Morris / Goscinny, René – Lucky Luke – Gesamtausgabe 1987-1991

Die Jahre 1987-1991 haben in der langen Geschichte des Western-Helden Lucky Luke von vielen besonderen Ereignissen geprägt. Unter anderem zeichnen sie einige der ersten Werke auf, in denen Gründervater Goscinny nicht mehr aktiv an den Abenteuern beteiligt war. Ferner wurde die Serie in jener Zeit mit einigen bedeutsamen Preisen geehrt, einerseits für Stammtexter Morris, der die höchste Auszeichnung der Stadt Paris für seine Arbeiten erlangte, andererseits ein besonderer Preis der Weltgesundheitsorganisation, die „Lucky Luke“ dafür ehrte, dass der Hauptdarsteller dem Rauchen entsagte und damit eines der typischsten Charakteristika aus mehr als 35 Jahren Comic-Geschichte aufgab. Doch auch inhaltlich hatte jene Zeit es wirklich in sich, wie die Gesamtausgabe (die inzwischen bereits 20. ihrer Art) eindrucksvoll dokumentiert. Die hierzulande bei Ehapa vertriebene Reihe verzeichnet mit den Episoden 55, 56 und 63 drei der wichtigsten Comics jener Ära.

_Inhalt:_

|“Das Alibi“|

Ein renommierter Geschäftsmann bittet Lucky Luke darum, seine durchtriebene Tochter zur Vernunft zu bringen, indem der Cowboy ihr die raue Seite des Wilden Westens präsentiert. Luke inszeniert mit den unbeschränkten finanziellen Mitteln Raufereien, Schießereien und Überfälle – doch die zähe Dame scheint den Szenarien mehr als gewachsen …

|“Athletic City“|

Der schmächtige Bubi wird von Kindesbeinen auf verhöhnt: Kraftlos, ungeschickt und klein, wie er ist, wird aus ihm nie ein richtiger Mann. Als einige Damen ihn erneut mit seinen fehlenden Manneskräften aufziehen wollen, hilft Lucky Luke ihm mit wochenlangem Training auf die Beine. Doch der Muskelprotz, der nun aus ihm geworden ist, bleibt ein Sonderling, der nicht der Norm entspricht …

|“Olé Daltonitos“|

Gerade erst aus dem Gefängnis entlassen, überfallen die Daltons eine Kutsche mit vier begabten Stierkämpfern. In der nächsten Stadt nehmen sie deren ruhmreiches Leben an, müssen sich folgerichtig aber auch in der Arena beweisen – und das wird den vorlauten Banditen ehr schnell zum Verhängnis …

|“Ein Pferd verschwindet“|

Als Lucky Luke morgens aufwacht, findet er einen merkwürdigen Brief, den die Entführer von Jolly Jumper hinterlassen haben. Alsbald begibt er sich auf die Suche nach seinem geliebten Hengst, entdeckt aber nicht den Hauch einer Spur. Schließlich lacht er sich einen neuen Gaul an, der ihm bei der Wiederbeschaffung seines Vierbeiners helfen soll – und stößt dabei auf alte Bekannte …

|“Der Pony-Express“|

Der Postverkehr zwischen Ost- und Westküste lahmt und bringt vor allem den Empfängern der Sendungen reichlich Unruhe. Der erfinderische William H. Russell heckt einen Plan aus, nach dem die Kutschen demnächst innerhalb weniger Tage ihr Ziel erreichen sollen – und heuert hierzu niemand geringeren als Lucky Luke an. Gemeinsam wählen sie die schnellsten Reiter und geschicktesten Helden aus, mit deren Hilfe ein reibungsloser Transport gewährleistet werden soll. Doch die Betreiber der Eisenbahn versuchen alles, um die Pläne der Herrschaften zu sabotieren …

|“Gedächtnisschwund“|

Als die Daltons bei einem vergeblichen Ausbruchsversuch erfahren, dass Amnesie-Patienten problemlos aus dem Knast entlassen werden, spielen sie den Gesetzeshütern ebenfalls einen Gedächtnisschwund vor. Der Plan scheint zu funktionieren, da ihr zeitweiliger Aufpasser Lucky Luke keine verdächtigen Machenschaften bei seinen Beobachtungen entdecken kann. Dennoch bleibt der Cowboy hartnäckig und wartet auf das kleinste Indiz, welches die vier Brüder entlarven könnte …

_Persönlicher Eindruck:_

Die mittlerweile bereits 20. Folge der „Lucky Luke Gesamtausgabe“ hat es mal wieder in sich: Auf mehr als 150 Seiten verteilen sich zunächst vier Kurzgeschichten und schließlich die Komplettepisoden um den Pony-Express und die erfinderischen Daltons – und diese Mischung harmoniert sehr gut.

Gefallen findet man vor allem am Kontrastprogramm von Morris und Co. Es sind nicht ausschließlich die Daltons, die eine zentrale Rolle in den sechs Geschichten einnehmen, auch wenn sie hier und dort immer mal wieder präsent sind. Die Jahre 1987 bis 1991 haben ferner auch Episoden hervorgebracht, in denen Luke sich ganz anderen brisanten Situationen ausgesetzt sieht, so zum Beispiel im dauerhaften Kleinkrieg mit den Eisenbahn-Betreibern, die mit aller Macht versuchen wollen, die Konjunktur der Postkutsche zu untergraben. Genau jene illustrierte Erzählung ist schließlich auch das Highlight des schmucken Hardcover-Bandes, weil sie einerseits sehr erfinderische Wendungen nimmt, andererseits aber auch mit einem sehr ironischen Humor glänzt, der auch über die lockere Zunge der beiden Hauptdarsteller Lucky Luke und Jolly Jumper hinausgeht. Dem gegenüber ist die zweite Geschichte mit Überlänge nicht ganz so überragend, da es Morris gerade zum Schluss nicht mehr ganz so gut gelingt, die Kurve zu bekommen und die Story glaubhaft auf den Punkt zu bringen. Bisweilen muten die inhaltlichen Irrungen zu abgedreht an, und selbst wenn man dies als eines der Merkmale der „Lucky Luke“-Historie längst kennt, würde man sich wünschen, dass auf den letzten Seiten etwas mehr Stringenz geboten wäre.

Die Kurzgeschichten wiederum leben gerade wegen ihres Wortwitzes, ihrer charmanten Darsteller und den vielen Augenzwinker-Momenten auf. Wenn die übergewichtige Tochter ihrem Vater zeigt, was eine Harke ist und schließlich den Überfällen von Indianern ebenso trotz wie den rauen Sitten in den Saloons, bleibt kein Auge trocken. Aber auch die Wandlung vom Strich in der Landschaft zum Muskelprotz ist ein Augenschmaus, lediglich noch übertroffen von den unbeholfenen Daltons, die sich in der Arena vom Stier auf die Hörner nehmen lassen und sich ein weiteres Mal mehr zugemutet haben, als sie mit ihrer Cleverness und ihrer Aggressivität bewältigen können.

Hinzu kommen schließlich einige Anekdoten und Linernotes, in denen man ein wenig mehr über die historische Einordnung jener Comics erfährt, in denen aber auch der Wandel auf Seiten der Illustratoren dokumentiert wird. Claude Guylouis, der unter mehreren Pseudonymen eine entscheidende Rolle zu dieser Zeit spielte und die Geschichten um den coolen Helden mit dem weißen Hengst maßgeblich prägte, wird beispielsweise näher vorgestellt, weiterhin aber auch einige Randbemerkungen zu diesen drei hier versammelten Kapiteln angeführt. Dies in Kombination mit den sehr interessant gemischten, teils historisch belegten, teils humorvollen Themen macht auch die „Gesamtausgabe 1987-1991“ zu einem wertvollen Stück Comic-Geschichte, die sich nicht nur beinharte Fans der „Lucky Luke“-Reihe zwingend ins Regal stellen sollten!

|Hardcover: 158 Seiten
ISBN-13: 978-3770421527|
[www.ehapa-comic-collection.de]http://www.ehapa-comic-collection.de

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