Schutz, Benjamin M. – Unerbittlich

Scheidungen sind normalerweise keine schöne Sache, doch der Gerichtspsychologe Benjamin M. Schutz treibt es mit seinem Psychothriller „Unerbittlich“ auf die Spitze.

Unerbittlich ist der ehemalige Footballstar Tom Tully, als er herausfindet, dass seine Frau Serena ihn betrügt. Ohne ihr Wissen engagiert er den Anwalt Albert Garfield, der von seinen Kollegen auch „Agent Orange“ genannt wird, weil er dafür bekannt ist, dass dort, wo er wütet, kein Gras mehr wächst. Zusammen planen die beiden Männer, Serena fertigzumachen, wobei der aggressive Tom dabei die treibende Kraft ist. Sie erreichen eine gerichtliche Verfügung, die es Serena verbietet, die beiden vier und sechs Jahre alten Kinder zu sehen und das gemeinsame Haus zu betreten, weil sie angeblich psychisch krank sei.

Tom schafft es, alle renommierten Scheidungsanwälte der Gegend auszuschalten und er sorgt dafür, dass Serena ohne Geld und Arbeit auf der Straße sitzt. Dafür hat sie einen miserablen Anwalt, den sie nicht bezahlen kann. Erst als der Gerichtspsychologe Morgan Reece beauftragt wird, ein Gutachten über die Familie zu erstellen, um die Sorgerechtsfrage zu klären, zeichnet sich für Serena ein Silberstreif am Horizont ab. Denn Reece ist für seine saubere, nicht korrumpierbare Arbeit bekannt und er sorgt dafür, dass sich das Blatt in dem Prozess, den Garfield mit scharfen Waffen führt, wendet. Doch das will Tom Tully sich natürlich nicht gefallen lassen …

Eigentlich ein interessantes Szenario, das Schutz da entwirft. Schließlich haben Ehestreite großes Potenzial. Zwei verhasste Parteien, von denen keine eine weiße Weste hat, und die sich nach allen Regeln der Kunst mit Schmutz bewerfen. Leider versteift sich der Autor sehr auf die Geschehnisse vor Gericht, was in Anbetracht der Tatsache, dass nicht jeder Leser mit dem (amerikanischen) Rechtssystem vertraut ist, nicht besonders glücklich ist. Hier hätte man vielleicht die Schere ansetzen sollen, um zu verhindern, dass zähe Wortgeplänkel zwischen Richtern, Anwälten und Zeugen das Buch derart verstopfen.

Gegen Mitte des Buchs bessert sich die Situation. Nachdem das erste Drittel hauptsächlich von den an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen von Tom gegen Serena getragen wird, schalten sich dann zwei weitere Parteien ein, die Tom in keinem guten Licht dastehen lassen. Das Buch gewinnt an Fahrt und Spannung, kommt aber nie über den durchschnittlichen, oberflächlichen Thriller hinaus.

Schuld daran sind vor allem die stereotypen Charaktere. Tom Tully, der bullige Footballstar, der sich weder um seine hübsche Frau noch um seine Kinder kümmert und in schmierige Machenschaften verstrickt ist, zeigt im ganzen Buch keine Züge von Menschlichkeit. Sein Verhalten ist vorhersehbar, seine Persönlichkeit auch.

Während Schutz es schafft, die meisten anderen Charakteren von zwei Seiten, der guten und der schlechten, zu beleuchten, gelingt ihm das gerade bei den „Bösewichten“ nicht. Das ist ungeschickt, denn damit beraubt er sich selbst der Möglichkeiten. Vielleicht wäre das Buch wesentlich besser geworden, wenn es auf dem Charaktergebiet nicht so unglaublich vorhersehbar wäre.

Die hübsche Serena, die getroffene Ehefrau, bleibt ihrer oberflächlichen Rolle treu, und Morgan Reece entpuppt sich als Lehrbuchgerichtspsychologe – leider als ein allzu glatter. Er scheint für jedes Problem eine Lösung und für jeden Vorwurf das passende Gegenargument zu haben. Selbst, wenn die Angriffe von Tom und Garfield gegen seine Vergangenheit gerichtet sind, wirkt er unglaubwürdig gelassen.

Der Schreibstil macht es nicht besser. „Amerikanische Massenware“ sagt alles, was „Unerbittlich“ ausmacht. Kaum rhetorische Mittel, kaum etwas, was den Schreibstil nach dem Zuschlagen des Buches im Kopf des Lesers verbleiben ließe. Schutz schreibt glatt, ohne Ecken und Kanten, und selbst die Dialoge klingen nicht wie aus dem Leben, sondern wie von einem Computerskript entworfen. Klare, gehobene Sätze, die keine Gefühle der Sprecher erlauben, sorgen dafür, dass die sowieso schon blutleeren Charaktere noch blasser dastehen.

Was am Ende bleibt, sind ein schales Gefühl und die Frage, ob manche Bücher nur deshalb in Deutschland veröffentlicht werden, weil sie aus dem geheiligten Lande USA stammen. „Unerbittlich“ arbeitet mit stereotypen, klischeebeladenen Personen, einer zähen, vorhersehbaren Handlung und einem Schreibstil, der sich vielleicht durch förmliche Korrektheit hervortut, aber sicherlich nicht durch Lebendigkeit oder Originalität. Es ist nicht so, dass das Buch so abstoßend wäre, dass man es so schnell wie möglich aus der Hand legen wollte. Es ist nur so langweilig, dass man es gar nicht erst wieder in die Hand nehmen möchte.

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