_Spannender Horror-Western: Kampfmönche gegen Vampire_
Ein Buch ohne Autor oder Titel tötet jeden, der es liest. Ein geheimnisvoller blauer Stein ist plötzlich verschwunden – und alle suchen ihn, insbesondere zwei Karate-Mönche vom Tempel des Hubal, die die Welt retten wollen. Schon bald wird eine Sonnenfinsternis den Ort Santa Mondega in völlige Finsternis tauchen, und dann wird Blut fließen. Viel Blut. Denn ein Fremder ist (wieder) in der Stadt: The Bourbon Kid.
_Der Autor_
Anonymus ist ein Autor aus Großbritannien, der seinen Roman im Internet veröffentlichte und zahlreiche begeisterte Leserstimmen erhielt. Wer er ist und wo er lebt, weiß keiner. Höchstens sein Verleger, und der verrät es nicht.
_Handlung_
Santa Mondega ist eine Küstenstadt in den südlichen Breiten, vielleicht in Südkalifornien. Kein guter Mensch traut sich jedenfalls dorthin. Die schlimmsten Halsabschneider treffen sich in der Tapioca Bar, wo Sanchez ausschenkt – und es ist nicht immer Alkohol, was er auf den Tresen stellt. So wie jetzt vor dem Fremden, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen ist. Niemand in der Tapioca Bar mag Fremde, am wenigsten Sanchez, der Wirt.
Als der Fremde von dem Gesöff kostet, schaut ihm Ringo, der Revolverheld gespannt zu. Denn es geht die Kunde, dass Bourbon Kid in der Gegend sei, und dass Bourbon Kid, wenn er ein Glas Bourbon getrunken habe, wahnsinnig werde und alle in einer Bar restlos abknalle. Der Fremde trinkt und nichts passiert. Kein Wunder, es ist ja auch Pisse. Ringo lacht herzlich – und vielleicht auch ein wenig erleichtert. Dann bestellt der Fremde einen richtigen Bourbon und hebt das Glas an den Mund. Alle halten den Atem an …
|Fünf Jahre später.|
Auf einer Insel vor der Küste, an der Santa Mondega liegt, steht der Tempel des Hubal, und Vater Ishmael Taos ist sein Hüter. Leider steht Vater Taos inmitten eines Bergs von Leichen, und das Dach des Tempels ist eingestürzt. Der Killer Jefe hat zugeschlagen, und es muss offensichtlich etwas geschehen, um Jefe zur Rechenschaft zu ziehen. Deshalb ruft Vater Taos seine zwei klügsten Mönche, Kyle und den Novizen Peto, zu sich und gibt ihnen einen wichtigen Auftrag. Sie sollen das Auge des Mondes suchen, einen wertvollen magischen Stein, und ihm bringen. Sollte dieser Stein in die Hände von Jefe oder El Santino geraten, würde dies den Untergang der Menschheit bedeuten.
Ihre Suche sollen sie in Santa Mondega beginnen, „Geld“ (sie wissen nicht, was das ist) mitnehmen und nach Bourbon Kid und dem Auge des Mondes fragen. Als Kyle und Peto unweigerlich in der Tapioca Bar landen, stellt Sanchez auch vor sie wieder je ein Glas Pisse hin. Schließlich mag er keine Fremden, und Fremde, die in orangefarbenen Jacken und schwarzen Pluderhosen mit Schnabelstiefeln herumlaufen, erst recht nicht.
Natürlich werden auch diese beiden Gestalten von den Halsabschneidern angemacht, doch sie erweisen sich als gewandte Karatekämpfer. Sie erfahren: Bourbon Kid war hier, und von einem Auge des Mondes hat man auch gehört. Ein Mann namens El Santino sei dahinter her. Leider weiß Peto nicht mit einem Revolver umzugehen, und so erfahren sie nie, was der andere Halsabschneider zu sagen gewusst hätte.
Kaum sind die zwei Kriegermönche weg, tritt der Kopfgeldjäger Jefe ein, nach dem sie gefragt haben. Jefe trägt den blauen Stein, den sie suchen, um den Hals und hat vor, ihn bis Mitternacht an El Santino zu verkaufen, dem er ihn versprochen hat. Doch Marcus das Wiesel macht Jefe so betrunken, das es ihm leichtfällt, ihm das Auge des Mondes abzunehmen und zu verduften. Als Jefe in einem schäbigen Bett und mit einem Mordskater aufwacht, bemerkt er den Diebstahl zu spät. Aber wenn er El Santino den Stein nicht bis Mitternacht bringt, ist er ein toter Mann. Marcus das Wiesel – was für ein passender Name – ist jetzt ebenfalls so gut wie tot.
|Die Hüter des Gesetzes|
Chief Detective Miles Jensen ist Inspector für Übernatürliche Ermittlungen. Die Zentrale in Washington hat ihn ausgeschickt, um in Santa Mondega fünf Ritualmorde aufzuklären, die sich hier vor dem Eintreffen der beiden Mönche ereignet haben. Jensen weiß Bescheid über die Mönche des Hubal, die normalerweise nie ihre Insel verlassen, und über das Auge des Mondes. Dass sie letzte Nacht einen Mann kaltblütig erschossen, sieht ihnen gar nicht ähnlich, findet er. Aber Captain Rockwell muss es wohl wissen, denn Santa Mondega ist seine Stadt.
Jensen passt es überhaupt nicht, dass ihm Rockwell einen Partner aufs Auge drückt, noch dazu ein ausgewiesenes Riesen-Arschloch wie Archibald Somers. Doch der Bürgermeister bestehe darauf, insistiert Rockwell. Na schön, dann will er mal mit Somers in der Tapioca Bar anfangen. Denn dort hat Bourbon Kid vor fünf Jahren sein Unwesen getrieben. Und Archibald Somers ist ein ausgewiesener Experte für The Bourbon Kid.
|Das Mädchen ohne Gedächtnis|
Sanchez, der Barmann, besucht seinen Bruder Thomas und dessen Frau Audrey. Doch als er vor deren Haus eintrifft, wird er keineswegs freundlich begrüßt; vielmehr herrscht eine unheilvolle Stille. Ihm schwant Böses. Vor fünf Jahren, nach dem Massaker, das Bourbon Kid anrichtete, fand er eine schwerverletzte junge Frau und versteckte sie hier in einem verborgenen Dachzimmer. Die junge Frau wurde von einem Arzt gepflegt, doch sie lag im Koma. Sanchez betritt das Erdgeschoss: Da liegen die Leichen von Thomas und Audrey, seltsamerweise ohne eine einzige Wunde. Aus der Mansarde ist das Mädchen, das er Jessica genannt hat, verschwunden. Als er nach unten geht, hört er ein Auto wegfahren: Es ist ein gelber Cadillac. Sitzt der Mörder darin?
Sanchez bittet den besten Killer von Santa Mondega, den gelben Cadillac ausfindig zu machen. Der Killer namens Elvis findet die Aufgabe fast zu leicht: Die Karre gehört El Jefe. Sanchez zahlt ihm tausend im Voraus, wenn er Jefe kaltmacht. Dummerweise ahnt Elvis nicht, dass Jefe mit El Santino, dem anderen besten Killer von Santa Mondega, unter einer Decke steckt. Das könnte ungesund werden …
|Die Ermittlung beginnt|
Miles Jensen entdeckt zu seiner Überraschung, dass Archibald Somers, sein künftiger Partner, zwar ein monomanischer Typ ist, der hinter jedem Mord in der Stadt den Bourbon Kid vermutet, aber sonst ein ganz anständiger Kerl. Und Somers entdeckt, dass Jensen zwar völlig monomanisch ist, wenn er hinter jedem Mord einen übernatürlichen Hintergrund vermutet, dass er mit ihm aber wenigstens in einer Sache übereinstimmt: Jack Nicholson ist der beste Schauspieler des Planeten. Zusammen machen sie sich auf, Santa Mondega vom Abschaum zu säubern. Gutes Gelingen, meine Herren! Es gibt viel zu tun …
_Mein Eindruck_
Es ist, als hätte sich Quentin Tarantino, Stephen King und Douglas Adams zusammengetan, um die ultimative Thrillerkomödie zu schreiben. Kämpfende Mönche, ein Boxer im Auftrag des Herrn, mordlustige Jungfrauen, zwielichtige Gesetzeshüter und viele Zutaten mehr sorgen dafür, dass der Leser konstant bestens unterhalten und vor allem auf die Folter gespannt wird. Ständig musste ich mich fragen, was hinter diesem und jenem Rätsel steckt.
|Ewige Wiederholung?|
Das größte Rätsel von allen ist natürlich die Frage, was eigentlich vor fünf Jahren geschah. Denn dies ist der Ausgangspunkt für eine Wiederholung jener Ereignisse. Wer ist dieser Bourbon Kid, der damals offenbar 300 Bewohner (nicht alle davon menschlich …) umlegte, es aber nicht schaffte, den Teenager Jessica mit einem Dutzend Kugeln zu töten? Und warum wiederholen sich die Ereignisse immer dann, wenn eine Sonnenfinsternis ansteht?
|Das Buch ohne Namen|
Einen kleinen Einblick in die Ursprünge dieses wiederkehrenden Verhängnisses verschafft uns das „Buch ohne Namen“, dessen Autor selbstredend ebenfalls Anonymus heißt – ein langlebiger und fleißiger Bursche, in der Tat. Jeder, der das Buch aus der Stadtbibliothek ausleiht, ist des Todes, wie Miles Jensen herausfindet. Und er findet zu seinem Leidwesen heraus, warum das so sein muss. Tja, auch unser sympathischer Miles wird eines Tages seinem Tod ins Auge sehen müssen. Denn die Vampire wollen während der Sonnenfinsternis die Herrschaft über Santa Mondega übernehmen.
|Makaber|
Der Autor spielt mit dem Schrecken Schabernack und weicht vor nichts zurück, solange es den Leser unterhält. Figuren werden reihenweise über den Haufen geschossen, von Vampiren ausgesaugt und geköpft (die weiteren Details erspare ich euch). Vampire lassen sich nur auf wenige Arten töten, und regelmäßig gehen sie in Flammen auf, um zu einem Häufchen Asche zu verbrennen. Allerdings gibt es einen Obervampir, der vor Jahrhunderten aus dem heiligen Gral das Blut Christi trank und folglich unverwundbar ist. Denkt er zumindest. Doch er wird eines Besseren belehrt, nicht zuletzt zu unserer Überraschung.
Das zweite Rätsel betrifft den mysteriösen Bourbon Kid. Er ist sozusagen der ultimative Schrecken für Santa Mondega, denn sobald er ein Gläschen besagten Alkohols intus hat, wird er unberechenbar. Aber wofür kämpft dieser Kerl und woher kommt er? Alle diese Fragen werden mit der Zeit beantwortet, und so bleibt das Buch bis zur allerletzten Zeile spannend.
|Showdown|
Wohin führen all die verschlungenen Pfade der Killer, Sucher, Steinefinder, der Gesetzeshüter, fragt sich der Leser konstant. Nun, es ist klar, dass mit dem Anbruch der Sonnenfinsternis etwas Schreckliches, etwas Entscheidendes passieren wird. Es kommt zu einem Showdown der schlimmsten und wichtigsten Mitspieler in der Handlung – natürlich in der verrufenen Tapioca Bar, wo sonst. Jeder hält eine Knarre an den Kopf des anderen, denn alle wollen den MacGuffin, hinter dem alle herjagen: das Auge des Mondes. Dieser Edelstein scheint tatsächlich magische Kräfte zu besitzen. Macht er seinen Besitzer wirklich unverwundbar? Man wird es gleich herausfinden. Die Sonne verdunkelt sich, als der Mond sie verdeckt, und die Schießerei geht los …
|Pastiche|
Ein wichtiger Aspekt ist das ironische Spiel mit kulturellen Vorbildern. Der Autor und seine Figuren zeigen sich mit ihren Lesern kulturell verbunden. Dass Jack Nicholson ein großartiger Schauspieler ist (war), dürfte meist unbestritten hingenommen werden. Aber es gibt noch viele weitere Anspielungen aus der Popkultur, so zahllose Filme, Cartoons und Songs. An einer Stelle (Seite 182) wird der Thriller „Copykill“ mit „Ring“ verglichen – wo liegen die Stärken und Schwächen der Filme und wie wird der jeweilige Serienkiller dargestellt? Hier quasseln Fachleute unter sich. Da wir die Filme kennen (sollten), können wir der Argumentation durchaus folgen. An anderer Stelle wird über den Lone Ranger gestritten.
Diese Zitate heben das Buch auf die Ebene eines Pastiches, das sich seiner Vorbilder sehr bewusst ist. Genauso wie etwa „Pulp Fiction“ und „Reservoir Dogs“ von Quentin Tarantino Gangsterfilme zitieren, um etwas Neues daraus zu drechseln. Man sollte solche Pastiches nicht ernstnehmen, aber es lohnt sich, sie zumindest unterhaltsam zu finden.
|Die Übersetzung|
Axel Merz hat dieses kurzweilige Buch möglichst stilgetreu ins Deutsche übertragen, was bedeutet, dass es auch jede Menge Redewendungen auf verschiedenen sprachlichen Ebenen gibt. Mal wird hochgestochen dahergelabert, dann wieder Gossensprache benutzt. Auf keinen Fall wird jedoch diese 08/15-Verlagssprache benutzt, deren sich arrivierte Autoren wie Dean Koontz oder Stephen King befleißigen müssen, wollen sie eine Story erzählen.
Auf solche Hemmschuhe hat der Autor durch die Publikation des Romans im Internet von vornherein verzichten können. Das bedeutet aber nicht, dass er über die Stränge schlägt und tut, was er will. Nein, er drückt sich aus, wie er es will, und das ist keinesfalls schlechter als die genannten Kollegen. Was er ausdrückt, ist wesentlich blutiger und makaberer als das meiste, was Koontz und King bislang vorgelegt haben. Die Explizitheit erstreckt sich nicht auf Erotik, denn da bleibt der Autor ganz dezent. Leserinnen werden also bestimmt nicht vergrault oder abgestoßen sein.
Aber es gibt auch Stilblüten und Fehler im Text.
„… eine ganze Wagenladung Extras in der Szene“, heißt es auf Seite 182. Hierzulande sagt man nicht „Extras“, sondern „Statisten“. Auf Seite 402 schreibt der Übersetzer: „Kein Zweifel der Bourbon Kid“. Richtiger wäre: „ohne Zweifel“, denn sonst müsste hinter „kein Zweifel“ ein Doppelpunkt stehen.
Auch ganz normale Vertipper finden sich. „In Dantes Augen sah es auf, als warteten …“ Es muss natürlich „aus“ statt „auf“ heißen. Auf Seite 402 muss es „Flasche“ statt „Flache“ heißen.
Auf Seite 434 wurde ein Satz korrigiert, aber der Anschluss vermasselt. „Somers betrat den Empfangsbereich des Polizeihauptquartiers von Santa Mondega. Er war eine Million Mal hier durch gegangen, aber SIE hatte noch nie so ausgesehen wie heute.“ Statt „sie“ (die ursprüngliche Lobby) muss es jetzt „er“ (der Empfangsbereich nämlich) heißen.
_Unterm Strich_
Man muss sich nur an die besondere Erzählweise – das Buch hat 65 Kapitel und wechselt ständig die Szene – und die klischeehaften Elemente gewöhnen, um schon bald viel Spaß an der Art und Weise zu finden, wie die sattsam bekannten Elemente so verdreht werden, dass sie etwas völlig Neues ergeben. Das Bewusstsein, dass man nie weiß, was als nächstes geschehen wird, macht neugierig und sorgt durch die vielen Rätsel bis zum Schluss für Spannung. Viele der Ereignisse sind makaber, aber auch ironisch und lustig. Wer hätte schon boxende Kämpfe und vampirhafte Jungfrauen erwartet? Auch die Identität des Obervampirs wird als totale Überraschung enthüllt. Sein grausiges Ende allerdings ebenfalls.
Die Übersetzung durch Axel Merz weist bemerkenswert und erfreulich wenige Fehler auf und liest sich sehr flott und unterhaltsam. Er nimmt wie der Autor kein Blatt vor den Mund, vergreift sich aber auch nicht im Ton. Bestimmte Grenzen des Geschmacks beachtet auch er. Dass die Kapitel in aller Regel so kurz sind – 440 Seiten sind auf 65 Kapitel verteilt -, fördert die Lesegeschwindigkeit. Denn in aller Regel beginnt das neue Kapitel mit einer neuen Seite, so dass manchmal halb leere und fast ganz leere Seiten zu finden sind. Ich habe 200 Seiten an einem Abend geschafft, bin aber überzeugt, dass man das gesamte Buch auch an einem einzigen Tag durchlesen kann.
|Originaltitel: The book with no name, 2007
Aus dem Englischen von Axel Merz
447 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-7857-6010-9|
http://www.luebbe.de