Baigent, Michael / Lincoln, Henry / Leigh, Richard – heilige Gral und seine Erben, Der

Bei ihren Recherchen zu einer BBC-Dokumentation über eine geheimnisvolle Katharer-Festung in den französischen Pyrenäen stoßen die Autoren Lincoln, Baigent und Leigh im Jahr 1982 auf Spuren, welche nicht nur die Gralslehre in einem neuen Licht erscheinen lassen, sondern sogar die Grundfeste des Christentums erschüttern könnten. Das Buch gilt gemeinhin als populärwissenschaftliches Standardwerk zur alternativen Deutung der Gralsgeschichte und wird mittlerweile von mehreren Verlagen als günstiger (und überarbeiteter) Reprint angeboten. Übrigens adelte Erfolgsautor Dan Brown den Stoff unlängst dadurch, als dass er ihn als beinahe perfekte Blaupause für seinen Bestseller „The da Vinci Code“ (dt.: [„Sakrileg“) 1897 verwendete.

_Zum Inhalt_

Hauptsächlich geht es darin um das geheime Wissen und angebliche Ziele des geheimniskrämerischen und elitären Ordens Prieuré de Sion. Bei den Recherchen wurden dem Trio einige brisante Aufzeichnungen in die Hände gespielt: die so genannten „Prieuré-Dokumente“. Darin sind eine große Menge ordensinterne Daten zu finden, welche ursprünglich wohl offenbar nicht für öffentliche Augen bestimmt gewesen sein dürften und von Gründung im frühen Mittelalter bis in die späten Siebziger des vergangenen Jahrhunderts reichen. Sie umfassen somit gut 1000 Jahre. Die Herkunft dieser Dokumente und ihre Authentizität sind bis heute nicht ganz geklärt, doch scheinen sie sich wenigstens in vielen Teilen mit der belegbar und allgemein anerkannten Geschichtsschreibung zu decken. Jedoch nicht immer.

Der ominöse Bund, dem man nachsagt er wolle die ausgestorben geglaubte Merowinger-Dynastie wieder an die Macht bringen, ist ein moderner Mythos und ein Kuriosum. Er „firmiert“ – zumindest laut dem offiziellen französischen Vereinsregister – nicht nur unter falscher (Briefkasten-)Adresse, sondern ist, den Autoren zufolge, sogar eine komplett anders gelagerte Organisation, als sie nach außen vorgibt zu sein. Dabei gehörten der, ähnlich einer Freimaurer-Loge, pyramidisch strukturierten Gemeinschaft einige illustre und bekannte Persönlichkeiten an. So bekleideten unter anderem Leonardo da Vinci oder Sir Isaac Newton, also alles andere als esoterisch verbrämte Spinner, den Posten eines „Großmeisters“. Auch mannigfaltige Berührungspunkte zu den Templern, den Deutschrittern und insbesondere den Rosenkreuzern werden unter Zuhilfenahme diverser Quellen hergestellt.

Das alles liest sich, übrigens nicht nur für den Laien, höchst verwirrend, und die Lektüre zieht sich auch ganz schön zäh in die Länge. Ständiges Springen in den Appendix tut sein Übriges. Wenn die ganzen Personen, Begebenheiten und deren Querverbindungen (und das auch noch oft chronologisch zunächst nicht erkennbar zusammenhängend) über dreiviertel des Buches permanent auf einen einprasseln, beschleicht den Leser doch mehr als einmal das Gefühl, irgendwie im falschen Film gelandet zu sein, denn was soll das mit dem Gral zu tun haben? Dennoch benötigt man nicht wenige dieser Informationen, um den Autoren im letzten Abschnitt einigermaßen folgen zu können, wo sie ihre Hypothese zum Gesamtbild zusammenklöppeln. Selbstverständlich widmen sie sich spätestens dann auch den überlieferten Gralserzählungen von Eschenbach & Co.

Allerdings ziehen sie aus den bislang eher mythologisch gedeuteten Erzählungen und den nachweislich handfesten Bestrebungen der Prieuré de Sion ganz andere, höchst erstaunliche Schlüsse, und die haben viel mit Genealogie zu tun. Die angeführte Indizienkette reicht bis in biblische Vorzeit zurück, genauer gesagt bis zum Stamme Davids, welchem übrigens auch Jesus in direkter Linie angehört. Mit dem Mysterium der Auferstehung, dessen tatsächlichen Hergang die Autoren wesentlich anders rekonstruieren als die Version, welche die Bibel präsentiert, wurden einige sehr kuriose Vorgänge angestoßen – mal ganz abgesehen von der Entstehung einer (Welt-)Religion. Später, während der Kreuzzüge, formierten sich angeblich die Kreuzritter/Templer, um fürderhin als Gralshüter zu fungieren. Man nimmt an, dass der Auslöser dafür ebenfalls mit dem Gral zusammenhängt.

_Fazit_

Ein Körnchen Wahrheit steckt in diesen Nachforschungen sicherlich. Heutzutage haben sich die drei Autoren von einigen ihrer damaligen Quellen und den daraus resultierenden Schlüssen, zumindest in Teilen, wieder distanziert. Dennoch enthält „Der heilige Gral und seine Erben“ einige hochinteressante Informationen und Thesen, die man nicht pauschal als Unfug abtun sollte. Man muss sich allerdings darauf einlassen, Geduld und Hartnäckigkeit mitbringen, denn das zuweilen wirre Geflecht aus Namen, Orten und Begebenheiten ist für den nicht vorbelasteten Leser oft nur schwer zu durchschauen und zeitweise sogar richtiggehend ermüdend. Wesentlich unterhaltsamer lassen sich die Kernaussagen, wie eingangs bereits erwähnt, in Dan Browns „Sakrileg“ nachlesen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

OT: „The Holy Blood and the Holy Grail“
Jonathan Cape Ltd, London – 1982
Deutsche Ausgabe: Lübbe, Bergisch Gladbach – 1984
Übersetzung: Hans E. Hausner
487 Seiten, Hardcover
ISBN: 3-572-01314-3 (Reprint, Orbis – 2002)
auch in anderen Auflagen und Bindungen erhältlich
Preis: ab 9,95 €, Lübbe-Taschenbuch 5 €

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