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Reto Wehrli – Verteufelter Heavy Metal

Ein Sachbuch zu unserem innig geliebten Musikgenre steht diesmal auf dem Rezensionsprogramm. Und welch edler Fund überdies! „Verteufelter Heavy Metal – Forderungen nach Musikzensur zwischen christlichem Fundamentalismus und staatlichem Jugendschutz“ – Der auf den ersten Blick irreführende Titel scheint auf ein weiteres Hetz-Pamphlet hinzuweisen, das im Metal das Wirken Satans ausmachen möchte. Doch mehr als weit gefehlt; das Wörtchen „Fundamentalismus“ sollte stutzen lassen und ein Blick auf Buchrückseite sowie Inhaltsverzeichnis räumt dann jeden Zweifel aus, welche Seite dieses scheinbar endlosen Feldzuges für Anstand und Moral in diesem Werk unter Beschuss stehen wird. Zudem erschien Reto Wehrlis umfassende Schrift im Telos-Verlag, geführt von Dr. Roland Seim, der auch im Netz durch verschiedene Anti-Zensur-Webseiten präsent und wirkungsvoll in Aktion tritt. Wehrli selbst ist Psychologe, scheinbar eine für die Thematik unwesentliche Fachausbildung, doch auch hier: weit gefehlt. Die psychologischen Aspekte in dieser ganzen Streit-Thematik sind absolut wesentlich, und da sich der Autor seit fast zwanzig Jahren mit dem Phänomen Heavy Metal – selbst ein kritischer und merklich kundiger Fan – befasst und zudem das Augenmerk fachkundig auf Medienzensur richtet, sind hier optimale Voraussetzungen für eine vielversprechende Auseinandersetzung gegeben.

„Verteufelter Heavy Metal“ ist ein Fachbuch, eine wissenschaftliche Studie und Arbeit, die durchaus voraussetzungsvoll ist und sich gelegentlich in akademischen Ausdrucksformen ergeht, aber dennoch in erfrischender und faszinierender Weise geschrieben wurde, stets begleitet von einem geradezu sarkastischen Unterton und persönlichen Einwürfen, ohne dadurch unsachlich zu werden. Und die Sachlichkeit hat es in sich: Im Gegensatz zu den oberflächlichen Anwürfen der fundamentalistischen Apologeten und staatlichen Kontrollinstanzen ist hier jedes Faktum sorgsam recherchiert und durch unzählige Quellen belegt. Ein endloses Literaturverzeichnis sowie ein ausgiebiges Sachwortregister und Autorenverzeichnis runden die Wissenschaftlichkeit der Arbeit ab. Wehrli bemüht zudem ausgiebig Originalquellen sowie sorgsame Eigenrecherchen und vermeidet es, Aussagen von Abgeschriebenem abzuschreiben, wie dies so gern und bequem anderenorts praktiziert wird – was die ärgsten Peinlichkeiten verursacht und zu Gelächter einlüde, wären die Folgeerscheinungen nicht gar so unerfreulich. Kulturhistorische Details, psychologische, soziologische, politische und musikwissenschaftliche Informationen in Hülle und Fülle porträtieren ein umfassendes Bild von Rock- und Metal-Szene, moderner Musikentwicklung, Medienlandschaft, Moralgebäuden und Zensurbemühungen.

Zensur? Minderheiten- und Randgruppendiskriminierung? In einer Demokratie? Gar in Deutschland? Unsinn! möchte der Leser an dieser Stelle vielleicht abwinkend ausrufen. Nun, gesetzlich gibt es eine Zensur natürlich nicht, doch betrachtet man sich die reale Umsetzung verschiedener Grundrechte wie Meinungs­- und Religionsfreiheit usw. genauer, hat man vielleicht eine Andeutung davon, wie es mit zensorischen Maßnahmen aussieht. Hier kann man vielleicht eher von einer gezielt aufgebauten ‚Filterung‘ sprechen, einer geradezu automatisierten und durch Zwänge und Gegebenheiten bestimmten Selbstkontrolle – allerdings nicht ganz so freiwillig, wie die bekannte Kontrollinstanz dies namentlich vermuten lassen möchte. Die Demokratie ist hier gezwungen, subtiler vorzugehen, doch die Wirkungsweise ist effektiver als man glauben würde. Bis zu direkten Zugriffen, Polizeirazzien etc. reicht das Repertoire der besorgten Ordnungsinstanzen in der Musik- und Kunstlandschaft allerdings ebenfalls, auch wenn der Durchschnittsbürger solche Szenarien allzu leicht ins Reich der paranoiden Phantasterei verbannen möchte. Wehrli geht hierauf ausführlich und mit belegten Fallbeispielen vor allem aus den USA (wo Bücher-Barbecue ein recht beliebtes Spektakel zu sein scheint; ein Schelm, wer dabei Parallelen zieht), Skandinavien und dem deutschsprachigen Raum ein, doch dazu später mehr, zunächst der Reihe nach zum Buchinhalt (Ihr merkt, ich könnte mich diesmal wieder etwas ausführlicher auslassen. Ich hoffe, der Kaffee steht griffbereit.):

Bereits der Einleitungstext meißelt zentrale Probleme und Fragwürdigkeiten im Umgang mit der Thematik des Heavy Metal und seiner Subkultur heraus, von Gesellschaftsunterwanderung und Amoralität bis hin zu Satanismusprojektionen und der Frage, wie gesichert und vertrauenswürdig so manche Studie sein mag, die sich letztlich auf nichts als urbane Mythen berufen kann.

Damit überhaupt fachkundig auf die zentralen Themen eingegangen werden kann, muss zunächst abgeklärt und analysiert werden, wovon überhaupt die Rede sein soll und worum es sich beim Heavy Metal eigentlich handelt. Dazu bietet Reto Wehrli in den ersten vier Kapiteln einen ausführlichen Überblick zur musikwissenschaftlichen Entwicklung des Metal, zur kulturhistorischen Bedeutung und Einordnung, zu den verschiedenen Metal-Stilen, zur Subkultur und den damit verbundenen soziologischen, politischen und psychologischen Mustern. Hierbei wird, das muss angemerkt werden, deutlich, durchaus nicht einseitig argumentiert und so manche Skurilität, (chauvinistische) Klischeelastigkeit und Blöße der Metal-‚Philosophie‘ aufgezeigt. Für jeden Metal-Fan eine bildende Bereicherung und für jeden Schimpftiradenkanonier Pflichtlektüre, denn wie sagte Dieter Nuhr so beflügelnd: „Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten!“

Wie wenig Ahnung die Ankläger im Regelfall von ihrem Streitobjekt haben, zeigt Wehrli in einem Hauptblock des Buches, nachdem er mit Kapitel 5 vorweg einige der beständig gleichen Kernvorwürfe und interessante Statistiken und Begebenheiten kurz als Appetizer anreißt. In diesem zentralen und sehr umfangreichen Kapitel „…And Justice for All“ gibt der Autor einen Überblick über alle historisch wesentlichen Bands, die für die Thematik bedeutsam sind, von den BEATLES 1960 bis zu MARILYN MANSON 1989. Die Großmeister des Heavy Metal fehlen dazwischen natürlich auch nicht. Dabei wird jeweils die Bandgeschichte präsentiert, teils mit interessanten Details gespickt, sowie die jeweils mit der Band verknüpften Skandale, Prozesse und zensorischen Maßnahmen aufgeführt. Zugleich wird der Großteil dieser Anwürfe als unsinnig zerpflückt, prozessierte Texte im Original verglichen und interpretiert, beschlagnahmte Platten-Cover präsentiert und desgleichen mehr. Da wird es manchmal schwierig, den Text im Auge zu behalten, da der Kopf beständig in ungläubigem Staunen (oder Entsetzen?) hin und her geschüttelt wird. Bei soviel kirchlichem, staatlichem, in jedem Falle aber amtlichem Stumpfsinn musste meine Schreibtischkante arg leiden, da ich mich veranlasst sah, allzu oft mit einem Homer Simpson’schen „Nein!“ auf den Lippen die Stirn gegen selbige zu schlagen. Kann man für geistige Schmerzen eigentlich Schadensersatzforderungen einklagen?

Auf den offenbar fragwürdigen geistigen Zustand der Ausführenden solch fabulöser Hexenjagden geht Wehrli angebrachterweise später noch ein, doch zunächst widmet er sich einer der beliebtesten urbanen Legenden des Heavy Metal: der „Backward Maskings“ oder unterschwelligen Botschaften. Hier wird zum ersten Mal in der mir bekannten Fachliteratur wirklich wissenschaftlich argumentiert. Dies mit der durch keinen Gegenbeleg zu entkräftenden Folgerung, dass diese heiß geliebten „Satansbotschaften“ etwa so wirkungsvoll sind wie Hufeisen über der Haustür und in den meisten Fällen überdies gar nicht vorhanden und krampfhaft in Gehörtes hineininterpretiert – da kann man die Tonspur noch so besessen [sic] rückwärts laufen lassen. Darauf geht der Autor bei den einzelnen Bands und im Verlauf des Buches gelegentlich jeweils noch ausführlicher ein.

Es schließt sich ein wahres Genusskapitel an, in dem sich Wehrli nun genauer den Gegnern des Heavy Metal widmet, sie institutionell und psychologisch durchleuchtet und die Beweggründe aufzuspüren sucht. Traditionalisten, Fundamentalisten, Christensekten und Anthroposophen bilden hier den Schwerpunkt.

Hernach folgt ein ausführliches Rezensionskapitel, in dem der Autor die führenden und gern als Fachreferenz herangezogenen Pamphlete, Entschuldigung, Fachbücher über Rock, Metal und ihr satanisches Wirken komplett und genüsslich zerpflückt und dabei nicht im geringsten zimperlich oder verbal zurückhalten verfährt. Da kommt Freude auf.

Die folgenden beiden Kernkapitel widmen sich nun den Zensurinstanzen und ihrem Wirken sowie den einzelnen Zensurfällen, die bedeutsam waren. Hier gibt es übrigens allerlei Bild- und Schriftmaterial für Genießer zu begutachten. Da das meiste davon indiziert wurde, wundert es mich, dass diese schwer beschaffbaren Quellen hier in dieser öffentlichen Form herangezogen werden konnten, ohne die Fürsorge des Großen Bruders auf den Plan zu rufen. In jedem Falle: Respekt! Da gehen einem wahrhaft die Augen über und die permanente Scheibenwischergeste beim Lesen ist vorprogrammiert; man mag kaum glauben, zu welchen Einzelfällen es dabei auch hier in deutschen Landen kam, aber auch die Lage in Übersee wird natürlich ausgiebig beleuchtet. Wehrli wirft auch einen vielsagenden Blick auf andere Medienbereiche, vornehmlich Horrorfilme und Comics. Auch da gibt es allerlei Auswüchse von beiden Seiten der Front.

Das letzte Kapitel vor dem nachdenklichen Schlusswort richtet den Blick gen Norden, zu den Auswüchsen des Metal-Underground in Skandinavien. Hier gibt es dann tatsächlich einmal Grund zu aufrichtig angebrachter Sorge, denn was sich hier in einer Vermischung aus Pseudosatanismus, Nationalsozialismus und hartem Metal zusammengebraut hat und auch vor Folgeerscheinungen in Deutschland nicht Halt machte, ist in der Tat erschreckend. So werden also wirkliche Problemzonen, wie eingangs schon angemerkt, nicht ausgeblendet oder beschönigt. Was glänzend und völlig daneben ist, wird von Wehrli ebenso beim Namen genannt wie er dies bei den etwas fehlgeleiteten Metalgegnern und Randgruppenhetzern (Gesellschaftliche Feindbilder sind noch immer eines der wirksamsten Werkzeuge der Macht.) zuvor tat. Allerdings kommt auch hier letztlich zum Ausdruck, dass nicht der Metal, wie gern angeführt, das ursächliche Problem, sondern nur ein Symptom der Krankheit ist, von deren Wurzeln die Gesellschaft anklagend ablenken möchte, um sich nicht mit den wahren Pathologien ihres Daseins befassen zu müssen.

Alles in allem ist „Verteufelter Heavy Metal“ zum Thema das zweifelsohne umfassendste und bestrecherchierte Werk im Buchsektor. Für den Fan finden sich zahllose Fakten und Details und die Aufmerksamkeit für Problemzonen der scheinbar freien Demokratie wird deutlich geschärft. Für Szenegegner ist dieses Buch unverzichtbar, wenn sie ernsthaft an einer Diskussion interessiert sein sollten und bestrebt sind, sich mit wahrhaften Hintergründen und Zusammenhängen auseinanderzusetzen. Betrüblich ist, dass dieses Mitte 2001 erschienene Buch noch immer in der ersten Auflage von 750 Exemplaren steckt, während allerlei Schundwerke sich zu Zehntausenden verkauft haben und als Referenzmaterial herhalten müssen. Auch preislich bewegt sich das Buch im grünen Bereich, denn die 400 kleinstbedruckten Seiten mit mehr als 100 Abbildungen entsprechen etwa dem Umfang eines 800-seitigen Taschenbuches. Und für Fachliteratur, gerade von Kleinverlagen, sind die Kosten normalerweise geradezu exorbital. In jedem Falle: Zwei enthusiastisch erhobene Daumen für diese Glanzleistung.

Grobes Inhaltsverzeichnis:

Intro
1. Ein Phoenix aus der Asche der Jugendkultur: Heavy Metal
2. „Stampfen, Toben, Fäuste schwingen“ – Eskapismus als Lebensrealität
3. Schwer und leicht, schwarz und weiß
4. „Recognize your age – it’s a teenage rampage!“
5. „Sex, Gewalt und Satanismus“: Auf jeder Platte ein Dämon!
6. „…And Justice for All“: Die verteufelten Bands im Überblick
7. Der Satan kommt von hinten: ‚Backward Maskings‘
8. Jäger des verlorenen Schamgefühls – Wer sind die Gegner des Heavy Metal?
9. Am Anfang war das letzte Wort: Bücher gegen den Heavy Metal
10. Wer zensiert was? Die Unterschiedlichkeit des Unzulässigen
11. Große allgemeine Verunsicherung! Musikzensur in Deutschland
12. Auswüchse aus dem Untergrund
13. Schluss
Literatur
Diskografien
Autorenverzeichnis
Register

Verlags-Homepage: http://www.telos-verlag.de

_Nachtrag:_ Am 21. März 2005 erschien die stark erweiterte Neuauflage des Buches.

Reto Wehrli: Verteufelter Heavy Metal – Skandale und Zensur in der neueren Musikgeschichte
Münster: Telos Verlag 2005, 2. Auflage (März)
ISBN [3-933060-15-X]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/393306015X/powermetalde-21
740 Seiten
ca. 300 Abbildungen
Bilderdruckpapier, broschiert, Farbcover
Format: 21 x 15 cm
Bibliographie, Diskographie
EUR 37,50
http://www.telos-verlag.de/seiten/buch5rw.htm

W., Moses (Wieczorek, Moses) – Das rockt! Bekenntnisse eines Heavy Metal Fans (Roman)

„Das Rockt! – “Bekenntnisse eines Heavy Metal Fans“ ist die Geschichte eines Hard Rock Fans auf seiner Odyssee, sich selber, seine Musik und den Rest der Welt in einen harmonischen Dreiklang zu bringen. Was Rocko Shamoni mit „Dorfpunks“ und Heinz Strunk mit „Fleisch ist mein Gemüse“ für den Punk und die Unterhaltungsmusik geschrieben haben, liefert Moses W. für den Hard Rock: eine authentische Fanbiographie, die als amüsante Lebensbeichte offen und laut viel Schönes, aber auch viel Unschönes an den Tag legt. ATZE SCHRÖDER, COMEDIAN: “Dieses Buch, nein Werk, war überfällig. Mit gewaltiger, facettenreicher Sprache schildert Moses ein musikalisches Beziehungsdrama, bei dem Einsamkeit, Wahnsinn, Sex und Liebe die Dramaturgie übernommen haben.“ (Verlagsinfo)

Moses Wieczorek ist ein echtes Ruhrpott-Original. Aufgewachsen in einem Essener Stadtteil, erkannte der Mann in den Achtzigern die Zeichen der Zeit und widmete sich der besonders in der Industriezone Rhein/Ruhr geliebten harten Musik. Bands wie AC/DC und KISS waren es, die ihn lockten, bevor er dann bei Veranstaltungen wie dem |Monsters Of Rock| schon zum Edelfan geschlagen wurde, der jedoch stets sein Dasein als Fan mit ein wenig Ironie betrachtet hat – zumindest nachdem er selber als Musiker diverser Bands erkannt hat, wie die Mühlen des Business mahlen. Heuer verdingt sich Wieczorek als Comedian und neuerdings auch als Schriftsteller.

Während eines Auftritts seiner letzten Band erkannte er, welche Entertainer-Qualitäten in ihm steckten, und entwickelte sich auf diesem Gebiet immer weiter. Heuer zählt er mit diversen Live-Programmen zu den angesagtesten Comedy-Stars der Bühnenszene und hat mit Kollegen wie Atze Schröder auch Fürsprecher auf seiner Seite, die im witzigen Geschäft ein gewichtiges Wort mitreden dürfen. Doch wie es überhaupt dazu gekommen ist, wie aus dem Heavy-Metal-Fan Moses W. der Mann wurde, der er heute ist, und wie ihn die Musik in seiner Jugend und im frühen Erwachsenenalter geprägt hat, das erzählt er in seinem unterhaltsamen 2007er Buchdebüt „Das rockt!“.

Und die Geschichte des Essener Jung rockt in der Tat, denn das, was er in „Das rockt!“ beschreibt, sowie sein zynischer Überblick über all die Dinge, die sich innerhalb der Szene Jahr für Jahr wiederholen, sorgt nicht nur für ständige Lacher, sondern ist auch noch intelligent verfasst, ohne dass sich Wieczorek hierbei über die allseits beliebten Klischees auskotzt. Klar, Gruppen wie MANOWAR und die SCORPIONS werden natürlich mächtig auf die Schippe genommen, die soften Vertreter der Metal-Zunft bekommen ihr Fett weg, und der Autor maßt sich auch an, zu analysieren, für wen der Metal bestimmt ist und für wen eher nicht, aber Herr W. rezitiert nicht ständig das, was im Blätter- und Buchwald ständig als angesagt gilt. Andererseits ist „Das rockt!“ auch kein sarkastischer Faustschlag in die Tiefenzone wie etwa die bisherigen Werke von Till Burgwächter.

Wieczorek bleibt niveauvoll, stichelt aber dafür in einem Rundumschlag in allen Teilen der Szene herum. Die Frisuren der 80er-Standard-Rocker – Stichwort: vorne Rostock, hinten Woodstock – werden noch einmal näher befönt, die Diskussion um die Lautstärkeregelung erneut gestartet, die Bedeutung von Cover-Zeichnungen und Germanismen innerhalb der Texte englischsprachiger Bands einer Untersuchung unterzogen und dies alles im Kontext der Entwicklung der gesamten Szene betrachtet. So ist sich der Autor auch der neuesten Strömungen ‚unserer‘ Musik bewusst, was sich in seinen kurzen Seitenhieben Richtung LORDI zeigt. Aber der Mann erweist sich selbst hier verständnisvoll, schließlich ist auch ihm mächtig einer abgegangen, als KISS anno ’96 die Reunion-Maskerade gestartet haben – selbst wenn auch dem Autor klar war, dass sich hinter all dem oberflächlichen Rock ’n‘ Roll eigentlich nur Beutelschneiderei verbarg.

Und so erzählt er seine Geschichte parallel zu der des Heavy Metal, beschreibt Erfahrungen und macht den Leser hier und dort auch schon mal neidisch, schließlich hat der Mann innerhalb dieser Szene auf allerlei Ebenen schon etwas erlebt. Dennoch möchte er keinesfalls über den Dingen stehen oder sich sogar als kritischer Prediger und Verfechter wahrer Werte präsentieren, das verbietet ihm alleine sein toller, intelligenter Humor, aber auch seine nach wie vor anhaltende Stellung als echter Fan. Denn so sehr er sich über manche Sachen auch amüsiert, genauso steht er auch wieder hinter manchen Dingen, die er ausschlachtet, und das macht seine Schreibe ebenso sympathisch wie der wirklich abwechslungsreiche, teils autobiografische Inhalt von „Das rockt!“

Unterm Strich

Was genau verbirgt sich also nun hinter dem Buch? Nun, kurz gefasst hat Moses W. aus vielen Aspekten, die das Leben des Hardrockers seit dem Anbeginn des Fandaseins beschäftigen, eine ganze Reihe Elementares herausgefischt, es kurz, kritisch und vor allem witzig in seinen Gedanken porträtiert und Texte erschaffen, mit denen sich (anders wie zum Beispiel bei Burgwächter) niemand angegriffen fühlen muss und über die selbst Betroffene sicherlich augenzwinkernd grinsen werden. Kurzum: Ein richtig tolles Buch eines aufstrebenden Comedy-Stars und Heavy-Rockers, dessen stets spontane Berichterstattung das Salz in der Suppe auf dem diesjährigen hart rockenden Büchermarkt darstellt. Uneingeschränkt empfehlenswerte Lektüre!

Der Autor

Moses W. macht Stand up- und Musik-Comedy. Er war mit Kurzauftritten u.a. bei NightWash, Starsearch sowie im Quatsch Comedy Club zu Gast, spielt darüber hinaus seit sieben Jahren abendfüllende Soloprogramme. 2002 war er bei Rock am Ring und Rock im Park, zeitgleich mit Ozzy Osbourne, als Comedian im „House of Comedy“. Moses W. ist Gitarrist der Queen-Comedy-Tribute-Band „Burger Queen“. Ein wichtiges Thema in seinen Programmen ist die Liebe zur Musik und speziell zum harten Rock. Moses W. ist Deutschlands einziger Komiker, der dieses Thema auf die Comedy-Bühnen bringt. (Amazon.de)

Taschenbuch: 196 Seiten
ISBN-13: 978-3939106074

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Burgwächter, Till – JGTHM – Juhr Gait Tu Hewi Mettäl

„Juhr Gait Tu Hewi Mettäl“ – Der Buchtitel macht bereits deutlich, dass dieser Metalführer es offensichtlich nicht so ganz bierernst nimmt mit seinem Thema – eigentlich nimmt er überhaupt nichts ernst, nicht einmal sich selbst. Musikjournalist Till Burgwächter wagt sich auf gut 200 Taschenbuchseiten an die zumeist bissige Satire eines Genres, das er zwar zu lieben weiß, das aber aufgrund seines Klischeepotentials jede Menge Angriffspunkte für bitterböse Kommentare präsentiert. Dabei sind die gelieferten Spitzen gegen die hassgeliebte Musikform nicht immer „politisch korrekt“ und das ist auch gut so. Natürlich ist bei dieser Fülle an bösen Texten nicht jeder Satz und jede Anspielung ein Volltreffer auf die Lachmuskeln und so manche Zeile bleibt mir bis heute eher rätselhaft, aber Hjalana und ich haben beim Schmökern in diesem kurzweiligen Büchlein so manche Salve aufs Zwerchfell abgefeuert.

Bereits die Aufmachung des in Hochglanz verpackten Buches zeigt liebevolle Detailarbeit; die Albernheiten gehen bereits im Impressum los und werden bis zur letzten Seite durchgezogen; ein nettes Extra ist das Daumenkino „Little Mosher“ am Rand jeder Seite, so dass auch Leute, die das Buch nur mal schnell durchblättern wollen, etwas davon haben. Jedes Basisklischee und die wichtigsten Stilrichtungen bekommen gleich vorab ihr Fett weg (nachdem im Vorwort ein paar Lesergruppierungen der Mittelfinger gezeigt wurde), bevor sich der Schreiberling im Hauptteil den wesentlichen Bands widmet, an denen er nur selten ein gutes Haar belässt. Manche Sprüche gehen zwar nach hinten los, aber im Wesentlichen werden die Möglichkeiten für herbe Kommentare zu Bands und ihren Mitgliedern gut ausgereizt und bereiten eine Menge Lesefreude. Der holden Weiblichkeit in diesem Metier wird ein eigenes Kapitel gewidmet, Metalmagazine werden – zutreffend – auf ihre Unzulänglichkeiten reduziert, die Spezies der Metalfans wird „sozialkritisch“ unter die Lupe genommen, einige Randthemen folgen, bevor das Quiz „Sind Sie Metal?“ den Leser schmunzelnd entlässt.

Man darf nun nicht den Eindruck gewinnen, es handle sich hier um eine blanke Hasstirade gegen unser geliebtes Musikgenre und sein Umfeld, denn wie bereits erwähnt ist auch der Autor ein Fan, aber in diesem Buch soll es darum gehen, der Szene in Eulenspiegelmanier einen Spiegel vorzuhalten – und wer nicht über sich selbst und seine Idole lachen kann und so „true“ ist, dass er Nägel zum Frühstück frisst, sich mit einem Bastardschwert rasiert und auch bei Neumond mit Sonnenbrille über den Friedhof stolziert, sollte dieses Buch ohnehin sofort verbrennen. Es wird auch nicht nur dumm gefaselt; der Autor ist nicht grundlos Musikjournalist und hat unter aller Blödelei so manche Insiderinfo zu bieten sowie Aufklärung über grundsätzlich Wissenswertes, nur eben etwas nonkonform verpackt.

Ich möchte allerdings davon abraten, den Schmöker am Stück zu verdauen, da der zumeist gar köstliche Humorstil nach einiger Zeit erst einmal sein Pulver verbraucht hat – auch Mittermaier, Kalkofe oder Ingo Appelt sind nicht endlos zu ertragen und genießen. Das Buch eignet sich gut, um immer mal wieder für etwas Kurzweil herausgekramt zu werden; so richtig Freude kommt auf, wenn man besonders gelungene Passagen in geselliger Runde vorträgt.

Etwas bitter stieß mir beim Lesegenuss das mangelhafte Lektorat des Buches auf – für jeden Setzungs- und Rechtschreibfehler einen Cent und man hat die Anschaffungskosten wieder heraus. Bei sonst so liebevoller Gestaltung wäre etwas mehr Aufmerksamkeit auf diesen so vielen vermutlich nebensächlich erscheinenden Aspekt sicherlich auch noch drin gewesen. In der Summe soll dieses Schandwerk aber jedem lesefreudigen Metaller empfohlen sein und der Büchersammlung hinzugefügt werden; das Leben ist zu kurz, um es stets ernst zu nehmen.

Inhaltsübersicht:

• Einleitung
• Definitionen und anderes Basiswissen
• Die verschiedenen Stile
• Die wichtigsten Bands
• Bands, die nicht ganz so wichtig sind
• Frauen im Rock
• Lesbarer Krach
• Fans und die Lüge von der Familie
• Live is Life
• Zitate und ihre Bedeutung
• Wir gründen eine Band oder „Am Anfang war …“
• Abschließende Klugscheißerei
• Irgendwas is’ immer …
• Sind Sie Metal?

Oidium, Jan – Metal Dream Girls / Metal Dream Boys 2009

Für Metalheads läuft die Zeit anders. Dies zumindest hat sich Comic-Zeichner, Medienmacher und Autor Jan Oidium gedacht. Die „Metal Dream Girls/Boys“-Kalender sind der terminliche Countdownkalender zum Wacken 2009 und beginnen beide im September 2008. Jüngst ist nun der vierte „Metal Dream Girls“-Kalender auf den Markt gekommen, ihn gibt es im Buchhandel und auf der Website http://www.jan-oidium.com.

Und ein Schmuck sind die Kalender fürwahr, die in circa 30 cm Höhe daherkommen. Denn nicht etwa die privaten Vorlieben von Jan Oidium posieren vor der Kamera. Nein, der Berliner hat sich ein demokratisches Kalendermodell überlegt. Über Monate konnten Mädchen und Jungen auf der Internetseite http://www.metaldreamgirls.com ein möglichst vorteilhaftes Bild von sich einstellen und die weltweite Netz-Gemeinde auf einer Punkteskala von eins bis zehn über ihre Attraktivität entscheiden lassen. Tausende Frauen und Männer aus der Metal-Szene machten mit. Und noch mehr Klicks später standen die jeweils zwölf Gewinner fest, die dann professionell abgelichtet wurden.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In schicken, manchmal auch schrägen Posen präsentieren sich die „Traumfrauen“ und „Dream Men“ der Metal-Gemeinde. Dazu ist der Kalender so gestaltet, dass sich zu jedem Tag zumindest ein, zwei kleine Einträge machen lassen, er also nicht nur ein reiner Hingucker ist, sondern eben auch einen gewissen praktischen Nutzwert besitzt. Und schön sind die Frauen sowieso. Aus männlicher Perspektive hat sogar auch der „Boys“-Kalender seine Berechtigung: Etwa als Geschenk für die gute Metal-Freundin, die vielleicht zurzeit solo ist und auch mal wieder schwärmen soll.

Dabei soll es nicht bleiben: Für den September hat Jan Oidium einen dritten Kalender für dieses Jahr angekündigt: „Warrior Dream Girls“ soll „erotische und ästhetische Fotoaufnahmen von Kriegerinnen des Fantasy Genres“ bieten, erste Aufnahmen versprechen viel. Und dieser Monatsplaner hat dann auch den Januar als Anfangsmonat – für konservative Kalender-Freaks …

|ISBN-13: 978-3-939106-12-8 / 978-3-939106-13-5|

Philip Akoto – Menschenverachtende Untergrundmusik? Todesfaszination zwischen Entertainment und Rebellion am Beispiel von Gothic-, Metal- und Industrialmusik

Gothic -, Metal- und Industrialmusiker haben eine große Gemeinsamkeit: Sie alle hantieren viel und gern mit der Ästhetik des Grauens, besingen Tod, Gewalt und Mystizismus und vertonen mehr oder weniger imaginäre Horrorszenarien. Dies treibt erklärte Gegner aus Politik, Theologie und Pädagogik traditionell auf die Barrikaden. Für sie handeltet es sich um pietätlose Effekthascherei: sowohl geschmack- als auch inhaltslos. Fans und Musiker hingegen fühlen sich missverstanden und zu Unrecht verteufelt. (Verlagsinfo)

Provokation und Rockmusik gehen seit jeher Hand in Hand, sind fast untrennbar miteinander verbunden und wirken bis zu einem gewissen Grad sogar unmittelbar zusammen. Die Kombination aus lauten, elektrisch verstärkten Gitarren und einer womöglich extravaganten visuellen Umsetzung ist prädestiniert, revolutionäre, anarchistische oder einfach nur oppositionelle Ideen zu kommunizieren, wovon letztlich tausendfach Gebrauch gemacht wurde und auch weiterhin wird. Welche musikalische Kunstform eignete sich auch besser, um moralische Wertvorstellungen auf die Probe zu stellen und verkrustete Systeme aufzubrechen? Zeige ein ungewöhnliches Verhalten, und es wird dir Aufmerksamkeit zuteil.

Waren es früher die lasziven Hüftschwünge des Elvis Presley oder der exzessiv vor- und ausgelebte „Sex, Drogen & Rock ’n‘ Roll“-Lebensstil von Bands wie THE WHO oder THE ROLLING STONES, die Stürme der Entrüstung heraufziehen ließen, so müssen die Extreme heutzutage deutlich weiter ausgelotet werden, um eine Gegenreaktion hervorzurufen – sollte man meinen. Doch gerade die Beispiele aus der jüngsten Geschichte zeigen, dass dem nicht unbedingt so ist. Wenn es den Finnen LORDI gelingt, nur aufgrund einer Horrormaskierung Boykottaufrufe zu provozieren, muss man konstatieren, dass sich trotz eines nicht unerheblichen Gesellschaftswandels innerhalb der letzten fünfzig Jahre offenbar nicht viel verändert hat.

Alles nur Schein?

Es stellt sich nun die Frage, was bleibt, wenn man eine auf Äußerlichkeiten und Entertainment fixierte Band wie LORDI oder die in ihrem Streben nach Aufmerksamkeit deutlich weiter gehende Death-Metal-Band CANNIBAL CORPSE hinterfragt hat. Gibt es ein Konzept, das die Provokation übersteigt und die Außendarstellung dieser Gruppen über den bloßen Unterhaltungsfaktor erhebt? Oder allgemeiner formuliert: Beherbergt die heutige Rock- und Metalszene Musiker, die mit ihrer Kunst eine wie auch immer gelagerte Veränderung anstreben?

An diesem Punkt setzt der analytische Teil des vorliegenden Buches an. Am Beispiel verschiedener Bands aus dem Gothic-, Industrial- und Thrash/Death/Black-Metal-Bereich beleuchtet Autor Philip Akoto die Ideologie (sofern vorhanden) bzw. Motivation der betreffenden Musiker, mit dem Ziel, ihnen Subversion nachzuweisen oder abzusprechen. Ein grundlegender Aspekt seiner Untersuchung ist dabei der von Wolfgang Sterneck (u.a. Schriftsteller und Gründer des KomistA-Verlages) geprägte Begriff der „konsequenten Musik“, wonach Bands nur als subversiv zu bezeichnen sind, wenn sie ein politisches Bewusstsein haben und danach handeln, um letztlich die erwähnte (soziale) Veränderung anzustreben.

Dass Konsequenz auch zu Kontroversen führt und ernst zu nehmende Subversion von unterschiedlicher Qualität sein kann bzw. auf unterschiedlichen Ebenen abläuft, zeigen alle von Akoto detailliert untersuchten Gruppen. Während sich die amerikanische Death-Metal-Band CATTLE DECAPITATION entsprechend ihrer aggressiven Musik drastischer textlicher und visueller Mittel bedient, um eine vergleichsweise simple Vegetarismus-Botschaft zu verbreiten, und die dem Gothic-Bereich entstammenden THANATEROS ein spirituelles Schamanismus-Konzept präsentieren, gehen die Industrial-Band THE GREY WOLVES und die schwedische Death/Black-Metal-Band DISSECTION globaler, totalitärer und vor allem politisch fragwürdiger vor. Liefern die sich selbst als Kulturterroristen bezeichnenden Briten THE GREY WOLVES bereits durch die Benennung nach der rechtsradikalen türkischen Terrorgruppe eine Diskussionsgrundlage, kokettieren sie darüber hinaus auch offen mit faschistischer Symbolik, sehen dies allerdings nur als Teil eines anarchistischen Verwirrungsplans. Was die Engländer mit DISSECTION respektive ihrem Sänger und Gitarristen Jon Nödtveidt verbindet, ist eine ihrem Handeln zugrunde liegende Agenda. Einmal handelt es sich dabei um das „Cultural Terrorist Manifesto“, das THE GREY WOLVES als Orientierung dient, während Nödveidt zu den Mitbegründern des „Misanthropisch-luziferischen Ordens“ gehört. Diese Organisation fasst ihre Ideologie in den sogenannten „Satanic Aphorisms“, einem 24 Punkte umfassenden Regelwerk zusammen.

All diese Hintergründe wurden von dem seit 1998 als freier Musikjournalist tätigen Philip Akoto sorgfältig recherchiert, und der Leser könnte sich alleine mit den verschiedenen Quellenangaben wochenlang beschäftigen. Allerdings enthält auch das ursprünglich als Magisterarbeit eingereichte Buch bereits eine Fülle von Informationen, die wissenschaftlich-sachlich aufbereitet und verarbeitet werden.

Das Spiel mit morbider Ästhetik

Neben den konkreten Fallbeispielen werden im ersten Teil des Buches die Verbindungen zwischen den verschiedenen Subkulturen untersucht, wobei Akoto vor allem auf die Darstellung von Tod und Gewalt eingeht, die sich wie ein roter Faden durch die unterschiedlichen Szenen zieht. Dabei liegt das Augenmerk nicht ausschließlich auf dem Musikbereich. In kurzen Exkursen wird der Umgang mit dem Thema Tod in TV-Sendungen, Filmen und der Literatur nachgezeichnet. Und insbesondere die letzten beiden Bereiche dienen den Metal-, Gothic- und Industrial-Genres als Inspiration, was unzählige Texte und Plattencover reflektieren.

Fazit

„Menschenverachtende Untergrundmusik?“ bietet auf 117 Seiten eine qualitativ hochstehende Untersuchung des Subversionspotenzials der Industrial-, Metal-, und Gothic-Musik vor dem Hintergrund des (vermeintlich) gleichgültigen Umgangs bzw. der wahllosen Darstellung von Gewalt und Sterben. Darüber hinaus straft es jene Kritiker lügen, die den betrachteten Kunstformen von vorneherein Inhaltslosigkeit vorwerfen. Deutlich wird allerdings auch, dass das Verhältnis von Entertainment zu Inhalt klar zu ungunsten des letztgenannten Aspekts ausfällt und sich zu viele Bands mit bloßer Provokation zufrieden geben.

117 Seiten
ISBN-13: 9783933060211

http://www.telos-verlag.de/

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Redaktionsteam Rock Hard – Best Of Rock & Metal – Die 500 stärksten Scheiben aller Zeiten

Nach dem häufig kritisierten Rock-Hard-Special „Top 300“, in dem die besten Rock- und Metal-Scheiben aller Zeiten vorgestellt wurden, folgt jetzt eine Erweiterung auf 500 Platten sowie ein offizieller Release in Form eines schön aufgemachten Buches. Neben ausführlichen Reviews (inklusive Cover in genialer Qualität!) werden die wichtigsten Subgenres sowie die Wurzeln des Heavy Metal vorgestellt, letztere Texte allerdings nur in absoluter Mini-Ausführung. So sind 99 Prozent der knapp 240 Seiten Reviewtexte, die auch kostenlos auf der Internetseite des Magazins abrufbar sind. Außerdem ist zu sagen, dass die Artikel über die Subgenres fast allesamt bereits im oben angesprochenen Special auftauchen.

Immerhin hat man sich die Mühe gemacht, einige wenige neuere Scheiben neben den zweihundert „Erweiterungsscheiben“ einzubauen. Zwei Beispiele gefällig? Zum einen wäre da NEVERMOREs „This Godless Endeavor“, zum anderen SYSTEM OF A DOWNs „Mesmerize“. Bei 500 Scheiben nur ein paar aus den letzten Jahren mit einzubauen, ist aufgrund der Tatsache, dass Lobeshymnen auf einen Großteil der neuen CDs im Magazin an der Tagesordnung sind (besonders wenn ich an bekanntere Bands denke), eher erstaunlich als nachvollziehbar. Genauso die Tatsache, wie einige Bands besprochen werden: „Nach diesem und jenem Album versagte die Band XXX komplett …“. Seltsam, im Rock Hard tauchen viele dieser angesprochenen Alben in den berüchtigten „10 x Dynamit“-Seiten auf. Ein weiterer Punkt: Beim Durchlesen der Kritiken wird man das Gefühl nicht los, das eben nicht die Musik, sondern der Erfolg der jeweiligen CD etwas weiter im Vordergrund steht. So ist METALLICAs „Black Album“ ohne Zweifel ein wichtiges Metalwek, das vor allem viele Türen geöffnet hat. Es aber zu den besten Alben aller Zeiten zu zählen und Alben wie „… And Justice For All“ wiederum außen vor zu lassen, ist zumindest als unglücklich zu bezeichnen, da man als Leser davon ausgeht, die musikalisch besten Platten vorzufinden. Und wenn man die eine Seite mit den Türen sieht, muss man auch den Untergang der ehemals besten Metal-Band der Welt mit genau diesem Werk sehen. Ebenso unglücklich ist die Tatsache, dass die Meinungen der Chefredakteure Rensen und Kühnemund offensichtlich immer noch am meisten zählen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist absolut sinnlos, Alben nach ihren Umständen oder Verkaufszahlen zu bewerten und dabei nur wenige Köpfe entscheiden zu lassen. So ist „Back In Black“ wahrscheinlich nur zur Nummer eins gewählt worden, weil Bon Scott kurz zuvor starb und der Überraschungseffekt mit Brian Johnson dementsprechend groß war. Eine ziemlich fadenscheinige Begründung für das angeblich beste Album aller Zeiten. Eine Leserabstimmung wäre zwar aufwendig, aber wohl eindeutig vorzeigbarer gewesen.

Einige Bands sind mit mehreren CDs vertreten. Bleibt nur die Frage, wie man zwischen Götteralben wie „Powerslave“, „Somewhere In Time“, „Killers“ (übrigens das beste IRON MAIDEN-Album im Buch), „Piece Of Mind“ oder „Number Of The Beast“ entscheiden soll. Wieso nun ausgerechnet dieses und jenes Album es geschafft hat und nicht ein anderes, bleibt wohl das Geheimnis der Redakteure. Auch letzter Punkt spricht eindeutig für eine nicht gegebene Objektivität. Außerdem wird man das Gefühl nicht los, dass auch einige No-Name-Truppen nur vertreten sind und reingepresst wurden, damit man nicht von dem sprechen kann, was ich die ganze Zeit kritisiere. Wobei man Rock Hard zu Gute halten muss, dass die Genre-Grenzen äußerst weitgreifend ausgewählt wurden: Von QUEEN über GREEN DAY und NIGHTWISH bis hin zu RAMMSTEIN sind alle Bands vertreten, die irgend etwas mit Gitarren am Hut haben. Natürlich merkt man den Reviews auch an, dass dort absolute Profi-Schreiberlinge am Werk sind, darüber braucht man gar nicht erst zu diskutieren.

Bei allem Respekt vor der Größe des Rock Hard: Man hätte einfach die 500 besten Bands mit einigen empfehlenswerten Alben pro Gruppe in das Buch verbannen und somit die Reihenfolgen ad acta legen sollen. Denn wer kann schon zwischen einem 412., 318. oder 77. Platz bei mehreren zehntausend erschienenen Rock- und Metalalben unterscheiden. Besonders, wenn gerade mal ein Dutzend Leute das Sagen haben.

Im Endeffekt darf man also nicht zu viel erwarten, die subjektive Meinung der Redakteure ist ausschlaggebend und nicht die Sichtweise der Metal-Fans, die sicherlich innovative und absolut geniale Bands wie PAIN OF SALVATION (nur ein Beispiel) lieber in der Rangliste gesehen hätten als den 200. relativ unbedeutenden US-Metal-Act. Auf der anderen Seite wird ein Querschnitt durch die Rock- und Metalmusik aufgezeigt, der so noch nicht vorhanden war. Die erhoffte ultimative Rangliste bringt Rock Hard damit aber nicht heraus, und diese – meine – Meinung ist nicht subjektiv, sondern objektiv.