Jung, Folker / Berszuck, Ralf / Römer, Thomas / Klipper, Arnfried / Don-Schauen, Florian – Drachenjäger von Xorlosch (Das Schwarze Auge)

_Das Schwarze Auge – Eine Fantasy-Welt sondergleichen_

Muss man über [„Das Schwarze Auge“ 2110 eigentlich noch viele Worte verlieren? Seit mehr als zwei Dekaden begeistert das erfolgreichste deutsche Rollenspiel aller Zeiten ein großes Publikum und scheint hinsichtlich des schier unendlichen Potenzials dennoch bei weitem nicht ausgeschöpft zu sein.

Die Palette der Produkte umfasst mittlerweile jedoch nicht nur Pen-&-Paper-Abenteuer und Romanserien, sondern wurde inzwischen auch auf [Hörbücher 2844 ausgedehnt und nun nach langer Zeit auch wieder aufs Brett zurückgebracht. Mit „Drachenjäger von Xorlosch“ ist in diesem Jahr nach längerer Zeit wieder ein Brettspiel aus dieser Reihe erschienen, welches nun mit der harten Nuss kämpft, einen Standard zu halten, der für viele herkömmliche Fantasy-Spiele kaum erreichbar ist. Möglicherweise ist dies auch ein Grund, warum „Drachenjäger von Xorlosch“ ein wenig hinter den Erwartungen zurückbleibt …

_Hintergrund_

Tief unter dem Eisenwald in der heiligen Stadt Xorlosch bewerben sich jedes Jahr die tapfersten Zwerge für einen Platz in der traditionsreichen Akademie der Drachenjäger, doch nur den besten und hartnäckigsten ist die Ehre vorbehalten, die elitäre Ausbildung an diesem Kolleg zu genießen. Schließlich muss Xorlosch auch in Zukunft von der ständig drohenden Gefahr durch die Drachen beschützt werden, und hierzu braucht es mehr als nur Mut und Willenskraft. Dementsprechend hart ist auch der Werdegang der Zwerge, die an der Akademie einen Platz ergattern konnten. In einer verfluchten Ruine und einem finsteren Verlies müssen sie ihre Qualitäten auf die Probe stellen, Erfahrung sammeln und sich somit selbst den letzten Feinschliff verpassen, um eines Tages die Prüfung zu bestehen. Und dennoch kann es nur einen geben, der sich mit dem Titel des tapfersten und größten Drachenjägers von Xorlosch schmücken darf.

_Spielidee_

Tag für Tag ist Xorlosch einer gefährlichen Bedrohung ausgesetzt, und nur die Drachenjäger sind dazu in der Lage, die Stadt vor Schlimmerem zu bewahren. Permanent fallen unzählige Aufgaben an, die nun von den Zwergen bzw. den ausgebildeten Drachenjägern gelöst werden können. Jeder Spieler führt eine kleine Gruppe dieser Zwerge durch die Labyrinthe von Xorlosch und versucht, die Aufgaben auf seine Art zu lösen. Schnelligkeit ist dabei ein Grundprinzip, denn wer die Aufgaben als Erster löst, erlangt den größten Ruhm und das meiste Ansehen in der Bevölkerung. Das Volk der heiligen Stadt hat große Erwartungen – und der Spieler, der diese nicht erfüllen kann, ist hoffnungslos verloren.

_Spielziel_

„Drachenjäger von Xorlosch“ ist in 13 verschiedene Questen unterteilt, die sich jeweils aus einer unterschiedlichen Anzahl von Aufgaben zusammensetzen. Ziel ist es nun, die eigene Zwergengruppe geschickt und klug einzusetzen, um so die meisten Aufgaben selbständig und als Erster zu lösen, um so an wertvoller Erfahrung zu gewinnen. Je größer die Erfahrung, desto schlagkräftiger der Zwergentrupp – und je stärker die eigenen Zwerge, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass man so viele Questen wie möglich besteht und mit der höchsten Anzahl gelöster Aufgaben zum Sieger des Spiels wird.

_Spielmaterial_

• 1 Spielanleitung
• 1 doppelseitiges Spielbrett
• 1 Beiblatt
• 36 Aufgabenmarker
• 36 spezielle Würfel
• 9 Gegenständemarker

_Spielvorbereitung_

Das Spiel bietet zwei verschiedene Szenarien, die sich vom Aufbau her ähneln, aber dank geringfügiger logistischer Unterschiede eben nicht gleichen. Zur Wahl stehen vor jedem Spiel die beiden Orte Verlies und Ruine. Nachdem einer dieser Schauplätze gewählt wurde, bekommt nun jeder Spieler die sechs Würfel seiner Farbe ausgehändigt, die seinen Zwergentrupp symbolisieren. Dabei wird noch einmal unterschieden in Krieger und Mechanikusse, dargestellt jeweils durch eine Axt bzw. eine Zange an der linken Seite des Würfels.

Anschließend werden die 36 Aufgabenmarker nach Farben sortiert und zu jeweils einem verdeckten Stapel neben das Spielbrett gelegt. Ist dies geschehen, zieht man eine festgelegte Anzahl verschiedenfarbiger Aufgabenmarker von diesem Stapel und legt diese ihren Nummern entsprechend auf das zugehörige Feld auf dem Spielplan. Danach nimmt man dieselbe Anzahl Marker vom Stapel und legt sie neben jeder Farbe offen aus.

Als Letztes werden die magischen Gegenstände noch auf dem Spielfeld verteilt, wobei sich die Anzahl nach der Spielerzahl richtet und mit wachsender Teilnehmerzahl zunimmt. Nun kann das eigentliche Spiel beginnen.

_Wichtige Voraussetzungen_

Bevor man sich durch die einzelnen Questen kämpft, ist es noch wichtig, die grundlegenden Voraussetzungen für das eigentliche Spiel zu kennen. Hier gilt es nämlich, gleich mehrere Sonderregeln zu beachten. Am wichtigsten ist hierbei wohl der Bewegungswert eines jeden Zwergenteams. Dieser ist nämlich im gesamten Spiel mit acht Bewegungspunkte festgesetzt, orientiert sich dabei aber auch an der Anzahl der mitwirkenden Zwerge, die noch einmal subtrahiert wird. Sollte man zum Beispiel drei Zwerge gleichzeitig auf dem Feld haben, verringert sich die Bewegungspunktzahl auf den Wert von fünf (8-3). Bei allen sechs Zwergen dürfte man indes nur noch zwei Felder weit ziehen und muss zu allem Übel auch noch entscheiden, welche Figur(en) man im jeweiligen Spielzug einsetzt.

Als nächstes gilt es, die Erfahrung der Zwerge zu beachten. Zu Beginn haben alle im Spiel befindlichen Zwerge einen Erfahrungswert von insgesamt fünf Punkten, verteilt auf alle Würfel auf dem Spielfeld. Nach und nach steigt dieser Wert jedoch, nämlich um genau einen beliebig erweiterbaren Punkt nach jeder bestandenen Aufgabe. Diese Gruppenstärke kann auch nachträglich noch neu aufgeteilt werden. So ist es möglich, über den zentral gelegenen Ein- und Ausgang Zwerge ins und aus dem Spiel zu nehmen und anschließend die Erfahrungswerte neu anzuordnen. Je nach Situation ist dies auch sinnvoll.

Nach den Erfahrungswerten richtet sich auch in bestimmten Situationen noch einmal der Bewegungswert. Dann nämlich, wenn man an einem gegnerischen Zwerg mit höherem Erfahrungswert vorbeiziehen möchte, ist man dazu gezwungen, dem erfahreneren Zwerg eine Ehrerbietung darzubringen, was auch prompt einen Bewegungspunkt kostet.
All diese Bedingungen müssen in jeder Runde immer wieder beachtet und in die Planung mit einbezogen werden, denn nur durch geschicktes Ausbalancieren wird es einem gelingen, zur rechten Zeit am rechten Ort im Labyrinth anzukommen.

_Die erste Spielrunde_

Vor der ersten Runde stellt nun jeder Spieler eine beliebig große Zwergengruppe mit einem Gesamterfahrungswert von bis zu fünf Punkten in die Mitte des Spielfeldes, von wo aus er sein Abenteuer startet. Er kann dabei frei wählen, wie viele der Zwerge den Status des Kriegers bzw. den Status eines Medikus haben sollen, wobei es natürlich sinnvoll scheint, sich an den Begebenheiten der bereits auf dem Spielplan befindlichen Aufgabenmarker zu orientieren. Diese nämlich sind auch mit Zangen und Äxten markiert und können auch nur von der zugehörigen Zwergenvariante bestanden werden. Beginnend mit dem kleinsten Spieler, der hier die Rolle des Startspielers übernimmt, beginnt nun reihum die Jagd durch Xorlosch. Wichtig hierbei ist noch, dass in der ersten Runde keine Queste absolviert werden kann.

_Die Questen_

Eine Queste wird immer aus der Verbindung der gleichfarbigen Aufgabenmarker auf dem Brett zusammengesetzt. Sie gilt genau dann als absolviert, wenn an jedem Marker ein Zwerg, ganz gleich welcher Farbe, positioniert ist und die entsprechenden Symbole auf seinem Würfel (Axt oder Zange) aufweist. Ist dies der Fall, werden die Aufgabenmarker an die betreffenden Spieler verteilt. Befinden sich indes mehrere Zwerge an einem Aufgabenmarker, bekommt derjenige das Plättchen, der den größten Erfahrungswert hat. Bei Gleichstand geht der Marker hingegen an den Spieler, der in diesem Zug zum Aufgabenplättchen gelangt ist. Anschließend wird eine neue Queste ausgelegt, die nach dem gleichen Schema absolviert werden muss.

_Spezielle Hilfsmittel: Die magischen Gegenstände_

Sowohl die Ruine als auch das Verlies verfügen über einzelne Wege, die man ohne Hilfsmittel nicht überqueren kann. Gekennzeichnet sind diese durch das Symbol eines Stiefels. Dennoch gibt es eine Möglichkeit, trotzdem diese Wege (meist sind es Abkürzungen) zu gehen, nämlich dann, wenn man im Besitz des ‚Stiefel der Bewegung‘ ist. Allerdings ist es gar nicht so einfach, diesen überhaupt in seinen Besitz zu bringen, denn hierfür muss man gleichzeitig mit zwei Zwergen an den beiden großen Stiefel-Symbolen auf dem Spielplan stehen, und außerdem muss der oder die Stiefel auch noch gerade verfügbar sein. Der Stiefel der Bewegung‘ dient aber nicht nur der Durchreise bei Hindernissen, sondern ermöglicht es bei anderer Nutzung auch, zwei zusätzliche Bewegungspunkte auszuspielen.

Mit dem zweiten Gegenstand der ‚Phiole mit Erfahrungstrank‘ wird man für die Dauer einer Runde zum erfahrensten Zwerg auf dem Spielfeld und übertrumpft selbst Zwerge, die einen höheren Erfahrungswert auf ihrem Würfel abgebildet haben. Dies ist sowohl bei der Questenerfüllung nützlich als auch bei einer bevorstehenden Ehrerbietung, die wichtige Bewegungspunkte kostet und somit umgangen werden kann.

Der letzte magische Gegenstand ist die Drachenfalle. Sie ist von ihrer Wirkung ähnlich wie die Phiole und macht einen beim Absolvieren einer Aufgabe ebenfalls für eine Runde zum mächtigsten Zwerg. Gleichzeitig ist es mit ihr aber auch unwichtig, ob man nun Krieger oder Medikus ist, denn dank der Drachenfalle kann man unabhängig von Können und Erfahrung des Gegners eine Aufgabe bei der Erfüllung einer Queste absolvieren.

_Spielverlauf_

Schritt für Schritt tauchen die Zwerge nun in das Labyrinth ein, erfüllen Questen, bestehen die durch die Aufgaben symbolisierten Prüfungen, machen sich die verschiedenen Hilfsmittel zunutze und steigern im Laufe des Spiels ständig die Erfahrungspunkte ihrer Zwerge. Derjenige, der die meisten Aufgaben besteht und folgerichtig auch den größten Wert an Erfahrungspunkten gewonnen hat, ist der größte Drachenjäger von Xorlosch und mit Abschluss aller 13 Questen auch der Sieger des Spiels.

_Meine Meinung_

Wie bereits eingangs erwähnt, ist „Drachenjäger von Xorlosch“ den hohen Erwartungen nicht ganz gerecht geworden, was vor allem an der großen Zahl kleinerer und größerer Schönheitsfehler festzumachen ist, die das Spiel in vielerlei Hinsicht unnötig komplex machen und daraus resultierend auch den Spielspaß um einige Prozentpunkte eindämmen.

Dies alles beginnt schon mit der recht unübersichtlichen Spielanleitung, die zwar ausführlich auf den Inhalt, die Idee und das Spielziel eingeht, bestimmte Schritte aber derart verkompliziert, dass man gleich mehrmals lesen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Ein prägnantes Beispiel ist die Beschreibung der unterschiedlichen Möglichkeiten der Questenerfüllung. Grundlegend ist nämlich klar, wann eine Queste erfüllt ist, und dennoch holt man hier immer weiter aus, wiederholt sich dabei auch noch mehrfach und sorgt so für durchaus vermeidbare Verwirrung.

Ein ähnlicher Mangel ist bei der Gestaltung des Spielbretts festzustellen. Zwar sind beide Seiten graphisch toll aufgemacht und bieten ein authentisches Bild eines Labyrinths, aber genau deswegen ist auch kaum zu erkennen, wie groß oder klein die jeweiligen Räume und Abschnitte sind, die für einen Bewegungspunkt ausschlaggebend sind. Zwar hat man versucht, dies mit einem Beiblatt zu umschiffen, doch irgendwie ist es ziemlich nervig, wenn man stets auf den Zettel schauen muss, weil das Spielbrett die erforderlichen Informationen nicht hergibt.

Insofern wird der Spaß am Spiel schon alleine durch einzelne Rahmenbedingungen deutlich gehemmt und verdeckt dabei leider auch ein wenig das sicherlich vorhandene Potenzial des Spiels. Hat man nämlich einmal den Überblick über das Feld und die komplexe Verwendung der Zwerge bekommen, entwickelt sich „Drachenjäger von Xorlosch“ zu einem verzwickten Taktikspiel, das vom Prinzip her zwar nur noch wenig mit „Das Schwarze Auge“ gemeinsam hat, aber dennoch eine vergleichbare Spannung erzeugen kann, wenn die Jagd nicht zuletzt wegen der Sonderregeln immer verzwickter wird.

Lediglich das Spiel zu zweit ist etwas lahm, weil es hier zu einfach ist, die nächsten Schritte des Gegners zu erkennen und Überraschungen im Spielverlauf daher auch völlig ausbleiben. Doch schon ein Spieler mehr erhöht den Anspruch des taktischen Vorgehens und macht das Spielprinzip als solches zu einer recht gelungenen Sache, die bei einer übersichtlicheren, strukturierteren Gestaltung garantiert auch das eingeschworene Fantasy-Publikum hätte begeistern können. So aber ist „Drachenjäger von Xorlosch“ leider nicht mehr als guter Durchschnitt und auf lange Sicht auch kein Spiel, zu dem man immer wieder zurückkommen wird. Schade eigentlich, denn obwohl einige gute Spielelemente vorhanden sind, wurde hier eine wichtige und wertvolle Chance vertan.

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