Sebastian Fitzek – Der Seelenbrecher

Das Szenario ist klassisch: ein Ort, abgeschnitten von der Außenwelt, an dem Menschen der Willkür eines unheimlichen Mörders ausgeliefert sind. Hier müssen sie irgendwie mit der Gefahr fertig werden, zumindest bis von Außen Verstärkung eintrifft.

Genau dieser klassischen Rezeptur bedient sich auch Sebastian Fitzek in seinem aktuellen Roman „Der Seelenbrecher“. Der von der Außenwelt abgeschnittene Ort ist in diesem Fall eine psychiatrische Luxusklinik, und der unheimliche Mörder ist der titelstiftende Seelenbrecher.

Der Seelenbrecher ist ein perfider Psychopath. Drei junge Frauen sind ihm bereits zum Opfer gefallen. Sie alle verschwanden für eine Woche und kehrten psychisch völlig gebrochen wieder zurück. Alle drei Frauen wirkten nach ihrem Wiederauftauchen, als wären sie in ihrem eigenen Körper begraben. Niemand dringt mehr zu ihnen durch, sie nehmen nichts mehr wahr. Eine starb gar an den Folgen.

Es ist kurz vor Weihnachten, und der Winter hat Berlin voll im Griff, als ein weiterer Patient in die psychiatrische Privatklinik Teufelsberg eingeliefert wird. Schon in der darauffolgenden Nacht müssen Ärzte und Patienten entsetzt feststellen, dass es der Seelenbrecher ist, den man sich da ins Haus geholt hat. Doch wegen eines Schneesturms ist die Klinik auf dem Teufelsberg von der Außenwelt abgeschnitten, und so müssen die verbliebenen Ärzte und Patienten irgendwie auf eigene Faust versuchen, sich vor dem Seelenbrecher in Sicherheit zu bringen …

Mit „Der Seelenbrecher“ ist Sebastian Fitzek ein Thriller geglückt, der alles hat, was gute Spannungslektüre braucht. Man findet schnell in den Plot hinein, Fitzeks Schreibstil ist leicht und eingängig, und er fängt früh damit an, an der Spannungsschraube zu drehen.

Die Hauptfigur, aus deren Blickwinkel die Geschichte erzählt wird, ist Caspar. Caspar heißt eigentlich gar nicht Caspar. Da er aber ein paar Wochen zuvor bewusstlos und ohne Gedächtnis vor den Kliniktoren aufgegriffen wurde, hat man ihn erst einmal so getauft. Caspar erzählt die Geschehnisse der Nacht, die auch immer wieder von kurzen Flashbacks seiner eigenen verborgenen Erinnerungen durchsetzt sind. So kann der Leser auch immer wieder über Caspar rätseln, während der Seelenbrecher in den dunklen Klinikfluren sein Unwesen treibt.

Die Konfrontation zwischen Klinikpersonal und Patienten auf der einen und dem Seelenbrecher auf der anderen Seite treibt die Spannung der Geschichte schnell in ungeahnte Höhen. Die klassische „Locked-Room-Situation“ funktioniert eben immer wieder aufs Neue wunderbar und hat seit den Tagen von Agatha Christie nichts von ihrem Reiz eingebüßt.

Die Opfer kämpfen verbissen darum, diese Nacht irgendwie unbeschadet zu überleben, aber der Seelenbrecher ist ein knallharter Gegenspieler, der immer wieder beweist, dass man ihm nicht so leicht entkommen kann. Und so entwickelt sich die Geschichte schnell zu einem wahren „Page-Turner“. Man mag das Buch kaum noch aus der Hand legen, so nervenaufreibend spannend ist der Plot. Wer Fitzek kennt, der weiß obendrein, dass man bei ihm gerne auch mal mit einer überraschenden Wendung der Ereignisse rechnen darf, die alles in ein anderes Licht rückt. Einen solchen Knalleffekt darf der Leser auch hier wieder erwarten.

Sehr gelungen ist übrigens auch die Konstruktion des Plots. Fitzek lässt die Geschichte auf zwei Handlungsebenen ablaufen. Die eine ist eine Patientenakte (vermutlich die von Caspar, der die Geschichte ja erzählt), in der anderen zeitlich später ablaufenden Handlungsebene lesen einige Studenten im Rahmen eines Experiments eben diese Patientenakte.

Dabei lässt Fitzek den Eindruck entstehen, als wäre auch der Leser Teil dieses Experiments. Der in der Patientenakte abgedruckte Hinweis „Nur unter medizinischer Aufsicht weiterlesen“ trägt so auch dazu bei, schon im Vorfeld Spannung zu schüren. Rein technisch hat die Idee mit der Krankenakte zwar den Makel, dass sie nicht mit der allwissenden Erzählperspektive korrespondiert, die Fitzek für die Geschehnisse der Nacht gewählt hat, aber das ist eher ein kleiner Schönheitsfehler und trübt die Freude nicht nennenswert. Immerhin entschuldigt er sich ein wenig damit, dass auch die Studenten ihren Professor vorsichtshalber noch mal fragen, ob es sich auch wirklich um eine Patientenakte handeln würde, schließlich klinge das alles doch eher wie ein Thriller.

Qualitativ gelingt es Fitzek mit „Der Seelenbrecher“ endlich wieder einmal, an die Leistung seines Debüts „Die Therapie“ heranzureichen (ob’s daran liegt, dass bei „Der Seelenbrecher“ auch der Name Viktor Larenz wieder – zumindest ganz am Rand – ins Spiel kommt?). Waren die beiden dazwischenliegenden Werke „Amokspiel“ und „Das Kind“ etwas schwächer, so beweist Fitzek mit diesem Roman endlich wieder eindrucksvoll, dass er sich auf ausgeklügelte Thriller mit Überraschungsmoment versteht.

Bleibt unterm Strich also ein sehr positiver Eindruck zurück. „Der Seelenbrecher“ ist durchgängig spannend erzählt und ein Buch, beim dem der Leser förmlich an den Seiten klebt. Fitzek serviert dem Leser am Ende eine überraschende Wendung, die es in sich hat, und beweist damit einmal mehr seine Qualitäten als Thrillerautor. Und so kann man „Der Seelenbrecher“ eigentlich nur jedem ans Herz legen, der es gern spannend mag.

Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-63792-0
www.knaur.de
www.sebastianfitzek.de