Sommer-Bodenburg, Angela – kleine Vampir, Der

Der achtjährige Anton hat ein ganz besonderes Hobby: Vampire! Nichts ist ihm lieber als Vampirfilme zu sehen oder Vampirgeschichten zu lesen. Nur einem echten Vampir ist er noch nicht begegnet – denn die gibt es ja schließlich nicht. Oder etwa doch?

An einem Samstagabend ist Anton mal wieder allein zu Hause. Seine Eltern sind ausgegangen und Anton freut sich auf einen Gruselfilm im Fernsehen – als er plötzlich einen Schatten auf seinem Fensterbrett entdeckt. Anton glaubt seinen Augen nicht zu trauen, denn vor ihm sitzt ein leibhaftiger Vampir. Aber es ist kein Vampir wie aus seinen Büchern. Nein, der kleine Vampir ist selber noch ein Kind, wenn auch schon über 150 Jahre alt. Rüdiger von Schlotterstein heißt er, und anstatt Anton zu beißen, möchte er sich lieber mit ihm unterhalten. An diesem Abend schließt Anton die ungewöhnlichste Freundschaft, die er sich denken kann. Und das bleibt nicht ohne Folgen:

Zum einen gibt es da das Vampirgesetz, das es strengstens untersagt, mit Menschen freundschaftlichen Kontakt zu haben. Rüdiger muss also höllisch aufpassen, dass keiner der erwachsenen Vampire von ihrer Freundschaft erfährt. Doch schon bald lernt Anton weitere Mitglieder aus Rüdigers Familie kennen, die allesamt in einer unterirdischen Gruft auf dem städtischen Friedhof „leben“. Sein älterer Bruder Lumpi ist ein unheimlicher Zeitgenosse, ein launenhafter Teenager-Vampir, dem Anton lieber nicht alleine im Dunkeln begegnen will. Ganz anders steht es mit Rüdigers kleiner Schwester Anna, die noch keine Vampirzähne hat und statt Blut nur Milch trinkt. Scheu, freundlich und zugleich ausgesprochen mutig, wie sie ist, schließt Anton das Vampirmädchen sofort in sein Herz. Und umgekehrt verliebt sich Anna augenblicklich in Anton – und hilft ihm einige Male aus der Patsche. Denn Anton muss die Erfahrung machen, dass es alles andere als leicht ist, mit Vampiren befreundet zu sein …

Ein anderes Problem sind Antons Eltern, die nicht an Vampire glauben und das Hobby ihres Sohnes eher argwöhnisch betrachten. Irgendwann lassen sich die heimlichen Besuche seiner Freunde nicht mehr verbergen und sie bestehen darauf, Anna und Rüdiger kennen zu lernen. Natürlich hat Anton furchtbare Angst, dass sie bemerken, um wen es sich dabei wirklich handelt …

Und zu guter Letzt gibt es da noch den Friedhofswärter Geiermeier. Er glaubt nicht nur an Vampire, sondern er macht auch noch Jagd auf sie. Onkel Theodor fiel ihm einst zum Opfer und auch die restlichen Vampire will er finden, um ihnen den Garaus zu machen.

Trotz aller Turbulenzen und Gefahren ist diese Freundschaft für Anton das Beste, was ihm passieren konnte. Gemeinsam mit Rüdiger und seiner Schwester Anna stolpert er von einem Abenteuer ins nächste. Langeweile ist ab jetzt ein Fremdwort …

_Freundschaft mit Biss_

„Der kleine Vampir“ ist schon jetzt, fast dreißig Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes, ein Klassiker der modernen Kinderbuchliteratur. Trotz des unheimlichen Themas sind die Geschichten um Anton und Rüdiger nicht zum Fürchten, sondern zeigen vielmehr auf liebevolle Weise, wie man trotz aller Hindernisse eine Freundschaft miteinander führt.

Darüber hinaus sind der Autorin mit den Gestalten des Rüdiger von Schlotterstein und seiner Schwester Anna zwei absolut Vampir-untypische Charaktere gelungen, an denen selbst ängstliche Kinder Gefallen finden werden. Obwohl er selber ein Geschöpf der Nacht ist, ist Rüdiger nämlich gar nicht so mutig, wie er sich vor allem Anton gegenüber immer gibt. Der kleine Vampir ist kein grausames Monster, sondern eigentlich selbst noch ein Kind, dem manchmal mulmig zumute ist. Sogar im Dunkeln fürchtet er sich sich ab und zu – sympathischer kann man einen Vampir kaum darstellen. Aber Rüdiger ist auch mit allerlei Ecken und Kanten ausgestattet und keine stereotype Heldenfigur. Im Gegenteil: Der kleine Vampir ist oft launisch und leicht eingeschnappt, er ist unzuverlässig und sorgt häufig durch seine Unachtsamkeit dafür, dass Anton in Schwierigkeiten kommt. Das ist kein Wunder, denn die Vampire leben in ständiger Gefahr und unter unwirtlichen Bedingungen; für Mitgefühl ist in ihrem Dasein nicht viel Platz, sodass Rüdiger daran gewöhnt ist, seinen Willen durchzusetzen. In der Freundschaft mit Anton erfährt er aber, dass er manchmal auch nachgeben und ebenfalls einen Teil dazu beitragen muss, damit das gute Verhältnis zwischen ihnen erhalten bleibt.

Seine Schwester Anna ist eine besonders süße Figur. Auch Anna ist leicht eingeschnappt, allerdings nicht aus Arroganz, sondern weil sie in Anton verliebt ist und sich jede Kritik sehr zu Herzen nimmt. Anton mag die kleine Anna außerordentlich gern, doch von Liebe mag er nicht reden. Was sich zwischen den beiden abspielt, spiegelt das typische Verhältnis von Kindern in dem Alter zueinander wider: Anton ist ein noch recht stoffeliger Junge, der mit Mädchen normalerweise nichts anfangen kann, während Anna sehr gefühlvoll ist und Schwärmereien entwickelt. Dass Anna jedoch anders ist als die Mädchen in seiner Klasse, beeindruckt Anton immer wieder. Sie ist nicht nur körperlich viel zäher und stärker, als sie aussieht, sie ist auch äußerst mutig und geht bereitwillig Risiken ein, um Anton oder auch ihren Bruder zu schützen.

Anton schließlich ist die ideale Identifikationsfigur für Kinder in seinem Alter. Er ist ein Einzelkind, dessen Eltern beide berufstätig sind und der sich daher viel mit seinem Hobby, den Vampiren, beschäftigt. Viele Kinder werden seine Begeisterung für alles Unheimliche nachvollziehen können, und der Gedanke, einen Vampir als Freund zu haben, ist verlockend und aufregend zugleich. Das gilt natürlich vor allem für das Fliegen mit dem Vampirumhang, das Anton bald schon fast so gut wie ein Vampir beherrscht. Seine neuen Freunde bringen bisher ungeahnte Spannung in sein Leben, machen es allerdings auch wesentlich komplizierter, denn es besteht ständig die Gefahr, dass Antons Eltern hinter die ungewöhnliche Freundschaft kommen. Rüdiger und Anna müssen ihn heimlich besuchen und auch Anton muss verbergen, dass er sich manche Nacht aus dem Fenster schleicht. Immer wieder bangt der Leser mit ihnen, ob jemand hinter ihr Geheimnis stößt, seien es nun die älteren Vampire oder Antons Eltern.

|Lerneffekt für Kinder|

Kinder werden durch die Bücher vom kleinen Vampir nicht nur sehr gut unterhalten, sondern lernen dabei auch noch auf spielerische Art, welche Probleme in Freundschaften auftauchen und wie man sie beseitigt, auch wenn man völlig unterschiedlich ist. Der Autorin gelingt auf unterschwellige Art ein Plädoyer für die Toleranz zur Andersartigkeit, ohne jemals mit dem erhobenen Zeigefinger zu agieren. Die Freundschaft zwischen dem Menschenkind und den Vampiren ist kein Selbstgänger, sondern erfordert Einsatz und Diplomatie. Antons Vorstellungen von Vampiren beschränken sich auf die Bücher und Filme, die er kennt, die aber natürlich nicht in allen Punkten die Realität treffen. Mehr als einmal gelangt er an einen Punkt, an dem er sich über Rüdiger ärgert, vor allem über seine Unzuverlässigkeit und darüber, dass der keine Vampir sich meistens dann aus dem Staub macht, wenn die Situation unangenehm wird. Einerseits liegt das an seinem Charakter, andererseits aber auch an seinen Lebensumständen, die gar nicht mit dem bequemen Leben von Anton zu vergleichen sind. In den Episoden mit Anna wird die erste Liebe thematisiert, zwar immer nur am Rande und so zuckersüß und harmlos, dass es für Grundschulkinder angemessen ist, aber dennoch lehrreich. Der unerfahrene Anton muss mit Eifersucht und Launenhaftigkeit seiner Vampirfreundin kämpfen, die stets befürchtet, dass er die Mädchen in seiner Klasse hübscher findet als sie – kein Wunder, denn auch wenn Anna für eine Vampirin sehr ansehnlich ist, trägt sie doch zerlumpte Kleidung und riecht streng nach Moder. Auch kann sie es nicht leiden, wenn sich Anton lieber mit Rüdiger trifft, zumal sie genau weiß, dass ihr Bruder sich nie so sehr um Anton bemüht wie sie.

Die Geschichte ist sehr flüssig und mit einfachen Worten geschrieben, ohne dabei in zu kindliche Sprache zu verfallen. So ist das Buch durchaus noch für ältere Leser als die primäre Zielgruppe im Grundschulalter interessant.

|Nur winzige Schwächen|

Mängel gibt es im Grunde keine. Hin und wieder kann man sich daran stören, dass Antons Eltern manchmal sehr naiv sind und es manchmal ein paar Zufälle zu viel sind, die ihm und seinen Vampirfreunden behilflich sind, denn die Ausreden, die Anton erfindet, sind meistens nicht sonderlich überzeugend. Es ist fraglich, ob reale Eltern sich so leicht hereinlegen lassen würden, wie es Herrn und Frau Bohnsack geschieht. Auch Anton selber ist ab und zu etwas begriffsstutzig und wirkt, von seiner Vampirleidenschaft abgesehen, etwas langweilig und bieder. Andererseits ist diese Variante sicher besser als ein strahlender Held ohne Kanten – und gerade dass Anton kaum gute Freunde besitzt, außer seinen Vampiren, macht ihn als Hauptfigur interessant. Etwas zu selbstverständlich wird gehandhabt, dass Antons Eltern fast jeden Samstag ausgehen. Obwohl Anton erst die vierte Klasse besucht, wird er ohne Aufsicht gelassen und kann sich später ganze Nächte davonschleichen, ohne dass seine Eltern davon erfahren.

_Fazit:_ Für Kinder ist es die perfekte Lektüre zur spannenden Unterhaltung und zum angenehmen Gruseln, ohne Alpträume befürchten zu müssen. Für Erwachsene besitzt der kleine Vampir Kultcharakter. Wer ihn als Kind gelesen hat, wird ihn immer wieder gerne zur Hand nehmen.

_Die Autorin_ Angela Sommer-Bodenburg wurde 1948 bei Hamburg geboren und lebt seit 1992 in Kalifornien. Bisher sind über 40 Bücher von ihr erschienen, darunter Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Bilderbücher. Ihre Werke wurden in 27 Sprachen übersetzt.

Weitere Gruselbücher von ihr neben der Reihe um den kleinen Vampir sind z. B. „Die Moorgeister“ und „Wenn du dich gruseln willst“. Eine weitere, sehr erfolgreiche Buchserie ist die Reihe um den sprechenden Bernhardiner „Schokolowski“.

http://www.angelasommer-bodenburg.com

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