Lorentz, Iny – Ketzerbraut, Die

_Iny Lorentz:_

Seit das Münchener Autorenpaar Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath unter dem inzwischen als Selbstläufer bekanntem Pseudonym Iny Lorentz die Welt der Historienromane erobert hat, ist den beiden Schreibern ein Platz in den Bestseller-Listen quasi garantiert. Insbesondere die Geschichten um „Die Wanderhure“, die endgültig für den Durchbruch sorgten, gelten als denkwürdige Zeitzeugnisse der Renaissance des Genres und haben großen Anteil daran, dass vergleichbare Schreiber wie Wolf Serno und Sabine Ebert ihre Serien und Einzelromane trotz einiger weniger spektakulärer Inhalte wieder großflächiger an den Mann oder die Frau bringen konnten. Dennoch musste man zuletzt erkennen, dass die hiesigen Autoren nicht mehr ganz so bewegende, dafür umso deutlicher vorhersehbare Geschichten entwarfen. Exemplarisch hierfür sei der letzte Roman „Die Rose von Asturien“ genannt, der im Schmalz der Liebesgeschichte gefangen blieb, die wertvollen historischen Elemente dabei aber nicht mehr ergreifend herausarbeiten konnte.“Die Ketzerbraut“ soll diesen Umstand mit einer etwas härteren Story und einprägsameren Charakteren nun wieder umkehren.

_Story:_

München zu Beginn des 16. Jahrhunderts: Die angesehene Bürgerstochter Genoveva reist mit großen Erwartungen nach Innsbruck, wo sie den Sohn eines Geschäftspartners ihres wohlhabenden Vaters ehelichen soll. Doch die Kutsche wird unterwegs aufgehalten, ausgeraubt und der mitreisende Zwillingsbruder von den Gaunern ermordet. Veva selber fällt in die Hände der Räuber, wird jedoch nach wenigen Tagen von Benedikt Haseleger aus ihrem Versteck befreit und in den Schoß ihrer Familie begleitet.

Doch die unverhoffte Rettung scheint für Veva eher Fluch als Segen, da ihr infolge des Überfalls nachgesagt wird, sie sei nicht mehr rein. Verzweifelt versucht ihr Vater, seine Tochter doch noch unter die Haube zu bekommen, und landet schließlich beim bereits berüchtigten Frauenheld Ernst Rickinger. Jener genießt allgemein ein sehr dürftiges Ansehen, da er die Schriften Luthers verbreitet und zudem jedem Rockzipfel hinterherjagt. Auf Bestreben von Vevas strengem, aber auch schwer krankem Vater gehen die beiden in Augsburg den Bund der Ehe ein und sollen fortan von Jakob Fugger ‚erzogen‘ werden. Allerdings können die beiden ihr Glück zunächst nicht finden. Der als Ketzer verschriene Rickinger steht weiterhin im Dienste der Lutheraner, Vevas Häscher haben derweil noch eine Rechnung zu begleichen, und ihr neuer Ehemann verbirgt überdies noch einige weitere Geheimnisse, die die erzwungene Liebe auf eine harte Probe stellen …

_Persönlicher Eindruck:_

Die Herangehensweise, die Iny Lorentz in ihrem neuen Roman wählen, scheint auf den ersten Blick sehr gut gewählt. Im Gegensatz zu ihren vorherigen Titeln geht das Paar in „Die Ketzerbraut“ von der ersten Seite an sehr zielstrebig zu Werke und werfen ihre Leserschaft sofort ins kalte Wasser: Der Überfall auf die Kutsche leitet den Text ein, die Geschehnisse scheinen sich schon in den ersten Kapiteln zu überschlagen, und während man ansonsten sehr viel Zeit darin investieren muss, den anschaulichen Charakterzeichnungen zu folgen und die tragenden Persönlichkeiten der Geschichte kennenzulernen, ist es hier zunächst die Ausgangssituation, die gesteigerte Priorität genießt.

In diesem Sinne zeigt die Spannungskurve schon zu Beginn sehr steil nach oben und eröffnet dem Buch alle erdenklichen Möglichkeiten – und diese werden von Lorentz genutzt. Auch weiterhin geht es Schlag auf Schlag und man findet, ganz ungewohnt, kaum einmal Raum und Luft, die prägenden Ereignisse auf sich beruhen zu lassen und die Struktur der Erzählung anzunehmen. Erst mit der Eheschließung, die als Abschluss einer Serie von bewegenden Geschehnissen zu betrachten ist, geschieht ein erster Cut, der eine angenehme Ruhe in den Plot bringt, leider aber auch ein wenig abgehackt erscheint. Wurde man anfangs regelrecht überfallen, befindet man sich nun auf der Suche nach spannungsfördernden Ausweichmöglichkeiten, die dann aber nur behäbig gefunden werden – und leider auch nicht mehr so temporeich inszeniert werden, wie dies noch auf den ersten 200 Seiten der Fall war.

Nun mag Tempo im Rahmen eines Lorentz-Romanes kein typisches Qualitätsmerkmal sein, schließlich zählen hier andere Werte und Eigenschaften. Doch gerade die Art und Weise, wie das Autorenpaar sich hier für einen sehr wendungsreichen Start und eine wirklich sehr gelungene Inszenierung einsetzt, weiß zu begeistern und weckt Erwartungen, die man vorab vielleicht gar nicht haben konnte. Umso enttäuschender ist daher, dass man sich im Laufe des Textes immer mehr in unbedeutsamen Entwicklungen verstrickt, dabei oftmals auf (manchmal sehr anstrengende) Wiederholungen zurückgreift und der Geschichte zuletzt auch gar nicht erst einen Spannungsaufbau ermöglicht, wie er anhand der zentralen Inhalte durchaus umsetzbar gewesen wäre. Was könnte schließlich in einer vermeintlichen Liebesgeschichte einen aufregenderen Kontrast darstellen als einige mysteriöse Verschwörungen bzw. Geheimnisse auf Seiten des Bräutigams, die alles in Frage stellen, was diese, wenn auch erzwungene, Liebe eigentlich ausmachen sollte. Leider machen die beiden Autoren aus diesen Voraussetzungen – und unter Berücksichtigung ihrer fabelhaften Reputation – zu wenig. Zwar werden die einzelnen Stränge konsequent weiterverfolgt und auch logisch ausgearbeitet, doch gerade diese prägenden Passagen, dort wo man wirklich mehr Tiefe verlangt hätte, scheinen in diesem Zusammenhang beliebig und weniger bedeutend, obschon sie es sein müssten, die der Story Leben einhauchen und ihr eine dementsprechend lebendige Kolorierung schenken.

Nichtsdestotrotz ist „Die Ketzerbraut“ ein guter, insgesamt auch lesenswerter Roman, was vor allem damit zu begründen ist, dass Klocke und Wohlrath stilistisch mal wieder sehr souverän agieren und ihre partiellen inhaltlichen Schwächen damit auch weitestgehend kaschieren können. Zwar muss man hier und dort ein paar Längen in Kauf nehmen, maßgeblich initiiert von den angesprochenen Eigenzitaten, doch summa summarum wird man nicht bereuen, „Die Ketzerbraut“ gelesen zu haben. Nur einen Gedanken sollte man sich in mehreren Aspekten wiederholt aus dem Kopf streichen: Dieses Buch ist auch schon wie seinen jüngeren Vorgänger keinesfalls so brillant wie „Die Wanderhure“. Dafür ist die Story einerseits zu leicht durchschaut und die Figuren auf der anderen Seite nicht mit der vergleichbaren Leidenschaft gezeichnet.

|Hardcover: 720 Seiten
ISBN-13: 978-3426662441|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

_Iny Lorentz bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Kastratin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=980
[„Die Reliquie“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3766

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