Schüller, Martin – TATORT: Moltke

_Duisburg: Moltke_

_Zur Story_

Es weihnachtet in Duisburg und während Thanner sich schon darauf freut seine neue Flamme Simone festlich zu bekochen und von „savoir vivre“ salbadert, ist Kollege Horst Schimanski von dem ganzen Trubel ziemlich angenervt. Als die beiden mit Thanners Einkäufen vollgepackt zu ihrem Dienstwagen kommen, erwartet sie im Kofferraum eine Überraschung. Immobilien-Mogul Gress liegt dort als hübsch verschnürtes Weihnachtspaket darin – ausgeknockt aber lebendig – zusammen mit einer Pulle Wodka. Schimanski weiß sofort, dass dies eine Botschaft für ihn ist. Der Wink mit dem Zaunpfahl stammt vom Polen Zbigniew Pawlak, genannt „Moltke“. Der ist offenbar inzwischen aus dem Knast raus. Dort war er vor zehn Jahren nach einem schweren Raubüberfall gelandet, bei dem einer ihrer Komplizen seinen verwundeten Bruder Bruno während der Flucht förmlich hinrichtete.

Moltke wurde als einziger der insgesamt vier Täter geschnappt – von Schimanski. Zwei davon sind demnach also immer noch auf freiem Fuß und freuten sich über die 1,5 Millionen Mark Beute, die mit ihnen verschwand. Bis jetzt. Gress war wohl einer davon, doch leugnet er die Beteiligung am Überfall natürlich vehement. Schimanski rollt seinen alten Fall von 1978 wieder auf, um endlich einen Schlusspunkt darunter zu setzen und Moltkes Rachefeldzug zu beenden, bevor der sich den anderen Komplizen – und Mörder seines Bruders – auch noch krallt. Gress wurde inzwischen nämlich ermordet aufgefunden, doch ist Schimmi nicht von der Täterschaft des im Prinzip sanftmütigen Polen überzeugt. Im Gegensatz zu Thanner, für den ist der Fall glasklar. Er möchte sich zudem gerne profilieren, da er eine leitende Position im Rauschgiftdezernat angeboten bekommen hat.

_Eindrücke_

Die Umsetzung eines solch kultigen Falles, noch dazu einen mit Schimanski und Thanner, war für Martin Schüller sicher nicht ganz leicht. Immerhin lebt(e) der Duisburger TATORT ganz stark von Goetz George als Darsteller des stets etwas schmuddelig wirkenden Hauptkommissars mit dem Herz am rechten Fleck. Erschwerend kommt hinzu, dass die dazugehörige Kulisse schon 24 Jahre zurückliegt – Erstausstrahlung war immerhin 1988, wo dementsprechend auch die Handlung spielt. Das nostalgische Flair der späten Achtziger einzufangen und authentisch in einen erst 2010 entstandenen Roman zu packen, ist ihm aber recht gut gelungen. Schimmis schnoddrige Ruhrie-Schnauze und Thanners dazu kontrastierenden Spießeranwandlungen, sowie eine ordentliche Portion Lokalkolorit, lesen sich amüsant, können aber den audiovisuellen Eindruck der TV-Vorlage nicht erreichen, trotz dem, dass „Moltke“ beinahe 1:1 dem Drehbuch entspricht.

Dabei wurden selbstverständlich einige Anpassungen fällig, da das Storytelling in beiden Medien naturgemäß grundverschieden ausfällt. Die novellisierte Version muss oft Gefühlsregungen und Gedanken der Figuren in Worte kleiden und das lässt de facto meist weniger Interpretationsspielraum für das Publikum, als Mimik und Gestik des jeweiligen Schauspielers. Damit begibt sich jemand, der ein Drehbuch zum Roman aufbohrt, immer auch auf einen schmalen Grat, unter Umständen zu viel zu verraten. Vor allem bei einem Krimi besteht eine nicht unbeträchtliche Gefahr das ganze Ding so zu spoilern, dass die Spannung letztlich lange vor dem Showdown flöten geht. Das ist hier dankenswerterweise nicht so. Der Plot an sich ist schon so konzipiert, dass bis zum Schluss nicht klar ist, wer nun eigentlich der Vierte im Bunde der Bankräuber war. Doch auch als das offenbart wird, ist die Sache noch nicht (ganz) durch.

_Fazit_

Schimmi in Romanform – kann das klappen? Ja, es kann. Allerdings fehlt schon ein wenig etwas, wiewohl das Kopfkino so manches ausbügelt, zumindest, wenn man die damaligen TV-Vorlage(n) kennt. Nicht-TATORTler dürften die Figurenzeichnung hingegen vielleicht etwas flach finden, wobei auch das Original damals schon ziemlich arg im (Ruhrpott-)Klischee wühlte. Aber davon ab: Dieser Personenkreis wird sich sicher eher zufällig zur Lektüre einfinden. Alles in allem bringt Martin Schüller auch diese, diesmal nostalgisch angehauchte, TATORT-Umsetzung (er adaptierte für die Buchreihe bislang bereits die Kölner, Münsteraner und sogar einen Fall des bayerischen Ermittlerteams) routiniert unter Dach und Fach. „Moltke“ ist zwar nun nicht der kriminalistische Kracher, doch durchaus eine der besseren Episoden – sei es als TV-Fassung oder wie hier in Schriftform. Daumen hoch.

|Taschenbuch, 154 Seiten
Von Martin Schüller
Nach einem Drehbuch von Axel Götz, Jan Hinter und Thomas Wesskamp
Emons-Verlag, Mai 2010
ISBN 978-3-89705-734-0|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

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