Teuber, Klaus – Anno 1701 – Das Kartenspiel

_Der PC-Klassiker als Kartenspiel-Duell_

Nachdem Klaus Teuber die prestigeträchtige „Anno“-Serie bereits vor einigen Jahren mit einem zugehörigen Brettspiel adaptierte, hat er zum jüngsten Erfolg des PC-Strategie-Klassikers „Anno 1701“ einen weiteren Titel entworfen, der sich rein spieltechnisch allerdings sehr stark am Kartenspiel zu seiner wohl bekanntesten Arbeit „Die Siedler von Catan“ orientiert. Das Spielsystem wurde über weite Strecken übernommen, die Regeln ebenfalls teilweise übertragen. Ergibt es in diesem Sinne überhaupt noch Sinn, ein solches Spiel zu veröffentlichen? Nun, die ersten Eindrücke sowie auch das Resümee nach mehreren Spielrunden lassen letztendlich nur einen Schluss zu: Ja, „Anno 1701“ kann und muss neben dem bekannten Vergleichsprodukt bestehen. Denn bezüglich des Spiel- und Spaßfaktors ist auch Teubers neuester Release absolut empfehlenswert.

_Die Spielidee_

Eine Gemeinschaft von Siedlern landet im Jahre 1701 auf einem unbekannten Eiland und beginnt alsbald, die Insel zu bevölkern. Reichhaltige Rohstoffe begünstigen die schwere Erschließung der Pioniere, und in Windeseile sind die ersten Dörfer erbaut. Doch auf der anderen Seite der Insel ist eine feindliche Siedlertruppe eingetroffen, um ebenfalls Besitz von diesem schönen Fleckchen zu ergreifen. Beide Seiten wetteifern um die Vormachtstellung an diesem speziellen Ort im Jahre 1701 – doch nur eine kann gewinnen.

In „Anno 1701“ schlüpfen zwei Spieler in die Rolle der besagten Siedler und versuchen mit Würfelglück und gezielten strategischen Überlegungen möglichst schnell zu expandieren. Mit den Baustoffen der Insel errichtet man die ersten Häuser, plant kurz darauf Werkstätten und Farmen und sticht anschließend wieder in See, um mit den Piraten und anderen Geschäftsleuten Handel zu betreiben. Schließlich wollen die Einwohner bei Laune bleiben, und dies gelingt besonders gut mit Tabak und Rum. Doch die Konkurrenz schläft nicht und formt ihre Einwohner ebenfalls über mehrere Schritte zu Kaufmännern, vor deren geschickten Handlungstaktiken man sich in Acht nehmen muss. Und schneller, als man glaubt, geht das Zepter verloren. Sobald nämlich eine Gemeinschaft über zwei Kaufmänner verfügt, ist das Spiel zu deren Gunsten beendet. Ansonsten benötigt man die Gunst der Königin, die man jedes Mal gewinnt, wenn ein Einwohner der Insel eine Entwicklung vollzogen hat. Dafür gibt’s schließlich Punkte – und für sieben Gunstpunkte kann man den Sieg sicherstellen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielregel
• 120 Karten
• 1 Würfel
• 1 Figur ‚Seemacht‘
• 1 Figur ‚Handelsmacht‘

Gerade im Hinblick auf das Spielmaterial sind die Parallelen zum großen Bruder überdeutlich. Die Karten sind quadratisch geformt und mit einer ähnlichen Symbolik wie das Kartenspiel zu „Die Siedler von Catan“ ausgestattet. Auch auf die Grafik bezogen, lassen sich markante Ähnlichkeiten nicht verleugnen, was man jedoch auch als Qualitätsmerkmal aufnehmen kann. Was nämlich die Bespielbarkeit bzw. die Zweckmäßigkeit betrifft, hat Teuber die überzeugenden Nuancen des indirekten Vorgängers wieder verwendet und sie gekonnt mit den neuen Spielmechanismen verknüpft. Das Resultat ist visuell und technisch betrachtet vollends überzeugend. Aber ehrlich gesagt, durfte man bei den Voraussetzungen auch kaum etwas anderes erwarten.

_Spielvorbereitung_

Vor der ersten Partie sollte man sich erst einmal mit den unterschiedlichen Karten und Kategorien vertraut machen, um später einen schnellen Einstieg in das Spielsystem zu bekommen. Dabei sollte man vor allem einen Blick auf die Aktions- und Ausbaukarten werfen, die im weiteren Verlauf den Handkartenstamm bilden werden, in ihrer Gebrauchsart jedoch sehr differenziert verwendbar sind.

Vor Spielbeginn werden dann die Karten in die verschiedenen Sparten sortiert und jeweils zu einem Haufen zusammengelegt. Die Spieler erhalten die Aufbaukarten in ihrer Spielfarbe und legen sie der Anordnung in der Spielanleitung entsprechend vor sich ab (später kann man dies auch gerne modifizieren), so dass sich beide Beteiligten frontal gegenübersitzen. Nun werden in die Mitte alle übrigen Karten getrennt voneinander abgelegt, sprich Einwohner-, Ausbau- und Handelsschiffkarten. Die Ausbaukarten werden noch einmal gesondert nach römischen Ziffern (I-III) sortiert abgelegt, dies aber auch noch einmal in jeweils zwei Stapeln.

Sobald diese Anordnung vorgenommen wurde und die Bedeutung der einzelnen Kategorien allen klar ist, kann das Spiel beginnen. Nun sollte jeder seine Aufbaukarten positioniert haben, und in der Mitte des Spieltisches befindet sich, quasi als symbolische Abgrenzung, die Reihe mit den unterschiedlichen Kartenstapeln. Die beiden Stapel mit der römischen I werden nun unter den beiden Spielern so eingeteilt, dass jeder von jeweils einem Stapel die obersten drei Karten zieht und diese auf die Hand nimmt. Nun kann das Spiel endlich losgehen.

_Spielablauf_

Die Partie ist in mehrere Runden gegliedert, die wiederum auf jeweils drei chronologisch folgenden Spielphasen aufbauen. Dies schaut schließlich so aus:

|1.) Würfelphase|

Der Spieler, der gerade am Zug ist, würfelt mit beiden Würfeln gleichzeitig und ermittelt den Rohstoffertrag. Nach dem bekannten Catan-Prinzip erhalten beide Spieler nun den Rohstoff, der sich auf der Karte mit der entsprechenden Würfelsumme befindet. Eventuell kann dies auch die Karte mit dem Handelsschiff sein, wobei man in diesem Fall die Stabilität des Schiffes um einen weiteren Punkt ausbauen kann. Markiert wird das Ganze durch Drehen der Karten – aber auch dies ist nicht neu und geht recht schnell in einen vertrauten Ablauf über. Anschließend betrachtet man nun den zweiten Würfel, auf dem sechs verschiedene Symbole abgebildet sind. Je nach Resultat vergleicht man nun diese Symbole mit der Legende auf seinen Karten und führt die dort notierte Aktion durch. Dabei kann es sich unter anderem sowohl um eine Steuerzahlung seitens der eigenen Einwohner oder aber auch um ein Feuer handeln, welches die Bürger massiv bedroht. Auch dieses Würfelergebnis ist für beide Spieler relevant.

|2.) Aktionsphase|

Die Aktionsphase hält eine ganze Reihe verschiedener Möglichkeiten offen, die in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit durchgeführt werden können, sobald das entsprechende Kartenmaterial verfügbar ist. Die wichtigsten Schritte sind diesbezüglich sicherlich die Bauphasen, in denen man sowohl neue Häuser und Fachwerkstätten bauen als auch die Entwicklung seiner Einwohner forcieren kann. Letztere können sich von einfachen Pionieren in Siedler verwandeln, später dann zu Bürgern aufsteigen und letztendlich in die Gilde der Kaufleute aufgenommen werden. Um dies zu erreichen, sind verschiedene Rohstoffe notwendig. Doch je weiter der Aufstieg, desto schwieriger die Beschaffungsmaßnahmen der erforderlichen Mittel. Ein Bürger verlangt zum Beispiel Tabak und Rum, die in den normalen Ertragsphasen nicht erwürfelt werden können. Stattdessen muss man sich hierfür auf die Handelsschiffe begeben und dort im Widerstreit mit den Piraten sein Glück suchen. Aber auch dies geht nicht ohne ein stabiles Schiff, so dass man in dieser zweiten Phase auch die Möglichkeit hat, den Zustand des Mehrmasters mit dem Einsatz von kostspieligem Holz zu verbessern. Ein einmal ramponiertes Schiff hat nämlich später schlechte Karten im Kampf mit den Piraten und ist meistens dazu verurteilt, sang- und klanglos unterzugehen.

Individuelle Vorteile verschaffen einem in dieser zweiten Phase indes die Aktionskarten, die man nun ausspielen kann, um dem Gegner zu schaden oder sich auf Anhieb zu bereichern. Wer indes schon einige Gebäude erbaut hat, kann nun ggf. deren Funktionen nutzen. Hierzu wird noch einmal das Resultat des Zahlenwürfels in Betracht gezogen und mit den Würfelsymbolen auf den Gebäudekarten abgeglichen. Möglicherweise erhält man nun noch zusätzliche Rohstofferträge oder darf eine besondere Zusatzfunktion nutzen.

Sobald man keine Aktionskarten mehr spielen kann oder möchte, beginnt die letzte Phase.

|3.) Schlussphase|

Bevor das Zepter an seinen Gegenspieler übergibt, hat man zwei verschiedene, abschließende Zugmöglichkeiten. Entweder füllt man nun seine Kartenhand wieder auf genau drei Karten auf, oder aber man sticht mit dem Handelsschiff in See und versucht zwischen Wirbelstürmen und Auseinandersetzungen mit den Piraten, Luxusgüter wie Tabak und Rum zu erwerben.

Für die letztgenannte Aktion sind die Kanonen- und Segelsymbole relevant. Die Anzahl der Segel auf allen ausliegenden Karten gibt die Geschwindigkeit an und bestimmt somit, wie viele Karten man nacheinander vom Stapel der Handelsschiffkarten ziehen muss, die Kanonen bestimmten indes die Kampfkraft. Bei einer Handelsfahrt zieht der aktive Spieler nun nacheinander Karten vom vorab gemischten Stapel und führt die Aktionen durch. Dabei kann es sein, dass er seine Kampfkraft zusammen mit dem Würfel mit dem Gegner messen muss, sich durch die Wetterlage der Schiffszustand verschlechtert oder im günstigeren Fall Gold und Waren geboten werden, mit deren Hilfe man schließlich seine Einwohner aufwerten kann. Die Schifffahrt ist sofort beendet, wenn das Schiff beschädigt ist, der Spieler die maximale Kartenanzahl gezogen hat oder er sich freiwillig entschließt, vorzeitig die Segel zu streichen. Sobald dies der Fall ist, beginnt der nächste Spieler seinen Zug.

_Spielende_

Das Spiel ist sofort zu Ende, wenn ein Spieler sieben Gunstpunkte erlangt, wobei jeder dieser Punkte sinnbildlich für die Weiterentwicklung eines Einwohners steht. Anderseits kann man auch gewinnen, wenn man zwei seiner Einwohner zu Kaufleuten geformt hat, auch wenn dies in der Punkterechnung nur sechs Punkte ausmacht. In beiden Situationen ist die Partie sofort beendet.

_Persönlicher Eindruck_

Wie prinzipiell bei allen Titeln aus der Catan-Reihe (und dazu zählt „Anno 1701“ infolge der Ankündigung auf dem Kartondeckel nun auch), so gilt es auch bei diesem Zwei-Personen-Spiel zu analysieren, ob man das weitestgehend ausgereizte Spielprinzip tatsächlich noch einmal hat entscheidend verändern können, oder ob der Autor tatsächlich an der schwierigen Hürde der Fortschrittlichkeit gescheitert ist. Gerade wenn man bedenkt, inwieweit Teuber selbst sein Catan-Kartenspiel schon erweitert hat, stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnig ist, einen neuen Titel, so groß seine Reputation infolge der erfolgreichen PC-Spiel-Reihe auch sein mag, mit fast ähnlichen spielerischen Voraussetzungen ins Rennen zu schicken. Nachdem die Parallelen zum bewährten Klassiker bereits bei der grundsätzlichen Konzipierung deutlich zu erkennen waren, stiegen die diesbezüglichen Zweifel immer stärker an. Der Aufbau ist bekannt und für Catan-Spieler ein solides Grundgerüst, die Aktionsmöglichkeiten variieren insgesamt auch kaum, und auch das Gleichgewicht aus Glück und Strategie scheint im direkten Vergleich unverändert. Ein Todesurteil?

Nun, mitnichten, wie ich nach einer intensiveren Testphase berichten kann. Mit einem kleinen Blick auf die kleinen Details und Facetten, die „Anno 1701“ als eigenständige Inhalte für sich beanspruchen kann, fällt direkt auf, dass das Spiel trotz aller offenkundigen Parallelen über einen recht erfrischenden Aufbau verfügt und sich inhaltlich doch weiter von der Vorlage distanziert, als man zunächst vermuten durfte. Interessante Komponenten wie die Handelsreisen und die vielfältigen Aktionskarten bereichern das bewährte Konzept, und durch die Einbeziehung von Gold als weiterem wichtigem Handelsgut verteilt man die Rohstoffgewinnung auf weitere, bislang nicht präsente Schultern. Außerdem ist der Weg zum Erfolg bei „Anno 1701“ ganz klar vorgegeben. Konnte man sich bei den Siedlern von Catan immer noch durch Hintertürchen durchmogeln, ist es dieses Mal verpflichtend, alle Handlungswege zu begehen, sei es nun per Schiff, durch den Bau der unterschiedlichen Behausungen und Werkstätten oder doch durch den cleveren Tauschhandel, der selbst in diesem Zwei-Spieler-Modus unvermeidlich ist.

Dem Skeptiker mag dies zwar letzten Endes zu wenig sein, jedoch war von vornherein nicht zu erwarten, dass Klaus Teuber die Spielidee revolutionieren, geschweige denn komplett verändern würde. Stattdessen hat er einige markante Nuancen modifiziert und sie geschickt mit dem herkömmlichen Ablauf abgestimmt. Das Resultat ist erneut ein richtig tolles Kartenspiel, das Catan-Fans sich blind auf den Einkaufszettel schreiben können, welches darüber hinaus aber auch prinzipiell für jeden interessant ist, der die sehr gut besetzte Reihe der Zwei-Personen-Spiele aus dem |Kosmos|-Verlag zu schätzen gelernt hat. Mir persönlich hat das Spiel jedenfalls sehr viel Spaß gemacht!

http://www.kosmos.de/

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