Wolfgang Hohlbein – Erbe der Nacht (Der Magier 1)

Die Wiederkehr der Großen Alten: der Kampf des Magiers

Wenn die sieben Siegel der Macht sich vereinen, werden die GROSSEN ALTEN, boshafte Alien-Götter, auf die Welt zurückkehren und Tod und Verderben über die Menschheit bringen. Als der Millionenerbe Robert Craven jr. mehrfach Besuch von einem seltsamen Herrn namens H. P. erhält und sich die Standuhr des Großvaters sonderbar verhält, schwant ihm, dass er es sein könnte, der das siebente Siegel ist. Und deshalb darf er den Großen Alten niemals in die Hände fallen…

„Es begann in einer Mainacht, um Punkt Mitternacht. Der zwölfte Schlag der alten Standuhr war noch nicht verklungen, da hatten sich fremde, fürchterliche Welten aufgetan, von deren Existenz er nichts geahnt hatte. Ein langer Weg durch Grauen und Schrecken steht ihm bevor, ehe er lernt, die geheimen Kräfte, die in ihm schlummern, zu deuten: Nur er kann das Erwachen jener finsteren Gottheiten, die die Erde Jahrmillionen vor Entstehung der Menschheit beherrscht haben, verhindern.“ (Verlagsinfo)

Der Autor

Wolfgang Hohlbein, geboren 1953 in Weimar, hat sich seit Anfang der achtziger Jahre einen wachsenden Leserkreis in Fantasy, Horror und Science Fiction erobert und ist so zu einem der erfolgreichsten deutschen Autoren geworden (Auflage: 8 Millionen Bücher). Zuweilen schreibt er zusammen mit seiner Frau Heike an einem Buch. Er lebt mit ihr und einem Heer von Katzen in seinem Haus in Neuss. (keine Verlagsinfo)

Die MAGIER-Trilogie:

1) Der Erbe der Nacht
2) Der Sand der Zeit
3) Das Tor ins Nichts

Hintergrund: Der Autor Howard Phillips Lovecraft und sein Cthulhu-Mythos

Hohlbein schrieb in den achtziger und neunziger Jahren mit seiner Serie über den „Hexer von Salem“ eine Reihe von Romanen in der Tradition H. P. Lovecrafts und griff dabei eine Reihe von dessen Motiven auf. Dazu gehörte vor allem der Cthulhu-Mythos.

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (v.a. der männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“.

Die Welt ist kein gemütlicher Ort, und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Unter den Großen Alten bildet Cthulhu eine Ausnahme: Er befindet sich immer noch auf der Erde. Am Grunde der tiefen blauen See träumt er von seiner Rückkehr an die Macht, die er einst besaß, und er ruft seine Diener …

Handlung

Der 20 Jahre junge Robert mit dem unaussprechlichen Familiennamen McFaflathe-Throllingwort-Simpson, der vierte seines Namens, wohnt seit er denken kann im Haus seines Großvaters am Ashton Place in London. Großvater hat ihm erzählt, dass Roberts Vater, Robert Craven, schon vor Jahren verstorben sei, ebenso seine Mutter Priscilla. Er nimmt an, dass beide bei dem großen Brand des ersten Hauses starben, in dem er aufwuchs. Allnächtlich suchen ihn Alpträume heim, in denen sein Vater die Hauptrolle spielt. Und jedes Mal ist Gewalt mit im Spiel.

Das Haus am Ashton Place nennt eine höchst merkwürdige Standuhr sein eigen, die verschiedene Besonderheiten aufweist. Sie hat vier Zifferblätter, schlägt mitunter dreizehn und springt auf, um den Weg in eine andere zeitliche Dimension zu öffnen. Robert hat gelernt, dieser Passage zu misstrauen: Sie wird von einem monströsen Wächter bewacht, dessen Augen einen tödlichen Energiestrahl verschießen kann. Kein Wunder, dass seine und Großvaters Expeditionen nur in höchster Not unternommen werden.

Nach einer dieser Expeditionen taucht nachts um halb eins ein sonderbares Paar Männer an der Haustür auf und wird nur widerwillig von Mary, der mütterlichen Köchin, vorgelassen. Der kleine, schmale Kerl mit dem Stöckchen nennt sich einfach H. P., und sein übermannsgroßer, grobschlächtiger Begleiter hört auf den schönen Namen Rowlf. Dass sie in einer Pferdedroschke aus dem frühen 20. Jahrhundert vorfahren, lässt sie nicht vertrauenerweckender erscheinen. Robert selbst bevorzugt Porsche. Sie glauben in Robert einen Mann gefunden zu haben, den sie schon seit Jahren suchen: Robert Craven, den Hexer.

Robert weist ihnen die Tür, doch sie kommen immer wieder. Was haben sie nur vor, fragt Robert seinen Großvater, und wer ist dieser Robert Craven? Großvater hält mehrere überraschende Informationen auf Lager. Die Tatsache, dass jemand aus der Vergangenheit seinen Schützling aufgespürt hat, bedeutet, dass auch die Gegenseite nicht lange auf sich warten lassen wird. zeit für die Wahrheit.

Zunächst einmal: Er ist gar nicht Roberts Großvater, sondern lediglich so eine Art Ziehvater, der von Roberts richtigem Vater lediglich engagiert wurde, um das Kleinkind zu einem Mann aufzuziehen und anhand der riesigen Bibliothek auszubilden. Doch das Prunkstück der Bücherei befindet sich wohlverwahrt in einem Wandsafe, sagt Großvater: „das einzige noch existierende Exemplar des NECRONOMICON“. Und er nennt ihn Robert Craven II, den Sohn des Hexers.

Mit Hilfe des verbotenen Buches darf sich Robert mit den Chroniken über die Großen Alten vertraut machen, die die Erde vor rund 200 Millionen Jahren unterjochten und beherrschten. Sie wüteten so blasphemisch, dass die Älteren Götter von den Welten der roten Sonne Beteigeuze kamen und die Großen Alten besiegten. Doch sie konnten sie nicht vernichten, sondern lediglich in verschiedene Kerker verbannen. Eines Tages, wenn das siebenteilige Siegel wieder zusammengesetzt wird, würden sie wieder an die Erdoberfläche steigen und die Welt erneut unterwerfen.

Wie gruselig! Aber was hat das alles mit ihm, Robert, zu tun? Nun, es sieht so aus, dass H. P. und seine ungeschlachter Goliath in Robert einen zweiten Robert Craven gefunden zu haben glauben. Sie brauchen Robert wahrscheinlich, weil die Zeit knapp wird und die Rückkehr der Großen Alten bevorsteht. Um dies zu verifizieren, begibt sich Großvater mit Robert wieder mal in den Dimensionstunnel in der Standuhr. Doch der Rückweg ist versperrt: Der Wächter tötet Großvater, während Robert mit letzter Kraft entkommen kann. Es gelingt ihm, den vom Energiestrahl entfachten Brand zu löschen. Danach sieht das Zimmer aus wie ein Katastrophengebiet.

Dieser reichlich unnatürliche Tod ruft Scotland Yard auf den Plan. Inspektor Card ist ein scharfsinniger und , wie Robert zu seinem Leidwesen feststellen muss, auch sehr hartnäckiger Ermittler. Er glaubt Robert kein Wort von einem Unfall und dergleichen. Robert hat den Verdacht, dass der Mann auf höhere Weisung hin gegen ihn ermittelt. Vielleicht weiß ja H. P. ein paar Antworten. Doch dort warnt ihn eine Erscheinung seines Großvaters vor H. P.

Wem kann Robert noch trauen? Selbst Mary redet so, als sei sie besessen. Und ein unsichtbarer Schatten schleicht durch die oberen Stockwerke von Ashton Place. Etwas braut sich zusammen, etwas, das schon zu lange gewartet hat …

Mein Eindruck

„Das ist nicht tot, das ewig liegt, bis dass der Tod die Zeit besiegt“, lautet das bekannteste Zitat aus dem Cthulhu-Mythos. Dieses ist mir natürlich als Lovecraft-Fan bestens vertraut. Da es auf der Rückseite des Buchumschlags steht, war meine Interesse sofort geweckt. Ich las das Buch, das ich auf unserer städtisch-öffentlichen Tauschbörse entdeckte, mit Interesse. Ich war vom Ergebnis meiner Lektüre einigermaßen ernüchtert, wenn auch nicht rundweg enttäuscht. Der Autor hätte mehr daraus machen können.

Aber der Autor, ein Routinier ersten Ranges, geht zumindest geschickt vor, indem er erstens einen nichtsahnenden Helden in den Mittelpunkt stellt, ihm in Inspektor einen Widersacher entgegenstellt und schließlich die Hauptattraktion bis ganz zum Schluss hinauszögert. Der Leser wird mit kleinen Häppchen an Informationen („Necronomicon“ usw.) gefüttert und mit Szenen voll Action und Mystery bei der Stange gehalten: Jung Robert muss es mit einem Schoggothen aufnehmen! Zum Glück verfügt er über eine Geheimwaffe…

Schließlich steckt der vernagelte und fremdgesteuerte Inspektor ihn sogar in den Knast, so dass die Welt vollends der Rückkehr der Großen Alten ausgeliefert zu sein scheint. Denn Robert ist das siebente Siegel, das für die Vollendung der Rückkehr vonnöten ist. Dreimal darf man raten, wer unseren Helden aus dem Loch holt: H. P. natürlich. Dieser Wiedergänger des legendären Autors – dessen Schicksal des ewigen Lebens nie erklärt wird – wird so zweifelhaft angelegt, dass der Leser nie sicher sein kann, ob Robert ihm vertrauen kann. Geisterhafte Stimmen wie etwa die seines Großvaters warnen ihn vor dem Zeitreisenden und seinem Goliath.

Obwohl die Handlung in der Gegenwart spielt – manche Rezensenten befinden sich diesbezüglich im Irrtum – liest sich die Geschichte wie ein viktorianischer Schmöker des späten 19. Jahrhunderts. Telefone gibt es zwar, doch auch Bedienstete, Pferdedroschken, Stockdegen und Wandsafes. Bei den Herrschaften Millionär hält man eben noch auf Tradition.

Das erklärt, warum die Wiederkehr der Großen Alten sich ziemlich genau wie bei Lovecraft liest: etwas altertümelnd, etwas raunend, und vor allem wie eine Verfinsterung der Menschenwelt. Inspektor Card jedenfalls ist beim Anblick eines veränderten Londons, das unter Verfinsterung und Verzerrung zu leiden hat, ziemlich von den Socken. Doch was dann folgt, toppt die ganze Geschichte. Genug verraten – selber lesen!

Textschwächen

S. 7: „Maylair“ soll wohl dem Londoner Nobelstadtteil Mayfair entsprechen.

S. 159: „Ich sah, nie meine Haut schwarz wurde…“ Aus dem N sollte man wohl besser ein W machen.

Unterm Strich

Der Autor weiß seinen jungen Leser routiniert und mühelos zu unterhalten. Was man an Vorkenntnissen mitbringen sollte, passt in einen Fingerhut: Denn Robert selbst – und wir mit ihm erfährt aus dem NECRONOMICON genau, um was es im Grunde geht. Der Cthulhu-Mythos (s.o.) dürfte jedem Lovecraft-Leser geläufig sein.

Geschickt wird auch eine frühere Handlungsebene in Rückblenden, Visionen, Zeitreisen eingefügt, so dass der junge Held nicht im Dunkeln bleibt, was mit seinem Vater passiert ist. Es gibt sogar eine Art Ur-Szene, in der der Vater dem Sohn sein Amt und seine Geheimwaffe übergibt. Hier trickst der Autor also gewaltig, doch der Leser sollte im Grunde froh darüber sein: Auf diese Weise werden nämlich seitenlange Berichte in Form von langen Monologen vermieden, die ihn tödlich langweilen würden.

Die Erzählung ist zwar nichts für schwache Nerven, aber jeder Zwölfjährige könnte sie verstehen. Der Held durchläuft eine charakterliche Entwicklung, überwindet Widerwillen und Unglauben und findet schließlich zu seiner Bestimmung: „Denn der Magier bin ich“, lautet der letzte Satz. Na, das ist doch ein prächtiges Vorbild – denn dieser Magier bekämpft das Böse. Das kann man dann in den weiteren MAGIER-Bänden nachlesen. Wer dann noch nicht genug hat, der greift sicherlich gerne zu den HEXER-Geschichten, die mittlerweile in preisgünstigen Sammelbänden vorliegen („Der achtarmige Tod“ und viele mehr).

Taschenbuch
ISBN-13: 978-3453147249
www.heyne.de

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