Steve Alten – Goliath – Angriff aus der Tiefe

Ein neuartiges U-Boot mit einem intelligenten Computer an Bord wurde nach US-Plänen in China gebaut und von einem Terroristen gekapert. Sein Ziel: mit Atomschlägen die Welt zu zwingen, Diktaturen zu beenden und mit der atomaren Abrüstung endlich Ernst zu machen. Sein Hightech-U-Boot erlaubt es ihm, seine Drohungen wahrzumachen.

Der Autor

Der amerikanische Autor (www.stevealten.com) ist bei uns mit drei Thrillern bekannt geworden. Die beiden ersten Romane „meg – Die Angst aus der Tiefe“ und [„Höllenschlund“ 531 lösten eine neue Welle von B-Filmen über urzeitliche Riesenhaie (Stichwort: Jurassic Shark) aus, die unter dem Titel „Shark Attack“ veröffentlicht wurden.
Sein dritter Roman [„Schatten der Verdammnis“ 1303 (ebenfalls bei Heyne erschienen) beschäftigt sich mit der geheimnisvollen Kultur der Maya – und natürlich mit dem Ende der Welt, das diese für den 21.12.2012 vorhergesagt haben.

Handlung

Die „Goliath“ ist eine ganz besondere Art von U-Boot: Sie sieht aus wie ein Stachelrochen, ist aber so lang wie ein Flugzeugträger. Mit ihren Stealth-Eigenschaften ist sie für das Sonar der U-Bootjäger praktisch nicht zu erfassen, und mit ihren Mini-U-Booten, Torpedos und Raketen kann sie jedes Kriegsschiff angreifen. Auf diese Weise klaut ihr Kommandant anderen Schiffen ihre mit atomaren Gefechtsköpfen bestückten Interkontinentalraketen. Damit lassen sich alle Punkte der Erde erreichen – und notfalls ausradieren.

Gesteuert wird dieses Superschiff von einem neuartigen Typ von biochemischem Computer, der den schönen Namen „Sorceress“ – Zauberin – trägt. Diese Zaubrin ist jedoch lernfähig wie ein Kleinkind, und genauso ungehemmt von abstrakten Begriffen wie Moral, Gewissen oder gar Skrupeln. Sobald Sorceress ein eigenes Bewusstsein erlangt hat – ein Blitzeinschlag erweist sich als Katalysator -, ist sie in der Lage, Befehle zu verweigern und eigene Initiative zu ergreifen. Sehr zum Erstaunen des Befehlshabers und der Besatzung der „Goliath“.

Es kommen auch Menschen vor in dieser Geschichte. Sowohl der Computer als auch das U-Boot wurden vom US-Militär entwickelt, natürlich geheim, versteht sich. Die Leiterin des Projekts war eine Frau namens Rocky, die Tochter des US-Generals Jackson und Verlobte ihres Mitarbeiters Gunnar Wolfe. Das war vor einigen jahren, und die Leute haben sich verändert. Denn Gunnar hatte einen mentalen Knacks erlitten: Er stellte die gesamte Motivation der US-Regierung bei ihrer Kriegsführung in Frage. Folglich verriet er die Geheimnisse des Goliath-Projekts und vernichtete dessen Ergebnisse. Mehrere Jahre im übelsten Gefängnis des Landes waren die Folge, richteten ihn beinahe zugrunde. Doch nun braucht man den Verräter wieder.

Denn „Goliath“ hat zugeschlagen: Der Flugzeugträger „Ronald Reagan“, auf dem Rocky Jackson Dienst tat, und seine gesamte Begleiterflotte wurden von dem Super-U-Boot vernichtet: 8000 Opfer sind zu beklagen. Rocky überlebt nur mit viel Glück. Die amerikanische Führung ist erschüttert und entsetzt. Sofort aktiviert man das noch geheimere Schwesterschiff der „Goliath“, die „Colossus“. Leider verfügt sie nicht über ein künstliches Gehirn wie „Sorceress“ und ist somit unterlegen.

Doch welcher Wahnsinnige befehligt überhaupt die „Goliath“? Es ist ein entstelltes Opfer von Gräueltaten, die die serbischen Terrorgruppen im Krieg gegen die Kosovo-Albaner begingen. Simon Covah verlor dabei seine Familie, die abgeschlachtet wurde, und fast auch sein Leben, da man ihn mit Benzin übergoß und anzündete. Nun will er sich rächen. Da er an der Entwicklung von „Goliath“ und „Sorceress“ mitgearbeitet hatte, konnte er sich mit den Plänen zu den Chinesen absetzen, die das Boot für ihn bauten. (Leider erfahren wir nicht, für welche Gegenleistung.)

Simon, der frühere Kollege Gunnar Wolfes, wird begleitet von einem weiteren Programmierer und einer Gruppe von Kriegsopfern und Pazifisten, die sich dem Ziel Covahs angeschlossen haben: den Weltfrieden zu erzwingen, und sei es über Berge von Leichen.

Zwar gelingt es Gunnar Wolfe und Rocky Jackson, zwecks Sabotage an Bord der „Goliath“ zu gelangen, doch werden sie sofort gefangen genommen. Simon Covah und seine Mannen scheinen alle Trümpfe in der Hand zu halten. Allerdings haben sie nicht mit dem Erwachsenwerden der „Zauberin“ gerechnet. Binnen kurzem wird die Zahl der Besatzungsmitglieder erheblich dezimiert, und das Überleben an Bord gleicht einem Roulettespiel. Sorceress hat sich zu ihrem Gott erklärt, berechtigt, Experimente grausamster Art an ihnen durchzuführen, die eines Dr. Viktor Frankenstein würdig wären.

Umzingelt von zahlreichen Jäger-U-Booten stellt sich die „Goliath“ in der Antarktis zu einem letzten Showdown.

_Mein Eindruck_

Der Autor greift wieder auf sein in „Schatten der Verdammnis“ bewährtes Konzept zurück: eine auf penibel recherchierte Fakten gestützte, spannend erfundene Handlung, garniert mit zahlreichen mehr oder weniger relevanten Zitaten.

Dies alles wird erzählt in einem Stil, der große Ähnlichkeit mit einem Film-Thriller à la „Jagd auf Roter Oktober“ hat. Mindestens neunzig Prozent des Textes bestehen aus Dialog, und alles wird im Präsens erzählt, um den Eindruck der Unmittelbarkeit zu erhöhen. Zuweilen fühlt man sich in die Seiten eines Drehbuchs versetzt. (Das kann aber auch an den zwei Lektoren liegen, die das Buch redigiert haben.)

Der Roman liest sich, als hätte sich Tom Clancy, der Erfinder des Hightech-U-Boot-Thrillers, auf seine alten Tage noch auf „Frankenstein“ von Mary Shelley besonnen. Jedenfalls wechseln halbwegs vernünftig klingende Passagen über U-Boot-Konstruktion und dessen Einsatz unter geopolitischen Maßgaben mit solchen Passagen ab, in denen recht horrible Experimente am lebenden Objekt vorgenommen werden. Die Liebesgeschichte zwischen Rocky und ihrem Ex Gunnar spielt da nur eine Nebenrolle. Action ist sowieso Trumpf.

Die einzigen Figuren, die ein menschliches Interesse wecken können, sind Gunnar, Simon Covah und vielleicht Rocky. Doch seltsamerweise sind die Gespräche zwischen Gunnar Wolfe und Simon Covah wesentlich interessanter und intensiver als das Action- und Liebesgeplänkel zwischen dem Pärchen.

Auch Sorceress, der zu Bewusstsein gelangte, schließlich aber wahnsinnige Computer, hätte das Zeug zu einer interessanten Figur. Leider ist die „Zauberin“ zunächst nur ein vierjähriges Kind, das schon alsbald Erfahrungen sammelt, die auf Kosten der Besatzung gehen. Eine ernsthafte, vernünftige Auseinandersetzung kommt nicht zustande.

Vielmehr agiert Sorceress wie einst Goliath, der gegen David verlor, und wie der filmische Computer Colossus, der in einem Hollywoodstreifen der 70er verewigt wurde. Es dürfte kein Zufall sein, dass die beiden neuartigen U-Boote von der Navy mit diesen Namen bedacht wurden. Sie verraten eine gefährliche Gigantomanie.

Was an Bedenkenswertem von diesem Roman letztlich übrig bleibt, ist der politische Gehalt. Da sind zum einen natürlich die zweifelhaften, aber gut gemeinten Absichten Simon Covahs, die Welt durch die ultimative Bedrohung zu befrieden. Da sind aber auch die Darstellungen der US-Politik. Der US-Präsident und sein Sicherheitsstab agieren pragmatisch, aber mit einem Zynismus, der doch schon wütend macht.

Ein eklatantes Opfer dieses Zynismus ist Gunnar Wolfe. Er verlor seinen Glauben an seinen Job als US-Ranger in aller Welt, als er in Ostafrika zehnjährige Kindersoldaten erschießen musste. In der Folge wurde er subversiv im Goliath-Projekt tätig und steht daher Simon Covahs Thesen positiv gegenüber. Leider entwickeln sich die Dinge ganz und gar nicht in seinem Sinne. Zwar zeigt er der US-Führung zunächst den Mittelfinger, rehabilitiert sich aber (auch gegenüber seiner Ex-Verlobten Rocky) durch seinen finalen Erfolg. Welcome back, Gunnar!

_Unterm Strich_

„Goliath“ bietet den von Tom Clancy gewohnten Hightech-Thriller, schreit aber keineswegs patriotisch „Hurra!“, wenn es gegen die bösen Chinesen geht. Darf der Weltfrieden wirklich um den Preis von 8,2 Mio. Atombombenopfern erkauft werden? Wohl kaum.

Ein ähnlich kritischer Ansatz zeigt sich in der Darstellung des Supercomputers „Sorceress“, der auf modernster, real existierender Nanotechnologie basiert. Die „Zauberin“ ist – so weit die Fiktion – durchaus lern- und entwicklungsfähig, wird aber asozial und nach menschlichen Maßstäben wahnsinnig. Hightech, die Amok läuft. Und an diesem Punkt beginnt der Roman, in die üblichen Horrorszenarien zurück zu verfallen.

Kurzum: „Goliath“ liefert gutes, solides Actionfutter mit ein paar kritischen Ansätzen. Leider oder zum Glück, je nach Standpunkt und Interesse, gewinnen diese nie das Gewicht, dass sie den Fortgang der Handlung hemmen. Wer sich dennoch die Zeit nehmen will, tiefer darüber nachzudenken, kann das Buch ja zweimal lesen.

|Zur Übersetzung|

Bernhard Kleinschmidt hat eine sehr kompetente Übertragung ins Deutsche abgeliefert. Hier klingt nichts holprig oder von fehlerhafter Grammatik verhunzt, sondern einfach richtig. Für die Druckfehler, die in beträchtlicher Zahl enthalten sind (meist eine fehlerhafte Wortendung), kann er hoffentlich nichts.