Richard Stark – Ein Job für Parker [Parker 4]

stark parker 04 job cover kleinAls Profigauner Parker für einen Kunstraub angeheuert wird, kommt er einem Konkurrenten in die Quere, was ihn die Beute und fast das Leben kostet; Rachelust lässt ihn schnell wieder auf die Beine kommen und zu einer gewaltreichen Verfolgung ansetzen … – Schnörkelloser, rasanter Krimi, der ausschließlich im Gangstermilieu spielt und diese als düstere Parallelwelt schildert, in der es ausschließlich um Vorteil und Verrat geht: ein schmutziger kleiner Klassiker des Genres, den die Jahrzehnte nur reifen aber nicht altern ließen.

Das geschieht:

Parker ist Verbrecher von Beruf und aus Berufung. Sein aktueller Coup: Kunstsammler Harrow, der es mit der Herkunft seiner Stücke nicht so genau nimmt, heuert ihn und seinen Komplizen „Handy“ McKay an, dem Botschafter Kaper eine wertvolle mittelalterliche Statuette zu stehlen.

Fatalerweise hat zeitgleich eine weitere Gaunerbande Kaper ins Visier genommen. Der osteuropäische Geheimdienstmann Menlo sollte den Diplomaten eigentlich liquidieren, weil dieser viel Geld unterschlagen hat, das eigentlich der Spionage dienen sollte. Doch auch Menlo ist den Verlockungen des dekadenten Westens erlegen. Er will Kaper töten und sich anschließend mit besagtem Geld aus dem Staub machen.

Die Rechnung geht nicht auf. Die eigenen Leute kommen Menlo auf die Spur. Ausgerechnet Parker rettet ihn. Man tut sich zusammen, um Kaper auszurauben, obwohl Parker weiß, dass Menlo plant, das Geld und die Statuette an sich nehmen und ihn auszuschalten. Leider unterschätzt er Menlo, was den Raubzug blutig enden lässt. Doch Menlo hat einen Fehler begangen: Parker lebt noch, und seine Wunden halten ihn nicht davon ab, sich rachsüchtig auf Menlos Spur zu setzen …

Ohne Vorspann direkt zur Sache

„Als der Kerl, der so asthmatisch schnaufte, schließlich über die Feuerleiter hereinkam, schlug Parker ihn nieder und nahm ihm seine Waffe ab.“ Das ist der erste Satz dieses Buches, und er ist typisch für die folgenden 160 Seiten: Richard Stark hält nichts von ausschweifenden Einleitungen. Er springt direkt in die Handlung. Erklärungen folgen später. Das Geschehen wird atemlos weiter vorangetrieben, Namen werden erwähnt, Ereignisse der jüngsten Vergangenheit beschworen. Was geht da vor? Erst viele Seiten später legt Stark eine Pause ein und klärt die Vorgeschichte.

Anschließend geht es mit ungebremster Geschwindigkeit weiter. Die Sätze sind kurz, die Beschreibungen präzise, der Tonfall lakonisch. Hier sind Profis am Werk, auch wenn dieses gänzlich krimineller Natur ist. Gewalt gehört zum Geschäft, sie wird nicht zelebriert, der Tod kommt schnell, wenn er die beste Lösung bietet. Ethische Wert und Gewissen spielen in dieser Welt, die den ‚normalen‘, sich dem Gesetz und moralischen Normen verpflichtet fühlenden Menschen unbekannt ist, keine Rolle. Nur wer auch in aussichtsloser Situation die Nerven behält, wird entweder die Beute davontragen oder überleben – manchmal gelingt sogar beides.

Nach zwei Dritteln wechselt plötzlich die Erzählperspektive. So lange beobachten wir Parker, der versucht, das Rätsel zu lösen, in das er unvermutet geraten ist, und trotzdem seinen Schnitt zu machen. Menlo jagt ihm eine Kugel in den Leib. Was geschieht mit Parker? Wir vermuten zwar, dass er überleben wird, aber Stark hat die Situation so überzeugend eindeutig dargestellt, dass wir doch unsicher sind und umgehend wissen möchten, wie es weitergeht.

Aber nun rückt Menlo in den Mittelpunkt der Handlung. Seine Odyssee durch die USA erzählt der Verfasser als eigene, freilich nicht minder spannende Geschichte. Aus Menlo, dem Verräter und Mörder, wird Menlo, der Mensch, dem wir fast das Glück gönnen, dessen Zipfel er greifen konnte. Zur dunklen Drohung mutiert plötzlich Parker, aus dessen Worten und Taten wir sehr gut schließen konnten, dass er nichts so hasst wie aufs Kreuz gelegt zu werden.

Unterwelt macht kurzen Prozess

Das Finale ist überraschend. Bei so vielen zwielichtigen Gestalten hätte man es sich deutlich bleihaltiger vorgestellt. Stark bleibt seiner Story treu und serviert uns ein politisch herzerfrischend unkorrektes Happy-End. Der letzte Satz gehört Parker, der auf die Frage, wie denn der düpierte Kaper auf den Verlust seiner Statuette reagiert habe, erst einmal ratlos ist: „Parker überlegte einen Moment und lachte dann. ‚Er wusste es nicht einmal‘, sagte er dann. ‚Er hat nicht einmal gemerkt, dass die Statuette verschwunden war.‘“ Erst jetzt wird dem Leser klar: Der eigentliche Auslöser der Story ist in der Tat längst unwichtig geworden.

Denn Lügen und Intrigen bestimmen den Alltag in der Schattenwelt, in der sich Parker, seine Gegner und seine Verbündeten bewegen. Jemandem sein Vertrauen zu schenken ist der schlimmste Fehler, den man begehen kann. Wer auf die Selbstsucht seines Gegenübers zählt, liegt immer richtig. Auch Parker weiß um die Brüchigkeit der Bündnisse, die er notgedrungen eingeht. Dennoch stellt er eine anachronistische Ausnahme dar: Parker ist ein Krimineller mit Prinzipien, die sich mit dem altmodischen Wort „Ganovenehre“ beschreiben lässt. Wer sich an getroffene Vereinbarungen hält, kann mit seiner Unterstützung rechnen. Handy McKay wird von Parker zweimal gerettet und nicht um seinen Beuteanteil geprellt: Er ist Parkers Partner und verhält sich entsprechend. Freunde sind sie deshalb nicht, aber zwei Profis, die sich aufeinander verlassen können.

Richard Stark begeht indes nie den Fehler, aus Parker einen ‚guten Schurken‘ zu machen. Als es nötig wird, schnell Informationen zu ermitteln, foltert er eine junge Frau. Später erschießt er aus dem Hinterhalt Menlos Verfolger. Das bereitet ihm kein Vergnügen, gehört aber zum Job. Die verquere Logik, mit der Parker solches schmutzige Tun vor sich selbst rechtfertigt, liegt in der Tatsache, dass es ausschließlich Kriminelle sind, die er malträtiert: Für sie gehören Gewalt und Tod zum Berufsrisiko, mit dem letztlich auch Parker lebt, der bei diesem Abenteuer zum sechsten Mal in seiner 18-jährigen ‚Laufbahn‘ angeschossen wird.

Schwere Zeiten für ebensolche Jungs

Damit gehört er zu den Veteranen in seinem Gewerbe, das – Gangster denken da offenbar recht bürgerlich – nach seiner Meinung auf den Hund gekommen ist. Amateure mit schweren Waffen aber ohne Ehre dominieren nun; schlimmer noch ist es, dass man sich auf sie nicht verlassen und mit ihnen nicht zusammenarbeiten kann.

In der Schilderung krimineller Existenzen gelingen Stark mehrfach Sternstunden. Da gibt es eine Szene, in der Parker den Kleinkriminellen Ambridge verhört. Der spuckt große Bogen und mimt den harten Kerl, bis ihn sein Gegenüber eines Besseren belehrt. Ambridge knickt ein – und lernt Ehrlichkeit sich selbst gegenüber: „Mit einer Art von dumpfer Überraschung betrachtete er seine nasse Hand. ‚Ich bin ein Feigling. Ich bin nichts als ein Feigling‘. Handy hatte Mitleid mit ihm … ‚Was tauge ich eigentlich?‘, fragte Ambridge wie im Selbstgespräch.“

Solche Sätze vermutet man nicht in einem Garn wie diesem; sie zeigen, dass Richard Stark seine Reputation als Verfasser von Kriminalromanen nicht umsonst genießt! Das Frauenbild ist indes sehr zeittypisch – Betty Harrow, die einzige weibliche Figur, ist entweder verlogen oder geil, meist sogar beides gleichzeitig. Dies hat der Verfasser in seinen späteren Werken korrigiert und Frauenfiguren agieren lassen, die ebensolche Profi-Schurken wie Parker waren.

Autor

„Richard Stark“ ist einer von mehreren Künstlernamen des Thriller-Profis Donald Edwin Westlake (geb. 1933 in Brooklyn, New York), der sich in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre als Verfasser von Kurzgeschichten einen Namen zu machen begann. So hoch war sein literarischer Ausstoß, dass er unter diversen Pseudonymen veröffentlichte. 1960 erschien sein erster Roman. „The Mercenaries“ (dt. „Das Gangstersyndikat“); er ließ Westlakes Talent für harte, schnelle Thriller deutlich erkennen.

Bereits 1962 betrat Parker, ein eisenharter Berufskrimineller, die Bildfläche. „The Hunter“ (dt. „Jetzt sind wir quitt“/„Payback“) verfasste Westlake als Richard Stark. „Richard“ borgte sich der Autor vom Schauspieler Richard Widmark, „Stark“ suggeriert – völlig zu Recht – die Machart dieses Romans. Bis in die 1970er Jahre veröffentlichte „Richard Stark“ neben seinen vielen anderen Romanen – zu erwähnen ist hier vor allem seine berühmte Reihe um den erfolglosen Meisterdieb Dortmunder – immer neue Parker-Romane, bevor er die Reihe abbrach, um sie nach 22-jähriger Pause (!) 1997 wieder aufzunehmen.

Neben dem Schriftsteller Westlake gibt es auch den Drehbuchautor Westlake. Nicht nur eine ganze Reihe seiner eigenen Werke wurden inzwischen verfilmt. So inszenierte 1967 Meisterregisseur John Boorman das Parker-Debüt „The Hunter“ als „Point Blank“. Lee Marvin – der allerdings den Rollennamen „Walker“ trägt – und die fabelhafte Angie Dickinson spielen in einem Thriller, der zu den modernen Klassikern des Genres zählt. (1999 versuchte sich Brian Helgeland an einem Remake.) Westlake selbst adaptierte für Hollywood Geschichten anderer Autoren. Für sein Drehbuch zu „The Grifters“ (nach Jim Thompson) wurde er für den Oscar nominiert.

Nach einer fünf Jahrzehnte währenden, höchst produktiven und erfolgreichen Schriftsteller-Karriere dachte Westlake keineswegs an den Ruhestand. Auf einer Ferienreise traf ihn am Silvestertag des Jahres 2008 ein tödlicher Herzschlag. An sein Leben und Werk erinnert diese Website, die in Form und Inhalt an seine Romane erinnert: ohne Schnickschnack, lakonisch und witzig, dazu informativ und insgesamt unterhaltsam. Zu den „Parker“-Romanen (und -Filmen etc.) gibt es auch eine eigene, sehr schöne Website.

Zur „Parker“-Reihe gibt es diese deutschsprachige Website.

Die „Parker“-Reihe

(Die „Parker“-Romane bis 1974 erschienen in Deutschland in den Krimi-Reihen des Heyne- und des Ullstein-Verlags; sie wurden z. T. als „Bestseller-Krimis“ im Erich Pabel Verlag neu veröffentlicht.)

(1962) Jetzt sind wir quitt/Payback (The Hunter/Payback/Point Blank)* bzw. Dtv-Nr. 21737
(1963) Parkers Rache (The Man with the Getaway Face/The Steel Hit)
(1963) Die Gorillas (The Outfit)
(1963) Ein Job für Parker (The Mourner)
(1964) Stadt im Würgegriff (The Score/Killtown)
(1965) Parkers Urteil (The Jugger)
(1966) Parker und der Amateur (The Seventh/The Split)
(1966) Das Kasino vor der Küste (The Handle/Run Lethal)
(1967) Sein Gewicht in Gold (The Rare Coin Score)
(1967) Unternehmen Grüner Schnee (The Green Eagle Score)
(1968) Unternehmen Schwarzes Eis (The Black Ice Score)
(1969) Eine Falle für Parker (The Sour Lemon Score)
(1971) Ein wunder Punkt kann töten (Deadly Edge)
(1971) Ich bin die dritte Leiche links (Slayground)
(1972) Harte Zeiten, weiche Knie (Plunder Quad)
(1974) Blutiger Mond (Butcher’s Moon )
(1997) Verbrechen ist Vertrauenssache (Comeback)* bzw. Dtv-Nr. 21502
(1998) Sein letzter Trumpf (Backflash)* bzw. Dtv-Nr. 21468
(2000) Irgendwann gibt jeder auf (Flashfire)* bzw. Dtv-Nr. 21419
(2001) Der Gewinner geht leer aus (Firebreak)* bzw. Dtv-Nr. 21382
(2002) Das große Gold (Breakout)* bzw. Dtv-Nr. 21337
(2004) Keiner rennt für immer (Nobody Runs Forever)* bzw. Dtv-Nr. 21266
(2006) Fragen Sie den Papagei (Ask the Parrot)* bzw. Dtv-Nr. 21210
(2008) Das Geld war schmutzig (Dirty Money)* bzw. Dtv-Nr. 21321

* Zsolnay-Verlag

Taschenbuch: 156 Seiten
Originaltitel: The Mourner (New York: Permabook 1963)
Übersetzung: Werner Gronwald
http://www.randomhouse.de/heyne

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