Schüller, Martin – TATORT: Die Blume des Bösen

Den TATORT kennt heute selbst jedes Kind. Kaum ein Format kann auf eine längere und erfolgreichere Geschichte im deutschen Fernsehen zurückblicken als die legendäre Krimiserie der ARD. Nun zündete man eine weitere Stufe der Vermarktung. Die beliebtesten Kommissare bzw. Ermittlungsteams gehen nun auch in Buchform auf Verbrecherjagd. Als Vorlage dienen – derzeit zumindest – bereits im TV ausgestrahlte Fälle der Mordkommissionen aus Köln, Saarbrücken, Berlin und München. Die jeweils 160 Seiten starken Bücher erscheinen seit Ende September 2009 als Broschur bei |Emons| und kosten 8,95 Euro pro Band. „Die Blume des Bösen“ spielt in Köln, wo das langjährige Kripo-Dreamteam Ballauf/Schenk ermittelt.

_Zur Story_

Jemand hat seine Hausaufgaben gemacht – und zwar sehr gründlich. Er kennt scheinbar jedes noch so kleine Detail aus dem Leben des Hauptkommissars Max Ballauf. Er sammelt jeden Informationsschnipsel und verfolgt alles, was über den Dienststellenleiter der Kölner Mordkommission durch die Presse geht. Dass er dabei nichts Gutes im Schilde führt, dürfte klar sein. Der derart Observierte ahnt nichts von dem teuflischen Spielchen, welches sein bis dato unbekannter Gegenspieler mit ihm vorhat, als er zusammen mit seinem Kollegen Freddy Schenk zum Kölner Güterbahnhof gerufen wird: Fund einer Frauenleiche in einem Frachtwaggon.

Kein Routinefall – Ballauf kennt das Opfer. Eine Kurzbeziehung, die er vor Jahren einmal hatte. Offensichtlich hat der Täter den Tatort bzw. die Auffindesituation regelrecht inszeniert. Doch ob und was er damit sagen will, bleibt zunächst im Dunkeln. Der Doc stellt bei der Obduktion lediglich ein hochwirksames, synthetisches Spezialgift als Todesursache fest. Eine Substanz, welche so ohne Weiteres nirgendwo erhältlich ist. Ein erster Anhaltspunkt also. Der Täter bleibt derweil nicht inaktiv und beginnt mit präparierten Postsendungen und Drohanrufen, Ballauf aus der Reserve zu locken. Er droht, entführt, fordert Geld und verteilt Rätselaufgaben, die weitere Verbrechen verhindern sollen. Einmal hetzt er ihn sogar zu Fuß quer durch Köln – für Nichts.

Der Schlüssel muss irgendwo in Ballaufs Vergangenheit liegen, doch das Denken fällt ihm derzeit besonders schwer. Es plagen ihn grausame Zahnschmerzen und die Sorge um seine Lieblingscousine Beatrice, welche mit Krebsverdacht zur Untersuchung für einige Tage ins Klinikum bestellt wird. Max macht inzwischen den House- und Babysitter bei ihr und wälzt, während er zwischen Kinderbetreuung, geplatzten Zahnarztterminen und Büro schwankt, teils uralte Akten durch, um heraus zu finden, wem er wann auf die Füße getreten sein mag, sodass er diesen perfiden Rachefeldzug verdient haben könnte. Sein Peiniger schreckt ja nicht einmal davor zurück, Beatrices kleine Tochter trotz Polizeischutzes vom Kindergarten abzufangen.

_Eindrücke_

Schon im Prolog wird deutlich, wie der Hase läuft und der Täter ungefähr gestrickt ist – lediglich die Person und sein Motiv bleiben im Verborgenen. Damit ist der Leser den Protagonisten bereits einen guten Schritt voraus, als das Ermittlerduo Ballauf/Schenk am ersten Tatort eintrifft. In der TV-Episode fällt die gefühlte Spanne etwas kürzer aus, bis bei den beiden der Groschen fällt, dass es sich um einen persönlichen Rachefeldzug handelt. In der Romanadaption kann es Martin Schüller etwas spannender gestalten und den Leser damit geschickter hinhalten, als das beim Drehbuch von Thomas Stiller der Fall ist. Dort steht das Katz-und Mausspiel etwas mehr im Vordergrund und wirkt auch durch audiovisuelle Darstellungsmöglichkeiten actionreicher. Der Bezug zum gleichnamigen Werk von Claude Chabrol kommt übrigens nicht von Ungefähr.

Fernsehfolge und Roman haben – obwohl von Inhalt und Handlungsabfolge her vollkommen identisch – einen leicht unterschiedlichen Grundtenor. Die Buchfassung erscheint allerdings subjektiv insgesamt einen Tick düsterer sowie der Spannungsbogen kontinuierlicher. Dabei ist es schwer zu sagen, welche Variante nun die Bessere ist. Beides hat was und es unterliegt somit sehr stark dem persönlichen Geschmack des Konsumenten, welche Fassung er bevorzugt. Fans der Kölner Mordkommission werden „ihre“ Figuren auf jeden Fall wieder erkennen, wobei die gegenüber Unbedarften schwer im Vorteil sind, da diese die Charaktere bereits fix und fertig im Kopf bzw. vor Augen haben. Ausführliche Personenbeschreibungen fehlen nämlich.

Überhaupt ist das immer der schwierigste Teil einer Adaption: Die richtige Atmosphäre zu treffen. Gerade wenn es sich um solch kultige – insbesondere Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär sei Dank – (Tatort-)Figuren handelt, besteht stets die Gefahr sich irgendwie im Ton zu vergreifen, zu verzetteln oder Dinge herein zu interpretieren, welche mit den TV-Vorbildern kollidieren. Zu unterschiedlich sind die zur Verfügung stehenden stilistischen Mittel der beiden Medien. Martin Schüller, seines Zeichens ebenfalls Buchautor für die bisherigen literarischen Umsetzungen der Tatorte mit Thiel/Boerne (Münster), Batic/Leitmayr (München) und Schimanski/Thanner (Duisburg), lässt hier aber nichts anbrennen und meistert diese Aufgabe ausgesprochen elegant und bis zum Schluss rasant und spannend – sofern man die Fernsehfassung nicht kennt, natürlich.

_Fazit_

Der Fall an sich ist einer der Besseren, obwohl das alte Rache-am-ahnungslosen-Bullen-Thema so neu eben nun doch nicht ist. Das Buch hat die Nase stellenweise vorn, da es das Kopfkino auf ganz andere Art anspricht. Das erfordert naturgegeben eine andere Taktik und Erzählstruktur, als das, was auf dem Bildschirm möglich ist. So ist hier das Tempo vielleicht geringfügig gemächlicher, dafür der Level konstanter und auch das Ambiente ein Stück weit bedrohlicher. Also TV oder Roman? Bei „Blume des Bösen“ eine schwierige Frage. Die gerechteste Antwort wäre sicherlich: Beides.

|Begleitbuch zur gleichnamigen ARD-Serie „Tatort“
Nach einem Drehbuch von Thomas Stiller
ISBN: 978-3-89705-658-9
160 Seiten, Broschur|
http://www.emons-verlag.de

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