Richard Stark – Das Geld war schmutzig (Parker 24)

Schwierigkeiten beim Geldwaschen

Das beim letzten Überfall erbeutete Geld, gut versteckt in einer verlassenen Kirche, musst schleunigst gewaschen werden. Partner holt seine alten Partner und eine ehemalige Kopfgeldjägerin mit ins Boot, damit ihn die Geldwäscher nicht über den Tisch ziehen. Noch dazu wimmelt es an jeder Straßenecke von Polizisten…. (Verlagsinfo)

Der Autor

Richard Stark ist das Pseudonym von Donald E. Westlake. Donald E. Westlake, 1933-2008, schreibt seit 50 Jahren Romane, viele davon unter Pseudonym. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. erhielt er eine OSCAR-Nominierung. (Verlagsinfo)

Die Parker-Reihe (veröffentlicht als Richard Stark)

1962 The Hunter, auch als: Point Blank; auch als: Payback
Jetzt sind wir quitt, dt. von Brigitte Fock; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1968
auch als Payback, gleiche Übersetzung; Berlin: Ullstein 1999, ISBN 3-548-24585-4
Neuübersetzung: The Hunter, dt. von Nikolaus Stingl, München, Wien: Zsolnay 2015, ISBN 978-3-552-05715-9
1963 The Man with the Getaway Face (englische Ausgabe: The Steel Hit)
Parkers Rache, dt. von Christiane Nogly; Rastatt: Pabel 1975
1963 The Outfit
Die Gorillas, dt. von Christian Wessels; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1968
1963 The Mourner
Ein Job für Parker, dt. von Werner Gronwald; München: Heyne 1968
1964 The Score / Killtown
Stadt im Würgegriff, dt. von Thomas Egerton; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1975, ISBN 3-548-01683-9
1965 The Jugger
Parkers Urteil, dt. von Christiane Nogly; Rastatt: Pabel 1976
1966 The Seventh / The Split
Parker und der Amateur, dt. von Karl H. Kosmehl; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1976, ISBN 3-548-01736-3
1966 The Handle / Run Lethal
Das Kasino vor der Küste, dt. von Franz Kiel; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1975, ISBN 3-548-01695-2
1967 The Rare Coin Score
Sein Gewicht in Gold, dt. von Gretl Spitzer; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1968
1967 The Green Eagle Score
Unternehmen Grüner Schnee, dt. von Gretl Spitzer; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1969
1968 The Black Ice Score
Unternehmen Schwarzes Eis, dt. von Will Helm; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1969
1969 The Sour Lemon Score
Eine Falle für Parker, dt. von Will Helm; Frankfurt, Berlin: Ullstein 1969
1971 Deadly Edge
Ein wunder Punkt kann töten, dt. von Hardo Wichmann; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1971, ISBN 3-548-01426-7
1971 Slayground
Ich bin die dritte Leiche links, dt. von Ursula Goldtschmidt; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1972, ISBN 3-548-11478-4
1972 Plunder Squad
Harte Zeiten, weiche Knie, dt. von Helmut Bittner; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1973, ISBN 3-548-01582-4
1974 Butcher’s Moon
Blutiger Mond, dt. von Heinz F. Kliem; Frankfurt, Berlin, Wien: Ullstein 1975, ISBN 3-548-01663-4
1997 Comeback
Verbrechen ist Vertrauenssache, dt. von Dirk van Gunsteren, Wien: Zsolnay 2011, ISBN 978-3-552-05550-6
1998 Backflash
Sein letzter Trumpf, dt. von Rudolf Hermstein; Wien: Zsolnay 2011, ISBN 978-3-552-05536-0
2000 Flashfire
Irgendwann gibt jeder auf, dt. von Rudolf Hermstein; Wien: Zsolnay 2010, ISBN 978-3-552-05518-6
2001 Firebreak
Der Gewinner geht leer aus, dt. von Dirk van Gunsteren; Wien: Zsolnay 2010, ISBN 978-3-552-05497-4
2002 Breakout
Das große Gold, dt. von Rudolf Hermstein; Wien: Zsolnay 2009, ISBN 978-3-552-05480-6
2004 Nobody runs forever
Keiner rennt für immer, dt. von Nikolaus Stingl; Wien: Zsolnay 2009, ISBN 978-3-552-05463-9
2006 Ask the Parrot
Fragen Sie den Papagei, dt. von Dirk van Gunsteren; Wien: Zsolnay 2008, ISBN 978-3-552-05446-2
2008 Dirty Money
Das Geld war schmutzig, dt. von Rudolf Hermstein; Wien: Zsolnay 2009, ISBN 978-3-552-05479-0

Handlung

Parker und seine Crew haben in Massachusetts erfolgreich einen Raubüberfall auf einen Geldtransport durchgezogen, doch weil es überall von Polizisten aller Art – FBI, Staatspolizei, Sheriffs und Marshals – wimmelt, musste er die Beute in einer verlassenen Kirche auf dem Lande verstecken: zwei Millionen Dollar in, leider Gottes, nummerierten scheinen. Warum musste Nick auch so blöd sein, einen Polizisten umzunieten? Das verzeihen die Cops einem nie und werden zu hartnäckigen Terriern.

Claire Willis, die treue Seele, holt Parker ab, nachdem dieser seinen Infiniti im Fluss versenkt hat. Sie erzählt: Nick ist bei seiner Übergabe zwischen FBI und Staatspolizei irgendwie die Flucht gelungen. Witzig, nicht? Und der Kopfgeldjäger Keenan habe das Zeitliche gesegnet. Doch wie sich bei der nächsten Station, der Kneipe des Komplizen Nelson McWhitney auf Long Island, herausstellt, hatte Keenan eine Partnerin. Sandra Loscalzo ist mit Handy und Kanone ausgestattet, sie wartet auf einen Anruf. Der wird entscheiden, ob sie Claire und Parker umnietet und das Kopfgeld kassiert – oder ob sie mit ihnen gemeinsame Sache macht. Die Kanone bleibt in der Tasche. Aber Parker ist misstrauisch und trennt sich von Sandra und McWhitney. Vorsicht ist eben die Mutter der Porzellankiste.

Indian Summer für Laubgucker

Zurück zur Kirche, wo die Beute wartet. Natürlich nicht direkt, Parker ist ja nicht blöd. Er und Claire nehmen ein sonniges Zimmer in der Frühstückspension von Mrs. Bartlett, um hier scheinbar den Indian Summer in all seiner Farbenpracht zu bestaunen: als Laubgucker. Mrs. Bartlett backt nicht nur leidenschaftlich gerne Apfelkuchen, sondern erzählt auch ganze Romane, wenn man ihr die Gelegenheit gibt. So entwirft sie ein dramatisches Bild von dem berühmten Raubüberfall, der in allen Zeitungen steht und über sämtliche TV-Kanäle flimmert. Die Räuber hätten Bazookas eingesetzt! Als wäre Krieg! Parker weiß es besser, hält aber lieber die Klappe.

Ungemütlich wird es erst, als zunächst ein Freelance-Reporter vor der Pension aufkreuzt und dann Sandra. Wie konnte die Kopfgeldjägerin sie nur ausfindig machen, fragt sich Parker nervös. Bei einem Drink macht ihnen Sandra klar, dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als sie mit ins Boot zu nehmen, und sie selbst sei knapp bei Kasse – die Behörden wollen sie nicht auszahlen. Sie aus dem Weg zu räumen, wäre nicht ratsam, warnt sie, denn nicht sie habe die Dossier über die drei Räuber bei sich, sondern ihre Freundin, und die sei irgendwo in Neuengland untergetaucht, Gott weiß wo. Nachdem sich Parker vergewissert hat, dass das Geld noch in der Kirche ist, kann er Sandra ihren Anteil zusagen: die Hälfte von Nicks Anteil.

Ärger mit Nick

Sandra hat schon angekündigt, dass Nick Dalesia nur 15 Meilen entfernt sei, ohne, Auto, ohne Geld, ohne alles. Also könne man sich denken, was er am dringendsten brauche. Doch zuvor wird Parker um ein Haar von einer Staatspolizistin entdeckt und muss verduften. Zusammen mit Sandra und McWhitney fädelt er den Transport und die Wäsche des Geldes ein. Als er zur Pension von Mrs. Bartlett zurückkehrt, gibt Claire Alarm: Die Polizei war schon wieder da. Nur nicht auffallen, lautet daher die Devise. Sandra bietet an, Parker zum Geldversteck zu fahren, während Claire untertaucht.

Doch im Pfarrhaus neben der Kirche, in der das Geld versteckt ist, erscheint wenig später der lang erwartete, aber keineswegs vermisste Nick Dalesia. Er ist mit dem Revolver bewaffnet, den er dem Marshall abgenommen, den er tötete. Nun sieht der Revolver nichts besonders vertrauenerweckend aus, als er Parker mit einigen Vorwürfen konfrontiert. Schon bald ist Parker klar, dass dieses Haus nur einer von ihnen beiden verlassen wird…

Mein Eindruck

Es geht um den Reinigungsprozess der Geldwäsche. Nun, es steht keine Waschmaschine im Internet zur Verfügung, wie dies heutzutage der Fall ist. Auch die üblichen Stellen, wie sie den „Panama Papers“ und den „Pandora Papers“ dokumentiert worden sind, haben sich noch nicht nach Massachusetts herumgesprochen. Parker war von Anfang eine rustikale Figur, die sich moderner Technik nicht so gut auskennt (schon in der ersten Verfilmung des allerersten Parker-Krimis „The Hunter“ (1964) wirkt Lee Marvin wie ein Fremdkörper in einer hypermodernen, automatisierten Villa, und das war schon 1967).

Daher muss Parker auf Vertrauen bauen. Leichter gesagt als getan. Denn damit fängt der Ärger an. Es gibt nur eine Person, der er vertraut, und das ist Claire Willis. Sie lässt ihn nie hängen. Doch das Geld ist praktisch „radioaktiv“, wi e er an einer Stelle sagt: Alle Scheine sind nummeriert. Als Nick einen davon verwendete, um einen Busfahrschein zu bezahlen, wird er prompt erwischt. Erst bei der Übergabe ans FBI gelingt ihm die Flucht. Aber das Geld, immerhin 2 Millionen, ist nicht nur radioaktiv, es ist auch magnetisch: Nick wird magisch davon angezogen, obwohl er doch inzwischen weiß, dass er nichts damit anfangen kann. Nein. Er kommt zurück, um an Parker Rache dafür zu nehmen, dass er ihm nicht geholfen hat. Diese Begegnung wird ihm zum Verhängnis.

Vier Pläne

Zurück zur Geldwäsche. Der Leser muss unbedingt den Überblick behalten, sonst ist er verloren. Parker ist nämlich so schlau, drei Pläne auf einmal ins Werk zu setzen. Der erste ist einfach: Er braucht bestens gefälschte Papiere, und der „Maler“ Kasimierz Robbins besorgt sie. Zweitens braucht er jemanden, der zwei Millionen durch die Gegend kutschieren kann, ohne aufzufallen. Nicht so einfach, wenn alle Cops von Neuengland danach suchen.

Drittens braucht er jemanden, der für die „radioaktive“ Beute zu zahlen bereit ist: Das ist die eigentliche Geldwäsche, und Frank Meany, der Kontakte ins Ausland hat, zahlt 10 Dollar für 100, also 200.000 Mäuse. Die Übergabe soll auf einer Fähre vonstattengehen, die über den Long Island Sund nach Connecticut fährt und wieder zurück. Leider hat McWhitney sich an einen Partner gewandt, der seine eigenen Pläne mit dem Geld verfolgt.

So viele Dinge können schiefgehen, und wenn nur einer dieser Pläne schiefgeht, fährt Parker zur Hölle bzw. in den Knast. McWhitney, der Parker linken wollte, wird selbst gelinkt, entführt und gefoltert – kein schönes Schicksal für einen „ehrlichen“ Gauner, der eigentlich nur in Ruhe seine Bar führen will. Der Showdown in besagter Bar hat explosive Qualitäten, auf die der actionorientierte Krimifreund lange warten muss.

Der zweite Teil

Denn der Autor lässt es im zweiten von vier Teilen doch recht gemächlich angehen. Hier kommt die Gegenseite zu Wort: die Cops, Mrs. Bartlett und ein Möchtegern-Buchautor, der sich als Reporter ausgibt. Dennoch ist der Teil in der Gesamtkonstruktion von großer Bedeutung, denn die Polizisten ändern ihre Strategie radikal. Statt wie zuvor in einem Netz aus Straßensperren die Täter schnappen zu wollen, suchen sie nun nach dem Versteck der Beute. Die Täter würden dann schon früher oder später auftauchen, um sie zu bergen.

Beinahe-Erfolge

Die Strategie der Staatspolizisten geht voll und ganz auf, allerdings etwas anders als gedacht. Hier kommt eine wunderbare Ironie zum Vorschein, wenn der Leser darauf achtet. Detective Sergeant Gwen Reversa, eine attraktive Blondine, kommt Mrs. Bartlett, der Pensionswitwe, auf die Schliche. Sie hat nicht nur Parker und Claire Willis beherbergt, sondern auch die Kopfgeldjägerin Sandra Loscalzo. Um Haaresbreite gehen ihr alle drei durch Lappen, nicht zuletzt, weil die wackere Mrs. Bartlett Gwen für eine Schlampe hält.

State Trooper Louise Rawburton hat mehr Glück. An einer alten, verlassenen Kirche, in die sie als Kind zum Gottesdienst ging, stößt sie auf ein paar Leute, die alte Gesangsbücher aus der Kirche in einen Lieferwagen packen, der die Aufschrift „Chor der Erlöserkirche“ trägt. Was für gottesfürchtige Leute, die ein edles Werk verrichten! Als ihre Papiere geprüft und für in Ordnung befunden sind, lässt sie sie wieder fahren.

Sie ahnt nicht, dass sie es mit den gesuchten Geldräubern zu tun hat. Erst viel später, als sie der Kirche einen erneuten Besuch abstatten muss, entdeckt sie den Rest des Geldes – es war zuviel, um alles gleich mitnehmen zu können – und die Leiche im Keller des Pfarrhauses…

Die Übersetzung

Rudolf Hermstein ist ein bewährter Profi, der sich vielfach in Suhrkamps „Phantastischer Bibliothek“ bewährt hat. Dementsprechend hoch ist die Qualität seiner Arbeit. Das führt mitunter zu eigenwilligen Ausdrücken wie „Das walte Hugo“ anstelle des üblichen (antiquierten) „Das walte Gott“. Der Mann traut sich was.

S. 28: „Mr. Bartlett“ statt „Mrs. Bartlett”.

Unterm Strich

Ich habe den Krimi in wenigen Tagen gelesen, aber man kann ihn sicherlich auch an einem verregneten Sonntagnachmittag schaffen. Der Stil ist schnörkellos, die Kapitel kurz, das Personal begrenzt, und die Aufteilung in vier Teile lässt den Leser auf einen packenden Showdown hoffen. Diese Erwartung wird keineswegs enttäuscht. Denn so schön auch Parkers drei Pläne sind, so hat er die Rechnung doch mit zwei Unbekannten gemacht.

Alles in allem finde ich den Erzählstil von Donald E. Westlake, der hier als „Richard Stark“ schrieb, doch ein wenig unterkühlt. Parker ist ein Typ ohne einen Funken Humor. Sein Motto: „Es ist erst real, wenn es passiert.“ Sein zynisches Yankee-Positivismus – oder Fatalismus? – lässt ihn flexibel bleiben, wenn die Dinge einen anderen Verlauf nehmen, als er es geplant hat. Über einen Plan B braucht er nicht nachzudenken, denn alles ergibt sich aus dem jeweiligen Moment. Kein Wunder

Des weiteren kommen zwar ein paar Frauen vor, aber sie sind vor allem Rädchen im Getriebe von Parkers Plänen: Sie funktionieren oder sie funktionieren nicht. Bei Sandra Loscalzo kann sich der Leser nie ganz sicher sein, und Mrs. Bartlett ist ebenfalls ein Fragezeichen. Es ist bezeichnend, dass Louise Rawburtons positive Gefühle sie daran hindern, die Typen mit den Gesangsbüchern misstrauischer zu überprüfen. Auch Gwen Reversa ist nicht ganz auf Zack. Der Einsatz von Foto-Handys mit GPS ist in diesem Roman, geschrieben 2008, noch völlig unbekannt, und das merkt man. Der Mangel an Techniknutzung lässt den Krimi heute bereits alt aussehen und antiquiert wirken.

Crissa Stone, eine Hauptfigur beim Krimiautor Wallace Stroby (siehe meine Berichte), ist eine Weiterentwicklung von Gwen Reversa, Claire Willis und Parker selbst: eine intelligente Frau, die notfalls flexibel reagiert, aber für ihren Liebsten tiefe Gefühle hegt. Sie könnte es locker mit knallharten Gaunern wie Parker aufnehmen. Das macht sie leider bei weiblichen Lesern, die auf Gefühle und Dramatik reagieren, weniger beliebt.

Hinweis

Warum dieser allerletzte Parker-Krimi vom DTV-Verlag als „Dritter Band der Kultserie um den Berufsganoven Parker“ bezeichnet wird, lässt sich damit erklären, dass dies der dritte, bei DTV veröffentlichte Parker-krimi ist. Die Vorgängerbände heißen „Fragen Sie den Papagei“ und „Keiner rennt für immer“. In diesen taucht ein Typ namens Harbin auf, auf den Sandra wie auch Parker immer wieder im ersten Buchteil verweisen – sehr zum Vwerdruss des Lesers, der diesen Harbin nicht kennt. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass man die drei Bände tunlichst auch in dieser Reihenfolge lesen sollte.

Taschenbuch: 254 Seiten.
Info: Dirty Money, 2008;
Aus dem Englischen von Rudolf Hermstein.
ISBN 9783423213219

www.dtv-verlag.de


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