Berg, Alex – Marionette, Die

Unsere Nation ist nicht nur berühmt und berüchtigt in der Vergangenheit etwas kriegerisch unterwegs gewesen zu sein, auch haben deutsche Rüstungskonzerne mit ihren Waffenproduktionen längst schon einen hohen Stellenwert bei befreundeten Nationen. Unser Ruf in dieser Richtung ist also auch aktuell kein schlechter.

„Die Händler des Todes“ haben aber mit Sicherheit nicht immer eine weiße Weste. Bei so viel Geld, das die Konten wechselt, sind eventuell ideologische und ethische Beweggründe sekundär und wenig von Interesse.

Viel mehr Interesse liegt hier schon bei den Geheimdiensten. Deren Wissen mag nicht immer synchronisiert mit der Regierung sein. Schauen wir uns die aktuellen Nachrichten der letzten Wochen oder Monate an, so kann man dieser Presse doch den einen oder anderen kritischen Kommentar entnehmen.

Ebenso ein aktuelles Thema in unserem Land ist die militärische Beteiligung an einigen Brandpunkten, bei der man kaum oder nur sehr wenig von Entspannung reden kann. Afghanistan, Irak, Südafrika – hier kämpfen und sterben deutsche Soldaten in ihrem humanitären Einsatz. Doch welchen psychologischen und physischen Druck die jungen Männer und auch Frauen ausgesetzt sind, kann man wohl nur realistisch nachvollziehen, wenn man einer von ihnen selbst gewesen ist.

Nicht wenige Soldaten haben Schwierigkeiten, das Erlebte aufzuarbeiten und sich in unserer „friedlichen“ Gesellschaft wieder einzugliedern. Zu tief sitzen die Bilder des Grauens in ihren Köpfen fest, zu wenig Vertrauen in unserer Akzeptanz und Verständnis.

In ihrem neuesten Roman „Die Marionette“ erzählt die Autorin von Waffengeschäften, verlorenen Idealen und zerstörten Träumen, von Kriegseinsätzen, die traumatische Störungen hervorrufen, und Menschen, die wie ein Stück Papier zerreißen.

_Inhalt_

In Afghanistan wird eine Bundeswehr-Patrouille zum Ziel eines Guerilla-Angriffes der Taliban. Ihr Konvoi wird aufgerieben und die Soldaten bis auf wenige, darunter eine Frau, lassen in diesem Hinterhalt ihr Leben. Schwer verletzt und in ihrer Heimat zurück, stellt die überlebende Soldatin Katja Rittmer kritische Fragen, auf die sie zunächst keine Antwort enthält. Warum wurde sie durch deutsche Munition verletzt und ihre Kameraden getötet? Wie gelangen diese hochmodernen und tödlichen Waffen in die Hände ihrer Feinde?

Als ein deutscher Rüstungskonzern beschuldigt wird, illegale Verhandlungen und Lieferungen von deutschen Waffen vorzunehmen, werden von Seiten der Regierung Untersuchungen gestartet. Eric Mayer, ein BND-Agent und früherer Soldat einer deutschen Eliteeinheit, der KSK, führt die offiziellen Ermittlungen durch.

Der Rüstungskonzern reagiert prompt und übergibt der jungen und erfolgreichen Rechtsanwältin Valerie Weymann die Aufgabe, die Interessen der Firma zu schützen und zu vertreten. Eric Mayer und Valerie Weymann kennen sich und ihr Verhältnis wird zunehmend schwieriger, da beide Seiten den Druck enorm steigern und Ergebnisse sehen wollen. Nicht zuletzt die Geheimdienste möchten diese prekäre Situation entschärfen. Auch Katja Rittmer, die die Mörder ihrer Kameraden und ihres Verlobten zur Rechenschaft ziehen will. Und diese „Mörder“ sind nicht die Taliban, sondern die Verantwortlichen des Waffenhandels – diese werden von Katja Rittmer erbarmungslos gejagt – und die Elite-Soldatin hinterlässt eine Schneise der Verwüstung und der Angst …

_Kritik_

Schon in ihrem ersten Roman „Machtlos“ in denen ebenso die Hauptrollen von der Juristin Valerie Weymann und dem Top-Agenten des BND, Eric Mayer, grandios besetzt wurden, war die Spannung solide und fesselnd. Alex Berg setzt nun diese Reihe fort und hat das Tempo um einige Stufen erhöhen können.

Die Autorin bedient sich dabei aktuellen und brisanten Themen, die durch die Medien immer wieder an die Öffentlichkeit getragen werden. Doch leider werden diese zu wenig objektiv betrachtet und ins richtige Licht gerückt. „Die Marionette“ von Alex Berg ist ein Politthriller, der sensationell authentisch recherchiert wurde.

Ohne wirklich anzuprangern oder sich in Klischees zu verwickeln, erzählt Alex Berg geschickt von Interessen, die gewahrt werden wollen, egal ob es sich nun um die engsten Regierungsmitglieder handelt oder um mächtige Großkonzerne, die mit ihren Kontakten und Geschäften ein nicht ungefährliches Spiel inszenieren. Doch politische Interessen kennen nur wenig bis gar keine Grenzen und so spielen die Geheimdienste eine ernstzunehmende und wesentliche Rolle in dem vorliegenden Roman.

Neben der Spannung präsentiert die Autorin dem Leser noch solide Action und viel sehr gut recherchiertes Hintergrundmaterial, welches zum Nachdenken anregt. Durch die zwischenmenschlichen Komplikationen ihrer beiden Charaktere Eric Mayer und Valerie Weymann wirft die Autorin noch das Grundelement „Liebe“ aufs Spielfeld. Doch diese Nebenschauplätze sind eher im Hintergrund angesiedelt und haben wenig Einfluss auf den Hauptpart ihrer Erzählung. Beide Charaktere sind sich ähnlich und stoßen und ziehen sich in einem immer wiederkehrenden Rhythmus an oder auch ab. Beide sind auf ihre Art Einzelgänger und scheuen sich davor, sich selbst und ihr Verhalten vor anderen zu reflektieren. Ihre Charaktere werden hier aufbauend auf die Erlebnisse in „Machtlos“ weiterentwickelt.

Besonders realistisch und eindringlich lässt uns die Autorin einen Blick in das Opfer und zugleich die Täterin Katja Rittmer werfen. Ihre physischen Verletzungen sind eher kleinere Schrammen im Verhältnis zu ihren traumatischen Erlebnissen und Verlusten, die sie niemals wieder ablegen kann. Katja Rittmer fühlt sich in Stich gelassen, unverstanden, isoliert und abgeschoben und ihre idealistischen Träume haben sich als brutale, unauslöschliche Erinnerungen offenbart. Sie ist nicht anderes als eine Marionette, deren Fäden immer mal wieder von einem anderen Puppenspieler gezogen werden.

Andere Puppenspieler sind hier zum Beispiel der Vorstandsvorsitzender des Waffenkonzerns oder ein amerikanischer Senator mit guten Kontakten zum CIA. Sicherlich gibt es hier Verwandtschaften zu realen Personen und manchmal eröffnet sich ein erzählerisches Klischee, aber gemessen an der Kernbotschaft des Themas und der Spannung ist das nicht weiter der Rede wert.

Damit kommen wir zur eigentlichen Hauptrolle – dem Thema: humanitäre Einsätze, die dann faktisch doch Kampfeinsätze sind, in denen getötet und gestorben wird. Das sich Deutschland an diesem Krieg aktiv beteiligt, ist nicht mehr wegzudiskutieren. Ebenso auch die Verwicklungen unserer Geheimdienste in militärische Interventionen und Aktionen, die, man muss es doch offen aussprechen, eine wichtige und maßgebliche Rolle spielen. Das leider in unsere Welt Themen wie diese eher stiefmütterlich behandelt werden, ist der Macht der Medien zu verdanken oder vielleicht doch den Interessen von Regierungen und Geheimdiensten!?

Das Szenario, dass deutsche Waffen einen Bundeswehrkonvoi vernichten, ist überhaupt nicht undenkbar oder unrealistisch. Über die Waffenlieferungen Dritter, über Geheimdienste und Kontakten in gewissen Schurkenstaaten oder Mitglieder der Achse des Bösen mal abgesehen, ist das allzu real. Dafür muss man nicht gleich an die Irak-Iran-Kriege denken, es reicht schon, sich mit den aktuellen Krisenherden zu beschäftigen.

Beim Lesen des Romans „Die Marionette“ ist die menschliche Tragödie, die sich dort zeigt, die intensivste. Mit viel Sensibilität und Blick über den Tellerrand hinaus, erzählt die Autorin von Dramen, die sich tagtäglich in Familien abspielen, ohne dass wir es wissen wollen oder wir uns einfach ins Tagesgeschäft flüchten. Die Seelenlandschaft der Katja Rittmer ist ein emotionales Minenfeld, in der jeder Schritt über kurz oder lang vernichtende und verletzliche Spuren hinterlässt.

_Fazit_

„Die Marionette“ ist ein großartiger Politthriller. Mit aktuellen Themen gestützt, deren Brisanz uns leider in der Realität noch nicht klargeworden ist. Doch „Die Marionette“ ist nicht nur ein Zurücklehnen und Genießen von Spannungsmomenten – nein, sie bringt uns die Erlebnisse und die posttraumatischen Erlebnisse unserer Söhne, Töchter, Brüder und Väter wieder näher und damit einer Verantwortung, der wir uns stellen müssen.

Stefanie Baumm oder auch ihr Pseudonym, Alex Berg, hat hier einen sensationell guten Thriller geschrieben und sich damit freigeschwommen.

„Die Marionette“ ist nicht nur zu empfehlen, weil er einfach spannend, sondern auch weil er komplex und wieder eine Steigerung ihres Könnens ist. Ich bin gespannt auf ein Wiedersehen mit Eric Mayer und Valerie Weymann und noch gespannter, welches aktuellen Themas sich die Autorin nun bedient.

_Autorin_

Alex Berg, geboren 1963, hat viele Jahre für norddeutsche Tageszeitungen als freie Journalistin geschrieben, bevor sie ihre ersten Spannungsromane verfasste. Mit ihrem Thriller „Machtlos“ gelang Alex Berg ein hoch spannender und brisanter Auftakt zu der Reihe um die Hamburger Staatsanwältin Valerie Weymann und den BND-Agenten Eric Mayer. Hinter dem Pseudonym Alex Berg verbirgt sich die Autorin Stefanie Baumm. Mehr Informationen unter [www.alexberg.de]http://www.alexberg.de

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3426508992|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home

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