Archiv der Kategorie: Skurriles & Satirisches

Barry Gould / Amelie Fichte – 11 leichte Lektionen in schwarzem Humor

Warnung: Die Art von Humor, die ihr in dieser Buchvorstellung antreffen werdet, kann eure zarten Nerven nachhaltig schädigen. Ich lehne jede Verantwortung ab und gebe keine Garantie über die Korrektheit dieser Informationen. (Nach Diktat unbekannt verreist. Das Sekretariat.)

Die Autoren

Barry Gould, 1964 in San Francisco als Kind von Hippies geboren, lebt heute in Deutschland. Er ist professioneller Comedian und tritt seit 14 Jahren mit seinen Comedyshows auf. Dies ist sein erstes Buch. Amelie Fichte, geboren 1973 irgendwo in Deutschland, studierte irgendwo Literatur und wurde schließlich Lektorin bei irgendeinem Verlag. Gould ist ihr erster Co-Autor. Mehr verrät der Verlag Ehrenwirth leider nicht über die beiden Autoren.

Das Titelbild

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W., Moses (Wieczorek, Moses) – Das rockt! Bekenntnisse eines Heavy Metal Fans (Roman)

„Das Rockt! – “Bekenntnisse eines Heavy Metal Fans“ ist die Geschichte eines Hard Rock Fans auf seiner Odyssee, sich selber, seine Musik und den Rest der Welt in einen harmonischen Dreiklang zu bringen. Was Rocko Shamoni mit „Dorfpunks“ und Heinz Strunk mit „Fleisch ist mein Gemüse“ für den Punk und die Unterhaltungsmusik geschrieben haben, liefert Moses W. für den Hard Rock: eine authentische Fanbiographie, die als amüsante Lebensbeichte offen und laut viel Schönes, aber auch viel Unschönes an den Tag legt. ATZE SCHRÖDER, COMEDIAN: “Dieses Buch, nein Werk, war überfällig. Mit gewaltiger, facettenreicher Sprache schildert Moses ein musikalisches Beziehungsdrama, bei dem Einsamkeit, Wahnsinn, Sex und Liebe die Dramaturgie übernommen haben.“ (Verlagsinfo)

Moses Wieczorek ist ein echtes Ruhrpott-Original. Aufgewachsen in einem Essener Stadtteil, erkannte der Mann in den Achtzigern die Zeichen der Zeit und widmete sich der besonders in der Industriezone Rhein/Ruhr geliebten harten Musik. Bands wie AC/DC und KISS waren es, die ihn lockten, bevor er dann bei Veranstaltungen wie dem |Monsters Of Rock| schon zum Edelfan geschlagen wurde, der jedoch stets sein Dasein als Fan mit ein wenig Ironie betrachtet hat – zumindest nachdem er selber als Musiker diverser Bands erkannt hat, wie die Mühlen des Business mahlen. Heuer verdingt sich Wieczorek als Comedian und neuerdings auch als Schriftsteller.

Während eines Auftritts seiner letzten Band erkannte er, welche Entertainer-Qualitäten in ihm steckten, und entwickelte sich auf diesem Gebiet immer weiter. Heuer zählt er mit diversen Live-Programmen zu den angesagtesten Comedy-Stars der Bühnenszene und hat mit Kollegen wie Atze Schröder auch Fürsprecher auf seiner Seite, die im witzigen Geschäft ein gewichtiges Wort mitreden dürfen. Doch wie es überhaupt dazu gekommen ist, wie aus dem Heavy-Metal-Fan Moses W. der Mann wurde, der er heute ist, und wie ihn die Musik in seiner Jugend und im frühen Erwachsenenalter geprägt hat, das erzählt er in seinem unterhaltsamen 2007er Buchdebüt „Das rockt!“.

Und die Geschichte des Essener Jung rockt in der Tat, denn das, was er in „Das rockt!“ beschreibt, sowie sein zynischer Überblick über all die Dinge, die sich innerhalb der Szene Jahr für Jahr wiederholen, sorgt nicht nur für ständige Lacher, sondern ist auch noch intelligent verfasst, ohne dass sich Wieczorek hierbei über die allseits beliebten Klischees auskotzt. Klar, Gruppen wie MANOWAR und die SCORPIONS werden natürlich mächtig auf die Schippe genommen, die soften Vertreter der Metal-Zunft bekommen ihr Fett weg, und der Autor maßt sich auch an, zu analysieren, für wen der Metal bestimmt ist und für wen eher nicht, aber Herr W. rezitiert nicht ständig das, was im Blätter- und Buchwald ständig als angesagt gilt. Andererseits ist „Das rockt!“ auch kein sarkastischer Faustschlag in die Tiefenzone wie etwa die bisherigen Werke von Till Burgwächter.

Wieczorek bleibt niveauvoll, stichelt aber dafür in einem Rundumschlag in allen Teilen der Szene herum. Die Frisuren der 80er-Standard-Rocker – Stichwort: vorne Rostock, hinten Woodstock – werden noch einmal näher befönt, die Diskussion um die Lautstärkeregelung erneut gestartet, die Bedeutung von Cover-Zeichnungen und Germanismen innerhalb der Texte englischsprachiger Bands einer Untersuchung unterzogen und dies alles im Kontext der Entwicklung der gesamten Szene betrachtet. So ist sich der Autor auch der neuesten Strömungen ‚unserer‘ Musik bewusst, was sich in seinen kurzen Seitenhieben Richtung LORDI zeigt. Aber der Mann erweist sich selbst hier verständnisvoll, schließlich ist auch ihm mächtig einer abgegangen, als KISS anno ’96 die Reunion-Maskerade gestartet haben – selbst wenn auch dem Autor klar war, dass sich hinter all dem oberflächlichen Rock ’n‘ Roll eigentlich nur Beutelschneiderei verbarg.

Und so erzählt er seine Geschichte parallel zu der des Heavy Metal, beschreibt Erfahrungen und macht den Leser hier und dort auch schon mal neidisch, schließlich hat der Mann innerhalb dieser Szene auf allerlei Ebenen schon etwas erlebt. Dennoch möchte er keinesfalls über den Dingen stehen oder sich sogar als kritischer Prediger und Verfechter wahrer Werte präsentieren, das verbietet ihm alleine sein toller, intelligenter Humor, aber auch seine nach wie vor anhaltende Stellung als echter Fan. Denn so sehr er sich über manche Sachen auch amüsiert, genauso steht er auch wieder hinter manchen Dingen, die er ausschlachtet, und das macht seine Schreibe ebenso sympathisch wie der wirklich abwechslungsreiche, teils autobiografische Inhalt von „Das rockt!“

Unterm Strich

Was genau verbirgt sich also nun hinter dem Buch? Nun, kurz gefasst hat Moses W. aus vielen Aspekten, die das Leben des Hardrockers seit dem Anbeginn des Fandaseins beschäftigen, eine ganze Reihe Elementares herausgefischt, es kurz, kritisch und vor allem witzig in seinen Gedanken porträtiert und Texte erschaffen, mit denen sich (anders wie zum Beispiel bei Burgwächter) niemand angegriffen fühlen muss und über die selbst Betroffene sicherlich augenzwinkernd grinsen werden. Kurzum: Ein richtig tolles Buch eines aufstrebenden Comedy-Stars und Heavy-Rockers, dessen stets spontane Berichterstattung das Salz in der Suppe auf dem diesjährigen hart rockenden Büchermarkt darstellt. Uneingeschränkt empfehlenswerte Lektüre!

Der Autor

Moses W. macht Stand up- und Musik-Comedy. Er war mit Kurzauftritten u.a. bei NightWash, Starsearch sowie im Quatsch Comedy Club zu Gast, spielt darüber hinaus seit sieben Jahren abendfüllende Soloprogramme. 2002 war er bei Rock am Ring und Rock im Park, zeitgleich mit Ozzy Osbourne, als Comedian im „House of Comedy“. Moses W. ist Gitarrist der Queen-Comedy-Tribute-Band „Burger Queen“. Ein wichtiges Thema in seinen Programmen ist die Liebe zur Musik und speziell zum harten Rock. Moses W. ist Deutschlands einziger Komiker, der dieses Thema auf die Comedy-Bühnen bringt. (Amazon.de)

Taschenbuch: 196 Seiten
ISBN-13: 978-3939106074

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Walter Moers – Der Fönig. Ein Moerschen.


Der Furzwellensender mahnt: Kasse dich furz!

Eines Tages erwachte der Fönig zum Gezwitscher einer Fohlmeise, eines Folibris und eines Faninchens, denn in seinem Fönigreich wurden alle Ks durch Fs ersetzt. Ein Moerschen für Erwachsene. (Verlagsinfo) Wieder einmal hat der Vater von Käptn Blaubär und dem kleinen Arschloch zugeschlagen: „Der Fönig“ versetzt die Republik in einen kollektiven Lachkrampf. In „Der Fönig“ verbindet Moers Sprachspiel mit gekonnter Zeichenkunst zu einem recht irrwitzigen Comic-Cocktail – nicht nur für Erwachsene.
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Dave Barry – Die Achse des Blöden. Eine politische Evolutionstheorie der USA

US-Politik als Entertainment

Kaum zu glauben, aber nach Umfragen seriöser Meinungsforschungsinstitute halten mehr als 54 % aller Amerikaner die United States Constitution für ein (erfolgloses) Eishockey-Team. Mit anderen Worten: Kaum ein Amerikaner hat seine Verfassung je gelesen. Obwohl sie ihm doch u. a. das Recht einräumt, unwichtige Post ungeöffnet wegzuschmeißen. Dave Barry dagegen kennt die Verfassung. Und er weiß auch, was es mit der amerikanischen Politik insgesamt auf sich hat: Worum ging es bei der Boston Tea Party wirklich? Was ist der Unterschied zwischen einem Chief Secretary und einem Chief Chief Secretary? Wie wird man Präsident? Und was bestimmt die Geschicke der amerikanischen Nation wirklich? (Verlagsinfo)
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Norman Spinrad – Bilder um 11. Zukunftsroman

Leipzig in L.A. – exklusiv: spannende Mediensatire

Norman Spinrad hat eine bitterböse, aber sehr engagierte Abrechnung mit den Themen Ökologie, Terrorismus und Medienmacht geschrieben, die von der ersten bis zur allerletzten Seite in Atem hält (es gibt Verschaufpausen, keine Sorge).

Spinrad ist kein Amateur auf dem Gebiet: 1967/68 verursachte er mit seinem Medien-Roman „Champion Jack Barron“ einen Skandal, in dessen Folge das Buch im Unterhaus diskutiert und von einer Buchhandelskette verbannt wurde.

In „Bilder um 11“ – der Fortsetzung? – stellt Spinrad sein umfangreiches, kompetentes Insiderwissen über die Medienindustrie, besonders das US-Fensehen, unter Beweis. Aber auch Gebiete wie den Vietnamkrieg und Baseball, Amerikas Nationalsport, nutzt er auf vielfältige Weise.
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Randall Munroe – HOW TO – Wie man’s hinkriegt: Absurde, wirklich wissenschaftliche Empfehlungen für alle Lebenslagen

Die Verlagsinfo:

xkcd-Fans aufgepasst: Nach »What if?« jetzt der weltoriginellste »Self-Help-Guide« von Randall Munroe!
Für jede Aufgabe, die sich uns stellt, gibt es einen richtigen Weg, einen falschen, und einen, der so offensichtlich absurd ist, dass man ihn niemals in Betracht ziehen würde. »How to« ist eine Anleitung zu diesem dritten Ansatz. Es zeigt uns, wie wir digitale Daten versenden, indem wir USB-Sticks an Zugvögeln befestigen. Wie wir unserem Auto Starthilfe geben, indem wir elf Jahre auf eine Sonneneruption warten. Wie wir herausfinden, ob wir zur Generation der Babyboomer gehören oder ein Kind der Neunziger sind – nämlich, indem wir die Radioaktivität unserer Zähne messen lassen. Und wir erfahren, wie wir endlich pünktlich zu Verabredungen kommen: indem wir mal eben den Mond zerstören. Mit seinen berühmten Strichzeichnungen erklärt Randall Munroe, wie man einfache Probleme auf die allerschwierigste Weise bewältigen kann. Wie schon sein Bestseller »What if?« ist »How to« witzig und horizonterweiternd und hilft uns zu verstehen, welche wissenschaftlichen und technischen Phänomene unserem Alltag zugrunde liegen.

Mein Eindruck:

Was kann den Leser wohl erwarten, wenn ein Buch mit einem Warnhinweis beginnt und einer ausdrücklichen Entschuldigung, dass dieses Buch „voller schlechter Ideen“ steckt? Falls doch ein paar gute dabei wären … bittet der Autor auch noch um Entschuldigung.

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Roberts, A. R. R. R. – kleine Hobbnix, Der

Mit „Der kleine Hobbit“ begann 1937 das erfolgreichste Fantasy-Epos, nämlich „Der Herr der Ringe“. Erstmals ist dort von jenen Ereignissen die Rede, die schließlich zum großen Ringkrieg und dem Sturz des dunklen Herrschers Sauron führten. Doch Tolkien hat uns etliche wesentliche Infos vorenthalten, so etwa die, dass der kleine Hobbit eigentlich Nichtraucher war und der Zauberer fast stocktaub, von der seltsamen Redeweise der Zwerge ganz zu schweigen („Weissu wie isch mein, ey?“). Höchste Zeit also für die richtige Aufklärung, die alle Klarheiten beseitigt (oder so).

_Der Autor_

Der Name Adam Roberts ist angeblich das Pseudonym eines angeblich recht bekannten US-Schriftstellers. Ich tippe mal auf Thomas M. Disch, aber auch Philip José Farmer käme in Frage. Aber nix Genaues weiß man nicht. Und wenn man sich gewisse Feinheiten über die englischen Sitten ansieht, kommt auch ein Brite für den Job in Frage.

_Handlung_

Im idyllischen Aualand leben bekanntlich die freundlichen Hobbnixe. Das Einzige, was sie stört, sind ihre arthritischen Füße, denn sie stapfen tagein tagaus barfüßig durch die Botanik, also auch, wo’s feucht ist. Auch unser „Held“ mit dem klangvollen Namen Bingo Beutlgrabscher stöhnt in seiner heimeligen Höhle über die vermaledeiten Füße, an denen die Gichtknoten schwellen.

Gerade will er sich zum Ausruhen zurücklehnen, als es an der Tür klopft. Es ist der Zauberer Ganzalt nebst einer stattlichen Anzahl Zwerge. Sie sind zwar nicht eingeladen, stapfen aber trotzdem in Bingos Wohnhöhle. Es klopft immer noch an der Tür – Ganzalt kann den eingesetzten Klopfzauber nicht abstellen. Um seinem Sympathiequotienten einen weiteren Dämpfer zu verpassen, fängt er auch noch an, Bingos Höhle mit seiner Tabakspfeife zu verpesten, ungeachtet des gottserbärmlichen Raucherhustens, der ihn schüttelt.

Die Kommunikation mit den Zwergen gestaltet sich ähnlich schwierig wie mit dem fast stocktauben Zauberer: Sie reden nur hessisches Kanakisch [s.u.], weissu wie isch mein, ey Mann, oder? Bingo checkt natürlich null und will alle Uneingeladenen rauswerfen, doch da erklingt das Zauberwort: GOLD! Für solche Wörter sind Beutlgrabscher – und sicher nicht nur diese – immer zu haben. GOLD also bieten sie ihm an, wenn, ja wenn er mit ihnen zum Strebor, dem Einzigen Berg, zieht, um den GOLD-Schatz des Drachen Schmauch zu klauen. Oder so, weissu…

Schon überredet! Bingo hat zwar einen winzigen Verdacht, dass da vielleicht noch was anderes sei, was die Zwerge vorhaben, aber wo GOLD zu holen ist, darf Bingo – nomen est omen! – nicht fehlen.

Natürlich fehlen die üblichen Stationen der Reise zum fernen Strebor nicht: Die Trolle spreschen fürnehmstes Franssösisch, wenn sie sich über das geeignete Rezept für die Zubereitung der Zwerge streiten. Die Elfen aus den Nobelbergen sind allesamt schwul und außerordentlich elegant. Fürst Halbelf – nicht zu verwechseln mit Fürst Halbzwölf und schon gar nicht mit Elfuhr – wird später mit seinem Elfenheer auftauchen.

Unter dem Nobelgebirge kommt es zu jener berühmten und äußerst schicksalschweren Begegnung, in deren Verlauf Bingo und das Wesen namens Schmollum versuchen, ein paar Rätsel zu lösen (oder auch nicht, was Bingo betrifft), denn schließlich will Schmollum sein „Ding™ der Macht“ zurückhaben. Mit diesem Ding™ ist nicht zu spaßen, wurde es doch vor Urzeiten vom bösen Saubua geschmiedet, dessen perverse Denkweise darin Eingang fand, und die geht so: Um sich einen Wunsch damit zu erfüllen, spricht man in die Öffnung des Dings™, aber der Wunsch muss umgekehrt proportional zu dem Gewünschten formuliert sein, checkst du? Wenn es also Nacht werden soll, musst du sagen: Die Sonne scheint. Alles roger?

Eine wahrhaft erstaunliche Episode bildet der Besuch bei Björn dem Gestaltwandler, der nachts zum Tier wird. Das ist allerdings nicht wörtlich, sondern metaphorisch zu verstehen, weissu wie isch mein? Ansonsten würde er sich hervorragend als Verkaufsassistent bei einem bekannten schwedischen Möbelhaus eignen. Auch die Spinnen sind recht merkwürdig drauf: Bekanntlich schnappen sie sich die Zwerge & Co., doch wenn man ein wenig an ihre sozialistischen Ideale appelliert, kommt man auch auf einen grünen Zweig, checkst du?

Nach den allerhärtesten Bewährungsproben, wie etwa dem Wettsaufen mit den Oberbayern in der Bierstube „August & Ina“ (= Augustiner), müssen die seltsamen Gefährten noch die Begegnung mit einer rappenden Krähe und dem pfeilbewehrten Bürgermeister der Seestadt Essmabrot bestehen, dann kann endlich die Konfrontation mit Schmauch erfolgen. Und das ist wohl bestimmt ein ganz fürchterlicher Drache – wenn man den Zwergen glauben darf (aber wer tut das schon?). Merkwürdig, dass der Zauberer Ganzalt ausgerechnet jetzt in einen Tiefschlaf gefallen ist…

_Mein Eindruck_

„Der kleine Hobbnix“ ist eine sehr gelungene Parodie auf Tolkiens Kinderbuch (das hoffentlich niemals verfilmt wird), wie ich finde. Die Story hat sprachlichen Witz, einige Spannung, viele Überraschungen und ein ordentliches Tempo, sobald sich die Gefährten mal auf die Socken gemacht haben. Was an Sprachwitz vorhanden ist, habe ich ja schon angedeutet. Doch im Gegensatz zu so vielen Parodien erschöpft sich „Hobbnix“ nicht im Konterkarieren des Originals, sondern entwickelt selbst einige Kreativität, was die Ursache und den Ausgang des Abenteuers anbelangt – beides darf hier natürlich nicht verraten werden. Aber auch absolute Tolkien-Anhänger werden daher noch etwas Gewinn von der Lektüre haben.

Abgesehen von den witzigen Einfällen der Geschichte ist das Buch aber noch mit vielen weiteren Zutaten gespickt. Die wichtigste besteht sicherlich in den ebenso unüber- wie unvorher-sehbaren FUSSNOTEN. So eine Fußnote kann recht dezent sein, aber auch ziemlich aufdringlich wirken. Hier wendet sich der Autor direkt an den Leser, um ihm etwas zu erklären, oder an Sponsoren, um ihnen eine passende Werbefläche im Text anzubieten (vulgo als „Product Placement“ bekannt).

Wie sehr das vorliegende Werk ein Produkt der Medienindustrie ist, machen nicht nur die Fußnoten, sondern auch die zahlreichen ANHÄNGE deutlich. Was wäre ein solches Kultbuch wie „Der kleine Hobbnix“ nämlich ohne eine oder zwei Fortsetzungen? Ganz recht: ein kleines Garnix! Daher hat, wenn wir Roberts glauben dürfen (und warum auch nicht?), sein Verlag NonWin Books folgende Produkte auf den Markt geworfen:

Der Herr der Sinne Band I: Die Gelehrten
Der Herr der Sinne Band II: Das doppelte Türmchen
Der Herr der Sinne Band III: Die Rückkehr der Fortsetzung des Königlichen Dings™: Der Sohn des Dings™ reitet wieder

Das große Hobbnix-Lexikon: Ein alphabetischer Wegweiser durch ganz Obermittelerde
PlayGameBoxCube 2 präsentiert: Der kleine Hobbnix: Der Zorn von More&More. Mit den Originalstimmen von Sir Ian McEllen und Lady Ellen McIan
Der kleine Knollnix: Die Parodie auf den Kultklassiker „Der kleine Hobbnix“

Außerdem kann jeder, der verrückt nach Hobbnixen ist, Mitglied im Hobbnix-Fanclub werden – für schlappe 149,95 Euro im Jahr, plus Mehrwertsteuer und Traumaversicherung! Na, wenn das kein voll korrektes Angebot ist, ey Mann!

Nun soll’s aber genug der Beispiele sein. Was uns der Parodist damit sagen will, ist wohl recht deutlich geworden: Durch Übertreibung der Marketingparolen führt er den ganzen Medienrummel um das Original, also Tolkien und die Verfilmung des „Herrn der Ringe“, einer Kritik zu. Es würde sich lohnen, mal – etwa im Rahmen eines Seminars – genauer zu untersuchen, welche Aspekte Roberts genau auf die Schippe nimmt. Das Original findet er bestimmt klasse, aber die Auswüchse, die dessen nachgerade kultische Verehrung bzw. industrielle Vermarktung angenommen haben, sind ihm mehr als suspekt.

Daher erfüllt die Parodie mehrere Zwecke. Und wie ich finde, erreicht sie ihre Ziele auch. Und wenn mich nun jemand fragen würde, welche Episode mir am besten gefallen hat, so würde ich ohne zu zögern sagen: die oberbayerischen Säufer, vor denen Bingo & Co. eine „Gaudi“ aufführen müssen. Allerdings sind zum Verständnis fortgeschrittene Kenntnisse des Urbayerischen erforderlich – oder ein Wörterbuch.

Damit möchte ich darauf hindeuten, dass Ute Brammertz eine hervorragende Übersetzung gelungen ist, die richtig Laune macht. Sie stellt nicht nur eine Eins-zu-eins-Übertragung des Originals dar, sondern erfindet eigene zeit- und ortsgemäße Entsprechungen. Dazu gehören nicht nur die Oberbayern oder der schwedische Björn, sondern auch Kulturphänomene wie die Szenesprache (Kanakisch) der Zwerge und der rappenden Krähe „Raveman“. Da dürfte sich auch die jüngere Generation angesprochen fühlen. Voll konkret, Mann! (Wer mit Kanakisch nix anfangen kann, der findet im Programm des |Eichborn|-Verlags von Michael Freidank verfasste entsprechende Wörterbücher und Selbstlernkurse – Kanak it yourself mit „Dem besten Sprakkurs ubernhaupt“!)

_Die Grafiken_

Jetzt hätte ich doch fast die Landkarte und die Illustrationen unterschlagen! Nej, sowas aber auch.

Die Landkarte am Anfang des Buches hilft – mehr oder weniger – bei der Orientierung des planlosen Lesers in den wilden Gefilden von Obermittelerde. Dazu gehören solche Landmarken wie das Nobelgebirge, das Eckmeer und die Bucht von Glucks, das Skigebiet Shifoan, das Verwunschene Bächle und die bekannten Doppeldörfer Katzen und Sprung. Besonderes Augenmerk möge der geneigte Leser der geografischen Kombination Australiensee, Neuseelandsee und Pullisee widmen. Auch der Mount Dumm und der Mount Dümma vermitteln den Eindruck, als ob sich dahinter ein tieferer Sinn verberge (aber was?). Jedenfalls gibt’s hier noch viel zu entdecken, sogar einen Fleck namens „Druckfehler“, wer hätte das gedacht? Ich schon!

Jedem Kapitel ist eine Zeichnung vorangestellt. Sie dient dazu, den Leser auf das Schlimmste gefasst zu machen, so etwa auf „Die Gobblinattacke“ auf (ab?) Seite 277. Jeder, der sich diese Zeichnungen ansieht, ist selber schuld, wenn er weiterliest! Er wurde ja gewarnt.

_Unterm Strich_

Wer einmal das Buch aufgeschlagen und das erste Kapitel ob der Attacken auf sein Zwerchfell überstanden hat, wird das Buch kaum aus der Hand legen können (höchstens auf dem stillen Örtchen, obwohl…). Nicht nur der Sprachwitz weiß zu verblüffen und zu unterhalten, sondern auch die Einfälle, die der aus dem Original bekannten Handlung einen neuen Verlauf geben – und natürlich eine ganz andere Bedeutung. Dann wird’s auch richtig spannend.

Natürlich erfordert das Nachvollziehen der umgekehrt proportionalen Sprachlogik, die das Ding™ der Macht von seinem Träger ebenso wie vom Leser verlangt, eine gewisse Verknotung der Hirnspiralen, aber das macht nix. Denn da ist es bereits zu spät. Die Verknotung hat insgeheim bereits mit der Interpretation des Kanakischen begonnen, dessen sich die Zwerge, besonders ihr Anführer Mori, befleißigen. Ja, servus, Verstand, und bei den Metaphern hört ja sowieso alles auf.

Eine gewisse Ähnlichkeit zu Terry Pratchetts Scheibenweltromanen mag ja vorhanden sein – auf dem Titelbild ist eine verdächtig wirkende Truhe mitsamt Insassen zu sehen -, doch schon nach wenigen Seiten ist klar, dass die Parodie vor allem den Medienrummel um Tolkien und die Herr-der-Ringe-Verfilmung aufs Korn nimmt, und das mit Erfolg, wie ich meine.

Das Buch bildet auch für besonders fanatische Tolkien-Fanatiker (oje, ein weißer Schimmel!) noch eine Bereicherung. Kein Fehlkauf, checkst du, sondern voll korrekt. Küss die Hand.

Marie Darrieussecq – Schweinerei


Eine Frau wird zur Sau gemacht

Eine junge Frau erzählt die unerhörte Geschichte von ihrer langsamen Verwandlung in eine Sau. Als Verkäuferin in einer Parfümerie, die tatsächlich aber ein Luxusbordell ist, muß sie die abwegigsten Wünsche ihrer Kunden befriedigen. Die Verderbtheit ihrer Umgebung berührt aber nicht ihre Naivität, nur ihr Körper reagiert auf die Verrohung und verändert sich. Aus der strahlenden, fülligen, erotischen Frau wird allmählich eine Schweinsgestalt. Sie bekommt Appetit auf Äpfel und Gras, eine dritte Brust fängt an sich zu entwickeln, ihre Haut wird dick und borstig. Zunächst finden die Kunden Geschmack an dieser Metamorphose, doch die fortschreitende Verwandlung läßt sich bald nicht mehr verbergen… (Verlagsinfo)
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Oliver Uschmann – Überleben auf Festivals. Expeditionen ins Rockreich


Survival Guide mit Soziologen-Humor

Wer in der Wildnis überleben will, muss die Wildnis verstehen. Das gilt selbst dann, wenn die Wildnis „nur“ ein Reservat ist, ein kontrollierter Ausnahmezustand. Musik-Festivals sind so etwas – eine Parallelwelt, in der eigene Gesetze herrschen.

„Überleben auf Festivals“ ist ein Nachschlagewerk wie ein Moshpit – lustig, böse und kathartisch. (Verlagsinfo) Wer jetzt nicht auf Anhieb weiß, was ein „Moshpit“ ist, muss nicht verzweifeln. Für solche Fachbegriffe soll man ja das Buch lesen.

Der Autor

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Katja Berlin, Peter Grünlich – Was wir tun, wenn der Chef reinkommt: Die Welt in überwiegend lustigen Grafiken. Das Beste vom Graphitti-Blog

Klappentext:

Kaufargumente für dieses Buch:
– Noch lustiger als seine Vorgänger
– Ein paar Prozent des Kaufpreises gehen an notleidende Künstler (uns)
– Besser, als nur einen Kinogutschein zu verschenken
– Es ist delfinfreundlich und für Allergiker geeignet
– Garantiert ohne Tipps für ein gesünderes Leben
– Ach bitte, bitte, bitte! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

In „Was wir tun, wenn der Chef reinkommt“ erwarten uns wieder viele lustige Grafiken aus „Das Beste vom Graphitti-Blog“ von Katja Berlin und Peter Grünlich.

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Richard Mackenrodt – Die kleine Insel am Ende der Welt

Die Handlung:

Eine Sommerhochzeit auf einer bezaubernden sizilianischen Insel steht bevor. Lisa begibt sich auf die Reise dorthin, denn die Braut ist ihre allerbeste Freundin. Ja, das könnte schön werden. Richtig schön sogar, ein rauschendes Fest der Liebe unter mediterranem Himmel, beseelt von überschäumender sizilianischer Lebensart… Wenn es da nicht etwas gäbe, das Lisa schon seit einer ganzen Weile mit sich herum schleppt. Etwas, das in ihr gärt. Das sie quält. Eine höchst unschöne Wahrheit, die sie endlich loswerden will. Loswerden muss. Aber kann sie das denn wirklich tun? Darf sie das? Hat sie das Recht dazu? Lisa ringt mit sich wie nie zuvor in ihrem Leben. Und noch ahnt sie nicht, dass die Ereignisse sich bald überschlagen werden. Dass Dinge geschehen werden, die ihre schlimmsten Fantasien noch bei weitem übertrumpfen. ( Verlagsinfo)

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Burgwächter, Till – Väter, Völker und Vandalen

Till Burgwächter kennen viele durch sein Buch „Die Wahrheit über Wacken“. Nun macht sich der selbsternannte Hobbyhistoriker daran, diverse Menschengruppen auf witzige Weise zu beschreiben und dem Leser näher zu bringen. Recherchiert hat er dafür im Internet und bei Wikipedia. Der Untertitel „Ein Parforce-Ritt durch die Geschichte der beliebtesten Völkerstämme“ lässt schnell erkennen, dass man das alles bloß nicht ernst nehmen sollte und die ganze Sache ein kurzweiliges und amüsantes Lesevergnügen ist.

Von Ä wie Ägypter bis W wie Wikinger werden die einzelnen Volksgruppen kurz und humorvoll beschrieben, was immer mit einer kurzen, standardisierten Einleitung erfolgt. Ein geniales Beispiel gibt es bei den Eskimos:

Ursprung: Nachdem ein Blitzschlag einen Schneemann getroffen hatte, der einen Eimer als Hut aufhatte, ging alles ganz schnell
Verbreitung: Nördlich und eisig
Bekannt für / durch: Bauen gerne Eishotels für gelangweilte westliche Europäer
Bedroht von / Ausgerottet durch: Klimawandel, Eisbären

Auch die Beschreibung für die Germanen ist nicht schlecht:
Ursprung: Angeblich vor 700.000 Jahren
Verbreitung: Ungefähr in den (kurzlebigen) Grenzen von 1940
Bekannt für / durch: Weltkrieg, Waffen, Wirtschaftswunder
Bedroht von /Ausgerottet durch: DSDS, The Bachelor, RTL II, Daniela Katzenberger

Daran sieht man schon, dass das alles nicht ganz so ernst zu nehmen ist und der Autor auch gern mit den gängigen Klischees spielt oder auch aufräumt. So erfährt der Leser beispielsweise, dass die Kelten zwar hochentwickelt waren, aber in Sachen Aufzeichnungen ziemlich faul waren. So gibt es fast keine Schriftstücke und die Musik, die uns heute als keltische Musik verkauft wird, der größte Beschiss ist. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist somit eine „moderne“ Erfindung.

Später werden sogenannte „Freak-Stämme“ näher beleuchtet. Und wir erfahren, dass der Begriff Freak ursprünglich Laune bedeutet. Also sind die „Freaks Of Nature“ nichts weiter als eine Laune der Natur. Wieder etwas gelernt! Und so gibt es allerlei Interessantes über die Atlanter, Heveller oder die Pygmäen zu erfahren.

Weiter geht es auf der Wissensreise mit der Rubrik „Errungenschaften der Menschheit von A bis Z“. Dabei werden diverse Erfindungen humorvoll vorgestellt und danach gefragt, warum manche Dinge den Menschen faszinieren, so zum Beispiel Drogen. So erfährt der Leser, dass sie bereits 3.000 Jahre vor Christus Mode waren. Die Frage, wohin tote Tiere eigentlich verschwinden und nicht den Waldesrand säumen, bleibt unbeantwortet. Genauso die Frage, warum das nicht auch mit den Menschen funktioniert.

Zu guter Letzt gibt es einen witzigen Test, um herauszubekommen: „Von wem stammen Sie eigentlich ab?“ Auch das darf man nicht wirklich ernst nehmen und dient mehr zur Erheiterung.

Damit endet der Ausflug in die Geschichte der beliebtesten Volksstämme. Alles in allem ist es eine kurzweilige Unterhaltung, die nicht nach einem tieferen Sinn verlangt und die Geschichtsschreibung sinnlos ergänzt. Für knapp acht Euro und im handlichen Format ist das Buch für unterwegs gut geeignet und man kann mit einem Kauf nichts falsch machen. Außer man ist humorlos oder ein besessener Geschichts-Freak.

|Broschiert: 94 Seiten
ISBN-13: 978-3934896680|
http://www.verlag-reiffer.de

_Till Burgwächter bei |Buchwurm.info|:_
[„JGTHM – Juhr Gait Tu Hewi Mettäl“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=26
[„Schmerztöter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=981
[„Zwischen Aasbüttel und Vaalermoor – Die Wahrheit über Wacken“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1589
[„Sorry, aber so isses! – Böse Texte für den Rest der Welt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2116
[„Die Wahrheit über Fußball“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3054

Sven Böttcher – Götterdämmerung

Im Himmel ist Bombenstimmung: Die Götter der verschiedenen Epochen und Kulturen vegetieren dahin, da die wenigsten Menschen noch an sie glauben, und ertränken ihren Frust zumeist in Alkohol. Vor allem die griechischen Götter um Zeus und als Gegenpart die Asen, die nordischen Götter unter Odin verbreiten Stunk, können sich gegenseitig nicht ausstehen und haben doch das gleiche Ziel: Die Sterblichen an ihre Existenz zu erinnern. Zu diesem Zweck lässt Zeus eine Horde unkontrollierter Blitze in das Zeitgefüge rasen, die durch alle Zeitalter donnern und alles durcheinanderbringen. Sie versetzen Einzelpersonen in der Zeit, manchmal auch Gruppen oder ganze Armeen und bringen Chaos sowohl in das geordnete Leben als auch in die strukturgebende Geschichtsschreibung. Beispielsweise wird Goethe mit seinem „Werther“-Manuskript auf die Frankfurter Buchmesse verschlagen, wo er sich schließlich suizidiert. Demnach wurden weder der Werther noch spätere Werke wie Faust veröffentlicht und verschwinden aus den Bücherregalen nebst der zugehörigen Sekundärliteratur – und das, obwohl sich viele Menschen noch daran erinnern.

Odin fühlt sich unter Zugzwang und startet eine ähnliche Kampagne, nur verwendet er statt Blitzen die in seinen Augen eindeutig zuordenbaren Äpfel als Zeichen göttlichen Eingreifens.

Auf griechischer Seite Athene, auf Asenseite Baldur, arbeiten gegen die maßlose Zerstörung durch ihre Väter und planen die Einbeziehung einer Gruppe Sterblicher, die im Himmel per definitionem Macht über die Götter haben und sie zur Umkehr zwingen können. Ein Wettlauf zwischen regierungstreuen und opportunistischen Göttern beginnt, zu deren Spielball die Auserwählten werden …

In diese überarbeitete Neuausgabe des Romans von 1992, also der Version 2.0, aktualisiert Böttcher die wichtigen Ereignisse unserer Zeit und schafft es tatsächlich, einen druckfrischen Eindruck zu erwecken. Neben diesen satirischen Elementen, die einen nicht unwesentlichen Teil des Charmes der Geschichte ausmachen, nimmt er auch die homerischen Griechen und die nordischen Götter gewaltig auf die Schippe, betrachtet sie als Interpretation ihrer aus Sagen und alten Geschichten und Gedichten in strahlender Göttlichkeit extrahierbarer Charaktere sehr unverblümt als Alkoholiker und Inzestbetriebe und rückt ihren Mythos aus der Unantastbarkeit und jugendlicher Heldenverehrung. So bleiben im Schnitt egoistische, einfältige, brutale, alkoholabhängige Ehebrecher und Intriganten.

Für die irdische Satire lässt Böttcher die Blitze vorerst nur den gesellschaftlichen Ballast versetzen und in eindrucksvollen Worten seine Figuren die Missstände darlegen. Die Schmarotzer sind es, die er aus der Welt geräumt haben will, wie z. B. Ämter und Sachbearbeiter, die einen gravierenden Anteil am staatlichen Etat haben, ohne die aber alles einfacher, da ungenauer, regelbar wäre. Oder Makler, ohne die die einzelnen Parteien direkt miteinander Geschäfte machten und sich die Courtage sparten. Oder die Versicherungen, deren Verdienst am Kapital der Versicherungsnehmer unverhältnismäßige Höhen erklimmt; oder auf der anderen Seite die Krankenschwestern, die in seinen Augen die wichtigste Drecksarbeit machen und dafür weit unterbezahlt würde im Gegensatz zu z. B. Politikern, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen für ihre Intrigen Unsummen aus den Staatskassen beziehen.

Durch die göttlichen Interventionen zeigt Böttcher auf, wie die Welt funktionieren könnte ohne diese zwischengeschalteten Schmarotzer, doch bleiben das im Laufe des Romans kurze monologische Exkursionen, die den fröhlichen und zwerchfellreizenden Fluss der Handlung nicht stören, sondern bereichern.

Apropos kurze Exkursionen: Nach homerischem Vorbild führt Böttcher in Randbemerkungen alle anwesenden Götter ein und charakterisiert sie kurz, auch wenn sie teilweise für den Geschichtsverlauf nur untergeordnete Rollen spielen. Das merkt er auch ironisch-selbstkritisch in den dem Inhaltsverzeichnis zugesetzten Unterüberschriften an, benutzt es aber bewusst in Anspielung an epochale Götterverbrämung wie Homers Ilias.

Was machen derweil die irdischen Protagonisten? Hier bedient sich Böttcher diverser Plattitüden, schafft es aber durchweg, die Handlung am Laufen zu halten. In der Gegenwart ist es ein ungleiches Pärchen, bestehend aus dem unordentlichen, verwirrten Salat-Bar-Ingenieur und Fachmann für unerklärliche Fälle Erasmus und seiner bisherigen Mitbewohnerin Diana, die unbegreiflicherweise in ihn verliebt ist. Das und seine Erwiderung finden sie im Laufe ihrer „Queste“ heraus, die sie nicht nur mit Lokis missratenem Kind, dem Fenriswolf, konfrontiert. Erasmus ist es auch, der eine Idee von den Zusammenhängen entwickelt und den Göttern als Einziger auf die Spur kommt.

Im Jahre 1939 erwischt es den raffiniertesten Privatdetektiv Cameron, der abgebrüht und clever an der Grenze der Illegalität arbeitet und sich so leicht auch von dem wüsten Durcheinander nicht aus der Bahn werfen lässt. Seine These: Die Nazis haben eine Zeitmaschine gebaut! Zu seinem Glück passt Athenes Verbündeter Apollon auf ihn auf, so dass er sein Treffen mit einem mysteriösen Wissenschaftler überlebt, seine Gegner mit Pfeilen aus dem Nichts im Kopf auf der Strecke bleiben – was wiederum die Zeusgetreuen auf den Plan ruft …

Zur Regentschaftszeit König Artus‘ ermittelt es den Magier Gwydiot, einen Schüler Merlins, und der ist etwas tollpatschig. Nichts hasst er stärker als Schlamm, und so stolpert er stets in die nächste Pfütze. Nichtsdestotrotz gelangt er mit Hilfe eines Orakelmanuskripts seines Lehrers unbewusst auf die richtige Spur. Im Gegensatz zu Erasmus hat er bisher keine Frau abgekriegt, sondern wundert sich nur, wieso stets die dümmsten Nüsse wie Ritter Gawain die schönsten und klügsten Frauen bekämen.

Technisch sind Erasmus und Gwydiot am charismatischsten entwickelt, Cameron ist mehr ein Mitläufer. Vielleicht auch, weil er allein unterwegs ist, während sich den beiden anderen noch Personen anschließen, durch die sie selbst an Profil gewinnen.

Für mich als Sageninteressierten hat der Roman einen besonderen Reiz durch die „alternative“ Darstellung der Götter, die ihre Charakteristika vortrefflich in Szene setzt – gerade vor dem modernen Kinotrash wie die „Titanen“. Trotzdem oder gerade dadurch wird ihr klassisches Bild humorvoll mit Leben erfüllt und bietet den Handlungsrahmen für die satirische Erzählung. Mit mehr als einem zwinkernden Auge nimmt Böttcher nebenbei die aktuellen Zivilisationszustände auf die Schippe, sein Hauptaugenmerk gilt der Cervantes’schen Verballhornung der klassischen Übersagen und der Augenöffnung, was gängige Formulierungen und Plakativsätze angeht.

Ein amüsantes und hoch unterhaltsames Spektakel.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3499258183
http://www.rowohlt.de


 

Rensmann, Nicole – Niemand

|“Niemand“ ist eine Erzählung voller Mehrdeutigkeiten, in der alles wörtlich genommen wird.

In den Hauptrollen: Nina, eine ABK, Fräulein Klimper, der Nikolaus, das Wurzelmännchen, ein Drecksack. Ach ja, und da wäre natürlich noch – Niemand.

Orks? Drachen? Vampire? Nein! Aber Arschkriecher, Stromschwimmer, der Heilige Geist natürlich, Trauerklöße und Schaumschläger und eine Vielzahl anderer Niemandsländer, deren Bezeichnungen jenseits der Grenzen aus Unwissenheit verwendet werden. In den Nebenrollen: Jesus und das Dumme Würstchen.

„Niemand“ ist skurril witzig, liebenswert und riecht nach Erdbeeren. Fantasy neu.|

(Verlagsinfo / Umschlagtext)

_Zur Story_

Niemand ist der unsichtbare Herrscher des Niemandslandes, das heißt, es wird behauptet, dass er das sei. Seinen Machtanspruch auf den Thron hat er allerdings nie geltend gemacht, dafür sind sein Vater Niemand Sonst und sein Onkel Überhaupt Niemand um so schärfer darauf. Niemand bummelt lieber durch die Lande, immer argwöhnisch verfolgt und beäugt von den willigen Schergen seines bösartigen Erzeugers. Wie an diesem Tag, als er ein seltsames Ding auf der Wiese nahe der Grenze zur verbotenen Welt entdeckt. Ein weinendes Ding. Ein Mädchen. Eine Nina. Die Fast-Fünfzehnjährige hat sich nach Zoff mit ihrer Schwester Suse zufällig ins Niemandsland verirrt. Ein Land in dem Laberköppe, Krumme Hunde, Doofe Kühe, Ärsche mit Ohren, der Nikolaus, Jesus, der Heilige Geist, das Himmlische Kind und allerhand weitere kuriose Wesen wandeln. Viele von ihnen haben darüber hinaus keinen eigenen Namen. So wie Niemand eben, der sofort hin und weg von dem hübschen Teenagermädel ist. Mit dem Auftauchen Ninas gerät nun das ganze Niemandsland plötzlich in Aufruhr und komplett aus den Fugen.

_Eindrücke_

Um eine Aussage des Teaser-Textes vom Umschlag gleich zu kommentieren: Natürlich riecht das Buch selbst nicht nach Erdbeeren (es würde aber – nebenher bemerkt – ein sehr trefflicher Marketing-Gag). Was nämlich oberflächlich betrachtet wie eine reine effektheischende Flapsigkeit klingt, um auf Leserfang zu gehen, entpuppt sich bei der Lektüre des Buches als inhaltlich absolut zutreffend – zudem als recht zentraler Punkt. Denn Gerüche spielen im Niemandsland eine große Rolle, wenn es darum geht, den Gemütszustand seiner Bewohner zu erfassen. Das überträgt sich schön plastisch auch auf den Leser, da dessen Fantasie über diesen sehr geschickten Kniff gleich auf mehreren Ebenen stimuliert wird. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Verknüpfung mit Emotionen mit Gerüchen, zu denen jeder Mensch naturgegeben einen anderen Bezug hat, sondern auch auf die doppelbödigen Gruppierungen, Einzelcharaktere und Orte. Insgesamt wurde die verschrobene Fantasy-Welt sehr liebevoll und originell arrangiert.

Fantasie ist also gefragt bei diesem Märchen – und um nichts anderes handelt es sich bei „Niemand“. Das bestätigt auch das als Nachwort abgedruckte Vorwort der Autorin. Die schreibt übrigens für gewöhnlich ganz andere Bücher und hat mit „Niemand“ nun ihr eigenes Lieblingsmärchen kreiert und mutig aufgeschrieben. Märchen, so wissen wir, transportieren eine Message und unterliegen zudem stark der individuellen Interpretation. Und hier kommt der Leser nun ins Boot: Es liegt an ihm dem bunten Sammelsurium der (offenbar absichtlich) anonym gehaltenen Vertreter (etwa der Stromschwimmer, Mitläufer, krummen Hunde und all den anderen schrägen Figuren) ein Gesicht – und somit eine Identität – zu geben. Denn jeder von uns assoziiert mit diesen Begriffen etwas oder jemanden. Das geschieht ganz automatisch und ist stilistisch betrachtet ein weiterer geschickter Schachzug in Punkto Interaktion.

Selbstredend sind da aber ja auch noch die fertig ausgestalteten – aber nicht minder skurrilen – Hauptfiguren, an denen es weitaus weniger zu deuten gibt und welche die Rahmenhandlung diktieren. Diese folgt über so manchen Umweg eigentlich der reinen Prämisse, die schon John Lennon zum Besten gab: „All you need is love“. Drumherum ist eine abenteuerliche Geschichte gesponnen, bei der es neben der allseits präsenten Liebesgeschichte zwischen Niemand und Nina auch noch vielfältige Actionsequenzen gibt. Immer mit zwinkerndem Auge und einer guten Portion Ironie zusammen mit dem amüsanten Ansatz ganz vieles schlichtweg wörtlich zu nehmen – auch wenn sich so einige, anfänglich witzige, Einfälle gegen Ende doch ein wenig abnutzen. Auch kommt „Niemand“ nicht ohne die eine oder andere zähe Passage aus. Dass der pathosgeladene Finaltwist nun nicht wirklich überrascht, sei dem Genre angelastet: Dies ist ein Märchen und die brauchen – selbst wenn sie so ungewöhnlich sind – eben ein rührendes Happy End. Oder?

_Fazit_

Nicole Rensmann selbst schreibt in ihrem Nachwort über „Niemand“, dass es polarisiert – entweder man liebt es oder man verdammt es in Bausch und Bogen. Ganz so drastisch muss man es aber gar nicht sehen. Es ist zwar sicher nicht vollkommen massenkompatibel, steckt aber voll sprachgewandtem Wortwitz, einem bunten Kessel Fantasie, netter Ideen und subtiler Zwischentöne, dass auch notorische Nörgler diesem modernen Märchen mit seinen schrillen Figuren Respekt zollen müssen. Auch wenn die darin enthaltene rührige Lovestory gelegentlich etwas klebrig und langatmig anmutet. Oder liegt das am Geschlecht des Rezensenten? Möglich. Ob und welche Lehren man gegebenenfalls aus der Geschichte zieht, bleibt ohnehin jedem Leser selbst überlassen. Unterhaltsam ist das „Niemandsland“ allemal und ein zweiter Teil sogar fast schon beschlossene Sache. Man darf gespannt sein und sich mit ausreichend Humor wappnen.

|Taschenbuch, 274 Seiten
Redaktion/Lektorat: Thomas Michalski
Cover und Innenillustrationen: Timo Kümmel
ISBN 978-3-86402-013-1|
http://www.atlantis-verlag.de

Lars Arffssen – Verarschung – Die Parodie

Die Handlung:

Ein Killer geht um in Schweden. Er enthauptet Rentiere. Bald findet er offenbar auch ein erstes menschliches Opfer: den einzigen nicht veröffentlichten Krimiautor des Landes. Die Stockholmer Polizei steht unter Erfolgszwang und verhaftet Lizzy Salamander, denn verdächtiger als die schwer tätowierte und irgendwie auch schwer gestörte Hackerbraut kann man ja wohl nicht sein.

Mikael Blomberg mag nicht an Salamanders Schuld glauben. Das flachbrüstige Mädchen, das auf dem Überwachungsvideo mit dem Kopf des erfolglosen Schriftstellers Fußball spielt, sieht ihr allerdings verflucht ähnlich.

Dem Leser stellen sich derweil viele Fragen: Haben Schweden eigentlich immer Sex? Ist „Svenjamin“ ein jüdischer Name? Wie schmeckt Heringlakritz? Und was ist dran an dem explosiven Gerücht, die Möbel dieser großen schwedischen Kette seien von Adolf Hitler persönlich entworfen worden? (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

In einer Zeit, in der seit Jahren schon jeder Autor gehypt wird, der auch nur einen annähernd skandinavisch klingenden Namen hat, wurde es da nicht mal Zeit, dass sich jemand drüber lustig macht? Oder wollte da einer nur auf dieser nie abzuebben scheinenden Erfolgswelle mitschwimmen und mitkassieren? Wahrscheinlich beides.

Wer auch immer hinter Lars Arffssen steckt, er hat sich die beliebten MILLENNIUM-Romane von Stieg Larsson vorgenommen, sie seziert und ist anschließend über jedes kleine Detail der Reihe hergezogen.

Mikael Blomkvist heißt hier Mikael Blomberg (weil er die jüdischen Wurzeln seiner Familie wiederentdeckt hat) und Lisbeth Salander heißt Lizzie Salamander (nennt sich aber auch gern mal Jane Manhater). Dem original Autor der hier parodierten Reihe wird sogar ein Teil der Handlung eingeräumt. Twig Arssen (wie er hier heißt) wurde nämlich ermordet und die Polizei verdächtigt Salamander. Arssen hatte offenbar vorgehabt einen Enthüllungsroman zu veröffentlichen, der beweist, dass die frühen Entwürfe der UKEA-Möbel von Adolf Hitler stammen.

Der ganze Roman liest sich wie ein Drehbuch für einen klassischen Leslie-Nielsen-Film im „Nackte Kanone“-Stil. Jeder Satz versucht den vorherigen an Witzigkeit noch zu toppen und das kann manchmal schon ein wenig nerven. Als Film kann ich mir den Roman gut vorstellen, als Buch ist er streckenweise anstrengend, weil er aufgrund seiner teilweise erzwungenen „ich setz noch einen drauf“-Lustigkeit nicht flüssig zu lesen ist.

Wenn jedes Technik-Gadget nicht mehr nur „Handy“, sondern HTC-HD7-1GHz-Snapdragon-CPU-Smartphone“ heißt, dann ist das einmal lustig .. vielleicht auch noch ein zweites Mal bei einem anderen Gerät oder Auto oder Flugzeug, aber spätestens nach dem fünften Mal liest man die Bezeichnung gar nicht mehr, weils einfach genug ist.

So ist das Buch sicher eine irrwitzige Parodie mit vielen lustigen und schrägen Ideen, die grad den Fan der MILLENNIUM-Reihe lachen lassen, aber manchmal schon ein wenig zu viel des Guten. Auch beim Humor ist weniger manchmal mehr, mehr witzig. Und der eine oder andere Leser wird das Buch auch nicht in einem Zug lesen, sondern aufgrund der humoristischen Druckbetankung nach dem einen oder anderen Kapitel einfach mal eine Pause einlegen. 272 Seiten sind nicht zu wenig für eine gute Parodie (von drei mächtigen „Ziegeln“), wenn sie wie diese fast schon überprall gefüllt ist mit witzigen Ideen.

Die Aufmachung

Das Cover zeigt sehr passend einen stilisierten nackten Po, der, genau wie der Schriftzug mit dem Namen des Autors und dem Titel, exakt den Titelbildern eines fast jeden derzeit erscheinenden Romans eines fast jeden skandinavischen Autors ähnelt. Hier bleibt sogar zu befürchten, dass einige den Roman einfach im Vorbeigehen kaufen werden, weil sie glauben, es wäre ein weiterer skandinavischer Bestseller.

Unfreiwillig lustig ist auch, dass der Leser nach dem Genuss der Parodie auf der letzten Seite im Buch direkt eine Werbung für einen weiteren Roman findet, der von der Schwedischen Krimi-Akademie preisgekrönt wurde … wie gefühlsmäßig wirklich jeder Roman, der in diesem Land erscheint. Hier überlegt der Leser, ob das auch noch zur Parodie gehört oder nicht.

Und bei 272 Seiten frage ich mich auch, warum es für die Übersetzung des Romans ganze drei Übersetzerinnen gebraucht hat. Vielleicht weil die humoristischen Schachtelsätze von einem Menschen allein nicht hätten aufgedröselt werden können.

Der Autor

Vor seiner Karriere als internationaler Bestsellerautor hat Lars Arffssen unter anderem Offizierinnen der kasachischen Frauenmiliz in antipatriarchalischem Abwehrkampf trainiert und als Hairstylist im angesagten Stockholmer Stadtteil Södermalm gearbeitet. Er studierte Altnordisch an der Universität Uppsala und Nichganzsoaltnordisch in Gotland. In seiner Heimat hat Arffssen nicht nur mit einer irrsinnig erfolgreichen Thriller-Trilogie, sondern auch mit Forschungen zum schwedischen Fleischklößchen („En Populär Historia om den Svenska Köttbullen“) einige Prominenz erlangt. Er lebt mit einer sehr emanzipierten Frau und Kindern aus verschiedenen Beziehungen in Gamla Stan. (Verlagsinfo)

Mein Fazit:

Die Kunstfigur Lars Arffssen zieht über jeden und alles her, was dem MILLENNIUM-Fan lieb und heilig ist. Das macht oftmals Spaß, kann aber mitunter anstrengen, weil der Autor wirklich mit jedem Satz versucht, lustig zu sein. Als Filmumsetzung funktioniert die Vorlage sicher prima.

Bei einer Parodie ist der Weg das Ziel, denn hier möchte man sich einfach nur gut unterhalten lassen und nicht wie beim Original schnellstmöglich wissen, wie es ausgeht. Unterhalten kann „Verarschung“ sehr gut und auch die Auflösung des Falles, den es bei aller Parodie tatsächlich auch noch gibt, ist ähnlich intelligent wie der Humor des Romans.

Taschenbuch: 272 Seiten
Originaltitel: The Girl with the Sturgeon Tattoo: A Parody
Aus dem Englischen übersetzt von Karolina Fell, Silke Jellinghaus und Katharina Naumann
ISBN-13: 978-3499258381
www.rowohlt.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kuhn, Oliver; Reinwarth, Alexandra; Fröhlich, Axel – große Brocklaus, Die – Das komplett erfundene Lexikon

Wenn man parodiert wird, hat man es irgendwie geschafft. Das trifft nicht nur für Personen zu. In diesem Fall erwischte es das altehrwürdige Brockhaus-Lexikon, welches seit Jahrzehnten eine Institution in seinem Bereich ist. Diese heilige Kuh unter den deutschen Vorzeige-Wissenssammlungen führt das Autoren-Trio Fröhlich/Kuhn/Reinwarth nun frech aufs Eis. Dem Original äußerlich sehr ähnlich, schummelten die drei ein entfremdendes „L“ in den berühmten Namen. Et voilà. „Die große Brocklaus – Das komplett erfundene Lexikon“ erschien 2010 als Leinen gebundenes Hardcover bei |Droemer| – und entgegen dem umfangreichen Vorbild in nur einem einzigen Band, welcher aber immerhin über 400 Seiten umfasst.

_Zum Inhalt_

Bereits der hintere Einband verrät, was den Leser erwartet: „Ein Leben ohne Brocklaus ist möglich, aber witzlos – |Viggo von Besser-Wisser|“ behauptet der gefakte Pressekommentar, wie er auf Büchern inzwischen Usus ist, keck. Dieser Spruch ist unverkennbar eine schlitzohrige Verballhornung des berühmten Loriot-Zitats. Und auch der ebenso frei erfundene „Prof. Roman Tisch“ seines Zeichens „Staatsminister für Kunst und Kultur“, des uns im Inneren immer wieder als Running Gag begegnenden Jux-Staates „Vulgarien“, weiß an gleicher Stelle zu schwärmen: „Wenn Sie Molwanien kennen, dann werden Sie dieses Buch lieben“. Na denn. NB: Witzigerweise ist eben jenem Quatschland übrigens kein eigener Beitrag zuteilgeworden.

Es gibt aber dennoch mehr als genug andere eingestreute Querverweise, und somit zu lachen, denn natürlich ist das Buch aufgebaut wie ein Standard-Lexikon: Mit alphabetischer Sortierung der Stichworte, (s/w) Illustrationen auf jeder Seite, einen Farbtafelteil in der Mitte und erklärenden Anhängen und allem Pipapo. Selbstverständlich, vom Hauptteil des Buches bis hin zu den Appendices, vollkommen aus der Luft gegriffenem Inhalts. Lediglich das Impressum der Mitwirkenden ist zum Teil echt, nämlich exakt im Punkt „Chefredaktion“ – nicht jedoch die Liste der angeblichen Autoren, bei denen es mächtig kalauert. Angebliche Professoren wie ein „Karl Auer“, eine „Martha Hari“, „Heinz Ellmann“ oder spätestens „Tim Buktu“, lassen wohl auch naivere Naturen Lunte riechen, dass jene umfangreiche Liste erstunken und erlogen ist.

Das Werk ist die alleinige Show der drei Autoren, die sich dafür auch nicht zu schade waren, sich – vorwiegend – höchst daselbst in oftmals schräger Maskerade und ebensolchen Posituren ablichten zu lassen, um ihre fiktiven Wissensbeiträge mit entsprechendem Bildmaterial auszustatten. Die Nonsens-Begriffserklärungen und haarsträubenden Personalien haben es dann genauso faustdick in sich, wie das Trio offensichtlich hinter den Ohren. Eine erweiterte Allgemeinbildung ist nicht zwingend Pflicht, erhöht den Lesespaß aber erheblich, da manche Herleitung oder Wortspielerei erst mit entsprechendem (insbesondere Sprach-)Vorwissen erst richtig wirkt und das Zwerchfell mitunter heftig strapaziert. Es lohnt sich definitiv zwischen den Zeilen zu lesen, damit nicht irgendein subtil-linguistischer Gag vielleicht unentdeckt bleibt.

Verständlicherweise läuft man bei einer solchen Parodie auch gern einmal Gefahr, den einen oder anderen Rohrkrepierer zu produzieren. Deren Anzahl hält sich hier in erfreulich engen Grenzen, was selbstredend auch immer stark vom individuellen Leser und dessen Humorverständnis abhängt. Wirklich grobe Plattitüden oder gar plumpe Obszönitäten findet man hingegen überhaupt nicht. Sollte es doch mal unter die Gürtellinie gehen oder es politisch-gesellschaftliche Spitzen geben, so sind diese meist schön feinsinnig verpackt – ein Effekt, der durch die pseudowissenschaftliche Schreibe logischerweise voll unterstützt wird. Auch die Kontinuität bestimmte Termini immer wieder anzutreffen (siehe „Vulgarien“) trägt ihr Scherflein dazu bei, dass das erfundene Lexikon – bei all seiner naturgegebenen Fiktivität – in sich doch recht glaubwürdig daherkommt.

_Fazit_

Die „Brocklaus“ definiert das berühmte |needless knowledge| neu und erhebt es in eine neue Dimension, die des „total needless and faked knowledge“. Was einerseits die Lachmuskeln massiert aber andererseits auch die Frage aufwirft, für wen das Buch denn nun zu empfehlen sei. Immerhin ist die Investition von 20 Euro für ein im Prinzip vollkommen sinnloses (aber nicht sinnfreies) Lexikon kein Sonderangebot. Besitzer der mehrbändigen Original-Enzyklopädie vielleicht, so als abschließendes i-Tüpfelchen, denn die haben offensichtlich Kohle genug – ob’s für Humor auch noch reicht, dürfte sich dann weisen. Unterhaltsam ist das gute Stück allemal, auch wenn man nur wenig praktischen Nutzwert daraus beziehen kann – doch dafür wurde es schließlich auch nicht erdacht.

|Hardcover: 416 Seiten
ISBN 978-3-426-27471-2|
[www.droemer.de]http://www.droemer.de

_Oliver Kuhn bei |Buchwurm.info|:_
[„Arschgeweih – Das wahre Lexikon der Gegenwart“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4162
[„Alles, was ein Mann wissen muss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6848

Lange, Henrik – Filmklassiker für Eilige

Henrik Lange, 1972 in Göteborg geboren, hatte mit seinem Deutschland-Debüt „Weltliteratur für Eilige: Und am Ende sind sie alle tot“ (OT: „90 Classic Books for People in a Hurry“) im Juni 2010 offenbar so viel Erfolg, dass nun das gleiche Prinzip auch auf Filmklassiker angewendet wird – nur, dass es diesmal sogar 99, mehr oder weniger bekannte, Streifen ins Buch schafften, welches von |Knaur| dann für den deutschen Markt titelseitig – und analog zum Vorgänger – in „Filmklassiker für Eilige: Und am Ende kriegen sie sich doch“ etwas aufgebrezelt wurde. Ursprünglich für Januar 2011 avisiert, steht das Taschenbuch nun schon seit Mitte Dezember für 8,99 Euro offiziell in den Regalen. Beinahe sogar noch pünktlich zum Weihnachtskerngeschäft.

_Zum Inhalt_

Wie der Originaltitel „99 Classic Movies for People in a Hurry“ bereits unzweifelhaft klarmacht, bereitet Henrik Lange – was Wunder – exakt diese Anzahl von diversen Filmen aus verschiedenen Genres und Epochen humoristisch auf. Wobei sich je ein Delinquent pro Doppelseite findet und die Gliederung stets die Gleiche ist: Filmtitel, Erscheinungsjahr und Regisseur auf der rechten Seite; vier Comicframes mit beschreibenden Kommentaren und teils auch den dafür typischen Sprechblasen, bilden die jeweilige Inhaltsangabe zur Linken. Natürlich nicht als simple Nacherzählung, das wäre im wahrsten Sinne des Wortes, ja ziemlich witzlos.

_Eindrücke_

Einen Film in einem kleinen Comicstrip inhaltlich wiedergeben, geht das? Wenn man mit dem Anspruch herangeht, dass dies umfassend geschehen muss: Nein. Zumindest dann nicht, wenn einem der Film unbekannt oder vielleicht auch nicht mehr so gegenwärtig ist. Da der Inhalt des Films manchmal auch gar nicht wirklich beschrieben, sondern – ebenso humorvoll wie persönlich wertend – aufgearbeitet wird, fällt das Buch als etwaige Gedächtnisstütze für vergessliche Filmfreaks also glatt durch. Es grenzt in diesem Zusammenhang an Verschwendung, dass die gesamte rechte Seite jeweils nur spartanische Infos zum Film anbietet. Die Möglichkeit diesen unnötig verschenkten Platz hier um wichtige Eckdaten eine richtige Inhaltsangabe zu ergänzen, wurde leider vertan. Das hätte dem Buch neben einigen guten Lachern sogar einen zusätzlichen Gebrauchswert verliehen.

Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen sind doch recht naiv geraten und die Figuren darob zumeist nicht (wieder) zu erkennen. Sie sehen schlichtweg alle ziemlich gleich aus und nur selten gelingt es dem Autor/Zeichner, individuell unverkennbare Besonderheiten deutlich genug herauszuarbeiten. Das jedoch ist das kleine Einmaleins eines jeden (Comic-)Zeichners. Der Verlagsinfo nach, hat sich Henrik Lange das Zeichnen „selbst beigebracht“. Mit Verlaub und ohne ihm Böses zu wollen: Das sieht man leider auch. Vielleicht hätte er doch irgendwann beizeiten mal die Hilfe eines kompetenten Lehrers in Anspruch nehmen sollen. Die guten Ideen, Witz und der Wille sind nämlich erkennbar vorhanden, doch handwerklich kann er es nicht so recht umsetzen. Schade, denn mit entsprechend aussagekräftigen Bildern würden die kleinen, nett platzierten Seitenhiebe sicher noch um ein Vielfaches besser wirken.

_Fazit_

Manche der mitunter schön bissig-respektlosen Gags zünden zwar recht gut, doch die im Verbund je zu viert ziemlich ungelenk hingekritzelten Bildchen reichen eben doch nicht aus, um einen Film auch nur annähernd treffend zu charakterisieren. Wer also auf der Suche nach einem Nachschlagewerk ist, um filmtechnisch mitreden zu können, ist hier vollkommen fehl am Platz. Das auf ulkig getrimmte Sammelsurium bedient genau dieses Klientel nämlich nicht. Es ist eher ein typisches Verlegenheits-Mitbringsel für den Cineasten, der sonst schon alles andere hat – und Spaß versteht. Dabei wäre es gar nicht so schwer gewesen, den potenziellen Kundenkreis kräftig zu erweitern sowie wirklichen Nutzwert zu schaffen.

|Taschenbuch: 210 Seiten
Originaltitel: 99 Classic Movies for People in a Hurry
Aus dem Englischen von Marko Jacob
ISBN: 978-3-426-78384-9|
[www.knaur.de]http://www.knaur.de

Mayo, Stephfordy – Bis(s) zum Abwinken. Die blutleere Parodie.

Wer heutzutage nicht wenigstens eine vage Ahnung davon hat, worum es in Stephenie Meyers backsteindicker [Twilight-Saga]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4600 geht, der hat in den letzten Jahren unter einem Stein gelebt. Unter einem ziemlich großen und schweren Stein. Der Erfolg der Reihe lässt sich nicht nur daran ablesen, dass tausende (meist jugendliche) Leserinnen an jedem Wort der Autorn hängen. Der Erfolg zeigt sich auch dadurch, dass die Reihe verfilmt wird – und dass sie Parodien hervorbringt, von der Stephfordy Mayos „Biss zum Abwinken“ tatsächlich nur eine ist. Dafür aber eine durchaus lesenswerte.

_Hella Wahn_ (der Name ist Programm) war mal ein Kinderstar in Büchern mit so bezeichnenden Titeln wie „Hella kriegt, was sie will“ und „Hella will noch mehr“. Doch dann ist es still um sie geworden – irgendwie hat sie wohl den Absprung vom Kinderbuchstar zum erwachsenen Charakter nicht so recht geschafft. Doch das soll jetzt anders werden. Deswegen zieht sie zu ihrem Dad nach Spachtel, da sich dort die „Spachtel Akademie für fiktionale Höchstleistungen“ befindet. Mit dieser fundierten Ausbildung, da ist sich Hella sicher, wird sie endlich den Sprung ins ernste Fach schaffen und an alte Erfolge anknüpfen.

Natürlich ist sie etwas vom Lehrstoff abgelenkt, als sie Teddy Kelledy kennen lernt. Die beiden sind Seelenverwandte, das erkennt sie sofort. Und natürlich ist auch Teddy ihr gleich ergeben – bis er sich mal einen Tag nicht blicken lässt und damit Hella in tiefste Depressionen stürzt: Selbstmordgedanken nicht ausgeschlossen. Als Teddy dann auch noch beschließt, für zwei Wochen nach Rumänien zu fahren und Hella ihn schlussendlich retten muss, da er kurz davor steht, einen Pornofilm zu drehen, wird die Handlung schon reichlich konfus. Und als dann auch noch die große UMGESTALTUNG eintritt und alle möglichen Horrorcharaktere sich treffen, um festzulegen, wer für die nächsten Jahre die Oberherrschaft im Film-, Serien- und Buchgeschäft haben wird, da weiß dann auch der letzte Leser – ernst ist anders!

_“Biss zum Abwinken“_ ist wirklich kurzweilige Unterhaltung, durchaus komisch und von einer Autorin geschrieben, die offensichtlich ein sehr gutes Auge für die Untiefen von Meyers erzählerischer Inkompetenz hat. Ein großer Teil der Komik erwächst aus der Tatsache, dass Mayo die Erzählstrategien Meyers gnadenlos bloßlegt und so der Lächerlichkeit preisgibt. Hella und Teddy, Mayos Versionen von Meyers reichlich unrealistischen Charakteren Bella und Edward, sind dafür ein gutes Beispiel. Hella, siebzehn, sieht sich ständig damit konfrontiert, dass sie für jünger gehalten wird, weil sie sich so kindisch benimmt. Auch ist sie eine egozentrische, eingebildete Ziege, die (ganz im Sinne der Pubertät) noch nicht begriffen hat, dass das Universum sich eben nicht um sie dreht. Was daran komisch sein soll? Dass Hella selbst sich als Bella sieht – schüchtern, hilfsbereit und unverstanden -, ihre Handlungen aber genau das Gegenteil implizieren. Der Gegensatz, wie ein Charakter erzählt wird und wie er tatsächlich beim Leser ankommt, ist eine der zentralen Strategien Mayos, um Komik zu erzeugen. Und natürlich kann diese Strategie nur erfolgreich sein, wenn man sie aus Meyers Prosa wiedererkennt.

Der Roman arbeitet einige der wichtigsten Handlungspunkte von Meyers Serie ab, schafft es aber – Gott sei Dank – in viel weniger Seiten zum fast selben Ergebnis zu kommen. Was das über Meyers Erzählerqualitäten aussagt, kann sich jeder selbst ausmalen. Stephfordy Mayo glänzt mit vielen literarischen Bezügen und kleineren artverwandten Gags (so werden beispielsweise den Verlierern bei der UMGESTALTUNG Nebenrollen bei „Supernatural“ versprochen), man könnte also durchaus von einer teilweise metaliterarischen Behandlung des Meyerschen Stoffes sprechen. Schließlich kann eine Parodie nur gut sein, wenn sie die Mechanismen des Originals durchschaut und es dann schafft, sie auf komische Weise sichtbar zu machen.

Das gelingt Mayo auch bei vielen anderen Kleinigkeiten, so zum Beispiel bei der unterdrückten Erotik der Twilight-Bücher. So zeigen sich auch Hella und Teddy reichlich ahnungslos, obwohl die sexuelle Komponente immer mitschwingt. So passiert zum Beispiel folgendes, als Hella intensiv über Teddy nachdenkt: „Warum fühlte sich mein Schritt nur so nass und klebrig an, wenn ich nur an ihn dachte?“ Der Leser kann es sich denken, doch dann kommt die 180-Grad-Drehung: „Ach so, das war ja nur meine verschüttete Limo.“

_“Biss zum Abwinken“_ ist eine wirklich gelungene Parodie. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht am eigentlichen Publikum (nämlich den Fans der Twilight-Reihe) vorbeigeschrieben ist. Denn wie meint Hella so schön: „Jede Geschichte mit mir im Mittelpunkt hat eine Ironie-freie Zone zu sein.“ Wünschen wir also den Fans eine große Dosis Ironie, damit sie über sich und ihr Lieblingsbuch mal herzlich lachen können!

|Broschiert: 254 Seiten
ISBN-13: 978-3492259262
Originaltitel: |New Moan. The Twishite Saga|
Deutsch von Henriette Zeltner|

Kuhn, Oliver – Alles, was ein Mann wissen muss

Die rationale Einteilung sämtlicher Lebenssituationen haftet dem Mann dem Hörensagen nach wie ein Furunkel an. Fakten, Listen, Tatsachen – alles, was auf diese Art und Weise erfassbar ist und bleibt, scheint zu zählen. Doch es ist nicht dringend Max Frischs „Homo Faber“, der für die Konzeption von Oliver Kuhns eigentlich relativ humorvollem Ratgeber „Alles, was ein Mann wissen muss“ Pate stand. Viel mehr geht es hier abseits von Wissen und Philosophie darum, einige absurde Extremsituationen zu schildern. Wie befreie ich mich beispielsweise aus einer Geiselnahme? Wie kann ich verstehen, was das Holz mir sagen will? Oder wie werde ich Sumo-Ringer? Kuhn beschäftigt sich mit ganz kontrastreichen Themen, kommt dabei immer schnell auf den Punkt und kratzt insgeheim eher an der Oberfläche. Sein Werk zeichnet sich in erster Linie durch Masse aus, aber eben immer noch so präzise geschildert, dass man hieraus eine Menge für seinen Lebensalltag mitnehmen kann. Und wenn es dann doch mal zu abstrakt wird, lernt man eben, dass die Beziehung zu einer neuen Partnerin sich mit den 24 Türchen eines Adventskalenders messen lässt. Ein Allrounder scheint es zu sein, dieses Buch. Und ja, das ist es in der Tat!

Der Autor tastet sich jedoch zunächst sehr typisch an sein Publikum heran. Die sieben Weltwunder der Antike und der Moderne kommen ebenso zum Zuge wie revolutionäre Episoden der Weltgeschichte. Wissen vermitteln, so scheint es, ist in erster Instanz das, was Kuhn beabsichtigt, und das vorerst dröge und anhand von Listen. Oder anders gesagt: Absolut maskulin! Doch in jedem der zahlreichen Unterkapitel erscheinen schließlich Berichte und Tatsachen, die eben alles andere als konventionell sind. Die meist gesuchten Massenmörder werden aufgezählt, der Name von berühmt-berüchtigten Hochstaplern wird ins Gedächtnis gerufen und am ende, völlig unerwartet, macht man den Schwenk zu Design-Ikonen und Stilistiken der Mode, die in diesem Zusammenhang wohl kaum kontrastreicher sein könnten.

In der Folge wird die Art und Weise der Darstellung dann immer bunter: ‚Latein für Poser‘ heißt es in einem Abschnitt, das Vaterunser wird eingestreut, und gen Schlussabteil folgen einige Workshops in Sache Wäschepflege und internationale Schuhgrößen.

Damit die Sache nicht ganz so rational bleibt, schildert Kuhn zwischendurch auch einige Verführungstechniken, erläutert den Kern des Kamasutra, gibt Tipps zu Sexualität und kulinarischen Delikatessen, mit denen man eine Frau verzaubert. Sollte man ja auch irgendwie alles mal gehört und bestenfalls auch umgesetzt haben. Und das ist schließlich der Punkt: „Alles, was ein Mann wissen muss“ gibt tausende Anstöße, nicht immer ganz logisch gegliedert, aber dennoch hilfreich für die Praxis – sofern man es denn in diesem Buch auch auf Anhieb findet. Insofern ist das Ganze ein kurzweiliger Band zum Schmökern, der nicht in die Tiefe geht, der unterhält, der aber eben auch nicht das Lexikon-Format innehat, welches bei vergleichbaren Broschüren oftmals dem Entertainment im Wege steht. Hinzu kommt, dass einige Themenbereiche sehr lustig umschrieben werden, gleichzeitig auch so entfernt wirken, aber schlichtweg gut durchdacht sind. Das beginnt bei Smalltalk-Regeln und endet mit der Beschreibung dessen, wie man im Flugzeug ein Upgrade bekommt.

Eines hat Kuhn bei diesem Titel allerdings nicht bedacht; nämlich dass sein Titel in erster Linie die Männerwelt anspricht. Dabei sind die Fakten allgemeingültig und durchaus auch für die emotionale Weiblichkeit hilfreich. Warum soll nämlich nicht auch mal die emanzipierte Maid den Flugzeugentführer überwältigen? Insofern: Eine prima Geschenkidee zu jedem Anlass – und geschlechtsneutral empfehlenswert!

|Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3426780855|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

_Oliver Kuhn bei |Buchwurm.info|:_
[„Arschgeweih – Das wahre Lexikon der Gegenwart“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4162

Schumacher, Lutz – Ich kann so nicht arbeiten – Geschichten aus dem Büro

Scherereien am Arbeitsplatz? Unqualifiziertes ‚Fachpersonal‘? Vetternwirtschaft? Die Episoden, die sich in den Büros größerer Konzerne unter vorgehaltener Hand abspielen, sind manchmal definitiv traurig und witzig zugleich – und wert, sich einmal intensiver damit zu befassen. Lutz Schumacher hat die Zeichen der Zeit erkannt und seinen Lieblingsschützen Harald Grützner in den Alltag der Büroarbeit eingeflochten – und dabei wahrhaftig Grandioses zustande gebracht!

_Harald Grützner hat_ sich selbst in die Sackgasse manövriert: Führerschein gefährdet, Job riskiert und nun vom Außen- in den Innendienst versetzt. Als der Gebeutelte schließlich zum verabredeten Termin pünktlich um 9 Uhr die Hallen der Münchener Vertretung des Schokoladen-Multis, der Candy Gmbh, betritt, scheint tatsächlich alles schief zu laufen. Hundekot unter den Schuhen, vom Regen durchnässt und an der Rezeption direkt patzig angemacht, weil das Äußere auf einen Penner schließen lässt. Grützner ist erstmal bedient und erträgt mit allerlei Geduld den Hohn und Spott der beiden vorurteilsvollen Damen am Schalter. Als ihm jedoch niemand so recht mitteilen kann, wo sich genau die Büros der Personalabteilung befinden, tritt er die Flucht nach vorne an, nur um immer noch weiter herumgeschubst und verbal angegriffen zu werden. Dank mehrerer glücklicher Fügungen erreicht er mit reichlich Verspätung sein neues Büro – und blickt dort in allerlei verdutzte wie genervte Gesichter. Denn Grützner ist nicht nur der neue Mitarbeiter, sondern löst eine Kollegin auch völlig überraschend in der dortigen Leitungsstelle ab. Das Drama beginnt – und damit auch ein Leben voller Schikanen im absolut nicht prunkvollen Büroalltag …

_Die Geschichte, die_ Lutz Schumacher hier von einem eigentlich qualifizierten, letzten Endes aber völlig überforderten Büro-Neuling erzählt, ist natürlich die pure Satire, als solche absolut überzogen dargestellt, mit Klischees überfrachtet und von Charakteren umgeben, bei denen der Autor die Grenzen bewusst ausreizt. Doch der Humor ist genial, die vielen Rollen, die Schumacher dem Personal des Süßwarenherstellers zuordnet, sogar wirklich fantastisch ausgearbeitet. Alleine in Grützners eigenem Büro trifft man auf eine Handvoll klassischer Stereotype und Unsympathen, die in der vorliegenden Konstellation für eine spannende und unglaubliche unterhaltenswerte Interaktion sorgen. Da wäre zum einen Dorothea, zunächst Leiterin, dann unfreiwillig abgelöst und entsprechend frustriert. Während sie noch die offensichtlichste Partnerin für jedwede Konfrontation ist, winkt aus der hinteren Ecke Peter Schwarz, auch schwarzer Peter genannt. Der Ex-Student, der es nie zu etwas gebracht hat, bringt es in wirklich jeder Situation auf einen unqualifizierten Kommentar und stellt vor allem die Geduld seines neuen Chefs immer wieder gewaltig auf die Probe – zumal er auch spricht, wenn er nicht sprechen soll!

Aber auch ruhigere Figuren begleiten Harald durch seinen neuen Alltag. Kirsten beispielsweise ist eine jener Damen, deren Durchsetzungskraft gen Null tendiert. Jeden Morgen verfehlt sie bei ihrem Stammbäcker die geliebten Käsebrötchen und muss sich mit den Resten zufriedengeben, die ihr absolut nicht zusagen. Nichtsdestotrotz investiert sie jeden Tag 3,50 für ihr Frühstück, weil ein Affront gegen die Verkäuferin mit ihrem schmalen Selbstvertrauen nicht zu vereinbaren wäre. Oder Gaby, die vollbusige Blondine, die ihren Job einzig und alleine deswegen noch innehat, weil ihre körperlichen Reize in der Führungsetage von Zeit zu Zeit genau auf den richtigen Geschmack trafen. Und schließlich Frank, ein Eigenbrödler, der selbst zu den feierlichsten Anlässen noch einen karierten 80er-Pulli trägt und eigentlich nur den ganzen Tag aus dem Fenster starrt – und dafür auch noch befördert wird!

Sind die Personalien rein inhaltlich schon ein echter Brüller, steigert sich Schumacher fortwährend in der Situationskomik, gerade dann, wenn besagter schwarzer Peter mal wieder eines seiner spitzfindigen Statements abgibt und damit die Absurdität mancher Szene noch einmal richtig hervorhebt. Angefangen bei den skurrilen Erlebnissen auf der betriebseigenen Weihnachtsfeier über die skandalösen Vertragsverhandlungen mit dem Vertrieb, bis hin zu jenem Konflikt den Grützner mit Andy, einem Abgesandten der IT-Abteilung, auszutragen gezwungen ist, bietet „Ich kann so nicht arbeiten“ unzählige Episoden, die hier und dort sicherlich auch einen realen Background haben, aufgrund ihrer authentischen Darstellung aber vor allem das Potenzial haben, die Lachmuskeln mal gehörig durcheinanderzubringen. „Willkommen im Irrenhaus“, mag man daher auch auf nahezu jeder Seite denken – doch genau dieser irre Charakter ist es, der dieses Buch zur absoluten Pflichtlektüre im derzeitigen Satire-Sektor macht. Besser auf den Punkt gebracht bzw. mit Klischees angereichert als dieses kurzweilige Werk hat die Tücken der Büroarbeit bislang jedenfalls niemand! Und deswegen muss man sich auch nicht schämen, wenn man hier phasenweise wirklich Tränen lachen muss …

|Hardcover: 224 Seiten
ISBN-13: 978-3442312368|
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