Pohl, Frederik – Gateway-Trilogie, Die

Mit dieser neu überarbeiteten und ungekürzten Fassung von Frederik Pohls Gateway-Trilogie gibt |Heyne| SF-Lesern Gelegenheit, einen der beliebtesten Klassiker und Meilensteine des SF-Genres zu lesen. Diese Trilogie enhält die Übersetzungen des legendären „Gateway“ (1977), „Beyond the Blue Event Horizon“ (1980) und „Heechee Rendezvous“ (1984).

„Gateway“ gewann im Jahre 1978 sowohl |Hugo| als auch |Nebula Award|, aber damit nicht genug: Auch |Locus| und |John W. Campbell Memorial Award| sowie zahllose weitere heimste der Roman ein. Darüber hinaus inspirierte der Roman ein gleichnamiges Brettspiel und die Firma |Legend Entertainment| zu zwei ebenfalls hochklassigen Textadventures („Gateway“ und „Homeworld“).

Wie kaum ein anderer SF-Roman schafft es Gateway, den Reiz des Fremdartigen, Unbekannten und großer ko(s)mischer Zusammenhänge mit ganz einfachen menschlichen Problemen zu verbinden.

_|GATEWAY|_

Eines Tages entdeckt die Menschheit den Asteroiden Gateway. Auf diesem Raumhafen befinden sich Hunderte von kleinen Raumschiffen einer „Hitschi“ genannten außerirdischen Rasse. Hitschi-Technologie ist Millionen wert, obwohl man meistens ihre Funktion nicht versteht und darum auch nicht mit ihr umgehen kann. So ist es auch mit den Raumschiffen: Sie können leicht gestartet werden, aber man weiß nie, wann und wo die Reise endet.

Glückspilze finden ferne Planeten und wertvolle Hitschi-Artefakte und werden unendlich reich, Pechvögel verhungern auf übermäßig langen Reisen, kehren niemals oder als Leichen zurück … oder fliegen nur zehn Minuten lang und landen auf dem Erdmond.

Es herrscht dennoch kein Mangel an Freiwilligen für die riskanten Reisen, denn auf der nahezu aller Ressourcen beraubten Erde regieren Not und Elend, Nahrungsmangel und soziale Missstände treiben auch Robinette Broadhead (trotz des Namens ein Mann) nach Gateway. Sein letzter Flug endet in einer persönlichen Katastrophe, die ihn aber zu einem reichen und berühmten Mann macht.

_|BEYOND THE BLUE EVENT HORIZON|_

Eine von Robinette Broadhead ausgesandte Expedition entdeckt eine CHON-Nahrungsfabrik der Hitschi in der Oortschen Wolke. Doch was machen ein offensichtlich dort aufgewachsener junger Mensch, elektronische Bewusstseinskopien, Urmenschen und ein Roboter der Hitschi dort? Sind sie für die seit einigen Jahren auftretende, „Traumfieber“ genannte Epidemie von regelmäßigen Wahnzuständen der gesamten Menschheit verantwortlich?

Die weitere Erforschung der „Hitschi-Himmel“ genannten Fabrik fördert Erstaunliches zutage … In Broadhead keimt Hoffnung auf, seine Geliebte Gelle-Klara Moynlin doch noch retten zu können.

_|HEECHEE RENDEZVOUS|_

Dank der Entschlüsselung von Hitschi-Datenspeichern sind Flüge von Gateway aus nun kein russisches Roulette mehr. Doch man bemerkt, welch schrecklichen Fehler man begangen hat: Die Hitschi haben der Galaxis mit gutem Grund den Rücken gekehrt. Es droht eine Gefahr, der bisher noch niemand Widerstand leisten konnte. Wieso und wo die Hitschi sich verstecken, erzählt dieser Roman.

_Über den Autor_

Frederik Pohl (* 1919, New York) ist einer der SF-Schreiber der ersten Stunde, von den Anfängen in Fanzines bis hin zu den ersten Pulp-Romanen war er dabei. Im Gegensatz zu anderen Gründervätern wie Robert A. Heinlein und Ray Bradbury sind die meisten seiner zahlreichen Werke außerhalb der USA unbekannt, mit Ausnahme der Gateway-Romane.

Seine Romane prangerten stets in stilvoll überzogener und satirischer Weise Trends und Missstände der amerikanischen Gesellschaft an, etwas, das man auch in der Gateway-Trilogie feststellen kann. Mehrere seiner Kurzgeschichten wurden ebenfalls für |Nebula| und |Hugo| nominiert und gewannen diese sogar mehrfach.

Mit „Tales and Vignettes of the Heechee“ (1990) veröffentlichte Pohl eine Sammlung von Kurzgeschichten im Heechee-Universum (dt. Hitschi), während „The Boy Who Would Live Forever“ (2004) direkt an die Gateway-Trilogie anschließt. Diese Romane sind in dieser Trilogie nicht enthalten, man kann dies in etwa mit Star Wars vergleichen: Trotz eines etwas unbefriedigenden Endes ist die im Sammelband enthaltene Serie durchaus in sich abgeschlossen. Aber anscheinend möchte Pohl offene Fragen nach nun so vielen Jahren doch noch beantworten …

_Ein Gateway der Ideen_

Pohl ist ein witziger und kritischer Autor. So beginnt Gateway auch mit dem Helden, Robinette Broadhead, auf der Couch des psychoanalytischen Therapieprogramms Sigfrid Seelenklempner. In elliptischer Weise erzählt dieser selbst, was sich auf Gateway zugetragen hat und welche Probleme ihn plagen. Insofern ist unser Held geradezu das Paradebeispiel eines reichen Amerikaners mit seelischen Problemen, der seine Sorgen beim Psychiater loswird.

Auf diese Weise erfährt der Leser von den Problemen der Erde: Nahrungsmangel infolge von Überbevölkerung, kein Krankenversicherungsschutz für Arme und Robinettes Schicksal als glückloser Versager, der auf einmal das große Los gezogen hat. Gewürzt mit einer Prise Erotik und Sexismus, wenn Broadhead voller Begeisterung über seine neue Freundin S. Ya. Laworowna spricht – der Name seiner späteren Gemahlin wird nur einmal ganz ausgeschrieben …

Bei Pohl spiegelt sich die Angst vor der von der Malthusschen Bevölkerungslehre postulierten Hungersnot wider: Exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung, aber nur lineares der Anbaufläche für Nahrungsmittel. Darum ist auch die CHON-Nahrungsfabrik der Hitschi von so großem Interesse: Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O) und Stickstoff (N) sind die Hauptbestandteile von Kometen, und mit ein paar Vitaminen und Spurenelementen auch der Hauptbestandteil der menschlichen Nahrung … Wenn die Menschheit in Schiefergruben Hefepilzkulturen anbauen und sich davon ernähren kann, warum nicht auch Kometen fressen?

Über solche Fragen kann man natürlich schlecht mit einem robotischen Seelenklempner philosophieren, darum unterhält sich Broadhead darüber natürlich mit Albert Einstein. Beziehungsweise dem Programm Albert Einstein, welches seine liebe Frau S. Ya. oder „Essie“ für ihn geschrieben hat. Einen ganzen Schritt weiter ist die Technologie im „Hitschi-Himmel“: Der dort geborene Wan hat Jahre seines Lebens mit den elektronisch gespeicherten Bewusstseinsinhalten verstorbener Prospektoren geredet. Hauptsächlich über Sex. Demzufolge ist sein Verhalten den ersten Prospektorinnen gegenüber auch relativ ungebührlich, die sich innerlich auf die Erstbegegnung mit einem Hitschi, nicht aber auf einen pubertierenden Jüngling mit Hormonkoller vorbereitet haben …

Besonders in den damals noch puritanischeren Vereinigten Staaten müssen Pohls sexuelle Eskapaden an Bord von Dreier- oder Fünfer-Schiffen der Hitschi einigen Aufruhr verursacht haben, sogar rein homosexuelle Prospektorengruppen schlugen sich auf ihre Weise die ungewisse Wartezeit im Dreier tot.

Ein weiterer sozialkritischer Aspekt ist der oft angesprochene „medizinische Vollschutz“. Der reiche Broadhead kann ihn sich leisten – die meisten nicht. Eine Parallele zum quasi nicht existenten staatlichen Krankenversicherungssystem der USA. Broadhead kann sogar seine von einem Bus zermalmte Frau S. Ya. in strahlender Schönheit vollständig wiederherstellen, kann meterweise Gedärme und reihenweise neue Organe, Hornhäute und sonstiges anfordern, während arme Schlucker ihre Nieren verkaufen müssen – ein wahrer Organhandel-Horror.

Zum Glück ist Gateway nicht so sehr auf amerikanische Probleme zentriert, wie man befürchten könnte, sondern sehr international – der Asteroid Gateway spiegelt die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wider. Treffen sich dort erst locker Angehörige aller Nationen und arbeiten multinational unter der Schirmherrschaft der mächtigen Gateway-Behörde (später eine Gesellschaft, eine AG – moderne Zeiten …), entwickeln sich dort im dritten Band nach und nach nationalistische Tendenzen und die gute, alte Kneipe wird in Sektoren aufgeteilt.

Die Faszination des Unbekannten macht einen großen Reiz der Trilogie aus, die Hitschi werden selbst bei ihrem Erscheinen nicht entzaubert, sondern nur noch mysteriöser. Robinette wird seiner größten Seelenpein, Gelle-Klara Moynlin, schließlich näher kommen – wenn auch auf andere Weise, als wir und er es erwarten würden. Man holt schließlich nicht alle Tage die Ex vom Ereignishorizont eines schwarzen Loches zurück! Die Gefahren des Weltraums schrecken unseren mutigen und dann privat doch so ängstlichen und verstörten Prospektoren nicht:

|“Die Assasinen! Sie werden irgendwann herauskommen, und was sollen wir dann tun? Wenn sie den Hitschi Angst einjagen, machen sie mir Todesangst!“

„Keine Feinde, Klara (…) Lediglich Quellen zu neuem Reichtum.“|

_Fazit_

Gateways Mix aus Science-Fiction und Menschlichkeit ist unterhaltsam, spannend und amüsant. Alleine die Erzählweise Pohls ist genial, die oft in grauen Kästchen eingeblendeten Zusatzinfos zu Gateway (inklusive des Gateway-Vertrages für Prospektoren) sowie die lustigen, ernsthaften oder auch tragischen Anzeigen aller Art zeugen von seinem Sinn für Humor. Von Organhandel bis hin zu Angeboten zu gemeinsamen Dreierflügen, mit dem Angebot eines späteren Eheglücks in Nordirland im Falle des großen Treffers reicht das Spektrum. „Gateway“ zündet ein Feuerwerk der Ideen, dem der zweite Band kaum nachsteht. Lediglich der dritte ist nicht mehr so lustig und fällt deutlich ab, das Buch endet mit dem oben zitierten letzten Satz. Ein ziemlich offenes und unbefriedigendes Ende, was der Trilogie jedoch keinen Abbruch tut. Die Übersetzung ist exzellent, wurde noch einmal korrigiert und man hat sich jegliche Kürzung der Originale verkniffen.

Pohl setzte erst in diesem Jahr (2004) die Handlung fort – hoffentlich kann er sein hohes Niveau halten. Die Hitschis hätten es verdient. Die Gateway-Trilogie sollte in keiner gut sortierten SciFi-Sammlung fehlen. Es gibt keinen besseren Beweis dafür, dass gute Science-Fiction auch ohne die Blaster, Raumgefechte und Laserschwertduelle moderner Soap-Operas faszinieren kann.