem Himmel das Feuer stehlen“ nicht mehr.
Die abschließenden Betrachtungen von Mace zu Thelema sowie sein „Ritual des Ungeborenen“ sind im Grunde am Thema vorbei geschrieben. Um zu meinen obigen Leitfragen zurückzukehren:
Das Buch ist in einer pragmatischen Sprache gehalten, und grobe logische Schnitzer sind mir nicht aufgefallen. Die Übergänge und Abgrenzungen zwischen den Symbolismen des Geistermodells und seinen psychologischen Grundlagen werden jedoch bestenfalls angerissen. Wirklich neu waren für mich nur die Ausführungen zu einigen Techniken von Spare, was aber vermutlich daran liegt, dass ich Spare bisher noch nicht im Original gelesen habe. Zu den moralischen Überzeugungen von Mace habe ich mich ja oben schon geäußert.
Es heißt zwar „Don`t judge a book by its cover“, aber es ist wohl nicht besonders unfair, wenn ich nach der Lektüre von „Dem Himmel das Feuer stehlen“ sage, dass ich gerne mal ein Buch über die Erschaffung individueller Zaubersysteme gelesen hätte.
Bram Stoker veröffentlichte 1897 einen Roman, der gleichzeitig den Höhepunkt und das Ende der Gothic Novel bezeichnen sollte: [„Dracula“ 210. Stokers Figur des Vampirs hat unsere Wahrnehmung der Blutsauger so nachhaltig geprägt, dass die Worte „Dracula“ und „Vampir“ in vielen Fällen synonym verwendet werden. Dracula ist ein Verführer, aber auch ein ruchloser Killer. Besonders interessant an Stokers Roman ist die Tatsache, dass der Vampir nur im ersten Drittel wirklich auftaucht. Danach glänzt er durch Abwesenheit und wird durch die Beschreibung der handelnden Figuren nur noch mysteriöser, grausamer, blutgieriger und unbesiegbarer. Stokers Dracula ist ein Monster, das nichts anderes verdient hat, als am Ende des Buches zu Staub zu zerfallen.
Doch wollen wir heutzutage wirklich noch, dass der Vampir am Ende unterliegt? Es scheint nicht so und ein Beweis dafür sind die erfolgreichen Vampir-Romane von Anne Rice („Die Chronik der Vampire“). Sie hat die leblose Gestalt des Untoten in eine moderne Figur verwandelt, mit der sich der Leser tatsächlich identifizieren kann. Ihre Vampire sind empfindsam, sie stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Sie wollen ihre eigene Existenz erforschen und sie fühlen sich von der Unendlichkeit und Einsamkeit ihres Daseins erdrückt. Dies alles scheinen Eigenschaften zu sein, die heutige Leser ansprechen – so weit ansprechen, dass sie sich selbst wünschen, Vampire zu sein.
Katherine Ramsland kennt sich mit Vampiren aus, zumindest mit fiktiven. Sie hat mehrere Bücher über Anne Rice veröffentlicht, unter anderem auch eine Biographie. In ihrem hier vorliegenden Bericht (nennen wir es mal so) hat sie sich nun an den realen Vampir herangewagt. Sie wollte herausfinden, ob es tatsächlich Wesen gibt, die nachts durch die Gegend streifen und das Blut ihrer Opfer trinken. Anlass für ihre Recherchen war das Verschwinden von Susan Walsh 1996. In „Vampire unter uns“ beschreibt Ramsland Susan Walsh als aufstrebende Journalistin, die bis zu ihrem großen Durchbruch in einem Striplokal arbeitet und im Vampirmilieu von New York forscht. Das Transcript von „Unsolved Mysteries“ auf FOX spricht eine etwas andere Sprache: Susan Walsh hatte auch schon früh in ihrem Leben Bekanntschaft mit Alkohol und Drogen gemacht. War ihr Verschwinden also den Vampiren geschuldet? Wurde sie entführt, getötet, weil sie einer Verschwörung oder großen Geheimnissen auf der Spur war? Oder ist sie „einfach“ wieder ins Drogenmilieu abgerutscht – profan und überhaupt nicht übernatürlich? Fragen, die im Buch von Katherine Ramsland nicht gelöst werden. Sei’s drum – Susan Walsh ist Ramslands Vorwand, sich tief in die amerikanische Subkultur vorzuwagen.
Zunächst geht sie es allerdings vorsichtig an. Sie recherchiert im Internet und macht einige interessante, aber in ihren Ansichten auch widersprüchliche Vampirsites ausfindig. Sie verbringt Nacht um Nacht in Vampir-Chats und knüpft dort Kontakte. Bald verselbstständigen sich diese und ihr Buch bewegt sich daraufhin zwischen Conventions, wissenschaftlichen Symposien, S/M-Clubs und Fetischpartys.
Um es kurz zu machen: Ja, es gibt Vampire. Es gibt Menschen, die sich von der Natur des Vampirs genug angezogen fühlen, dass sie sich nicht nur in der Gothic-Szene bewegen (dass die Vampire aus „Vampire unter uns“ alle schwarz tragen, ist wohl selbstverständlich), sondern auch anfangen, Blutspiele in ihre Sexpraktiken einzubauen oder ihre Haustiere auszusaugen. Ramslands Interviews zeigen recht deutlich, dass der moderne Vampir sein Verlangen nach Blut oft an Sex koppelt. Die Hingabe des Opfers an eine übermenschliche Figur, die totale Aufgabe des eigenen Selbst ist dabei nur noch eine Täuschung. Denn auch Vampire können sich böse Krankheiten einfangen. So ist das Einverständnis des Opfers in der Regel Voraussetzung. Und viele der beschriebenen Vampire leben ohnehin in einer festen Beziehung. Somit ist die Rolle des Opfers gewollt – es zieht aus dem Blutaustausch ebenso seinen Vorteil wie der Vampir.
Die interessanteste Frage aber, warum nämliche Menschen zu Vampiren „werden“ (schließlich handelt es sich ja um eine bewusste Entscheidung), bleibt oberflächlich betrachtet und ungeklärt. Von einer studierten Philosophin und Psychologin (Ramsland wird nicht müde, ihre akademische Bildung zu betonen) hätte ich tiefere Einsichten in dieses kulturelle Phänomen erwartet. Sie liefert keine Lösungen; möchte man tiefer in die Materie eindringen, so muss man ihr Material genau und kritisch lesen und sich selbst seine Gedanken dazu machen. So scheint das (sehr junge) Vampirphänomen auf drei Hauptvoraussetzungen aufzubauen: Wie eingangs schon erwähnt, hat Anne Rice den Vampir zu einer romantischen Figur gemacht. Für den Leser ist es sowohl verführerisch, sich einen Vampir herbeizuwünschen, wie sich einzubilden, selbst ein Vampir zu sein. Eine Identifikation auf dieser Ebene ist mit dem guten alten Dracula nicht möglich. Anne Rice spiegelt in ihren Romanen moderne Probleme – die Probleme der Generation X nämlich. So liefert ein Psychologe in Ramslands Buch eine sehr interessante Theorie, die einen Zusammenhang zwischen Vampirkultur und Generation X zu beweisen sucht: Sie entstammen zerrütteten Familien, haben das Vertrauen in die Gesellschaft und ihre Politik verloren und nehmen ihre Zeit als eine Zeit des Niedergangs und Zerfalls wahr. In dieser Gesellschaft fühlen sie sich einsam und als Außenseiter – da wird der Vampir die perfekte Projektionsfläche.
Ein weiterer Faktor ist das Rollenspiel „Vampires: The Masquerade“, das 1991 von White Wolf entworfen wurde und eine große Anhängerschaft besitzt. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass in Rollenspielen nur versteckte Vampire agieren: Dennoch, das Rollenspiel hat zur Popularisierung des modernen Vampirs beigetragen (unter anderem auch mit einer kurzlebigen Fernsehserie) und kann Anziehungspunkt für zukünftige Kinder der Nacht sein.
Ein dritter – und sehr wichtiger – Punkt ist meiner Ansicht nach das Internet. Katherine Ramsland ergeht sich nicht umsonst in der Beschreibung ihrer umfangreichen Online-Recherchieren und durchchatteten Nächte. Es scheint, als würde die Anonymität des Internets der Vampirsubkultur in die Hände spielen. Webseiten und Chats ermöglichen eine übergeordnete Organisation dieser Subkultur und machen es einfacher, Menschen mit den selben Vorlieben und Interessen (für Blut) ausfindig zu machen. Außerdem ist es in einem so anonymen Medium einfacher, Rollen und Identitäten auszuprobieren und zu erfinden. So kann der zukünftige Vampir im Chat zuerst virtuell testen, wie seine Vampiridentität „ankommt“.
Wenn sich Ramslands Interviews und Recherchen auch spannend lesen (und manchmal kann man sich eines gewissen „Ick-Faktors“ nicht erwehren), so haben sie doch einen fahlen Beigeschmack. Das liegt zum größten Teil daran, dass Ramsland ihre Interviews mit Vampiren unreflektiert im Raum stehen lässt. Als Psychologin versucht sie nicht, auch bei augenscheinlich schizoiden Persönlichkeiten, das Verhalten ihrer Gesprächspartner zu deuten. Sie bleibt fast immer neutral. Das lässt sie leichtgläubig scheinen und erweckt beim Leser zeitweise sogar das Gefühl, dass es sich um ein zumindest teilweise fiktionales Buch handelt. Haben sich ihr all diese Vampire wirklich so freimütig anvertraut? Ich habe nicht das Gefühl. Vielmehr schien mir bei der Lektüre, dass sie es mit drei unterschiedlichen Typen von Menschen zu tun hatte: Da waren zum einen Personen, die sie augenscheinlich auf den Arm nehmen wollten und sich Geschichten ausdachten. Manche Erzählungen klingen so phantastisch und romantisierend, dass man sich dieses Eindrucks einfach nicht erwehren kann. Dann scheint es eine weitere Gruppe von Menschen zu geben, die zwar glauben, was sie erzählen, dies aber nicht wirklich erlebt haben. Überschäumende Phantasie also oder Schizophrenie? Und die letzte Gruppe sind dann die wirklich Aufrichtigen – bei einigen Personen ist man sich sicher, dass sie die Wahrheit sagen und dass sich die Dinge so abgespielt haben können.
„Vampire unter uns“ ist damit ein Buch, das man auf jeden Fall einer kritischen Lektüre unterziehen sollte. Da die Autorin selbst kaum Antworten, sondern nur eine Stoffsammlung liefert, muss man sich darauf einstellen, eigene Denkarbeit leisten zu müssen. Ansonsten wäre das Buch nur ein weiteres im Regal „Horror“ – mit besonderem Kick natürlich, da man den Zusatz „real“ als besonders schaurig empfinden kann.
Homepage der Autorin: http://www.katherineramsland.com/
Der Name „Kelten“ ist der Oberbegriff für die vor allem in Westeuropa ansässigen gallischen, britannischen und galatischen Stämme, die ihre geschichtliche Blütezeit vom 6. Jhd. v.Chr. bis ins 1. Jhd. n.Chr. erlebten, bevor sie endgültig romanisiert wurden (natürlich bis auf das berühmte gallische Dorf…). Die Faszination ihrer Kultur aber strahlt bis in die heutige Zeit und ist ein fester Bestandteil des europäischen Erbes. Die mittelalterlichen Geschichten um König Artus, die auf keltische Quellen zurückgehen, erfreuen sich bei modernen Romanschriftstellern von Bradley bis Lawhead großer Beliebtheit; besonders in Frankreich versuchen Wissenschaftler und Publizisten wie Jean Markale sich auf keltische Wurzeln zu besinnen; in der esoterischen Szenerie spielen der irische Elfen- und Feenglaube eine wichtige Rolle. Mit dem Buchtitel „Wiederkehr der Kelten“ war es auf den Punkt gebracht – die Kelten sind in.
Das lockt natürlich einige Autoren an, die versuchen auf dieser Welle mitzuschwimmen. Leider gehört auch das vorliegende Buch dazu. Denn mit „keltischer Magie“, wie es der englische Originaltitel verspricht, hat das Ganze nur wenig zu tun. Natürlich ist über die magischen Techniken der Kelten nicht viel überliefert und es war von vornherein klar, dass es sich um eine Neuinterpretation handeln würde. Wäre ja auch keine Problem gewesen, denn schließlich ist es legitim, an alte Symbole in moderner Form anzuknüpfen. Doch die Autorin hat kein Buch über keltische Magie, sondern eins über Wicca geschrieben, das ein wenig „keltisch“ aufpoliert wurde. Wicca lebt aber aus einem anderen Geist, benutzt synkretistisch alle möglichen Symboliken und geht von einer Urreligion der Großen Göttin und ihres Gehörnten Jägers aus. Insofern ist dieses Buch eher für Leser interessant, die etwas mit Wicca anfangen können.
Dieser Eindruck wird in der deutschen Ausgabe noch dadurch verstärkt, dass die im englischen Original befindlichen Kapitel über Kultur und Sagen der Kelten einfach herausgekürzt wurden. Was sich der Verlag dabei gedacht hat, ist mir schleierhaft. Übriggeblieben ist davon nur das – mit Wicca-Ideologie überfrachtete – kurze Lexikon keltischer Gottheiten. Die Wirkung dieser Ideologie kann man wunderbar beobachten, wenn Conway alle möglichen weiblichen Gottheiten/Wesenheiten in den einen Große-Göttin-Topf wirft – frei nach dem Motto: „Alles derselbe Brei“. Für die Kelten stellte sich das aber aller Wahrscheinlichkeit nach anders dar. Ein bisschen mehr Respekt der alten Tradition gegenüber wäre da wohl angebracht, und zwar nicht nur verbaler, sondern auch methodischer Art!
Natürlich dürfen bei den praktischen Anweisungen für Kesselmagie die Zauber für Geld und Liebe nicht fehlen. Für den etwas spiritueller orientierten „Wicca-Kelten“ hält sie allerlei New-Age-Mummenschanz und Allgemeinplätze parat: „Die keltische Magie arbeitet ganz bewusst mit mit den Kräften planetarer und natürlicher Energien. Es ist eine Magie, die sich in Harmonie mit unserem Planeten, ja mit unserem eigentlichen Selbst befindet.“ oder das beliebte Sprüchlein: „Tun Sie, was Sie wollen, wenn Sie keinem Wesen dabei schaden.“. Mit einer verblüffenden Selbstverständlichkeit ist in dem Buch die ganze Zeit von keltischer Magie die Rede: keltische Magie ist dieses…, keltische Magie ist jenes… Dabei wird hier mit dem Gestus der Gewissheit über eine Sache gesprochen, von der wir nur sehr wenig wissen.
Über ein Drittel des Buches machen verschiedene Zuordnungen von Pflanzen und Duftstoffen zu bestimmten Begriffen, Ritualen und Wesenheiten aus. Außerdem finden sich Ritualbeschreibungen, Anrufungen und verschiedene Formen der Magie, die aber alle zum Bereich der Naturmagie zählen. Fast immer beinhalten sie typische Wiccamotive. Conway beschreibt auch ihre Vorstellung von einem Orakel mit dem irischen Ogham-Alphabet. Was man Conway zugute halten kann, ist ihre manchmal sehr pragmatische Herangehensweise an die Rituale und Ritualgegenstände. Anstatt kaum realisierbare Anforderungen an den potienziellen Magier zu stellen, gibt sie Hinweise, die in der heutigen Zeit auch umsetzbar sind (z.B. für den Bau eines Altars).
Wer also praktische Anregungen für seine magische Arbeit sucht, könnte hier vereinzelt fündig werden. Da das Buch eher schlecht und teils ziemlich naiv geschrieben ist, sollte derjenige, der sich für Wicca zu interessieren beginnt, erstmal zu Starhawk oder Vivianne Crowley greifen. Keltenfans allerdings können getrost einen großen Bogen um dieses Buch machen.
Bei den Runen handelt es sich um die Schriftzeichen unserer germanischen Vorfahren, die für magische Zwecke und schriftliche Mitteilungen benutzt wurden. Eine Rune bezeichnet immer gleichzeitig einen Laut sowie einen bestimmten Begiff – so steht beispielsweise die Rune *Berkanan einerseits für den Laut b und andererseits für die Birke einschließlich ihrer symbolisch-mythologischen Bedeutung. Die Runen sind in wissenschaftlichen und esoterischen Kreisen in Bezug auf Alter, Herkunft und Deutung heftig umstritten, wobei die Diskussionsbeiträge fast immer vom weltanschaulichen Hintergrund des jeweiligen Protagonisten geprägt sind. Die Germanen selbst betrachteten – wie die Edda-Überlieferung und einige Runeninschriften übereinstimmend berichten – diese Zeichen als „reginnkunum“, d.h. götterentstammt. In der Edda wird der Ekstase-, Sieg- und Weisheitsgott Odin als Schöpfer der Runen dargestellt. Der bislang älteste anerkannte Runenfund ist die Fibel von Meldorf, die in das Jahr 50 n.Zw. datiert wird. In der Wikingerzeit wurde das ältere Futhark (Runenreihe) von 24 Runen auf 16 Runen verringert – ein Rätsel, weil der Lautstand sich eigentlich erhöht hatte.
Wenn heute der Reizbegriff „Satanismus“ angeführt wird, so schwingt stets die Reminiszenz an den „schwarzen Papst“ mit dem Wahlnamen Anton Szandor LaVey (1930 – 1997) mit, der wie kein anderer zuvor die satanische Strömung in die Moderne und in das trübe Licht der Öffentlichkeit trug. Die Grundprinzipien und Wesenszüge dieser Ausrichtung lassen sich in nahezu allen Kulturen bis in die Anfänge zurück verfolgen und aufzeigen, und speziell im europäischen Raum erwuchs gerade um 1900 der „linkshändige Pfad“ (ein tantrischer Begriff) – der allerdings nicht schlicht mit dem Schlagwort „Satanismus“ gleichzusetzen ist, aber eine breite Basis damit teilt – aus vielerlei Orden und Gruppierungen zu einem gesellschaftlich merklichen Kraftstrom, verbunden mit Namen wie Hellfire Club, Golden Dawn, Ordo Templi Orientis, Fraternitas Saturni und all den Vermischungen und Splittergruppen, aber auch mit konkreten Namen wie natürlich Aleister Crowley, wenngleich dieser weder einen reinen Satanismus praktizierte noch speziell oder gar ausschließlich die Grundidee an sich voran tragen wollte.
Mit diesem Buch liegt eine sehr gute Einführung in Theosophie, Antroposophie und Hermetik vor. Der Autor wählt als Hauptbezugspunkt die hermetische Tradition nach Bardon, um die anderen Disziplinen zu vergleichen. So erreicht er eine wichtige Distanz zu den teils widersprüchlichen oder für sich genommen schwer verständlichen Aussagen Steiners und Blavatskys. Rüggeberg gibt mehr Überblick, wo andere Autoren voreingenommen sind oder aus ideologischen Gründen Kritik keinen Platz hat. Der Autor ist mit den Themen umfassend vertraut und bietet eine gelungene Mischung aus Zitaten und erklärenden eigenen Überlegungen. Mit Rudolf Steiners oder Helena Blavatskys Originaltexten werden ‚Einsteiger‘ oft Schwierigkeiten haben, da die verwendeten Begriffe und Modelle nur wenig erklärt werden; außerdem sind – besonders bei Steiner – viele Grundzusammenhänge nicht systematisch aufbereitet. Genau hier ist vergleichende Sekundärliteratur wichtig. Angenehm fielen mir die über das Buch verteilten Tabellen auf, in denen Aspekte des Kosmos und des Menschen dargestellt werden. Rüggeberg zeigt auch Lücken und Schwachstellen auf, dabei ist er stets sachlich begründend.
Zum Anliegen des Buches schreibt der Autor: „Eine Aussage von Steiner, die ich … voll unterstreichen kann…: ‚Nichts ist schlimmer für den esoterischen Schüler, als wenn er bei einer gewissen Summe Begriffe, die er schon hat, stehen bleiben will, und mit ihrer Hilfe alles begreifen.‘ Es sind insbesondere Sätze wie dieser, die mich zur Veröffentlichung des vorliegenden Werkes veranlaßt haben, weil mir die Unlust vieler Schüler zu vergleichenden Studien gut bekannt ist. Außerdem schien es mir notwendig, auch die theosophisch-antroposophischen Lehren noch um einige Begriffe zu erweitern.“ (S. 127) Diesem Anliegen ist er gerecht geworden.
Fazit: Unbedingt empfehlenswertes Einführungswerk zur westlichen Esoterik.
aus dem Inhalt:
Akasha und die vier Elemente
Geist, Seele und Körper
Mentale, astrale und physische Welt
Die geistige Hierarchie und die Planetensphären
Der okkulte Weg zur Einweihung
Wer oder was ist Christus?
_Knut Gierdahl _
für die Zeitschrift [AHA]http://www.aha-zeitschrift.de/
Ausgabe 04/2003 (August/September)
Eremor verbindet hier Set und Satan und zeigt eine Tradition voller archaischer Bezüge einerseits und visionärer Möglichkeiten andererseits.
Als größte Schwäche erschien mir zuerst die geringe Systematik, die Kapitel bauen nicht linear aufeinander auf – dass hier der Pfad der dunklen Einweihung beschrieben wird, ist nicht immer deutlich. Doch beim Lesen wird der Vorteil dieses Aufbaus bald deutlich: die Kapitel sind für sich verständlich, man kann überall einsteigen und je nachdem, welches Thema nach welchem gelesen wird, ergeben sich immer neue Zusammenhänge. Das regt das eigene Nach- und Weiterdenken weit mehr an als jeder noch so gute, festgelegte Themenaufbau. Die Kapitel sind Puzzlestücke, die dem Leser Vorschläge machen. Du kannst sie annehmen oder nicht, wie Du willst.