Archiv der Kategorie: Philosophie und Religion und Spiritualität

James Redfield – Die Prophezeiungen von Celestine. Mystischer Roman

Visionäres Kultbuch der Zeitenwende

Mit den Erkenntnissen von „Celestine“ hat James Redfield nicht nur eine Serie von Kultbüchern geschrieben, sondern damit den Weg geebnet für ein neues Weltbild im Wechsel zum dritten Jahrtausend. Für Esoterik-Abstinenzler schwer zu akzeptieren, gibt der erste Band leider auch als Abenteuerroman wenig her – man hat schon Spannenderes gelesen.

Der Autor

James Redfield (geb. 1950) ist Soziologe und war 15 Jahre lang als Therapeut in der Jugendarbeit tätig, bevor er mit „Celestine“ einen Weltbestseller schrieb, dem zahlreiche ähnliche Werke folgten.

Werke

The Celestine Prophecy. 1995, ISBN 0-446-67100-2.
Die Prophezeiungen von Celestine – ein Abenteuer. dt. von Olaf Kraemer. Heyne-Verlag, 1994, ISBN 3-453-08200-1.
Die Erkenntnisse von Celestine. Das Handbuch zur Arbeit mit den neun Erkenntnissen. Heyne Verlag, München 1995, ISBN 3-453-14232-2.
Die zehnte Prophezeiung von Celestine. Heyne-Verlag, 1996, ISBN 3-453-09748-3.
Die Vision von Celestine. Heyne Verlag, München 1998, ISBN 3-453-13858-9.
Das Geheimnis von Shambhala – das dritte Buch von Celestine. Heyne-Verlag, 2002, ISBN 3-453-16554-3.
Gott und die Evolution des Universums. Der nächste Entwicklungsschritt für die Menschheit. Ullstein, Berlin 2005, ISBN 3-548-74148-7.
Die zwölfte Prophezeiung von Celestine: Jenseits von 2012. Ullstein, Berlin 2012, ISBN 978-3-548-74578-7.

Handlung

Der Ich-Erzähler ist von seinem Job enttäuscht und nimmt für die Sinnsuche eine Auszeit. Da trifft es sich gut, dass er in seinem Refugium von einer alten Bekannten besucht wird, die ihm von den Erkenntnissen von Celestine, einem Ausgrabungsort in Perus Bergen, erzählt. Dieses 2600 Jahre alte Manuskript soll verschollen sein. Flugs macht sich der Erzähler auf den Weg nach Lima, um es zu suchen. Sein Reisebegleiter stellt sich als Prof. Dobson vor, der ebenfalls das Manuskript sucht. Kaum in Lima angekommen, wird Dobson von der Polizei verhaftet, doch Redfield gelingt es, mit der Hilfe des Einheimischen Will unterzutauchen und aufs Land zu fliehen.

Auf einem Anwesen mit sehr grünen Bäumen und leuchtenden Blumen lernt der Erzähler zahlreiche Vertreter der Anhänger des Manuskripts von Celestine kennen, darunter die hübsche Wissenschaftlerin Marjorie. Erstmals sieht er selbst die universale Energie, die an diesem Ort wohnt und die Pflanzen gedeihen lässt. Er sieht aber auch, wie die Machtkämpfe zwischen Menschen den menschlichen Energieaustausch beeinflussen.

Als die staatlichen Sicherheitskräfte die Hazienda schließen, flieht er mit Will abermals. Weitere Erkenntnisse enthüllen sich ihm, versteckt in Kopien des inzwischen als verboten erklärten Manuskripts. James erfährt, dass hinter dem Verbot der Kardinal Sebastian steckt, der das Primat der katholischen Kirche in Peru, ja, in der ganzen Welt durch die Erkenntnisse bedroht sieht und alle Kopien vernichten lässt.

Nach weiteren Epiphanien und Erkenntnissen findet James in den Bergen die verschleppte Marjorie wieder und befreit sie. Sie entkommen mit Hilfe von Celestine-Anhängern, müssen sich aber wieder trennen: James will den Kardinal treffen und ihn mit einem Pater von der Wahrheit der Prophezeiungen überzeugen. Im Gefängnis und in der Begegnung mit dem Kardinal erkennt James, wie sich die Entscheidungen über seinen künftigen Weg von selbst ergeben. In den Ruinen von Celestine, unter dem Einfluß der neunten, höchsten Erkenntnis, werden James und seine engsten Freunde verhaftet. Wenig später hat man sie des Landes verwiesen, und James kehrt in die USA zurück.

Mein Eindruck

Mit „Celestine“ wollte Redfield einen Führer zum spirituellen Wachstum für den Sprung in ein neues Zeitalter schreiben. Damit traf er voll den Nerv der Zeit, besonders in den USA, wo sich die Ängste einer Endzeit breit machen und durch Gewalttaten wie das Oklahoma-Bombenattentat oder das Schüler-Massaker in Littleton/Colorado (von 9/11 ganz zu schweigen) immer wieder bestätigt werden.

Aber auch mir selbst hat die Lektüre die Augen geöffnet für Probleme im menschlichen Miteinander. Redfield stellt ein Modell des Energieaustausches zwischen Menschen auf, der von Macht oder Harmonie bestimmt sein kann. Anwendung findet das Modell in der psychologischen Interaktion in Familien, Partnerschaften, Geschäftspraktiken und Herrschaftsstrukturen – also in vielen Bereichen der menschlichen Gesellschaft. Seine Typisierung von Menschen in diesem Modell leuchtet schnell ein und hilft bei Selbsterkenntnis und Therapie.

Unterm Strich

Als Roman funktioniert „Celestine“ nur bis zu einem gewissen Punkt, denn allzuoft werden die Erkenntnisse in dozierenden Passagen vorgetragen. Oder die Hauptfigur hat eine Epiphanie, die in pathetischem Ton vorgetragen wird. Keine Spur von zynischer Vernunft ist in diesem Buch zu finden, eine Tatsache, die für unsere zynische Zeit schwer zu ertragen ist – hier scheiden sich die Geister. Wer jedoch Reisen des Geistes und der Seele interessant findet, wird in „Celestine“ genügend davon finden.

Taschenbuch: 368 Seiten
Originaltitel: The Celestine Prophecy. An Adventure, 1993
Aus dem Amerikanischen von Olaf Kraemer.
ISBN-13: ‎978-3548741192
www.ullsteinverlage.de

Don Webb – Uncle Setnakt`s Essential Guide To The Left Hand Path

Der profanen Öffentlichkeit ist der in Austin/Texas lebende Don Webb primär als Science-Fiction-Autor bekannt. Um einen kleinen Überblick seines schriftstellerischen Schaffens zu geben, seien hier exemplarisch „Spell for the Fullfillment of Desire“ (1996), „The Double. An Investigation“ (1998), „Essential Saltes. An Experiment“ (1999) und „Endless Honeymoon“ (2001) genannt. In deutscher Sprache ist von Don Webb bislang nur das seit geraumer Zeit vergriffene „Märchenland ist abgebrannt. Profane Mythen aus Milwaukee“ erschienen.

Weniger bekannt ist sein Status in der okkulten Welt als Vordenker des Setianismus – er bekleidete lange Zeit das Amt des High Priest im „Temple of Set“, bis er am 9.9.2002 von Zeena Schreck abgelöst wurde (inzwischen hat ToS-Gründer Michael Aquino das Amt wieder übernommen).

Setianismus ist eine religiöse Strömung des „Pfades zur Linken Hand“ bzw. „Left Hand Path“ (LHP) und versteht sich somit als strikte Abgrenzung zu den sog. „Weltreligionen“, welche eine Unterordnung oder sogar Auslöschung des menschlichen Individuums zugunsten eines metaphysischen Prinzips (Gott, Nirwana usw.) fordern. Die begriffliche Unterscheidung von linkshändigen und rechtshändigen Pfaden stammt ursprünglich aus dem Hindu-Tantra. Die linke Seite wird in Indien sowohl mit gesellschaftlichen Tabus als auch der dynamischen Energie des Shakti assoziiert. LHP steht im Gegensatz zum stärker verbreiteten „Right Hand Path“ (RHP) für die Bejahung der weltlichen Existenz und der Vergöttlichung des individuellen Ichs. Da die linke Hand ein interkulturell verständliches Symbol sein kann, ist der LHP gut als Universalbegriff geeignet, um westliche Strömungen wie etwa Saturngnosis oder eben Setianismus unter einer gemeinsamen Kategorie einzuordnen.

Im Zentrum des setianischen Interesses stehen persönliche Autonomie und willentliche Selbsterschaffung. Das mythologische Ideal dieses Prinzips ist der ägyptische Wüstengott Seth, welcher seine Geburt selbst einleitete und gegen kulturelle („städtische“) Normen opponiert, aber auch diejenigen Menschen, welche durch die Wüste reisen, beschützt. Seine Hauptkontrahenten sind die Dämonenschlange Apophis (das ungebändigte Chaos) und Osiris, der „sterbende Gott“ (mythologische Parallelen zwischen Osiris und Jesus Christus sind unverkennbar), welcher die Stasis repräsentiert. Ob Seth dabei als tatsächliche Entität oder als archetypisches Prinzip interpretiert wird, ist aus setianischer Sicht nebensächlich. Seth, der auch als „Fürst der Finsternis“ oder „Feind der Götter“ bezeichnet wird, sucht nicht nach Anbetung, sondern nach Individuen, die von „seiner Art“ sind. Der Logos Aionos von Seth ist „Xeper“, ein altägyptisches Verb, welches übersetzt in etwa „ich bin geworden“ bedeutet und rückwirkend die persönlichen Fortschritte eines Setianers bezeichnet. Dies nur als Erläuterung zu dem religiösen Umfeld, aus welchem Don Webb stammt (wer sich für diese Thematik interessiert, kann sich unter http://www.xeper.org näher informieren).

„Uncle Setnakt`s Essential Guide To The Left Hand Path“ ist jedoch mitnichten ein rein setianisches Buch. Don Webb gibt in dieser Abhandlung vielmehr – wie der Titel schon andeutet – einen Einblick in die allgemeine Praxis des (westlichen) Pfades zur Linken Hand. „Praxis“ ist hier der maßgebliche Begriff – das Buch soll weder umfassend über die kulturellen Hintergründe des LHP informieren, noch den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben. Diesen beiden Kriterien hat bereits Don Webbs Kollege Stephen Flowers in seiner theoretischen Abhandlung „Lords of the Left Hand Path“ erfüllt. Der „Essential Guide“ hingegen hat für den geneigten Leser nur dann einen echten Wert, wenn er nach der Lektüre die Ärmel hochkrempelt und die vorgestellten Praktiken konsequent realisiert. LHP ist keine Religion für die „schlecht weggekommenen“, sondern ein Pfad für Individualisten, die bereit sind, für ihr persönliches Glück hart zu arbeiten – dies macht Don Webb unmissverständlich klar.

Dennoch kommt auch der Humor nicht zu kurz, denn LHP soll in erster Linie Lebensfreude bereiten. „Uncle Setnakt“ ist ein Pseudonym, unter welchem Don Webb einst eine humoristische Kolumne namens „Uncle Setnakt says“ schrieb, da er es leid war, die Prinzipien des LHP ausschließlich in wissenschaftlicher (und somit häufig auch ziemlich trockener) Manier zu verdeutlichen. Im „Essential Guide“ setzt „Onkel“ Webb diese Tradition fort.

Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile. Der erste Teil, „The Nature and Goals of the Left Hand Path“, liefert die theoretische Basis für die nachfolgenden Kapitel. Don Webb erläutert hier, was Initiation im Sinne des LHP ist und wie sie funktioniert. Er diskutiert u.a. das Prinzip individueller Souveränität, die Position des Ichs im Kosmos, die Psychologie der Initiation sowie ihre „Tugenden“ und „Laster“, das Wesen der Magie und eine inhaltliche Abgrenzung zum Pfad zur Rechten Hand (RHP).

Der zweite Teil, „Practise“, vermittelt einen Katalog von LHP-konformen Aktivitäten und persönlichen Charaktereigenschaften, welche die Initiation eines LHP-Adepten begünstigen oder sogar erst ermöglichen. Wer bereits auf diesem Pfade unterwegs ist, wird garantiert erkennen, dass er bereits einige der genannten Dinge in sein Leben integriert hat.

Der dritte Teil, „The Grand Initiation“, nimmt rund 40 Seiten ein. Es handelt sich dabei um eine Art Einweihungsritus, welchen Don Webb persönlich entwickelt hat. Er ist nicht obligatorisch, aber wer eine größere Herausforderung sucht, und Gefallen an Webbs Ritualen gefunden hat, wird hier sicherlich etwas für sich herausziehen können. Zusätzlich kann der Leser hier etwas über das Konzept von Xeper erfahren. Die „Grand Initiation“ richtet sich allerdings an Fortgeschrittene, weshalb es mir etwas unklar ist, weshalb Don Webb sie nicht als letztes Kapitel oder Anhang verwendet hat.
Der vierte und letzte Teil, „Resources“, vermittelt dem Leser ein paar nützliche Werkzeuge für seine persönliche Initiation.

„Onkel Setnakts Handorakel“ ist dabei noch eher als Gimmick zu sehen, denn der Initiand kann hiermit Lösungsansätze für seine Probleme erwürfeln. Wer dem mit einem ironischen Augenzwinkern begegnen kann, wird jedoch durchaus mit ein paar konstruktiven Ideen beglückt werden. Ferner vermittelt Don Webb ein paar wirklich gute Lesetipps und erklärt exemplarisch anhand einer kurzen Geschichte, wie der Weg einer oder eines Initiierten verlaufen kann. Ein paar FAQ zum LHP können Neuligen dabei helfen, ihre eigene Position präziser zu bestimmen. Fortgeschrittene werden schließlich in der Lage sein, eine für sie selbst passendere Literatur- oder FAQ-Liste zu erstellen – und somit die Komplexität des LHP erweitern.

Abschließend gibt Don Webb einen kurzen Einblick in die Lehren des Temple of Set. Er will damit jedoch keinesfalls missionieren, sondern ein gutes Beispiel für eine renommierte LHP-Institution geben. Man kann den LHP nur für sich selbst beschreiten, aber ab einem gewissen Punkt benötigt jeder Initiand eine professionelle Schulung durch andere, wenn er oder sie nicht stagnieren will.

Es scheint mir evident zu sein, dass ein solches Buch polarisieren muss – jeder muss selbst herausfinden, ob er oder sie dem LHP etwas abgewinnen kann. Don Webbs „Uncle Setnakt`s Essential Guide To The Left Hand Path“ ist neben Frank Lerchs „Nightworks“ jedenfalls definitiv das beste praxisorientierte Buch über den Pfad zur Linken Hand, welches mir bislang untergekommen ist. Wie Stephen Flowers treffend in seiner Einleitung bemerkt:

„[Don Webb] reiht nicht einfach nur Wörter aneinander, um seinen Lesern Vergnügen zu bereiten und sie zu unterhalten – obgleich er dieses auch tut – er bietet dir mit diesem Führer das größte Abenteuer an, welches das Leben zu bieten hat.“

Taschenbuch: 120 Seiten
ISBN-13: 9781885972101

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

O’Donohue, John – Echo der Seele

Der Ire John O’Donohue lebt heute als Philosoph und Poet wieder in Irland, studierte allerdings in Tübingen philosophische Theologie, worin er 1990 mit einer Arbeit über Hegel promovierte. Bekannt wurde O’Donohue mit seinen christlich-keltisch tradierten und dennoch in der Moderne wurzelnden Texten durch seinen Welterfolg „Anam Cara“. Der dtv hat von ihm in einer edel aufgemachten, großformatigen Premium-Edition das Werk „Echo der Seele“ herausgebracht, das ich einfach nur als spirituellen, poetischen wie auch intellektuellen Hochgenuss beschreiben kann.

Es sei vorweg angemerkt, dass der Autor sich fernab einer dogmatisch kirchlichen Weltsicht bewegt und ganz im Gegenteil in seinem Buch auch Kritik an institutionalisierter Religion und Amtskirchen – neben allgemeiner gesellschaftlicher Kritik – übt. Zudem handelt es sich hier durchaus nicht um eine theologisch moralisierende Schrift; der gedankliche Schwerpunkt ist in den Bereichen der Philosophie, Psychologie und Soziologie anzusiedeln.
Worum genau geht es nun in „Echo der Seele“? Der – etwas kuschelig-esoterisch anmutende – Untertitel „Von der Sehnsucht nach Geborgenheit“ umschreibt die Hauptthese und Grundthematik: Das menschliche Dasein gewinnt seine Dynamik durch das Streben und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und prägt unser Fühlen und Handeln, die gesellschaftlichen und privaten Bestrebungen, Ängste und Wesenszüge, unsere Kreativität und die Erkenntnis der Möglichkeiten eines frei strebenden Willens, ist zugleich aber auch ein Quell unserer Ängste und Verzweiflung. Dies wird allerdings nicht im Sinne eines Reduktionismus als alleiniges Erklärungsprinzip verstanden oder verfochten, durchaus aber als eine der grundlegenden Triebkräfte und übergeordnete Metapher, die in wesentlichen Bereichen dessen, was das Wesen der Menschlichkeit ausmacht, greift.

In einer Vielzahl kleiner Unterkapitel führt O’Donohue uns – durchaus praxisnah und realitätsbezogen innerhalb seines sehr wahrhaftigen Theoriekonstruktes – durch die Gedankenwelt von Zugehörigkeit und Sehnsucht, menschlichem Streben und den Grenzen und Mauern, die diesen Bestrebungen den Weg verbauen. Unser Verlangen nach Zugehörigkeit zu unserem Ursprung, zur Erde, zur Liebe, zu Partnerschaft, Familie, Freunden, unserer eigenen Kindheit, uns selbst oder auch sozialer Sicherheit wird beleuchtet und beim Leser ein Prozess des Erkennens und Verständnisses für sich selbst und seine Mitwelt in Gang gesetzt, der mich erstaunte und mir viel zu geben wusste. Dabei bedient er sich einer lebendigen, poetischen, leicht verständlichen Sprache, die kaum merklich ein durchaus komplexes interdisziplinär argumentierendes Spezialwissen verbirgt, das höchst moderne wissenschaftliche Elemente aus Systemtheorie, Formgesetzen, Soziologie, praktischer Philosophie und Psychologie in einem kunstvollen Balanceakt zu verbinden weiß mit undogmatisch christlicher Theologie, keltischer Mythologie und Weltanschauung oder selbst Buddhismus.

„Echo der Seele“ führt uns in die innersten Landschaften unserer Psyche, Seele und Menschlichkeit und ist eine formvollendete, wohltuende Medizin für den suchenden, unruhigen, verunsicherten Geist, der die Moderne prägt wie nie zuvor. Daher kann ich die stille und genussvolle Lektüre dieses Werkes jedem ohne Unterschied nur ans Herz legen; selten hat ein Buch so viel in mir bewegt – und dabei einen Zustand inneren Friedens und Verstehens ausgelöst – und wusste, meine Sicht auf mich und die Welt ganz wesentlich neu zu formen.

Nachfolgend nur ein Überblick über die Hauptkapitel. Das Buch lässt sich dank seiner Kleingliederung sehr gut in portionierten Schritten lesen und lädt dazu ein, nach jedem Themenabsatz inne zu halten, um das Erfahrene wirken und reflektieren zu lassen.

• Kapitel 1 – Erwachen in der Welt: Die Schwelle der Zugehörigkeit
• Kapitel 2 – Präsenz: Die Flamme der Sehnsucht
• Kapitel 3 – Unsere frei gewählten Kerker
• Kapitel 4 – Leiden als das finstere Tal zerbrochener Zugehörigkeit
• Kapitel 5 – Das Gebet: Eine Brücke zwischen Sehnsucht und Zugehörigkeit
• Kapitel 6 – Die Abwesenheit: Wo die Sehnsucht noch verweilt

Augustinus von Hippo – Logik des Schreckens

Furcht und Zittern

Am Anfang stand eine alt-orientalische Geschichte, von der wohl viele schon einmal gehört haben, nämlich die von Jakob und Esau. Die beiden waren Zwillinge, doch erblickte Esau als erster das Licht der Welt und durfte so als Erstgeborener gelten. Wie es in traditionellen Gesellschaften üblich ist, hatte er damit Anspruch darauf, vor dem jüngeren Jakob bevorzugt zu werden. Doch Gott liebte Jakob und hasste Esau. Esau wurde sein Erstgeburtsrecht am Ende für ein Linsengericht abgelistet und durch eine Täuschung segnete der blinde Isaak Jakob, den er für Esau hielt. Dumm gelaufen für Esau. Wie aber konnte es sein, dass Gott ihn hasste? Warum hasste er ihn? Der wirkmächtigste der Apostel, Paulus, der dem Christentum ganz wesentlich sein Gepräge gab, hat im Brief an die Römer ausdrücklich klargestellt, dass Jakob nicht aufgrund etwaiger Vorzüge von Gott geliebt wurde, genauso wenig wie der Herr Esau nicht verwarf, weil dieser etwa mit einem besonderen Makel behaftet gewesen wäre.

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Gray, John – Von Menschen und anderen Tieren – Abschied vom Humanismus

Irgendwie neigt die Beschäftigung mit Philosophie dazu auszuufern. Nun muss ich gestehen, dass ich keinesfalls ein Philosophie-Experte bin. Genau genommen ist Grays Buch das erste philosophische Buch, das ich vollständig gelesen habe. Ich nehme deshalb an, dass ich nach Grays Ansicht zu der Gruppe „reflektierter Zeitgenossen“ …(wie kann man Menschen reflektieren?) …gehöre, deren „unreflektierte Überzeugungen“ er laut Vorwort angreifen möchte. Sollte das der Fall gewesen sein, kann der Autor zumindest von sich sagen, dass sein Buch mich zur Reflexion gebracht hat. Ob ihm das Ergebnis gefallen würde, werden wir sehen …

In „Von Menschen und anderen Tieren“ kritisiert Gray den Humanismus und vertritt dabei – unter anderem – folgende Standpunkte:

1. Der Mensch unterscheidet sich nicht wesentlich vom Tier.
2. Es gibt kein in sich geschlossenes, kontinuierliches, menschliches Selbst.
3. Der Mensch besitzt keinen freien Willen und ist deshalb auch nicht für seine Entscheidungen verantwortlich

Diese drei habe ich unter mehreren Punkten herausgegriffen, um den Umfang wenigstens ein klein wenig zu begrenzen.

1. Der Mensch unterscheidet sich nicht wesentlich vom Tier.

Zunächst als Beleg dafür, dass Gray diese These vertritt, hier eine kleine Auswahl an Zitaten:

Zitat S. 17 Absatz 2 Satz 1 und 2:
„Um zu erkennen, dass wir den Tieren zuzurechnen sind, müssen wir nicht Darwin bemühen. Ein Blick darauf, wie wir leben, führt zum selben Schluss.“

Zitat S. 42, Absatz 3, Satz 4:
„[…], den vor-darwinistischen Irrtum wieder aufleben zu lassen, die Menschen seien anders als alle anderen Tiere.“

Zitat S. 70, Absatz 4, Satz 2:
„Doch auch nach all der Denkarbeit, die [diverse Philosophen] geleistet haben, können wir uns nicht sicherer sein als andere Tiere, dass die Sonne morgen aufgehen wird.“

Nun, dieser Ansicht kann man sein. Zumindest, bis man die nächste Seite liest.

Zitat S. 71, Absatz 1, Satz 2:
„Das spezifisch Menschliche ist nicht das Sprachvermögen, sondern die Kristallisation der Sprache in der Schrift.“

Zitat S. 71, Absatz 3, Satz 1:
„Schrift erzeugt ein künstliches Gedächtnis, mit deren Hilfe der Mensch seinen Erfahrungshorizont […] ausweiten kann.“

Ein Philosoph, der seine eigene These selbst widerlegt, unmittelbar, nachdem er sie aufgestellt hat! Interessant!

Tatsache ist, dass der Mensch das einzige Tier ist, das vollkommen anders lebt als seine Mitgeschöpfe. Keine andere Spezies nutzt Werkzeuge und Feuer im selben Ausmaß; nichts lässt erkennen, dass andere Spezies sich Gedanken um die Zukunft machen, wie es zum Beispiel die Bestattungsriten der Menschen seit der Steinzeit erkennen lassen; und keine andere Spezies hat den Planeten so massiv beeinflusst und verändert wie der Mensch.

Ja, der Mensch ist ein Tier. Aber nicht, weil er lebt wie andere Tiere. Sondern weil am Beginn seines Stammbaumes dieselben Einzeller stehen wie bei Hummern, Libellen, Quallen und Rindviechern. Und dass der Mensch ein Tier ist, heißt das nicht, dass er sich nicht von allen anderen Tieren gravierend unterscheiden kann.

2. Es gibt kein in sich geschlossenes, kontinuierliches, menschliches Selbst.

Zitat Seite 88, Absatz 4, Satz 1:
„Dem Identitätserleben liegt kein kohärenter Wesenskern zugrunde.“

Zitat Seite 89, Absatz 4, Satz 3:
„Wahrnehmung und Verhalten vollziehen sich sowohl beim Menschen als auch in einer Insektenkolonie, als gäbe es ein lenkendes Selbst, das aber in Wirklichkeit nicht existiert.“

Diese These stützt sich vor allem auf Erkenntnisse der Neurologie. Das Bewusstsein des Menschen selektiert. Nur ein winziger Bruchteil – etwa ein Millionstel – aller Sinneseindrücke kommt dort an, und wir können nicht beeinflussen, welche. Auf die meisten Situationen reagieren wir unbewusst.

Nun wird die Identität, das „Selbst“ eines Menschen, in diesem Kontext definiert durch die Summe seiner Handlungen. Da das menschliche Handeln aber nur zu einem verschwindend geringen Anteil bewusst ablaufe, könne auch das „Selbst“ bestenfalls ein bruchstückhaftes, unvollständiges, sich stets wandelndes Etwas sein, ein Sammelsurium aus kurzen Momentaufnahmen.

Dass das Handeln des Menschen dennoch eine starke Strukturiertheit aufweist, erklärt Gray mit einem Phänomen, das im Zusammenhang mit Ameisen, Termiten oder Bienen als „Gruppenseele“ beschrieben wird, die allerdings eine Eigenschaft der Spezies sei, und nicht des Individuums. Die Handlung erfolgt demnach als Reaktion auf lokale Komponenten. Sprich: versetze eine Brutpflegetermite aus dem Stock nach draußen, und sie wird anfangen, Futter zu sammeln. Setze sie zurück, und sie wird wieder Maden füttern.

Demnach müsste ein Mongole, den man nach Polynesien versetzt, völlig selbstverständlich in ein Kanu steigen und zum Fischen fahren.
Ich denke nicht, dass es wirklich so einfach ist!
Nun gut, nehmen wir ein weniger krasses Beispiel:
Ein Systeminformatiker, der den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, wird auf eine Baustelle geschickt, um dort eine Ziegelmauer hochzuziehen.

Sieht so aus, als wäre das Vorbild der Insektenstaaten nicht so einfach auf den Menschen übertragbar. Jedenfalls nicht innerhalb der Bereiche der gesellschaftstragenden Arbeitsteilung. Bestenfalls funktioniert das auf der Ebene der unbewussten Tätigkeiten wie „in Hausschuhe schlüpfen“ oder „die Toilettenspülung betätigen“. Ich glaube aber nicht, dass das „Selbst“ irgendeines Menschen sich danach definiert, welche Hausschuhe er trägt, oder mit welcher Hand er die Spültaste betätigt! Selbst dann nicht, wenn Handlungen wie diese 999.999 Millionstel seiner Gesamttätigkeit ausmachten.

Da andere Tiere oft wesentlich leistungsfähigere Sinnesorgane haben als Menschen, dürfen wir wohl getrost davon ausgehen, dass auch sie ihre Eindrücke in irgendeiner Form selektieren, je nachdem, was für sie relevant ist.

Das menschliche Bewusstsein mag im Vergleich zum gesamten Sinneseindruck bruchstückhaft sein. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass daraus kein „Selbst“ entstehen kann. Vielleicht setzt es sich nur vorwiegend aus den Eindrücken und Erfahrungen zusammen, die es als relevant erachtet. Wie Mosaike beweisen, kann auch eine Ansammlung vieler loser Steine ein sinnvolles Bild ergeben, wenn man sie richtig anordnet. dass es mehrere Möglichkeiten gibt, die Steine zu Bildern zu fügen, bedeutet lediglich, dass niemand vorher sagen kann, auf welche Weise ein Eindruck oder eine Erfahrung das „Selbst“ eines Menschen beeinflussen wird. Es bestreitet auch niemand, dass neue Erfahrungen Veränderungen bewirken. Das schließt die Existenz eines „Selbst“ aber nicht aus. Womöglich hat die Neurologie einfach bloß noch nicht herausgefunden, wie genau es entsteht.

3. Der Mensch besitzt keinen freien Willen.

Zitat Seite 81, Absatz 4, Satz 2:
„[…], dass der neurologische Impuls, der ein Verhalten initiiert, eine halbe Sekunde vor der bewussten Entscheidung zum Handeln auftritt.“

Gray zieht daraus den Schluss, dass wir

Zitat Seite 83, Absatz 2, Satz 1:
„In dem Augenblick, in dem wir zu einer Handlung ansetzen, noch gar kein Bewusstsein davon , wie wir handeln werden.“

dass Willensfreiheit folglich eine Illusion ist.

Gegen diese These zu argumentieren, fällt etwas schwer, weil Gray kein Wort darüber verliert, wie der neurologische Test aussah, der das obige Ergebnis erbracht hat. Dabei ist eine Bewertung des Ergebnisses ohne das Wissen über den Versuchsaufbau gar nicht möglich. Zum Beispiel spielt die Frage, welche Entscheidung das „Versuchskaninchen“ denn treffen sollte, eine ziemlich große Rolle, genauso wie die möglichen Konsequenzen der Entscheidung.

Um bei dem literarischen Beispiel zu bleiben, das Gray selbst zur Veranschaulichung herangezogen hat:

Der junge Seeoffizier, der – nachdem seine sämtlichen Vorgesetzten das sinkende Schiff bereits verlassen haben – nach kurzem Zögern ebenfalls noch ins Rettungsboot gesprungen ist, obwohl sämtliche Passagiere noch an Bord waren, musste damit rechnen, dass er die Entscheidung zu bleiben womöglich mit dem Leben bezahlen würde, und er musste seine Entscheidung schnell treffen, möglichst, bevor das Rettungsboot abgelegt hatte.

Eine solche Entscheidung ist nicht vergleichbar mit der Entscheidung darüber, ob man grundsätzlich lieber zur Miete oder lieber in einer Eigentumswohnung wohnen möchte. Zwischen Grundsatzentscheidungen und ihrer Durchführung liegen meist längere Zeiträume. Wäre also womöglich das Ergebnis des neurologischen Tests bei einer solch langfristigen Frage anders ausgefallen als bei der tatsächlich gestellten?

Tatsache ist, dass je größer der Druck, desto reflexartiger die Reaktion. Die Übergänge zwischen Reflex und bewusster Entscheidung sind deshalb fließend. Auch die Frage, ob jemand in seinem Leben bereits mit einer ähnlichen Situation konfrontiert war oder nicht, könnte eine Rolle spielen. Folglich dürften wohl mehrere Versuchsketten unterschiedlichen Aufbaus nötig sein, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.

Unterm Strich:

Grays Absicht, den Humanismus zu demontieren, hat irgendwie nicht so richtig funktioniert. Das liegt nicht nur daran, dass er sich wie oben dargelegt selbst widerspricht oder die Beweise für seine Thesen einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Es kommt auch daher, dass er teilweise Aspekte angreift, die längst überholt sind.
Dass Descartes Tiere für nicht denkfähig hielt, ist kein Wunder, denn damals wusste die Forschung kaum etwas von dem, was sie heute über Tiere weiß. Dies dem Humanismus als Ganzem vorzuwerfen, klingt etwas kleinlich. Ähnliches gilt für Grays Kritik an Kant. Ich bin zwar kein Kenner zeitgenössischer Humanisten. Aber da nicht einmal meine vierzehnjährige Tochter daran glaubt, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist oder sich irgendwann zu einem vollkommen guten und edlen Wesen entwickeln wird, können wir, denke ich, auch diesen Punkt als veraltet abhaken.

Grays Aussagen zur Drogenproblematik wiederum zeugen von genau der Ignoranz, die er anderen Zeitgenossen vorwirft. Seine Äußerung in Bezug auf China läßt den geschichtlichen Kontext völlig außer Acht, und wer über die Antidrogenbemühungen der USA von „puritanischem Krieg gegen den Genuss“ spricht, hat noch keinen Heroinsüchtigen elendiglich verrecken sehen. Dass Legalisierung zwar die Gewinne der Drogenbosse, aber nicht die Zahl der Drogentoten verringert, ist ihm offenbar ebenso entgangen wie die Tatsache, dass Legalisierung auch eine strafrechtliche Verfolgung verhindert.

Für besonders destruktiv halte ich jedoch seine These über die Verantwortlichkeit des Menschen. Die Diskussion darüber, wie viel Einfluss Gene, Kultur und soziales Umfeld auf das Leben eines Menschen haben, ist ja nicht neu. Wozu wird es wohl führen, wenn wir das Argument der „schlimmen Kindheit“ auch noch mit einem mauen neurologischen „Beweis nicht-bewusster Entscheidung“ unterstützen? Müssen dann die Eltern in den Knast, weil sie mit der Geburt ihres Kindes einen Menschen in die Welt gesetzt haben, dessen Gene ihn zum Mörder programmierten? Zahlt dann der Staat Entschädigung an die Opfer, weil er nicht in der Lage war, den sozialen Brennpunkt auszumerzen, in dem der spätere Täter gezwungen war aufzuwachsen? Oder schaffen wir die Justiz gleich ganz ab, weil ja eh keiner was für irgendwas kann, und es deshalb keinen Schuldigen zu bestrafen gibt? Eigentlich können wir die Ethik dann auch gleich mit abschaffen. Denn wenn wir eh nichts von dem vermeiden können, was wir tun, brauchen wir auch nicht darüber nachzudenken, ob es gut oder schlecht ist.

Das wäre offenbar tatsächlich Grays Ideal für menschliche Lebensführung: überhaupt nicht nachzudenken, sondern stets rein instinktiv zu handeln. Der Autor selbst stellt allerdings fest, dass dies dem Mensch nicht mehr möglich ist, weil er sich bereits zu weit davon entfernt hat. Mit der durchaus versöhnlich klingenden „Notlösung“, die er aufgrund der Unerreichbarkeit des Ideals vorschlägt – und die mich, nach all dem, was ich zuvor gelesen hatte, ehrlich überrascht hat – könnte ich dagegen gut leben. Dumm nur, dass wir uns nach Meinung des Autors gar nicht dafür entscheiden können, so zu leben, weil wir ja keine Willensfreiheit besitzen. Insofern war das ganze Buch eigentlich völlig für die Katz! Fast könnte Gray mir leidtun.

Taschenbuch 245 Seiten
Orininaltitel: Straw Dogs – Thoughts of Humans and Other Animals
Aus dem Englischen von Alain Kleinschmied
ISBN-13: 978-3423347266

www.dtv.de

Der Autor vergibt: (2.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Nehls, Michael – Methusalem-Strategie, Die

Die Frage nach dem Warum ist in der Gesundheitsbranche das täglich Brot, schlägt sich dort allerdings auch nur insoweit nieder, dass anhand präziser Ursachenforschung auf wissenschaftlichem Wege versucht wird, die aktuell immer weiter gehäufte Zahl von typischen Krankheiten und vor allem modernen Verstimmungen zu erforschen. Doch die Frage lautet: Ist es überhaupt vorbestimmt, dass der Normalsterbliche die klassischen Zivilisationskrankheiten durchlebt? Ist es notwendig, Krankheiten medikamentös zu therapieren, die man auch auf viel banalere Art und Weise abwenden kann? Und wie weit kann der Mensch selber sein ‚Glück‘ beeinflussen, seinen Lebensweg körperlich und mental optimieren und schließlich gegen den wachsenden Druck der Konsumgesellschaft bestehen?

Dr. Michael Nehls hat sich eingehend mit diesem Thema beschäftigt und nicht bloß anhand einer Selbstanalyse herausgefunden, an welchen brisanten Eckpunkten des eigenen Lebens fremde Einflüsse auf das eigene Dasein einwirken und die persönliche, ganz individuelle Prioritätenskala fremdbestimmt wird. Als Leiter eines Biotechnologie-Unternehmens hat er nicht nur jahrelang am eigentlichen Kern der Materie gearbeitet, sondern auch in vielen Selbstversuchen veranschaulicht, wie man die eigene Gesundheit nach fast schon urzeitlich anmutenden Prinzipien in die richtige Bahn lenken kann und was genau geschieht, wenn man Stereotypen und Konventionen bricht, die immer wieder dazu verleiten, mit der Masse zu schwimmen und sich vor allem die unangenehmen, aber eben nicht als solche erkennbaren Verhaltensweisen anzunehmen. Zweimal hat er am Race Across America teilgenommen, einem zwölftägigen Radfahr-Marathon, der seine Teilnehmer über 4800 Kilometer von der einen Küste des Landes zur anderen führt. Und viele völlig untypische Muster, die er in seine Planungen einbezogen hat, haben ihm geholfen, das Ziel ohne bleibende körperliche Hinterlassenschaften zu erreichen. Und es sind genau diese Denkmuster, die Nehls seinem Publikum in „Die Methusalem-Strategie“ nahebringen will, dies zwar sehr theoretisch, aber selbst im kleinsten Rahmen problemlos umsetzbar.

Der Biotechnologe erklärt hierbei zunächst die Evolution der Menschheit und den natürlichen Wandel ins Informationszeitalter der heutigen Zeit. Die Ansprüche haben sich verändert, der menschliche Körper jedoch nicht, und genau diesen Kontrast verwendet Nehls immer wieder, um zu verdeutlichen, wie weit man sich immer mehr von seinem persönlichen Selbst entfremdet, wie man Raubbau betreibt, sich Stress aussetzt, Prozesse startet, die einem unerhörten Druck unterliegen, letzten Endes aber in keiner Weise produktiv an sein Ziel kommt, weil der entscheidende Faktor Zeit so häufig missinterpretiert wird. Der Autor belegt dies an vielen kleinen, alltäglich nachvollziehbaren Beispielen, aber auch an individuellen Erfahrungswerten, die sich im Laufe der Jahre angestaut haben.

Die These, dass Termindruck sich auf das Einhalten einer Problemlösung negativ und letzten Endes fristverlängernd auswirkt, kann er dabei sehr leicht untermauern. Physische Prozesse und das Zusammenspiel des seelischen Gedankenerlebens sind die Waffen, die der Mensch immer wieder zu beeinträchtigen versucht – und dennoch lässt sich spielerisch nachweisen, dass ein schädlicher Einfluss auf diese Verhaltensmuster der Produktivität schadet, es unterdessen einfacher wäre, frei heraus zu handeln, sich von keinem äußeren Einfluss (vor allem nicht von Zeit) steuern zu lassen und stattdessen das eigentliche Ziel vor Augen zu haben. Und eben nicht jenes, das der Kalender einem gezwungenermaßen aufzuerlegen gedenkt.

Natürlich sind viele der von Nehls angesprochenen Theorien erst einmal tatsächlich nur theoretisch. Doch der Autor markiert schnell den Unterschied, indem er empirisch vorgeht, logisch durchdachte Eventualitäten vollzieht und somit vor allem eine These mit vielen greifbaren Argumenten verdeutlichen kann: Nämlich dass der gesunde Mensch, sofern er sein Leben wirklich nur nach den natürlichen Mechanismen führt und sich gleichzeitig nicht der Erwartungshaltung beugt, die von außen an ihn herangetragen wird, sein Lebensalter problemlos erhöhen kann. Es sei denn, er ist nicht bereit, den Dingen aus dem Weg zu gehen, die im Zeitalter der Information und damit auch der erheblichen medialen Kontrolle vorgeben wollen, wie das Menschsein zu funktionieren hat.

Als lebenden Vergleich zieht er dabei das Urvolk der Okinawa heran, das den weltweit mit Abstand höchsten Anteil der Bevölkerung jenseits des 100. Lebensjahres stellt, und dies lediglich, weil man die Pfade der modernen Evolution zu beschreiten nicht bereit ist. Es ist sicherlich ein sehr philosophischer Ansatz, den Nehls hier verfolgt, indem er die bewusst natürliche, völlig simple Lebensweise dieser Menschen beschreibt, allerdings verbergen sich darin keine Widersprüche, sondern lediglich logische Konsequenzen, die auch unsereiner ereilen könnten, würde er bewusst einfach nur das tun, was die gesundheitliche Vernunft ihm vorgibt.

Insofern ist „Die Methusalem-Strategie“ eigentlich eine Anleitung zum systematischen Altwerden, sehr eindringlich und gewagt verpackt, aber aus dieser Überzeugung heraus erst wirklich lesenswert, weil es im Grunde genommen so einfach ist, dieser idealen Strategie zu folgen – nicht zuletzt, weil die beschriebenen weiterführenden Ziele absolut erstrebenswert und immer noch erreichbar sind. Mit diesem Buch hat Michael Nehls zweifelsohne eine Art Masterplan verfasst, der sich voll und ganz damit beschäftigt, das Leben zu meistern, es leicht und einfach zu halten, bewusst einmal nein zu sagen, dafür aber den größtmöglichen Nutzen davonzutragen. Die zwanghafte Methodik, die das eigene Leben bestimmt, mag zwar zunächst kaum zu durchbrechen sein – doch mit einer Hilfestellung wie diesem tollen Buch sollte dies zumindest vereinfacht werden!

|176 Seiten
ISBN-13: 978-3981404838|
http://www.michael-nehls.de/verlag-mental-enterprises.htm

Eschner, Michael D. – Leben wie der Phönix – Der Weg zur Unsterblichkeit

Es war vor etwa 10 Jahren, als ich auf einem Sommerfest der damaligen ‚Ethos Gemeinschaft Thelema‘, die auch die Internetcommunity ‚New Äon‘ betrieb, ein kleines Büchlein erstand, welches, wie ich heute wohlwissend feststellen kann, mein Leben grundlegend änderte. Meine Leidenschaft waren seit jeher neben Phantastischer Literatur auch Mythen, Magie und alles Okkulte und Paranormale.

„Der magische Weg zu Wissen, Liebe, Leben, Freiheit“ war der damalige Untertitel zu „Leben wie der Phönix“, damals erschienen bei Peyn und Schulze.
Die Neuauflage in einem anderen Format sprach mich gleich an. Das Motiv des ‚Rising Phoenix‘ auf schwarzem Grund kommt sehr wirkungsvoll zur Geltung. Ebenso die durchgängig farbigen Bildmotive, die jedes Kapitel stilvoll einleiten, im Gegensatz zu den damaligen s/w-Zeichnungen.

Neben dem damaligen Vorwort von Michael Eschner ist die Neuausgabe um ein zweites Vorwort erweitert, welches Knut Gierdahl verfasste und einen Einblick in das Werk, seinen Stil und Thematik gibt, die auch die neuäonische Bewegung „Thelema“ einschließt. Das Vorwort ist sehr pragmatisch und verständlich für solch eine ‚abgehobene‘ Thematik wie Unsterblichkeit.

Die folgenden zehn Kapitel sind sehr detailliert untergliedert und die Aufmachung gleicht einem ‚Lehrbuch‘. Neben kurzen, sinnvollen und prägnanten Kernaussagen, die am Seitenrand platziert sind, gibt es immer wieder grau unterlegte Textkästchen mit praktischen Anweisungen u. ä. Dabei wendet sich der Autor stets selbstbewusst an den Leser, redet von Unsterblichkeit, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Es wird in den ersten Kapiteln auf die Situation von Unsterblichen, ihre Herkunft und ihr Leben als Unsterbliche eingegangen. Es werden ausreichend Argumente genannt den Weg des Immortalisten (so werde Menschen genannt, die eine ‚Selbstvergottung‘ anstreben) zu gehen. Sowohl Ernährung, Energie wie Weltbild spielen dabei eine Rolle. Es wird klar der Unterschied aufgezeigt, warum es dem Immortalisten geht, der nicht ‚langlebig‘ ist und dessen ‚Seele‘ nicht wandert. Und die Praxis der Unsterblichkeit ist älter als viele schamanische Traditionen.

Wichtige Bedingungen und die Komponenten werden in Kapitel acht aufgezeigt, wo die sogenannte KLEE-Methode dargestellt wird. Dabei geht es um die Entwicklung bestimmter Kenntnisse, Fertig- und Fähigkeiten, wie Erlangung von Komplexität, Einpunktigkeit und Extase, sowie die Lösung des Astralleibes vom materiellen Körper. Es wird verdeutlicht, warum Selbsterkenntnis letztendlich nur dem Immortalisten möglich. Kritisieren muss ich aber, dass bei diesem Kapitel die unter KLEE genannten Komponenten nicht in dieser Reihenfolge abgehandelt werden, wo ansonsten das Werk durch eine gut durchdachte Struktur glänzt.

Hervorheben möchte ich auch einen anschaulichen Prosatext mit Kapitel neun „Ein Stern geht auf“, der in einer illustren Geschichte verdeutlicht, wie verankert doch der Tod in unser aller Leben ist und klarmacht, dass die meisten Menschen nur ‚funktionieren‘ und nicht leben.

Das zehnte Kapitel beschreibt in einigen kurzen Beiträgen metaphysische Begriffe wie Aura, Seele oder Astralleib oder auch Intuition, Identität, Wahrer Wille, das Ich etc. Eschners Gedanken sind nicht neu und er verweist auch auf viele philosophische und soziologische Denker wie Karl O. Apel, Charles S. Peirce oder Niklas Luhman. Dem kundigen Leser werden auch Bezüge zur Kabbala und anderen Systemen wie des OTO auffallen.

Gänzlich neu in diesem Buch ist ein Leserbrief, der einst in dem damaligen AHA – Magazin, einem Fachblatt für magische und spirituelle Entwicklung, Kritik an Eschners Aufsatz „Reinkarnation – wie geht das?“ übte. An diesem Beispiel erläutert Eschner z. B. Unterschiede zwischen Inkarnation und Weckung der Kundalini, deren es zur Unsterblichkeit bedarf. Interessant auch die Ausführungen in diesem Zusammenhang bei Tieren, Astralen oder Dämonen.

Letztendlich werden mit diesem Buch dem Leser nicht nur Hintergründe, Bedingungen und Methoden zur Erlangung der Unsterblichkeit an die Hand gegeben, sondern auch auf eine praktische Gruppe hingewiesen, wo diese erlernt werden kann, und der Michael Eschner viele Jahre als Berater zur Verfügung stand, bis er 2007 seinen materiellen Leib verließ, um unter Göttern zu weilen.

|Taschenbuch: 116 Seiten
ISBN: 978-3-942736-00-8|
[www.multiwelt-verlag.de]http://www.multiwelt-verlag.de

_Martin Dembowsky_

Musashi, Miyamoto – Buch der fünf Ringe, Das

_Kampfkunst ist Lebenskunst: Musashis berühmte Lehren_

Er war und ist wohl der berühmteste Schwertkämpfer und Samurai aller Zeiten: Miyamoto Musashi. Berühmt gemacht hat ihn Eiji Yoshikawa mit seinem Roman „Musashi“. Etliche japanische Filme gründen auf Musashis Leben. Sein „Buch der fünf Ringe“, in welchem er seinen außerordentlichen Stil präsentiert, findet man hier mit seiner kurzen Biografie. Esgibt ausführlichere Ausgaben, so etwa von RaBaKa-Publishing.

Das „Buch der fünf Ringe“ diktierte Musashi 1643-1645 am Ende seines aufregenden Lebens an seinen Schüler, dem er es widmete. Hierin befasst er sich vor allem mit der Neuartigkeit seines Stils der Schwertkampfkunst (kendo), der im wesentlichen so beschrieben werden kann, dass Musashi jede Art von Stil deshalb ablehnt, weil Stile die Freiheit des Kämpfers und der Kunst des Schwertkampfes einschränken. Das „Gorin no Sho“ gilt auch heute noch unter Schülern der Kampfkunst als Lehrbuch der Geistes- und Körperhaltung und der Anwendung der verschiedenen Waffen. (Quelle: Amazon.de)

_Der Autor_

Miyamoto Musashi (geboren 1584 in Miyamoto; gestorben 13. Juni 1645 in der Höhle Reigand?, in Kumamoto), war ein japanischer Samurai und Begründer der Niten Ichiry?-Schule des Schwertkampfes.

Miyamoto Musashi wurde im Jahre 1584 in einem Dorf namens Miyamoto in der Provinz Mimasaka als Shinmen Musashi No Kami Fujiwara No Genshin (kurz Shinmen Musashi) geboren. Während seiner Jugendzeit trug er den Spitznamen Bennosuke. Sein Vater war der Samurai Hirata Munisai, der in erster Ehe mit Omasa verheiratet war, einer Frau aus dem Clan der Shinmen; ihm wurde erlaubt, den Clansnamen zu führen, so dass sich sein Name von Hirata Munisai in Shinmen Munisai änderte. Er tötete seinen ersten Gegner, als er (je nach Quelle) zwölf oder 13 Jahre alt war, den Zweiten mit 16 Jahren.

Im Alter von etwa sechzehn Jahren verließ er seine Heimat, um sich auf „Kriegerwallfahrt“ zu begeben – eine Reise, die ihn quer durch das alte Japan führte. Er nannte sich von jetzt an Musashi Miyamoto. Nachdem er an sechs Kriegen teilgenommen (u. a. in der berühmten Schlacht von Sekigahara am 21. Oktober 1600), etliche Kämpfe ausgetragen, und angeblich 60 Duelle für sich entschieden hatte, legte er mit Ende 20 seine Schwerter nieder und widmete sich der Suche nach einer tieferen Bedeutung seiner Schwertkampfkunst. Unter anderem wendete er sich nun vermehrt der Religion zu, aus der er schon früher Kraft geschöpft hatte.

In den meisten Erzählungen und Berichten über Musashi findet sein für die damalige Zeit unorthodoxer Kampfstil besondere Erwähnung: Im Gegensatz zu seinen Gegnern kämpfte Musashi häufig mit zwei Schwertern. „Niten Ichiry“ bedeutet Schule der zwei Himmel, d. h. der zwei Schwerter, die über den Kopf gehoben werden.

Später betätigte Musashi sich auch als Künstler und Handwerker. Seine Arbeiten werden in Japan als Meisterwerke eingeschätzt. Er bemalte Wandschirme und war ein Meister der Schreibkunst (Kalligraphie), er stellte Metallarbeiten her und begründete eine Schule der Stichblatthersteller (jap. Tsuba), die ihre Stücke nach ihm mit „Niten“ signieren.

Musashis Leben endete am 13. Juni 1645 in der Höhle Reigand?. Er hatte sich dorthin zurückgezogen, um sein „Gorin no Sho“ zu schreiben, welches er einige Wochen vor seinem Tode seinem Schüler Terao Magonojo übergab. Das „Gorin no Sho“ erreicht auch heute noch viele Leser in aller Welt. (Quelle: Wikipedia)

_Inhalte_

Um das „Buch der fünf Ringe“ verstehen zu können, muss man den Autor in seiner jeweiligen Epoche kennen und verstehen. Deshalb führen mehrere kurze Texte in diese Themen ein. Musashi lebte in der turbulentesten Zeit Japans, nämlich zwischen dem Ende der Herrschaft der Fürsten (Daimyos) und dem Beginn des Shogunats (von 1623 bis 1865), das eine Abschottung Japans einleitete. Tatsächlich stand er in der Schlacht von Sekigahara auf der Seite der Verlierer und konnte von Glück sagen, dass er das Massaker an 70.000 Soldaten üb erlebte!

Für einen Soldaten und Samurai ist Kendo, der Schwertkampf, von elementarer Bedeutung, und Musashi brachte es darin zu überragender Meisterschaft: Er schlug alle, die sich ihm stellten, bis er 30 war. Dann überlegte er, was er tun sollte. Er war zu unabhängig, um sich in den Dienst eines Fürsten zu stellen, und wurde Ronin, ein wandernder Samurai. Doch die Fürsten fühlten sich geehrt, ihn zum Lehrer zu haben. So hatte er Gelegenheit, sein Leben zu vervollkommnen, was im Hinblick auf die Lehren im „Buch der 5 Ringe“ bedeutsam wurde.

Ein weiterer Vorspann widmet sich dem Zusammenhang zwischen Kendo und Zen. Ein zentraler Bestandteil von Musashis Weg fußt, neben der Shinto-Religion und Konfuzianismus, auf dem Zen-Buddhismus. Dieser kennt weder Priester noch Kirche noch zentrale Lehre. Das spiegelt sich in Musashis Weg wider, so etwa im fünften Buch, dem „Buch der Leere“.

Der letzte Vorspann schildert in einem kurzen Abriss Musashis Leben – siehe oben. Sehr schön sind dabei die zahlreichen Abbildungen, die ihn selbst darstellen, aber auch seine Werke, so etwa Tuschezeichnungen und Skulpturen. Seine Lieder und Gedichte sind verschollen.

_DAS BUCH DER FÜNF RINGE_

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, die aufeinander aufbauen. Es gibt sehr lange Teile wie Teil 3 und sehr kurze Teile wie Teil 5, der nur 1,5 Seiten hat.

|Buch 1: Das Buch der Erde|

Die Erde ist das Fundament. Deshalb findet man hier lediglich grundlegende Aussagen zum Kriegerhandwerk (Heiho), zum Weg des Kriegers (Bushi-do) und zum Schwertkampf (Ken-do). Etwas verblüffend ist der Vergleich des Schwertkämpfers mit einem Baumeister / Zimmermann. So wie der Zimmermann mit optimalem Material, mit geeigneten Werkzeugen und nach einem Plan arbeitet, so sollte auch der Schwertkämpfer vorgehen. Allerdings darf man die Sache mit dem Plan nicht zu eng sehen. Musashi lehnt Pläne generell ab.

Er empfiehlt dringend, alle Waffen auszuprobieren und die geeignete zu wählen. Dabei sind auch Gewehre zu prüfen, die von den Portugiesen ins Land gebracht worden waren. Der Rhythmus ist beim Kampf wie im Leben und im Bauen von elementarer Bedeutung. Und wie stets mahnt der Autor: Wer nur studiert, wir nichts begreifen. Lernen und Beherrschung folgt nur aus der Anwendung seiner Lehren. Schon hier geht er auf seine Niten-Ichiryu-Schule ein, die der zwei Schwerter, die jeder Samurai tragen durfte: Lang- und Kurz- bzw. Seitschwert (Katana bzw. Tachi und Wakizashi; vgl. dazu die Wikipedia).

|Buch 2: Das Buch des Wassers|

Die Niten-Schule lehrt, dem Lauf des Wassers zu folgen, um mit dem Langschwert den Sieg zu erringen. Das heißt, man passe sich der jeweiligen Situation an. Der Kämpfer ist stets voll Gleichmut, ohne Anspannung, doch stets bereit zu sterben. Außerdem sollte der Kämpfer eins mit seinem Schwert sein, denn es ist seine Seele. Diese innere Haltung des Kriegers drückt sich in der körperlichen Haltung aus. Die Kampfhaltung entspricht der im Alltag und umgekehrt: Entspannt, aber nicht schlaff, sondern kampfbereit.

Dieses Buch lehrt die fünf Kampfhaltungen und fünf Angriffstaktiken, bevor die zahlreichen Hiebe, Streiche vorgestellt und beurteilt werden. Dieser Teil ist recht umfangreich, nur für Kämpfer interessant und wird wie stets von einem Epilog abgeschlossen.

|Buch 3: Das Buch des Feuers|

Musashi hält nichts von Banalitäten wie dem Ausbilden von Händen, der Fächerkampfkunst und dem Anlegen einer prächtigen Rüstung. Das Einzige, das für ihn am Erlernen des Schwertkampfes sinnvoll erscheint, ist die Ausübung dieser Kunst und der Wille, den Gegner zu besiegen und dies in die Tat umzusetzen. Um dies zu tun, gibt es zahlreiche Wege, die er alle aufführt.

Dabei macht er keinen Unterschied zwischen Einzelkampf und einer Schlacht. Wer einen Gegner bezwingt, kann auch zehn bezwingen, und mit zehn mann hundert bezwingen und so weiter. Man merkt, dass Musashi die große Schlacht von Sekigahara, die den Shogun Tokugawa für sich entschied, hautnah miterlebt hat.

Für Manager ist dieser Teil des Buches der nützlichste, denn darin werden die verschiedenen Vorgehensweisen konzis beschrieben, um bestimmte Ziele zu erreichen. Dies ist also die praktische Anwendung des in Buch 1 und 2 Gesagten.

|Buch 4: Das Buch des Windes|

Das Schriftzeichen für Wind entspricht dem für Stil. Dementsprechend vergleicht Musashi seinen Stil mit den zahlreichen anderen in Japan gelehrten Kampfstilen, angewendet auf Aspekte der Niten-Schule. Deren Tugenden sollen nämlich angesichts der Mängel der anderen Stile aufscheinen. Das ist also Marketing.

|Buch 5: Das Buch der Leere|

Die Leere ist nicht das Nichts im Sinne des Nihilismus, sondern konkret der Raum zwischen Himmel und Erde, ideal aber das Nicht-Existierende: „Die Leere ist das, in dem nichts existiert. Sie ist das, was dem Menschen zu wissen unmöglich ist.“ Allerdings grenzt Musashi die Leere von Täuschungen und Illusionen ab. Nur weil man zu dumm oder überheblich ist, heißt das nicht, dass etwas nicht existiert oder gemacht oder gedacht werden kann.

Der wahre Weg beinhaltet Offenheit und Wachsamkeit, Gleichmut und Ausgewogenheit. Schließlich werde man erkennen: „Die Leere, das ist der Weg und der Weg, das ist die Leere. Die Leere hat Gutes, nicht Böses. Es gibt Weisheit, Verstand und den Weg und es gibt die Leere.“

_Unterm Strich_

Man merkt also auch als Laie, dass hier ein Meister und Lehrer seine Erkenntnisse nicht bloß an die nächste Generationen (seinen Schüler) weitergibt, sondern sie auch zugleich bewirbt. Wer kein Schwertkämpfer ist oder einer werden will, aber dennoch als Manager dieses Buch empfohlen bekommen hat (beispielsweise Anfang der achtziger Jahre, als viele solcher Bücher erschienen), der kann sich auf den dritten und den fünften Teil beschränken.

Hier werden die Strategien für die Schlacht und den Einzelkampf geschildert und mit der Lehre von der Leere konterkariert. Wer nicht kapiert, was das Wesen der Leere ausmacht, der dürfte selbst mit angewandter Weisheit nicht weit kommen. Es geht also um die rechte Balance nach dem Motto: Ich weiß, dass ich nicht alles weiß, aber was ich ganz genau weiß, das ist der Weg. Jeder gehe also seinen eigenen Weg. Hauptsache, er geht ihn überhaupt und dann konsequent.

Außerdem lehrt Musashi den Weg des Wassers (Teil 2), so dass man seine Strategie und Kampftechnik nicht nur dem Gegner, den äußeren Bedingungen und den vorhandenen Waffen anpasst, sondern auch der eigenen Verfassung und Ausrüstung. Wer ein Dogma sucht, wird also bei Musashi keines finden.

Äußere Vervollkommnung bedingt innere und umgekehrt: Kendo und Kenjutsu erfordern Zen, also Meditation und (wie beim japanischen Adel) auch die Kunst, beispielsweise Kalligraphie, Teezeremonie, Malen, Dichten usw. Wer also nur mit dem Schwert rumfuchteln will, um seine Gegner einzuschüchtern, braucht dieses Buch nicht. Vielmehr sollte man um diesen Idioten Angst haben, dass er sich verletzen könnte.

|Diese Ausgabe|

Diese Taschenbuchausgabe des Knaur-Verlags aus dem Jahr 1984 folgt der Übersetzung des Econ-Verlags von Victor Harris‘ Übersetzung des Originals. Von Harris stammt die gesamte Einleitung. Geprüft und evtl. ergänzt wurde seine Übersetzung des japanischen Originals durch den Fachmann Siegfried Schaarschmidt.

Auch wenn der Musashi-Text vertrauenswürdig ist, so brauchte ich doch die Einleitungen und die ausführlichen Fußnoten, um ihn überhaupt verstehen zu können. Wer sich also eine andere Ausgabe zulegt, sollte darauf achten, dass die Einleitungen, die Musashi in seinen historischen Kontext stellen. Musashi darf die Kenntnis seiner Epoche ebenso voraussetzen wie Kenntnisse über Zen, Shinto, Konfuzius und vieles mehr.

Wer also bei ihm Erkenntnis sucht, muss sie eigentlich schon mitbringen. Der Schwertmeister kann einen bloß lehren, einen Gegner auf vielerlei Weise zu besiegen. Wie man richtig lebt, das kann er nur zu einem bestimmten Grad. Den Rest muss man, wie in jeder Kunst, selbst mit äußerster Entschlossenheit „und strengem Bemühen“ vollbringen.

So gesehen, ist die Lektüre dieses berühmten Buches nur ein erster Schritt. Man sollte seine Aussagen möglichst mit Fachleuten besprechen und mit dem ebenso berühmten Buch „Hagakure“ aus dem 18. Jahrhundert (deutsch bei Piper) sowie mit der Lehre von Sun Tzu ergänzen. Um ein Zen-Manhänger zu werden, braucht man das Buch nicht. Denn Zen kann man nur leben. Leonard Cohen weiß ein Lied davon zu singen.

|Taschenbuch: 140 Seiten
Originaltitel: A Book of Five Rings, von Victor Harris (1974)
Aus dem US-Englischen von Jürgen Bode und Siegfried Schaarschmidt
ISBN-13: 978-3426041291|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home

Hellmann, Brigitte (Hrsg.) – Mit Nietzsche auf der Gartenbank

_Die Herausgeberin_

Briigitte Hellmann, man liest nichts von ihr selbst, weder ein Vor- noch ein Nachwort. Die Münchner Lektorin und Herausgeberin verschiedener Anthologien beschränkt sich darauf, einen allwissenden Blick über die Literatur schweifen zu lassen und mit kundiger Hand auszuwählen. „Mit Platon unter Palmen“, „Mit Sokrates im Liegestuhl“, „Mit Buddha unterm Sonnenschirm“ oder mit „Kant am Strand“ sind Titel ihrer Lesebücher, die sich dem lesemüden Publikum im erfolgsträchtigen Gewand der |Strandkorbliteratur| nähern, also so wenig mühsam sein sollen, dass reiner Genuss so nebenhin möglich ist.

_Mit Nietzsche auf der Gartenbank_

Dort tummeln sich nun neben der Herausgeberin nicht weniger als 24 Denker, Physiker und Literaten, aus denen Friedrich Nietzsche herausragt, denn von den 27 Versatzstücken gehören drei ihm. Dabei hätte er sicher einige seitwärts heruntergeschubst, die da mit versammelt sind, denn dem Khalil Gibran hätte er das Herz geneidet, Herder für einen Schwätzer gehalten und Kant für einen philiströsen Haarspalter. Dank der Herausgeberin kommen aber auch sie und alle 24 zu Wort.

Im Strandkorb gönnt man sich nicht einfach ein Sammelsurium von Ansichten, die natürlich nicht auf Europa beschränkt, sondern bis in den Fernen Osten reichen, sondern die Gedanken schweifen eine Bahn, die mit dem Zweifel am Wert der Philosophie und geläufigen Wahrheitsbegriffen beginnt, wo Nietzsche der ersteren Ahistorizität vorzuwerfen hat. Es wurde ihm schwer, bei so viel Fertigem vor der Nase, noch neue Akzente zu setzen, verlegt sich auf die „unscheinbaren Wahrheiten“ und hofft, dass „der geistreiche Blick jetzt mehr gelten darf, als der schönste Gliederbau und das erhabenste Bauwerk“.

|Die Physiker|

Die kundige Hand wählte hier den britischen Erfolgs-Wissenschaftsautor Marcus Chown, der die Aufmerksamkeit auf die Zunahme des Informationsgehaltes des Universums seit dem Urknall lenkt, die er mit 10^86 beziffern kann, indem er die anfänglich 1000 Zellen des Uruniversums mit der Zahl der heutigen Lichtteilchen vergleicht, die in zwei Zuständen existieren können. Das sei auf die Quantentheorie zurückzuführen. Dass diese allerdings erst durch die Wahrnehmung als vorhanden anzusehen sind, was ebenfalls eine Konsequenz der Quantentheorie ist, die das Vorhandensein einer Realität ja in Frage stellt, entgeht ihm dabei. Leider fehlt es den Physikern, außer vielleicht Heinz Pagels, immer noch an poetischer Kraft, der das so schön als „ein Tischleindeckdich“ beschrieb.

|Die Weisen|

„Selbst der Weiseste von uns beugt sich unter der schweren Bürde der Liebe; doch in Wahrheit ist die Liebe so leicht wie die muntere Brise des Libanons“, entspannt Khalil Gibran die Situation, bevor uns der britische Astronom Martin Rees auf der vergeblichen Suche nach Außerirdischen vorrechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass alle durch einen Asteroiden umkommen, nicht größer ist als die Berechtigung der Flugangst jedes Einzelnen. Aber all das ist klein gegen den Atomtod, der immer noch droht und dessen Wahrscheinlichkeit er mit einem Drittel veranschlagt. Da kann man dann schon mal Descartes und Aristoteles in unabhängigen Versatzstücken streiten lassen, ob man und wer eine Seele besitzt. Im Untergangsszenario zwinkert uns Heine zu: „Holde Frauenblumen, welche/ Kaum erschlossen ihre Kelche/ Den geliebten Sonnenküssen,/ Hat der Tod schon fortgerissen“.

|Die Menschlichen|

Wer sie mag, dem geben Fromm und Herder noch ein paar Worte über Menschliches. Wer lieber schmunzelt, zieht sich Tucholsky im gedachten Strandkorb ein. Man kann auch Kant wieder einmal nicht ganz verstehen, wenn er uns den Ursprung des Bösen erklärt. Das wird aber gut durch Schopenhauer pariert, der uns entdeckt, dass Mitleiden ein besseres Regulativ ist als alle Gesetze oder auch Religionen, denn „der gänzliche Mangel an diesem ist es also, der den Menschen der Ruchlosigkeit überführt“.

|Die Abschließenden|

Hier kann man Rilke, nicht ganz so verdichtet, in einem Märchen erleben, wo er die Eigenwilligkeit der Hände Gottes beschreibt und damit eine kindergeplagte Nachbarin unterhält. Nietzsche lässt für den, ders noch nicht kennt, seinen Zarathustra noch mal den Papst trösten, der wegen Todesfalls den Einzigen über sich verloren hat. Hanna Johansen verrennt sich in einem an sich vergnüglichen Versatzstück ein wenig in der Vielköpfigkeit gedachter Erdenbewohner. In einem längeren Poem bescheidet Gottfried Keller die Neunmalweisen mit den Versen „Bau ich aus Blütendüften/ Und Mondschein mir ein Schloss,/ Drin biet ich allen Trutz/ Und eurem Schülertross!“

_Fazit_

Wir lehnen uns nach der Kurzweil im Strandkorb zurück, einen Gran klüger, und glauben, dass die anderen es im Grunde auch nicht viel besser wissen.

|Taschenbuch: 160 Seiten
ISBN-13: 978-3423346801|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Christian Rempel_

Hammesfahr, Michaela F. – Dein Blut für ewig

_Inhalt_

Anne ist in den Semesterferien bei ihren Eltern und freut sich darauf, ein bisschen Zeit mit ihrer alten Freundin Nina zu verbringen. Die beiden Mädchen finden schnell in ihren alten Rhythmus aus ausgehen, tanzen, tuscheln zurück und genießen gerade ihre Freizeit, als Anne den rätselhaften Kilian kennen lernt.

Nina kennt den attraktiven, blassen jungen Mann vom Sehen und findet ihn distanziert und wenig höflich. Umso größer ist ihre Überraschung, als er offenbar total in Annes Bann gezogen wird. Anne selbst ist nicht minder überrascht: Sie kann sich nicht erklären, was ein solcher Traumtyp von ihr wollen könnte. Und doch kann sie es nicht verhindern, dass ihr Herz beim Gedanken an ihn bedeutend schneller schlägt, als es eigentlich sollte. Für sie ist Kilian aufregend. Für ihn allerdings ist sie mehr als das: Kilian sieht zwar aus wie ein Mensch, doch er ist etwas ganz anderes. Und in seiner Rasse gibt es Gesetze, die die Beziehung mit Menschen unter schwere Strafen stellen. Sein eigener Bruder ist einer jener Wächter, die die Einhaltung jener Regeln scharf überwachen.

Außerdem gibt es bereits eine Frau, mit der Kilians Familie ihn gern zusammen sähe: Mona. Sie haben es bereits versucht, waren ein Paar, doch Kilian kann Mona nichts abgewinnen, während sie ihn bis zur Verzweiflung liebt und ihn als den Vater ihrer Kinder sehen will. Egal wie viele Argumente es gegen die Menschenfrau Anne gibt: Kilian kann nicht von ihr lassen. Ihr freundliches, offenes, argloses Wesen rührt ihn tiefer, als es Monas makellose Kühle je vermocht hat, und ihr Geruch bringt ihn vollkommen um den Verstand.

Es ist dünnes Eis, auf dem Kilian sich bewegt, aber es ist nicht die einzige Bedrohung des so sorgsam gehüteten Geheimnisses der menschenähnlichen Blutsauger: In dem Labor, das Kilians Vater betreibt, gibt es einige wache Augen und Ohren, und die dazugehörigen Gehirne beginnen, einige Dinge zu hinterfragen. Eines dieser Gehirne gehört ausgerechnet Nina, Annes Freundin. Doch auch viel finsterere Gestalten reimen sich einiges zusammen und schmieden perfide Pläne …

_Kritik_

Oha, ein weiterer Vampirroman! So in etwa mag der erste Gedanke lauten, wenn man sich den Klappentext des Romans durchliest. So einfach macht es die Autorin ihren Lesern aber nicht. Michaela Hammesfahr hat Biologie studiert und für ihren Erstlingsroman eine interessante neue Rasse entwickelt, die sich der verbreiteten Vampirgeschichten gern bedient, da sie von der Wahrheit ablenken. So weit, so außergewöhnlich. Die kleinen Bruchstücke, mit denen man beim Lesen gefüttert wird, erhalten die Spannung und sorgen dafür, dass man dringend wissen möchte, wie es weiter geht.

Leider hält die Entwicklung der Charaktere in vielen Fällen bei diesem inhaltlich hohen Niveau nicht mit. Die Protagonistin erscheint etwas blass und langweilig, der Held zu einfach gestrickt. Tatsächlich glaubwürdig, tragisch und ansprechend ist eine kurze Nebenlinie der Handlung, während das Hauptdarstellerpaar sich auszeichnet durch sehnsuchtsvolle Gedanken, plötzliche Entscheidungsfindungen, die binnen Minuten wieder rückgängig gemacht werden, großartiges Gefühlswirrwarr und die große Liebe nach zwei Wochen Bekanntschaft. Das ist ein bisschen flach geraten, was ärgerlich ist, denn eigentlich steckt in der Geschichte jede Menge Potential.

„Dein Blut für ewig“ ist das erste Buch Michaela F. Hammesfahrs. Sollte sie die Geschichte von Anne und Kilian in weiteren Büchern fortzuführen gedenken, würde das etwas versöhnen mit der Tatsache, dass am Ende dieses Romans überraschend viele Fäden unverknüpft bleiben. Es bleibt abzuwarten, wie die Neuautorin sich weiterentwickeln wird.

_Fazit_

„Dein Blut für ewig“ ist ein Romantic-Fantasy-Roman mit einem sehr originellen Plot und mäßigen Charakteren. Michaela Hammesfahr hat gute Ideen, aber bei der Umsetzung hat sie die Meisterschaft ihrer Mutter Petra Hammesfahr noch lange, lange nicht erreicht. Andererseits: Was nicht ist, kann ja noch werden. Und allein für die Entwicklung einer neuen Rasse gebührt der Jungautorin Anerkennung. Vielleicht lohnt es sich, sie im Auge zu behalten.

Eine Leseprobe bietet der Verlag unter [dieser Adresse]http://www.rowohlt.de/fm/131/Hammesfahr_Dein_Blut.pdf an.

|Taschenbuch: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3499254956|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Hammesfahr, Michaela F. – Dein Blut für ewig

Der charismatische Kilian Ravenstein und die junge Pädagogik-Studentin Anne begegnen sich das erste Mal auf einer Party. Kilian, der seit Kurzem von Mona getrennt ist, was bei seinen Eltern auf massives Unverständnis stößt, ist wie berauscht von Annes Duft und will sie daher kennenlernen.

Auch Anne ist Kilian nicht abgeneigt. Was sie allerdings nicht weiß, Kilian ist kein Mensch, sondern ein Sanguisorbier, ein menschenähnlicher Parasit, der sich von menschlichem Blut ernährt.

Langsam lernen Anne und Kilian sich kennen und auf beiden Seiten macht sich das Gefühl der Verliebtheit breit. Eine Beziehung zu Anne ist Kilian allerdings per Gesetz des Rates der Sanguisorbier verboten, da nur Ehen und Beziehungen innerhalb der Rasse zugelassen sind. Ebenfalls darf Kilian keinesfalls das Blut eines weiblichen Menschen trinken, ein Sanguisorbier darf nur das Blut eines gleichgeschlechtlichen Menschen zu sich nehmen, da der Sanguisorbier sowie der Mensch sonst Schäden davon tragen könnten.

Auch Mona wacht eifersüchtig über Kilian, auch wenn sie vor ihm so tut, als sei sie seiner Meinung und das Ende der Beziehung das einzig Sinnvolle, so ist sie doch insgeheim sehr verliebt und hofft, dass Kilian zu ihr zurückkehrt. Da ihre Primärspenderin unglücklicherweise verstorben ist und so die Möglichkeit ein Baby zu bekommen in weite Ferne gerückt ist. setzt sie darauf, dass die Zeit Kilian zurück in ihre Arme treibt.

Trotz aller Verbote und Gefahren vertieft sich die Beziehung zwischen Anne und Kilian und Kilian bricht eines der wichtigsten Gesetze und trinkt Annes Blut. Was Kilian nicht ahnen konnte, der Genuss von Annes Blut macht ihn abhängig und das allein bringt die beiden in höchste Gefahr. Zudem Anne von der Existenz der Sanguisorbier nichts ahnt und kaum begreift was passiert.

Doch nicht nur die Beziehung zwischen Anne und Kilian birgt Gefahren, auch aus anderen Richtungen droht Gefahr.

Ist eine Zukunft zischen Anne und Kilian überhaupt möglich?

_Kritik_

Mit ihrem Debütroman „Dein Blut für ewig“ hat die Autorin Michaela F. Hammesfahr einen außergewöhnlichen Roman der Romantic-Fantasy geschrieben.

Der packende Schreibstil der Autorin lässt sich sehr flüssig lesen und schafft es, die Leser zu fesseln. Auch die völlig neue Rasse der Sanguisorbier hat die Autorin wohl durchdacht und perfekt entwickelt.

Das Buch beginnt mit einem Prolog und einer Handlung, die neugierig macht, aber erst im Laufe der Geschichte aufgeklärt wird. Die dort vorkommenden Protagonisten sind Nebendarsteller mit einer Geschichte, die auch für Anne und Kilian wichtig ist und die die Eigenarten der Rasse erklärt.

Wenn nach dem Prolog die Geschichte um Anne und Kilian beginnt, wird der Leser erst ratlos dastehen da der Prolog erst einmal nicht viel mit der Geschichte um Anne und Kilian zu tun hat, aber dies wird im Laufe der Handlung klar und die Autorin löst dieses auf.

Die Autorin versteht es, sich an Ihren Plot zu halten und mit den Geschichten, neben der von Anne und Kilian, das Leben und die Regeln der Sanguisorbier dem Leser nahezubringen.

Die in die spannende Handlung eingewobene Romanze zwischen Kilian und Anne ist der Autorin sehr gut gelungen, diese gerät nicht zu kitschig und lässt ausreichend Raum für die übrigen Begebenheiten und Entwicklungen.

Den Spannungsbogen baut Michaela F. Hammesfahr geschickt auf und steigert diesen gekonnt bis zum Finale. Leider bleiben dann am Schluss noch etliche Fragen offen und auch manche Protagonisten scheinen ihrer Strafe zu entgehen. Da bleibt zu hoffen, dass noch ein weiterer Teil um die Sanguisorbier erscheint, um auch hier zu einem befriedigenden Schluss zu kommen.

Der Roman wird aus der Perspektive eines um die Sanguisorbier wissenden Beobachters erzählt, so ist der Leser Anne immer etwas voraus und erwartet gespannt darauf, was passiert, wenn auch Anne von dieser Lebensform erfährt.

Die Figuren ihrer Geschichte hat die Autorin liebevoll und lebendig konzipiert. Jeder Charakter zeichnet sich durch eigene Stärken und Schwächen aus und trägt zum Gelingen der Geschichte bei. Der Leser lernt in aller Ruhe alle wichtigen Personen wie Anne, Kilian, deren Familien und Freunde kennen. Nebenbei wird viel Wissen um die neue Rasse der Blutsauger eingestreut, was zum Verständnis der Charaktere beiträgt. Die 20 Jahre junge Anne wirkt teilweise sehr naiv, was einer jungen Frau dieses Alters aber durchaus zusteht. Sehr authentisch entwickelt sich diese Protagonistin im Verlauf der Geschichte und zeigt auch, dass sie bereit ist, um ihre Liebe zu kämpfen, allen Hindernissen zum Trotz.

Kilian scheint sehr unter dem Pantoffel seiner Familie zu stehen, hält aber trotzdem an seinen Entscheidungen fest und vertritt diese. Er ist sehr willensstark und bleibt trotzdem feinfühlig in seiner Art. Eine große Rolle steht auch Kilians Ex-Freundin Mona zu. Diese lernt der Leser auch mit ihren vielen Facetten kennen. Aber auch wenn ihre Gefühle nachvollziehbar sind, fällt es schwer, ihr Sympathien entgegenzubringen, Mona wirkt zu unnahbar, und wirkliche Gefühle scheinen ihr fremd zu sein. Eher ist dieser Charakter auf den eigenen Vorteil aus. Die weiteren Charaktere passen ebenfalls sehr gut in ihre Rollen und tragen zu einem lebendigen Gesamtbild bei.

In einem Anhang werden artspezifische Begriffe und Erklärungen zu der Rasse der Sanguisorbier erläutert. Dort werden Begriffe wie „Sanguisorbier“, „die Fortpflanzung“, „Primärspenderin“ und weitere erklärt.

_Fazit_

Mit dem Roman „Dein Blut für ewig“ hat die Autorin Michaela F. Hammesfahr ein Debüt vorgelegt, das sich erfreulicherweise von der breiten Masse abhebt.

Sehr gelungen fand ich, dass die Rasse der Sanguisorbier weder übermächtig noch unsterblich ist, trotz einer sehr langen Lebenserwartung von ca. 250 Jahren lauern aus dieser neuen Rasse heraus einige Gefahren und sie wirken trotz ihrer Eigenarten durchaus menschlich.

Ausgerichtet ist dieser Roman auf die weiblichen Leser der Fantasy, besonders der Romantic-Fantasy. Dieser Zielgruppe kann ich den Roman „Dein Blut für ewig“ wirklich nahelegen.

_Autorin_

Michaela F. Hammesfahr wurde 1969 in der Nähe von Köln geboren. Die Tochter von Petra Hammesfahr unterhielt schon als Kind die Familie mit ihren Fantasiegeschichten. Später zog es sie vom Rhein an die Elbe und von der Fantasie in die Wissenschaft. Sie studierte Biologie im Hamburg und arbeitete dort mehrere Jahre als Produktmanagerin im Medizinischen Marketing. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes folgte sie dem Beispiel ihrer Mutter und begann zu schreiben. In ihrem ersten Roman verknüpft sie ihre beiden Leidenschaften, die Fantasie und die Wissenschaft (sie hat dafür unter anderem eine komplette Vampir-Biologie entwickelt). Heute lebt sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern in einer Kleinstadt bei Hamburg. (Verlaginfo)

Eine Leseprobe bietet der Verlag unter [dieser Adresse]http://www.rowohlt.de/fm/131/Hammesfahr_Dein_Blut.pdf an.

|Taschenbuch: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3499254956|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Englisch, Andreas – Wenn Gott spricht

_Prophezeiungen gibt es_ seit Anbeginn der Menschheit in ihren Mythen, Legenden und Religionen. Erinnern wir uns an die biblische Prophezeiung: Ein Messias – der Sohn Gottes – würde uns am Tag des jüngsten Gerichts besuchen. Oder Moses, der den Pharao (wahrscheinlich) Ramses vor dem Zorn Gottes warnt. Die Prophezeiungen aus dem alten Testament sind uns wohlbekannt, daneben gibt es noch unzählige andere Seher und Deuter, die manchmal in versteckten und verschlüsselten Botschaften zu uns sprechen. Manche erklären, dass sie das Wort Gottes verkünden, andere hingegen plappern vielleicht nur von kommenden Situationen, deren logische Konsequenz aus der Gegenwart resultiert.

Prophezeiungen sind tief in uns gläubigen oder auch ungläubigen Menschen verwurzelt. Genauso wie die Religion, bewegen sie sich zwischen Wahrheit und Fiktion, und der Zwischenraum ist ausgefüllt mit den Hoffnungen und Ängsten der Menschen, die aus reinem Optimismus daran glauben möchten.

Die Vergangenheit kann man nicht ändern, die Gegenwart beeinflussen und die Zukunft …? Nun ja, die Zukunft ist nicht greifbar und ändert sich mit jedem Tag. Sieht man allerdings die Prophezeiungen aus einer religiösen Perspektive, so spricht man von der Botschaft Gottes durch einen Propheten, einen heiligen Mann. Es können aber genauso arme Hirtenjungen und Mädchen sein. Gott scheint nicht besonders wählerisch zu sein, manchmal taucht auch die „Mutter“ Gottes auf und weist uns Wege und (oder) Auswege, gegebenenfalls warnt sie die Menschheit auch. Die Wissenschaft, der oftmals so betitelte „Erzfeind“ der Religion, belächelt eher müde diese Thesen oder verhält sich mathematisch eher logisch und rational.

Andres Englisch, der seit 1987 Vatikan-Korrespondent in Rom ist und engen Kontakt zum Jahrtausend-Papst Johannes Paul II. und auch zu dem deutschen Papst Benedikt XVI. pflegt(e), interpretiert die Worte und die Taten der „heiligen“ Männer als Gottes Botschaft. Waren oder sind einzelne tief gläubige Menschen oder gar Diener der katholischen Kirche Botschafter Gottes – spricht Gott bis heute so mit seinen Schäflein und hatte dies schon Auswirkungen auf historische Ereignisse?

_Kritik _

Andreas Englisch, der Autor des Buches, ist an erster Stelle Journalist. Mit seinem intensiven Wissen rund um die Interna des Vatikans, der Millionen von Menschen fasziniert, gehört er zu den wenigen mit der kirchlichen Kurie Vertrauten.

In seinem vorliegenden Buch gibt es eine Menge Wundergeschichten rund um Jonhannes Paul II. und das amtierende Oberhaupt der katholischen Kirche, Benedikt XVI. Zwar betont Andreas Englisch immer wieder, dass man die Prophezeiungen entweder aus der Perspektive eines gläubigen Christen sehen kann oder als Realist diese Vorhersehungen logisch rational erklärbar sieht. Zwar gibt sich der Autor Mühe, dies neutral zu sehen, doch merkt man nach wenigen Seiten, dass Andreas Englisch überzeugt ist, dass Gott durch den Menschen seine Botschaften sendet. Andererseits kritisiert er die oftmals konservative Politik des Heiligen Stuhls und berichtet von einigem Insiderwissen, was sich durchaus kritisch liest.

„Wenn Gott spricht“ von Andreas Englisch hat mich aber insgesamt nicht überzeugen können. Vielleicht liegt es daran, dass ich zwar gläubig, aber nicht naiv bin, dass ich durchaus differenzieren kann, aufgrund logischer Konsequenzen aus Handlungen heraus Situationen interpretieren und Details erkennen, dass es sich hier um keine Prophezeiung handeln kann, sondern nur um menschliche Schlussfolgerungen.

Die Leserschaft wird das Buch sehr konträr sehen. Die einen werden sagen: „Das ist keine Vorhersehung, sondern nur das Resultat von Ereignissen“, andere hingegen, wirklich gläubige Menschen, werden sich in ihren Gedanken sicherlich dort wiederfinden, wohin die Botschaften auch gelangen sollen.

Mit hohem Respekt, und da pflichte ich dem Autor bei, spricht er von den Entscheidungen und politischen Einflussnahmen von Papst Johannes Paul II., denn das katholische Oberhaupt war zugleich auch politischer Monarch seines Kirchenstaates und verstand es, Religion manipulierend einzusetzen.

Viel interessanter geht es im Buch zu, wenn der Autor über die Abläufe und Prozesse innerhalb der vatikanischen Mauern spricht. Sicherlich gibt es zu diesem Thema noch viel mehr Literatur, aber Andreas Englisch hat durchaus Talent darin, dies auch unterhaltsam für den Leser aufzuarbeiten.

_Fazit_

„Wenn Gott spricht“ ist nur bedingt empfehlbar. Wer sich mit dem Thema „Botschaften durch Gott“ oder Prophezeiungen beschäftigen möchte, dem sei von diesem Buch abzuraten. Vielmehr handelt das Buch vom Leben der beiden Päpste und sekundär erst von irgendwelchen Vorhersehungen, die man logisch erklären und deuten kann.

Wer allerdings viel darüber wissen möchte, wie es in Kirchenkreisen zugeht, der wird an dem Buch Gefallen finden, denn hierin liegt das große Wissen des Autors und dort kann er wirklich eindrucksvoll und mit Bravour erzählen.

_Autor_

Andreas Englisch, geboren 1964 in Werl, lebt seit 1987 als Vatikan-Korrespondent in Rom. Er hatte engen Kontakt zu Papst Johannes Paul II. und gehört zu den sechs Journalisten, die Benedikt XVI. auf allen Reisen begleiten dürfen. Er ist Autor der Bestseller „Johannes Paul II.“, „Habemus Papam“ und „Die Wunder der katholischen Kirche“.

_Andreas Englisch auf |Buchwurm.info|:_
[„Habemus Papam – Von Johannes Paul II. zu Benedikt XVI.“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2447

Graeff, Alexander – Dazwischen: Eine kurios-philosophische Suche nach dem Gottmenschen

_Die Rückführung des Menschen zu sich selbst_

Das 2009 im |Phänomen|-Verlag erschienene Buch „Dazwischen“ von Alexander Graeff widmet sich der philosophischen Suche nach dem Gottmenschen. Der Autor, der sich Erzählungen wie kunstwissenschaftlichen Werken gleichermaßen verschrieben hat, legt mit „Dazwischen“ nun eine Synthese seiner Beschäftigungsfelder vor.

Graeff bemüht sich weder um Dogmen noch um streng wissenschaftliche Definitionen, auch nicht um ein konkretes Ziel. Nein, es geht ihm um Sinnstiftung und Erklärung. Erklärung einer Position des individuellen Subjekts in der Welt, und um Erklärung seiner Möglichkeiten und Potentiale, die in ihm ruhen, und nicht zuletzt um Sinnstiftung an Plätzen, die in einer rein rationalistischen und funktionalistischen Welt verkümmern und einem „multidimensionalen“ Menschen nicht gerecht werden. Hierfür ist Philosophie nötig, die sich nicht auf einen Themenkomplex beschränkt. Der strebende Mensch soll an seinen Grundfesten gepackt werden. Dabei wird sich einerseits an vielseitiger Praxis orientiert und andererseits bei wohl erklärter Metaphorik bedient. Dadurch nähert sich Graeff in tiefgründiger Wortwahl der Beschreibung eines Dazwischens an, weiß eine Fülle an Assoziationen beim Leser zu wecken und erinnert bei jedem neuen Kapitel – sei es das über Gott, über Liebe, über Okkultismus, über Religion oder über Wissenschaft – an die Komplexität des Themas, ohne den logischen Aufbau aus dem Blick zu verlieren.

Bezwungen wird der schwierige und sicher vorurteilsbeladene Begriff des Gottmenschen unideologisch und durch eine an den Anfang gestellte, persönliche Erklärung des Autors untermauert. „Dazwischen“ ist also ein implizites Werk. Es lässt nicht so sehr einblicken als vielmehr ausblicken, was es in seinem lebenspraktischen Wert enorm befördert.

Graeff schreibt: |“Die Gedanken, die Werk geworden sind […] Sie kommen zurück zu mir.“| Wenn sich Graeff da mal nicht irrt! Denn mit Hilfe seines Mediums der Schrift hat er einen Zeit überdauernden und vor allem facettenreichen Gedankenkomplex erschaffen, der seine Gedanken geradewegs in den Geist vieler Leser treibt, durchaus das Potential hat, viele Horizonte zu erweitern, und mit exakter Treffsicherheit zur so wichtigen Bewusstmachung der Strebensziele des individuellen Menschen beiträgt.

|148 Seiten
ISBN-13: 978-3933321749|
http://www.alexander-graeff.de
http://www.phaenomen-verlag.de

_Gregor Feller_

Dreyer, Sven-André / Witt, Joachim – Freizeichen: Lyrik und Kurzprosa

_Inhalt:_

Pressestimmen:

|“Dreyers Texte sind ganz wie ein guter Popsong, der einen noch lange bewegt, obwohl die Melodie längst verklungen ist.“| – Dr. Michael Wenzel, Rheinische Post

|“Ob es sich um den alltäglichen Gang zur Pommesbude handelt, darum, wie wir uns in der Großstadt verlieren, um das Zerplatzen eines Traums oder um die wehmütige Erinnerung an die Kindheit: Mit den Bildern, die Dreyer in ‚Freizeichen‘ entwirft, ist ihm eine Zusammenschau von Werken gelungen, die sich einem Jeden von uns öffnet.“| – Sarah Sillius, campus-web.de

|“Danke, Dreyer, für dieses Buch. Danke!“| – Heike Hartmann-Heesch, www.papiersinfonie.de, www.verstärker-online.de.

_Meinung:_

Es ist immer schwer, über ein Buch in begrenzter Seitenzahl mit kurzen Texte etwas zu sagen, ohne zu viel zu verraten. Kein Geringerer als Joachim Witt trifft es in seinem Vorwort genau, wenn er die Texte des Autors als scharf gezeichnete Abbilder seiner Erlebniswelt bezeichnet.

Sven-André Dreyer beherrscht eine schnörkellose Sprache, die es auf den Punkt bringt. Gesellschaftskritisch blickt er hinter die Fassaden – auf und von Vorstadtbalkonen, deckt die Spießigkeit und wachsendes Konsumdenken auf, die Einsamkeit in der Großstadtanonymität, den alltäglichen Geschlechterkampf und pocht vehement auf alte und neue Wertigkeiten – das alles mit einem Augenzwinkern und in humorigen Schlenkern, dass man den kleinen Band in einem Rutsch wegliest, ohne ihn aus den Hand zu legen.

Das Highlight sind dabei eindeutig die „Am Rande gerafft“-Texte. Man möchte mehr von Rosco und seinem Leben lesen, wenn dieser feststellt, dass „Stutenbeißen ein Frauending sei“ und „Punk heute schon lange nicht mehr das sei, was es früher mal war“ und dass „Angst was für Mädchen und Heulsusen sei“.

Man merkt dem Projekt von Seiten des Autors und des Verlages das Engagement an, daher sieht man bereitwillig über die Satzfehler (Hammellücken) hinweg. Das kleine Taschenbuch zeichnet sich durch ein tolles Glanzcover sowie gutes Papier aus, und auch Druck und Bindung durch den Schaltungsdienst Lange Berlin sind wie gewohnt erstklassig.

Sven-André Dreyers Texte sind wach und munter, lebhaft und aufsässig – alles was der Mensch braucht für einen kleinen erfrischenden Lesesnack zwischendurch.

_Fazit:_

Schnörkellose Sprache, die es auf den Punkt bringt, dabei unterhält, ohne an Tiefe zu verlieren. Empfehlenswert.

|Taschenbuch: 108 Seiten
Titelfoto von Rosco Leiden
Titelgestaltung von Nina Kresse
ISBN-13: 9783941134300|
[www.EditionPaperONE.de]http://www.EditionPaperONE.de

Mai, Klaus-Rüdiger – Vatikan, Der. Geschichte einer Weltmacht im Zwielicht

Rom ist nicht nur die Hauptstadt Italiens und gehört mit seinen Sehenswürdigkeiten zum Weltkulturerbe, es ist zugleich Sitz des Vatikanstaates, doch in dieser unabhängigen Form erst seit 1929.

Der Vatikanstaat ist eine kleine Enklave inmitten der ewigen Stadt und mit einer Fläche von nur 0,44 km² und ca. 932 Einwohnern (davon nur 552 Staatsbürger) der kleinste Staat auf unserem Planeten. Zu diesem Staat gehören der Petersdom, der Petersplatz und die berühmte Sixtinische Kapelle, ebenso diverse Nebengebäude sowie die vatikanischen Gärten.

Oberhaupt dieser kleinen Gemeinde, die im Grunde eine Monarchie darstellt, ist der von Kardinälen gewählte Papst, der sogenannte Stellvertreter Gottes auf Erden. Er vertritt den Vatikan auf internationaler Ebene, nicht nur im Glauben, sondern mit allen souveränen Rechtsmitteln und Gesetzen, Pflichten und Mitspracherechten in den Gremien und politischen Vereinigungen.

Touristen, die die schöne Stadt Rom besuchen, werden zwangsläufig auch den Vatikan aufsuchen wollen. Die Vatikanischen Museen – die größte Sammlung in Europa -, der Petersdom und -platz sowie die Sixtinische Kapelle sind einmalig und sehenswert und stecken voller Geheimnisse.

So geographisch winzig der Vatikan wirkt, ist er dennoch eine Weltmacht und verfügt ebenso wie Russland oder die USA über eine Art von Armee. Zwar keine militärisch ausgebildeten Heere, aber doch Divisionen tiefgläubiger Menschen, deren Anzahl übermächtig erscheint. Der Vatikan ist und bleibt einer der mächtigsten und undurchsichtigsten Staaten auf unserem blauen Planeten. Er ist ein Symbol, nicht nur für den katholischen Glauben, und seine politische Macht und sein indirekter Einfluss wirken auf das Leben von Milliarden Menschen.

Entgegen allen Versuchen, die Kirche zu unterdrücken oder gar ihre Päpste zu töten, um ein etwaiges politisches Ringen zu gewinnen, haben der Glauben und auch die Institution Kirche überlebt. Sie wusste sich immer zu wehren, intrigierte mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, und es gab so manches düsteres Kapitel in ihrer Biographie. Auch ihre Finanzmacht ist noch immer beispiellos und völlig undurchsichtig, selbst für anerkannte Experten. Seit jeher übt der Vatikan eine Faszination auf die Menschen aus, seine Geheimnisse und Mythen und die symbolische Nähe zu Gott wirken mystisch und anziehend.

Aus unserer Geschichte ist der Vatikan nicht mehr wegzudenken, und ebenso wenig aus unserer Gegenwart. Doch die Kirche ist alles andere als unfehlbar: Vergessen wir nicht die Inquisition, die es noch bis zum 20. Jahrhundert gab, oder das Verhalten der Kirche zu den Staaten während der beiden Weltkriege. Wenn wir in der Geschichte noch weiter zurückgehen, so begegnet uns ein wahres Register der Sünden: Hexenverbrennungen, Auftragsmorde, Vetternwirtschaft und Fälschungen, Inzest und gar Sodomie, um nur einige wenige hier zu nennen. Der Biograph des amtierenden Papstes Benedikt XVI. und Autor des internationalen Bestsellers „Geheimbünde“, Dr. Klaus-Rüdiger Mai, hat in seinem gerade erschienen Buch „Der Vatikan“ dem Kirchenstaat einen Spiegel vorgehalten.

In diesem Buch durchleuchtet er kritisch und kompetent, aber unerwartet unabhängig den in seiner Geschichte einzigartigen Staat. Dessen sichtbaren und unsichtbaren Machtmittel und Strukturen werden hier durch die gesamte Zeit seiner Existenz, von den Anfängen bis in die aktuelle Gegenwart analysiert und interpretiert.

_Inhalt_

Schon kurz nach der Kreuzigung und dem Tod Christus‘ zogen seine Jünger, allen voran Petrus, durch die Regionen bis nach Rom; selbst der ungläubige Thomas pilgerte nach Indien, um dort Jesus‘ Lehren zu verbreiten.

Petrus kam um das Jahr 62 nach Rom, und diese Metropole galt zu jener Zeit als Mittelpunkt der zivilisierten Welt. Kulte und Religionen aus allen Teilen des Römischen Reiches wurden in der Stadt praktiziert, wenn auch nicht immer offiziell, sondern still und verschwiegen geduldet. Neben den römischen Göttern gab es dort vornehmlich noch griechische und ägyptische. Die verschiedenen Kulte wurden schnell gemischt und in eine Beziehung zu den römischen Reichsgöttern gesetzt, die es zu ehren galt. Petrus fand bereits einige christliche Gemeinden vor; meistens bestanden diese aus freigelassen Sklaven und ärmeren Römern oder feinfühligen Römerinnen, die dem Adel angehörten.

Der Glaube an nur einen Gott war in den Augen des römischen Senats unerklärlich und man fürchtete zugleich das Wachstum dieses neuen Glaubens und seiner Gemeinschaft – eine Gefahr für das gesamte Römische Reich. Als Rom zwei Jahre später brannte, machte Kaiser Nero die christliche Gemeinschaft hierfür verantwortlich, und Tausende wurden durch Kreuzigung, Zerfleischung durch wilde Tiere und ähnlich grausame Methoden ermordet. Dies verstärkte den Glauben jedoch nur noch und die christliche Gemeinde wuchs und wuchs. Petrus wurde Oberhaupt dieser kleinen Gemeinde, schließlich war er ein persönlicher Zeitzeuge und kannte Jesus persönlich.

Die Römer versuchten, seiner habhaft zu werden und ihn als Aufwiegler hinzurichten; der Legende nach bekehrte er seine Verfolger und floh erneut, aber auf seiner Flucht begegnete er diesem Mythos nach Jesus, der auf dem Weg war, sich ein zweites Mal kreuzigen lassen. Petrus erkannte seine Berufung und stelle sich schließlich diesem Schicksal. Auch er wurde gekreuzigt, allerdings kpüfüber.

Die Leiche Petrus‘ wurde auf dem Vatikanischen Hügel in einem einfachen, namenlosen Grab beigesetzt. Diese Stelle des Grabes wurde zu einem Mysterium und von Generation zu Generation weitergegeben. Mit seinem Tod schuf Petrus ein Fundament für die Ewigkeit, genauso, wie es laut Matthäus vom Herrn verheißen worden war.

Über die Jahrhunderte wurde der Einfluss der Kirche auf die größten Nationen und Staaten immer mächtiger. Es grenzt an ein Wunder, dass alle Nachfolger Petrus‘ – die Päpste – ihrer Kirche zu dem Machtzentrum verhalfen, das sie zurzeit noch immer ist.

„Der Vatikan“ erzählt von den Taten und geschichtlichen Ereignisse einer jeden Epoche der Kirchenhistorie. Neutral und sachlich schildert Klaus-Rüdiger Mai den Einfluss der Stellvertreter Gottes auf die unruhige politische Lage im Mittelalter, in dem es kaum Jahre des Friedens gab und jeder Herrscher oder König sein eigenes Reich begründen wollte. Doch auch die Kirchenfürsten sind nur Menschen und viele strebten selbst nach persönlicher Macht und Einfluss. Das Königreich des Himmels bestand für viele von ihnen bereits in der Monarchie des Papsttums und seiner weltlichen Macht auf Erden.

Glaubenskriege erschütterten Europa über Jahrhunderte hinweg. Für die Kirche kämpften im Heiligen Land während der Kreuzzüge die Tempelritter, und viele europäische Adlige befreiten dabei nicht etwa Jerusalem oder das Grab Christ, sondern fanden zu Tausenden ihren Tod. Letztlich wurden die legendären Tempelritter für die Kirche geopfert, nicht wegen ihres Glaubens, sondern wegen ihrer Schätze. Ebenso erging es in französischen Landen den Katharern, die fast ausgerottet wurden.

Ebensolch ein dunkles Kapitel waren die Hexenverfolgung und die Inquisition, und auch hier spielten Besitz, Einfluss und Geld die Hauptrolle, und nicht der Glaube. Von Jahrhundert zu Jahrhundert wandert der Autor zusammen mit den Päpsten durch die historischen Ereignisse und bildet solcherart letztlich eine überragende und gut strukturiere Biographie der Kirche heraus. Dunkle Kapitel der Neuzeit wie die Judenverfolgung im Dritten Reich werden hier realistisch und weniger düster und anklagend geschildert und spiegeln eine weniger negative Charakterisierung wider.

In den letzten Kapiteln geht der Autor auf Johannes Paul II. und seinen Kampf gegen den Kommunismus ein, ebenso erscheint die kirchliche Organisation Opus Dei in einem erklärenden Licht, wirtschaftliche Aspekte werden ebenso geschildert wie die schmale Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Religion oder die Suche nach dem personifizierten Bösen, um dem Teufel ein Gesicht geben zu können.

Am Ende gestattet sich der Autor einen Ausblick auf die Zukunft des Vatikans aus heutiger gesellschaftlicher und politischer Sicht. Im Anhang wird das Geflecht der christlichen Kirche in einen Schaubild aufgeschlüsselt und auch die anderen großen christlichen Glaubensrichtungen werden dem Leser erklärt. Eine Liste der Päpste und Ergänzungen an Literatur zu diesem Thema runden das Buch gekonnt ab.

_Kritik_

Das Geheimnisvolle am Vatikan sind wohl die Legenden und zugleich die Unantastbarkeit dieses kleinen Staates, der zu einer Weltmacht geworden ist. Was verbirgt sich in den Geheimarchiven und Bibliotheken des Kirchenstaates? Zu vielen Kammern und Räumen hat nur der Papst Zutritt – welche Geheimnisse bewahrt das Oberhaupt der Katholischen Kirche? Zumindest unbezahlbare Kulturgüter und Schätze kann man als Besucher in den Vatikanischen Museen bestaunen – nicht alle Exponate darunter sind wohl legal in die Räumlichkeiten gelangt. Und die Sixtinische Kapelle, in der die Kardinäle das Oberhaupt unter Ihresgleichen wählen, ist wahrlich ein Augenöffner für jeden Kunstliebhaber.

Klaus-Rüdiger Mai hat ein umfassendes geschichtliches Werk über den Vatikan verfasst. Wo Licht in dieser Historie erstrahlt, wirft der Autor punktgenaue Schatten, und möglichst neutral beurteilt er die Entscheidungen der historischen Kirchenfürsten im Detail. Das Buch ist mit Sicherheit kein umfassendes Werk – diese Aufarbeitung könnte man nur schwerlich in Buchform fassen; die wichtigsten, konkretesten Ereignisse werden jedoch angerissen und in komprimierter Erzählung wiedergegeben. Dies ist keine Anklageschrift, keine Auflistung eines katholischen Sündenregisters; der Autor hält sich an Fakten, und nur an diese. Trotzdem unterlässt er es ab und an nicht, durch kritische Untertöne seinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. Er nimmt andererseits die Kirche durchaus auch in Schutz oder erklärt, aus welchen Zwängen heraus die Päpste in manchen Situation so handeln mussten. Doch auch die Kirche selbst ist durchaus selbstkritisch und nicht so arrogant, ihre eigenen Versäumnisse und Fehler nicht einzugestehen. Darwin sagte einmal, dass die Wissenschaft Gott nicht ausschließe; es hat lange gedauert, bis auch die Priester dies offen akzeptieren konnten, ohne zugleich selbst als Ketzer zu gelten.

Wer sich für Kirchgeschichte interessiert und die Entscheidungen der Päpste vergangener Zeit, für ihr Wirken in guten wie auch schlechten Zeiten, der ist mit dem Buch „Der Vatikan“ gut beraten. Wer allerdings erwartet, dass Mysterien erklärt und Geheimnisse aufgedeckt werden, könnte enttäuscht sein. An keinem anderen Ort der Welt wird ein derart geballtes Schriftwissen über die Jahrhunderte hinweg der Öffentlichkeit vorenthalten, und das sicherlich manches Mal völlig berechtigt. Doch leider gewährt uns auch Herr Mai keinen klärenden Blick auf diese verborgenen Archive.

Kritisch sei zu anzumerken, dass Themen wie beispielsweise der Sinn des Zölibates oder die Rolle der Frau in der von Männern dominierten Kirche in diesem Werk völlig untergehen, wobei dies aufgrund der inhaltlichen Trennung von Vatikanstaat und Katholischer Kirche nachvollziehbar ist. Der Autor konzentrierte sich neben der Entstehung und der Entwicklung des katholischen Glaubens nur auf die Päpste, ihren Stand und ihre Wirkung auf politische Entscheidungen.

Das Buch endet in unserer Gegenwart mit dem jetzigen Papst, der den Weg Johannes Paul II. weitergehen wird – ein offener, diplomatischer Weg, um die Kirche auch in diesem Jahrhundert weiter zu stabilisieren. Die Kirche wird sich immer auch ihren Schäfchen anpassen müssen, um nicht vom Strom der Zeit hinfortgerissen zu werden.

_Fazit_

„Der Vatikan“ ist vor allem ein umfassendes Werk über das Leben und Wirken der Päpste, angefangen von Petrus bis zu unserem heutigen Papst Benedikt. Geheimnisse bleiben jedoch auch hier Geheimnisse; es gibt andere Bücher und Romane, die sich mit Verschwörungstheorien und Mysterien rund um Kirche und Vatikan beschäftigen.

Doch auch die Geschichte dieses winzigen Staates, der doch die Rechte und auch Verpflichtungen einer Weltmacht innehat, ist nicht weniger spannend zu lesen. Die Vergangenheit wurde durch die Kirche in erheblichem Maße geschrieben, die Gegenwart wird von ihr beeinflusst. Hier erfährt der Leser vieles über dieses Wirken.

_Der Autor_

Klaus-Rüdiger Mai studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Halle-Wittenberg und arbeitete als Regisseur und Autor für das Theater. Über viele Jahre war er als Drehbuchautor, Dramaturg und Produzent für das Fernsehen tätig. Im Gustav Lübbe Verlag erschien von ihm „Benedikt XVI. Joseph Ratzinger: Sein Leben – Seine Ziele“ (2005) und „Geheimbünde – Mythos, Macht und Wirklichkeit“ (2006). Zu einer ARD-Dokumentation über Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 schrieb er das Drehbuch.

http://www.luebbe.de

Dawkins, Richard – Gotteswahn, Der

Seit Menschengedenken glaubt der Großteil der Weltbevölkerung an ein höheres Wesen, das die Welt erschaffen hat und über uns wacht und unsere Geschicke, unser Leben, unser Schicksal lenkt oder zumindest gelegentlich eingreift.

Die angenommene Existenz eines Gottes hat zumindest immer etwas mit Glauben zu tun, und damit beschreitet man ideologisch den schmalen Grat zwischen Religion und Naturwissenschaft, zwischen Physik mit Raum und Zeit und einem Glauben an eine körperliche oder geistige Gestalt, die Wunder vollbringen kann und allmächtig ist. Im Namen der Religionen wurden Kriege geführt, es wurde gemordet, gefoltert, gestohlen, gelogen, und immer wurde der Mensch durch Kirchenfürsten manipuliert. Es gab Zeiten, da wurde man für seinen Glauben direkt verfolgt und getötet – und im Laufe der Epochen hat sich wirklich nicht allzu viel geändert. Es gibt unzählige Beispiele, die nicht zuletzt zum 11.9.2001 reichen.

„Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch“, so lautet eine These von Richard Dawkins, der wohl zu den einflussreichsten intellektuellen Größen unserer Zeit zu rechnen ist. Der Glaube an Gott kann seiner Betrachtungsweise nicht standhalten, und seine Thesen und Theorien werden mit scharfem Verstand. aber auch zynisch begründet.

Das vorliegende Buch beginnt ganz harmlos: |“Stellen wir uns doch mal eine Welt vor, in der es keine Religion gibt – keine Selbstmordattentäter, keinen 11. September, keine Anschläge auf die Londoner U-Bahn, keine Kreuzzüge, keine Hexenverfolgung, keine Aufteilung Indiens, keinen Krieg zwischen Israelis und Palästinensern, kein Blutbad unter Serben/Kroaten/Muslimen, keine Verfolgung von Juden als ‚Christusmörder‘, keine ‚Ehrenmorde‘, keine pomadigen Fernseh-Evangelisten im Glitzeranzug, die leichtgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche ziehen. Stellen wir uns vor: keine Zerstörung antiker Statuen durch die Taliban, keine öffentlichen Enthauptungen von Ketzern, keine Prügel für das Verbrechen, zwei Zentimeter nackte Haut zu zeigen …“|

Schon mit dem Vorwort seines jüngsten Werkes „Der Gotteswahn“ treibt Richard Dawkins Fundamentalisten aller Religionen auf die Barrikaden. Der Biologieprofessor aus Oxford hat offenkundig Spaß an der Polemik. Sein 500-Seiten-Opus stand in Großbritannien, Kanada und den USA wochenlang an der Spitze der Bestsellerlisten. Vor 30 Jahren machte der junge Wissenschaftler mit dem Buch „Das egoistische Gen“ zum ersten Mal Furore, als er Charles Darwins Theorie der Evolution auf die Spitze trieb.

Richard Dawkins ist von Beruf Evolutionsbiologe, und nach seinem epochalen Werk „Das egoistische Gen“ bringt er nun mit „Gotteswahn“ ein imponierendes und kritisch-aggressives Buch heraus. Ist Religion nur ein Machtmittel, um Menschen bewusst zu manipulieren und zum eigenen Nutzen einzusetzen? Genau hierin liegt nämlich die Gefahr der Religion, und an diesem Punkt setzt das Verständnis für Religionsgegner und Atheisten an.

Richard Dawkins‘ Plädoyer gegen die Religion ist recht einseitig orientiert und erzürnt so manches Gemüt: Was passiert eigentlich, wenn wir Religionen angreifen und zum Tabu erklären?

_Kritik_

Richard Dawkins verfügt über eine ungemein präzise Art, seinen Standpunkt klarzumachen. Sein bissiger und zynischer Humor ist allerdings gewöhnungsbedürftig. Dawkins philosophiert nicht lange über die Religiosität oder reitet auf den Irrungen und Wirrungen der verschiedenen Religionen herum. Dies würde auch nichts bringen, sondern wäre nur prosaisches Futter für oder gegen die verschiedenen Glaubensrichtungen – eine Pro/kontra-Affäre.

Dafür erzürnt er seine Fachkollegen gleichermaßen. Der Autor provoziert immer und immer wieder und bewegt sich dabei auf recht einseitigem Terrain. Eigentlich beabsichtigt er eine Konvertierung des Lesers vom Gläubigen zum Atheisten, das allerdings mit einer viel zu aggressiven Methodik.

Die Kirche, so ätzt der Professor, habe den Wechsel vom Polytheismus der griechischen und römischen Götter zum Monotheismus als Fortschritt verkauft. Aber bei den Katholiken sei „der Dauerflirt mit dem Polytheismus in eine galoppierende Inflation gemündet“, und genüsslich zählt er auf: „Die Dreifaltigkeit wird (oder werden sie?) durch Maria erweitert, die „Himmelskönigin“, die in allem außer ihrem Namen eine Göttin ist und als Ziel der Gebete nur ganz knapp hinter Gott an zweiter Stelle steht.“ Weiter aufgeblasen werde das Pantheon durch eine Armee von 5.120 Heiligen, zuständig für Waffenhändler, Schmiede, Bombentechniker, für Bauchschmerzen, Magersucht oder Darmerkrankungen. Schritt für Schritt geht Dawkins weiter, von den verschiedenen Gottesgestalten der Bibel zum allgemeinen Gottesbegriff, der sich in Stoßseufzern und Gebeten manifestiert.

Gern zitiert Dawkins auch Einstein, den großen Physiker unserer Zeit, der Gott aus wissenschaftlicher Sicht ganz eigen interpretiert hat. Trotz bekannter Aussprüche wie „Gott würfelt nicht“ oder „Gott ist raffiniert, aber boshaft ist er nicht“ benutze der große Physiker den Begriff „Gott“ in einem rein metaphorischen Sinn. „Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind“, so Einstein, „dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus“.

Dawkins geht es darum, dass der Fundamentalismus nichts Religiöses oder gar Göttliches, sondern lediglich etwas allzu Menschliches ist, und das im negativen Sinne. Zugleich wirkt dieser Ansatzpunkt aber paradox, denn Dawkins – als Autor, der ja schließlich auch mit seinem Werk eine Verantwortung eingeht – handelt und argumentiert fundamentalistisch, und das sehr radikal.

Seine Botschaft interpretiere ich eher solcherart, dass es in Dawkins‘ Umfeld von Wissenschaft, Physik und dazugehörigen Naturgesetzen eine Gottgestalt einfach nicht geben darf. Wir Menschen wissen potenziell halt alles und sind gotterhaben. Wir sind nur uns selbst verantwortlich und unseren modernen Wertmaßstäben, alles andere wäre ein ideologisches Desaster.

Gilt der Atheismus als fortschrittlich oder möchte er zumindest solchermaßen angesehen sein? Möchte er den Menschen befreien, der sonst als abhängig und gefesselt anzusehen ist? Die religionsgeschichtliche Vergangenheit mag hier der ausschlaggebende Punkt sein. Sicherlich war die Entwicklung und Auswirkung der Religion oftmals negativ, aber es gab auch positive Aspekte der Religionsbestrebungen, und gerade diese kommen überhaupt nicht zur Sprache. Was genau ist denn Religion? Nur der Glaube an ein höheres Wesen oder auch der Glaube an eine Ideologie, an einen Lebenswert?

Dawkins kann nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt. Die Religion hat die Menschen wesentlich geprägt, entwickelt und zu dem gemacht, was sie jetzt sind. Menschen sind nicht perfekt, aber kann oder muss es ein Gott sein, der es zulässt, dass wir so viel Leid zu ertragen haben? Zahllose Menschen sind für ihren Glauben gestorben, haben Großes vollbracht. Was ist mit den kirchlichen Einrichtungen, den Krankenhäusern, Heimen, kirchlichen Hilfsorganisationen? Was ist mit den Menschen, die aus ihrem Glauben Kraft gewinnen? Hat das alles nichts zu bedeuten? War das alles nur religiöser Wahn?

_Fazit_

Und die Bibel hat doch Recht? Vielleicht – wir werden es eines Tages begreifen können oder vielleicht nicht. Das letzte und womöglich wichtigste Element menschlicher Erfahrung wird ein jeder für sich selbst vielleicht irgendwann einmal begreifen können. Richard Dawkins hat sein Buch und seine Thesen sehr eindringlich verfasst, doch auf wessen Kosten? Gott ist für jeden Menschen anders fassbar oder gar messbar. Er ist immer da, und er wird es auch weiterhin sein, selbst wenn „Der Gotteswahn“ nicht mehr auf den Bestsellerlisten stehen wird …

http://www.ullsteinbuchverlage.de

Armstrong, Karen – Achsenzeit, Die : Vom Ursprung der Weltreligionen

Die englische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong befasst sich in diesem Buch mit der kulturhistorischen Epoche der sogenannten „Achsenzeit“, in deren Verlauf sich die Wurzeln der heutigen Weltreligionen herausbildeten. Für Armstrong markiert die „Achsenzeit“ in den jeweils betreffenden Nationen den Höhepunkt der Rationalität, dessen man sich auch in der komplizierten Gegenwart des 21. Jahrhunderts erinnern sollte, wenn es darum geht, die gravierenden tagesaktuellen Probleme und Konflikte zu lösen. Die „Achsenzeit“ lässt sich grob auf die Jahre zwischen 900 und 200 v. Chr. datieren, wobei die Epoche natürlich nicht in jedem Teil der Welt zeitgleich eintrat. Als „Achsenzeit“ bezeichnet Armstrong die Zeit der Entstehung des Konfuzianismus und Daoismus in China, des Hinduismus und Buddhismus in Indien, des Monotheismus in Israel und des Rationalismus in Griechenland.

Armstrongs zentrale Intention bei diesem Buch ist es, die „Achsenzeit“ für die Gegenwart nutzbar zu machen und gleichzeitig aufzuzeigen, worin die Charakteristika jener Epoche lagen, die sie so bedeutsam machen. Es ist natürlich unstrittig, dass die besagten Epochen in ihren jeweiligen Kulturen einen bedeutenden geistesgeschichtlichen Durchbruch brachten und gewissermaßen die heutigen Weltreligionen begründeten. Die zentrale Schwäche in Armstrongs Argumentation scheint allerdings darin zu bestehen, dass sie davon ausgeht, seit der „Achsenzeit“ habe es keine wirklich neuen Ideen gegeben, die sich nicht an der „Achsenzeit“ orientierten. Gewiss ist eine neue Erkenntnis oder Theorie stets in gewisser Weise mit älteren Ideen verwoben und daher lässt sich auch theoretisch eine sehr lange chronologisch rückwärtsgerichtete Verwandtschaftskette zwischen verschiedenen Philosophien erzeugen. Dabei lässt Armstrong allerdings auf sträfliche Weise diverse geistesgeschichtliche Neuschöpfungen, wie u. a. die Ideen von Kant, Descartes, Nietzsche und Marx außer Acht, die nun wirklich nicht nur als „verwässerte“ Nachahmung der Philosophen der Achsenzeit gewertet werden können. Alles in allem wirkt Armstrongs Ansatz daher ein wenig konstruiert. Es hat den Anschein, als wolle die Autorin unbedingt ihre These belegen, wodurch sie offensichtlich die gebotene Objektivität vernachlässigt.

Trotz dieses Kritikpunktes handelt es sich bei ihrer „Achsenzeit“ um eine spannenden und kurzweilige Lektüre, die dem philosophisch und theologisch interessierten Leser sehr zu empfehlen ist. Man sollte allerdings gewahr sein, dass Armstrong in diesem Buch vor allem ihre eigene gewachsene Theorie präsentiert, ohne dabei auf etwaig anderslautende Interpretationen einzugehen. Dennoch ist dieses stilistisch ansprechend geschriebene Buch aufgrund der überaus interessanten Ausführungen der fachkundigen Autorin absolut lesenwert.

|624 Seiten, 21 Karten, 3 Stammbäume
22,7 × 15 cm|
http://www.randomhouse.de/siedler/

Loers, Veit (Hrsg.) / Kunsthalle Schirn – Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian 1900 – 1915

Was ist typisch für die historischen Avantgardebewegungen? Ihr politisches Engagement? Ihre Versuche, Kunst in den lebenspraktischen Raum zu überführen? Oder ihr radikales Programm und die auf Schockwirkung setzende Kunst?

Gewiss sind dies Forderungen, die Futurismus, Surrealismus, Dadaismus & Co. für sich beanspruchen, doch gibt es weitere Anknüpfungspunkte, die viele Avantgardisten mit den Vertretern jenes gesellschaftlichen Phänomens teilen, das Okkultismus genannt wird. Dabei erscheinen die pseudowissenschaftlichen und ersatzreligiösen Bestrebungen von Theosophie und Spiritismus innerhalb der Kulturwissenschaften keinesfalls nur als Kompensation auf den zunehmenden Materialismus, sondern können gerade als immanent für die Kunst der Moderne beschrieben werden.

Der umfassende Katalog der gleichlautenden Ausstellung „Okkultismus und Avantgarde“ der Frankfurter Kunsthalle Schirn 1995 ist Zeugnis für eine historische Analyse und Darstellung der bedeutenden Gemeinsamkeiten und gegenseitigen Inspirationen von Avantgardisten aller Couleur und Okkultisten des frühen 20. Jahrhunderts.

In keinem mir bekannten Werk wird derart deutlich an Text und Bild gezeigt, wie eng die okkulten Strömungen und Weisheitslehren Künstler und Okkultisten gleichermaßen beeinflussten. Diese wichtige Verbindung scheint mir für die historischen Betrachtungen der gesellschaftlichen Umbrüche (z. B. Beginn der Modernen Kunst, Lebensreform, Neue Mystik usw.) des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert bisweilen vergessen. „Okkultismus und Avantgarde“ besitzt den Umfang eines Werkes, welches diese Lücke im kulturwissenschaftlichen und kulturhistorischen Kanon zumindest anzudeuten im Stande ist. Die erwähnten Verbindungen von Okkultismus und künstlerischer Avantgarde sind allzu vielfältig und tief greifend, als dass sie nur ein Werk abdecken könnte. Der Katalog kann aber als wichtige Referenz für weiterführende Arbeiten und Forschungen auf diesem Gebiet dienen.

Auch wenn die postmoderne Kunst dem Reflex der klassischen Moderne, die Ursachen künstlerischer Potenziale entdecken zu wollen, nicht mehr in dem Maße zu folgen scheint, gibt es doch bis heute vereinzelte Überlegungen dieser „geistigen Haltung“, wie es Teio Meedendorp (in: Der Okkultismus als praktische Wissenschaft: Der Archeometer, in: „Okkultismus und Avantgarde“) bezeichnet, zuteil zu werden. Von Zeit zu Zeit schließen sich daher Künstler zusammen, die sich der Erforschung des künstlerischen Ausdrucks verschrieben haben (z.B. der Kunstorden O.T.R.D.).

„Okkultismus und Avantgarde“ beinhaltet neben Fachtexten und Essays auch zahlreiche Farbabbildungen der Kunstwerke, die in der Ausstellung gezeigt wurden. Verblüffend wirkte vor allem der Umstand auf mich, dass Künstler, deren Werke nie den Anschein zulassen würden, dass sie spirituelle oder okkulte Ideen inspiriert haben könnten, in einem Atemzug mit Vertretern der „spirituellen Kunst“ wie Rudolf Steiner oder August Strindberg genannt werden.

_Die „Bibel“ des modernen Okkultismus!_

http://www.tertium.de/

Evers, Michael / Moritzen, Reinhart – Mysterium am Ende der Moderne, Das. Schriften zur Verteidigung der Kunst. No. I-XX

_Spirituelle Aufklärung und Kunsttransformation_

„Im Großen gesehen kommt es darauf an, zwischen westlicher Aufklärung und Metaphysik die Synthese zu finden, also den Begriff der Aufklärung spirituell zu verstehen – was er tatsächlich ursprünglich war, bevor er materialistisch reduziert wurde.“ (Michael Evers)

Ist schon ein spannender Ansatz, den Michael Evers in seinem Aufsatz „An der Wellenfront: Neoplatonischer Idealismus und Alchemie“ vorstellt; zumal es recht wenige aktuelle Schriften über Kunst und ihre spirituellen Wurzeln gibt. Für Evers kann eine ästhetische Betrachtung westlich-europäischer Kunst ohne eine Bezugnahme auf die hermetische Philosophie, den Neuplatonismus und den Spiritualismus nicht stattfinden. Glaubt man Evers, sei eine kunsthistorische und kunsttheoretische Betrachtung, welche derartige Bezüge ausklammert, nur ein unvollständiger Abriss.

Neben einem absolut-idealistischen Agens, den Evers in der wahren Kunst erkennen will, stellt er durchaus auch konstruktive Überlegungen zu einer neuen spirituellen Kunst an. Für ihn besteht kein Zweifel, dass es an der Zeit ist, nicht nur reflektierte Rückbesinnungsarbeit zu leisten, sondern Kunst auch in einem organisch-ganzheitlichen Gestaltungsprozess zu begreifen. Ganzheitlich bedeutet für Evers, dass an dem Prozess des Kunstschaffens gleichsam emotionale und kognitive Anteile beteiligt sind. Dem Künstler müsse dies bewusst werden, damit eine transformatorische Synthese und spirituelle Kunstidentität entstehen könne.

Evers Aufsatz bewegt sich gekonnt an den Wurzeln spiritueller Philosophien, übt Kritik an einer philosophiearmen Kunst und vermag interessante Dimensionen abendländischer Kulturgeschichte aufzuzeigen; etwa dann, wenn Evers die Aufklärung als im Kern spirituell beschreibt.

Michael Evers erhält lyrische Rückendeckung von Reinhart Moritzen, der mit seinem Beitrag „Europa und ihr Kind“ den Band „Das Mysterium am Ende der Moderne“ vervollständigt.

Evers Aufsatz und Moritzens Lyrik sind in der Reihe „Schriften zur Verteidigung der Kunst“ in der |AQUINarte Presse| Kassel erschienen. Die Reihe befasst sich literarisch und kunsttheoretisch mit dem Phänomen der Moderne und ihrer spirituellen Einflüsse. Die Frage nach alchemistischen Einflüssen auf die europäische Kunst ist ein Schwerpunktthema. Die Bände beinhalten jeweils einen theoretischen Aufsatz und einen lyrischen Beitrag.

http://www.aquinarte.de/

Braun, Bernhard – Feuer des Eros, Das

_Ein ganzes Universum der Liebe_

Der Eros, heute zu einem kitschigen Abbild eines kleinen Engels mit Pfeil und Bogen verkommen, kann während des Lesens von Bernhard Brauns Buch „Das Feuer des Eros“ im wahrsten Sinne des Wortes zu einer Erleuchtung führen. Ein ganzes „Universum des Eros“ eröffnet sich bei der Lektüre dieses Buches.

Ich habe selten ein Buch gelesen, das auf solch grandiose Art und Weise Philosophie und essayistisch-lebensweltliche Beschreibung zu verbinden weiß. Braun gelingt es, in prosaischer, ungetrübter Sprache Mythos und Logos zu versöhnen. Er spart auch nicht mit polarisierten Vergleichen zwischen dem „asozialen Herumlümmeln vor dem TV-Gerät“ und den Lobreden bei einem gepflegten Becher Wein – Braun bringt es auf den Punkt!

Er zeichnet die Reden in Platons Symposion nach, um sich der mythologischen, mystischen und philosophischen Idee des Eros zu nähern. Sehr reizvoll ist der Sachverhalt, dass Braun den antiken Eros als spiritualistischen und mystischen Prozess beschreibt: der des Zum-Menschen-Kommen Gottes und des Gottwerdens des Menschen.

Der Eros kann nach Braun als Schnittstelle zwischen den olympischen Aspekten des Gottes in der menschlichen Seele und der materiellen Welt betrachtet werden. Eros verbinde die Einzelseele mit der Weltseele und die Gottheit mit dem Menschen.

„Das Feuer des Eros“ trägt den Untertitel „Platon zur Einführung“, was nicht übertrieben ist. Neben Brauns Beschreibungen des Eros werden Platons Ideen, seine Philosophie und sein literarischer Stil vorgestellt, und – im Gegensatz zu vielen anderen Büchern über Platon – verständlich gemacht.

Das Buch ist ein echter Geheimtipp! Ich habe es in einem der hinteren Regale einer Bibliothek gefunden. Dort stand es, leider etwas abseits der vielen Standardwerke. Man müsste es ganz nach vorne holen, zu den Werken, die Klassiker genannt werden. Dieses Buch schafft es nämlich, die (versiegelten) Türen des akademischen Elfenbeinturms zu öffnen und dem Laien, wie der Philosoph „die Anderen“ bezeichnet, einen Zugang zur Philosophie aufzuzeigen.