Stein, Garth – Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein

Es ist eine Kunst, ein Mensch zu sein, vor allem, wenn man ein Hund ist! Enzo ist ein Hund, aber kein gewöhnlicher. Er beobachtet seine Mitmenschen ganz genau und würde zu gerne mit ihnen kommunizieren, doch bleiben ihm nur Gesten. Nun ist er alt und auf dem Weg, aus seinem Hundeleben auszuscheiden, um als Mensch wiedergeboren zu werden. Und so erzählt er uns seine lange und ereignisreiche Lebensgeschichte …

_Tierisch!_

Enzo lebt bei Denny, einem talentierten Rennfahrer, und teilt die Leidenschaft für schnelle Autos mit seinem Herrchen. Gemeinsam schauen sie sich die Rennen an, besonders die mit ihrem Idol Ayrton Senna (der im Übrigen gar nicht hätte sterben müssen, wenn er nur auf seine Intuition gehört hätte) und analysieren jede Kurve, jedes Abbremsen und Beschleunigen. Sie sind einfach unzertrennlich und ein eingespieltes Team, bis plötzlich Eve auftaucht und in Dennys Leben eine ganz wichtige Rolle einnimmt. Enzo ist zunächst eifersüchtig, stand er doch bislang immer im Mittelpunkt. Doch Enzo ist schlau und weiß, dass Denny Eve zwar liebt, dass ihm Enzo aber nach wie vor sehr wichtig ist. Als die Tochter Zoë geboren wird, ist das kleine Familienglück perfekt – zunächst.

Eve plagen immer häufiger starke Kopfschmerzen. Enzo spürt mit seiner feinen Nase, was mit ihr los ist, aber wieder einmal kann er sich nicht mitteilen, denn ihm fehlen die Worte. Insgeheim träumt er von einem Computer, der ähnlich wie bei Stephen Hawking seine Gedanken in Worte verwandelt, über die sich Enzo den Menschen mitteilen könnte.

Durch einen Sturz kommt alles ans Licht: Eve rutscht aus und fällt auf ihren Kopf. Denny vermutet eine Gehirnerschütterung und bringt sie ins Krankenhaus, vor dem Eve sich bislang immer mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Dort erfahren alle die Wahrheit: Eve hat einen Tumor und ist unheilbar krank. Ihre letzten Monate verbringt sie bei ihren Eltern, die sie Tag für Tag pflegen können. Zoë zieht dort ebenfalls ein, um mehr Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen. Als Eve dann schließlich stirbt, verlangen die Großeltern das Sorgerecht für ihre Enkelin und stürzen Denny ins Unglück, der hart um seine Tochter kämpfen muss. In seiner schlimmsten Zeit ist es Enzo, der nie von seiner Seite weicht und versucht, ihm eine Stütze zu sein.

_Wuff!_

Tierische Romanhelden sind inzwischen gar nicht mehr so ungewöhnlich. Heutzutage lösen Schafe Kriminalfälle, aber auch Katzen, Hunde und Aale haben sich in diesem Metier schon hervorgetan. Und dennoch schlägt man ein solches Buch immer wieder mit einer gewissen Portion Skepsis auf, denn die Grenze zum Albernen ist bei tierischen Ich-Erzählern besonders schnell überschritten. Garth Stein überschreitet diese allerdings im gesamten Buch nicht – ganz im Gegenteil. Er verleiht Enzo dermaßen menschliche Züge, dass man zwischendurch manchmal vergessen könnte, dass wir einen tierischen Erzähler vor der Nase haben.

Enzo ist ein ganz besonderer Hund, er versteht die Menschen, er fühlt mit ihnen, er kommentiert ihre Gefühle und Taten, aber manchmal bleibt er doch sichtbar ein Hund, beispielsweise, wenn er den Sex zwischen Denny und Eve beschreibt und das genauso tut, wie ein Hund es vermutlich tun würde. Seine Sichtweise schwankt immer zwischen dem Hündischen und Menschlichen, wobei Letzteres meist überwiegt. Besonders bedauert er, dass er sich nicht über Worte mitteilen kann, denn oftmals weiß er eben doch mehr als die Menschen; so spürt er Eves tödliche Krankheit sehr früh und kann niemanden warnen. Erst als er mit Denny einige Runden in einem Rennauto drehen und per Bellen die Geschwindigkeit bestimmen darf, hat er ein Mittel gefunden, um seinem Herrchen zumindest zu bedeuten, dass es schneller gehen soll.

Der Mix aus tierischen und menschlichen Charakterzügen ist hervorragend gelungen. Besonders gefallen hat mir eine Szene, in der Enzo mit seinem recht menschlichen Einfühlungsvermögen eine Situation genau durchschaut und auch genau seine Grenzen kennt. Er möchte einen Menschen für seine Bosheit bestrafen und ergreift ganz listig tierische Mittel, indem er diesem ungeliebten Menschen einen stinkenden Haufen auf den teuren Teppich setzt. Hätte er den Menschen einfach gebissen, wäre er womöglich als bösartiger Hund abgestempelt und bestraft worden, aber so ist er einfach nur ein dummer Hund, dem es mal passieren kann, dass er sein Geschäft in der Wohnung verrichtet. Wer hätte ahnen können, dass dies Berechnung war?

Garth Stein zeichnet ganz hervorragende Charaktere. Neben Enzo sind Denny und Eve zu nennen. Leider lernen wir Eve nicht sonderlich gut kennen und wissen von Anfang an, dass sie sterben wird. Aber auch in der kurzen Zeit, die sie zu leben hat, erweist sie sich als ungewöhnliche Persönlichkeit, indem sie immer versucht, Stärke zu zeigen und sich ihre Schmerzen und die Krankheit nicht anmerken zu lassen. Sie will Denny glücklich machen und ihn nicht belasten. Neben Enzo ist aber vor allem Denny eine Stütze der Geschichte. Er sammelt nicht nur fleißig Sympathiepunkte, weil er Enzo so gut behandelt – und zwar tatsächlich oft eher wie einen Menschen -, sondern auch, weil er zu allen Menschen immer freundlich ist und sich nie unterkriegen lässt. Er kämpft um seine Tochter, auch wenn die Situation gänzlich ausweglos wird. Und dennoch schafft er es, sich und Zoë nie aufzugeben. Die Stärke, die er hier zeigt, fand ich beachtlich.

Möglicherweise drückt Garth Stein am Ende ein klein wenig zu sehr auf die Tränendrüse, indem er die Situation immer schlimmer werden lässt, bis eigentlich kein Fünkchen Hoffnung mehr bleibt. Mich persönlich hat das dennoch nicht gestört, da Stein nie ins Kitschige abdriftet.

_Mehr Mensch als Hund_

Das Buch funktioniert, weil Garth Stein es schafft, einen sympathischen Ich-Erzähler zu zeichnen, der uns damit beeindruckt, wie er Situationen durchschauen und Gefühle ausdrücken kann. Zwar fehlen Enzo die Worte, aber glücklicherweise nicht die Gedanken, und an denen können wir reichlich teilhaben. Da er sich nicht mitteilen kann, beschreibt er in Gedanken alles ganz genau für uns. Er kommentiert die Szenen, er durchschaut Menschen und ihre Pläne und analysiert das Leben oftmals anhand von Autorennen. Dank seiner Leidenschaft für Autorennen weiß er, dass man ein Rennen nur gewinnen kann, wenn man über die Ziellinie kommt, und dass ein Rennen nicht in der ersten Kurve gewonnen, sehr wohl aber verloren wird. Und so ist das Leben für Enzo auch ein Autorennen, anhand dessen er viele Situationen im wirklichen Leben genauestens analysieren kann. Wie Garth Stein dies umgesetzt hat, ist nicht nur einzigartig schön, sondern auch unglaublich einfühlsam.

„Enzo. Die Kunst, ein Mensch zu sein“ hat mich tief bewegt; der kleine Hund, der im Laufe der Geschichte alt und krank wird, wächst einem dermaßen ans Herz, dass man ihn gar nicht mehr verlassen möchte. Dieses Buch sollte man nicht verpassen!

|Siehe ergänzend dazu auch unsere [Rezension 5261 der Hörbuchfassung.|

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