Alle Beiträge von Eva Schuster

Edith Nesbitt – Das violette Automobil (Gruselkabinett 59)

England, 1923: Die junge Krankenschwester Georgia Kane erhält ein Angebot, auf dem Anwesen Charlestown in den englischen Downs zu arbeiten. Da sie diese Küstengegend noch aus Kindertagen kennt und liebt, freut sie sich schon auf die neue Arbeitsstelle. Am Bahnhof wird sie jedoch nicht abgeholt. Ihre Zufallsbekanntschaft, die verwitwete Mrs. Dawson und deren Tochter Milly, fahren sie mit dem Auto zum Anwesen. Dabei fällt Georgia auf, dass Mrs. Dawson erschrocken auf die Erwähnung der Farm Charlestown reagiert, obwohl sie es herunterspielt.

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Dean Koontz – Irrsinn

Billy Wiles arbeitet als Barkeeper in einer Kneipe. Er ist ein ruhiger Mensch, der den Gästen lieber zuhört als selber erzählt. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Holzschnitzereien. Sein Lebensmittelpunkt ist seine Freundin Barbara, die seit vier Jahren im Koma liegt und die er, so oft es geht, in der Klinik besucht, ohne große Hoffnung darauf, dass sie je wieder erwacht.

Eines Tages findet Billy einen Zettel an seiner Windschutzscheibe. Ein Unbekannter kündigt einen Mord an: Geht Billy zur Polizei und macht Meldung, wird eine ältere Frau sterben, geht er nicht, stirbt eine junge Lehrerin. Verunsichert fragt Billy einen befreundeten Polizisten um Rat, der die Nachricht für einen harmlosen Streich hält. Am nächsten Tag jedoch ändert er seine Meinung, denn tatsächlich wurde eine junge Lehrerin zu Tode gequält.

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Die drei ??? – Spur ins Nichts (Band 121)

Justus wacht benommen in einer völlig fremden Umgebung auf. Er liegt in einem kühlen, gekachelten, leeren Raum, der an einen Operationsaal erinnert. Justus hat keine Ahnung, wie er hierhergekommen ist. Bei ihm liegt ein junger Mann, ein paar Jahre älter als er, den er nie zuvor gesehen hat. Der Fremde stellt sich als Shawn vor und scheint genauso wenig wie Justus zu wissen, was sie hier machen. Die Tür ist verschlossen, auf Rufen und Klopfen reagiert niemand.

Justus hofft, dass seine Freunde Peter und Bob irgendwo in der Nähe sind. Er sendet Morsezeichen aus, indem er an ein Rohr klopft – und tatsächlich bekommt er Antwort. Peter ist zusammen mit einer jungen Frau namens Jolene in einem anderen Raum gefangen. Justus entdeckt über der Tür eine versteckte Kamera, die er zerstört, Peter macht bei sich das Gleiche. Während beide versuchen, einen Ausweg aus den Räumen zu finden, reagiert Shawn immer aggressiver. Er verdächtigt Justus, mehr zu wissen, als er zugibt – auf der anderen Seite ist Justus nicht sicher, ob Shawn wirklich so ahnungslos ist, wie er tut.

Unterdessen kehrt Bob aus einem Kurzurlaub zurück. Als er beim Schrottplatz auftaucht, befragen ihn Onkel Titus und Tante Mathilda aufgeregt nach Justus und Peter. Beide sind anscheinend seit gestern Abend verschwunden. In der Zentrale findet Bob als einzigen Hinweis einen Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer. Zusammen mit Jelena, der Freundin der drei Detektive, fährt Bob nach West Hollywood, wo offenbar auch Justus und Peter vor ihrem Verschwinden waren …

Die drei ??? versus „Saw“

Justus und ein Fremder wachen in einem sterilen Raum auf, sind gefangen, ohne Kenntnis, wie sie dorthin gekommen sind – bei diesem Szenario werden „Saw“-Assoziationen wach, wobei jedem Leser klar ist, dass die Handlung einen weitaus zahmeren Verlauf nehmen wird. Dennoch ist es ein reizvolles Ausgangsszenario, das alle Freunde der Drei Fragezeichen sofort fesselt.

Originelle Handlung

Normalerweise gelangen die drei Freunde zu Beginn eines jeden Bandes an einen neuen Fall, klassischerweise durch einen Auftraggeber – und geraten dann nach und nach in gefährliche Situationen. Hier wird dagegen in medias res eingestiegen und der Leser ist genauso ahnungslos wie die drei Detektive selbst. Es ist eine beklemmende Atmosphäre in diesem gekachelten sterilen Raum. Die Lage ist bedrohlich, weil nichts darauf hindeutet, warum Justus und Shawn sowie Peter und Jolene hier gefangen gehalten werden, es gibt keinen Hinweis und keinen Ansprechpartner, Vor allem aber ist lange Zeit nicht klar, ob man Shawn und auch Jolene trauen kann. Jolene erscheint sympathisch und genauso aufgeregt, wie man es in der Situation erwartet. Während sie mit Peter kooperiert, zeigt sich Shawn sehr uneinsichtig. Er reagiert zunehmend höhnisch auf Justus‘ Art, erst recht auf dessen Erklärung, dass er, obwohl noch ein Schüler, mit Freunden ein Detektivbüro betreibt. Weder Justus noch der Leser ist sich dabei aber sicher, ob Shawn wirklich so misstrauisch ist oder ob er vielleicht nur eine Rolle spielt.

Parallel dazu sucht Bob nach seinen beiden Freunden. Ein Name und eine Telefonnummer führen ihn und Jelena nach Hollywood. Dort landen sie bei einem Apartmenthaus, wo ein Regisseur lebt, der irgendetwas mit Justus und Peter zu tun haben muss, da sie ihn offenbar vor ihrem Verschwinden beschattet haben. Dort begegnen sie allerdings nur seiner Freundin, die sehr misstrauisch reagiert. Nach und nach fügt sich für Bob und Jelena ein Puzzle zusammen und sie bekommen eine Ahnung, was mit Justus und Peter geschehen sein könnte. Jelenas Mitwirken ist natürlich ein zusätzlicher Pluspunkt für alle Fans der Drei Fragezeichen, die das eigenwillige Mädchen als Nebencharakter mögen. Ihren ersten Auftritt hatte sie in „Musik des Teufels“ und seither spielte sie in einer Handvoll Fälle mit. Jelena sitzt seit einem Kindheitsunfall im Rollstuhl und ist eine begabte Geigerin. Dazu ist sie noch ziemlich scharfsinnig, mag sarkastischen Humor und ist dickköpfig – und damit eine Art weibliche Ausgabe von Justus Jonas, was allerdings auch der Grund dafür ist, dass die beiden sich regelmäßig fetzen.

Nur kleine Mängel

Zu bemängeln gibt es nur recht wenig. Allerdings ist es ein ziemlich untypischer Fall der Drei Fragezeichen, der vielleicht Fans der klassischen Fälle nicht so gut gefällt. Auch als Einsteigerband ist er nicht zu empfehlen, weil er falsche Vorstellungen von der Reihe vermittelt. Die Hintergründe für die Gefangenschaft sind dann auch nicht ganz so brisant, wie man sich vielleicht erhofft hat. Zwar gibt es noch einen netten Twist am Ende nach der scheinbaren Auflösung, aber auch der kann nicht alle hochgesteckten Erwartungen erfüllen.

_Als Fazit_ bleibt ein guter, vor allem sehr spannender Band der Drei-Fragezeichen-Reihe, der recht unkonventionell daherkommt. Als Einsteigerband ist er daher eher nicht geeignet, auch wer die traditionellen Fälle mag, wird hiermit vielleicht nicht ganz glücklich. Empfehlenswert ist der Band auch für Fans von Jelena Charkova, die wieder mal mitspielt.

_Der Autor_ André Marx wurde 1973 geboren und begann zunächst ein Studium der Germanistik, Sprachwissenschaften und Kunst, ehe er sich ganz dem Schreiben widmete. Seit 1997 veröffentlicht er regelmäßig Bände der Drei Fragezeichen.

Gebunden: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3440102091
www.kosmos.de

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Paul Maar – Lippels Traum

Der zehnjährige Phillipp, von allen „Lippel“ genannt, liebt vor allem Sammelbilder und Bücher und besucht gern seine Freundin Frau Jeschke, eine ältere Frau aus der Nachbarschaft. Eines Tages kommen zwei neue Mitschüler in Lippels Klasse. Das Mädchen Hamide und ihr Bruder Arslan stammen aus der Türkei. Im Gegensatz zu Hamide kann Arslan nicht viel deutsch, weshalb er nur wenig spricht. Kurz darauf müssen Lippels Eltern zu einem Kongress nach Wien verreisen. Damit Lippel in der Zeit nicht alleine bleibt, stellen sie die pingelige Frau Jakob, die Bekannte einer Freundin, als Babysitterin ein.

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Sherlock Holmes – Im Schatten des Rippers (Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs 1)

London, Ende des 19. Jahrhunderts: In Viertel Whitechapel geschehen unheimliche Morde an Prostituierten. Der Täter wird „Jack the Ripper“ genannt und bleibt trotz aller Ermittlungen unauffindbar. Inspector Abberline vom Scotland Yard bittet schließlich Sherlock Holmes um Hilfe, den berühmten Detektiv aus der Baker Street.

Sherlock Holmes legt allerdings gerade eine Pause ein und hat kein Interesse an Fällen, erst recht nicht an so einem unappetitlichen Fall wie den Jack-the-Ripper-Morden. Das ändert sich aber, als der Inspector Dr. Watson als Zeugen und eventuell sogar Tatverdächtigen sprechen möchte. Holmes ehemaliger Wohnungsgenosse, Freund und Partner bei Ermittlungen hat vor wenigen Monaten geheiratet, sich anscheinend aber bereits wieder von seiner Frau getrennt.

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Waters, Sarah – Besucher, Der

Wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: In einem ländlichen Teil Englands liegt das herrschaftliche Anwesen Hundreds Hall der Familie Ayres. Als Kind war der Arzt Dr. Faraday hier schon mal zu Besuch, seine Mutter arbeitete dort als Kindermädchen. Eines Tages wird er als Vertretung des Hausarztes nach Hundreds gerufen. Das Anwesen fasziniert ihn noch wie damals, doch das Haus ist vom Verfall bedroht, die Familie offenbar verarmt.

Die Ayres leben seit Jahren sehr zurückgezogen. Die verwitwete Mrs. Ayres ist eine liebenswerte ältere Dame. Ihre unverheiratete Tochter Caroline ist eine recht burschikose, wenig attraktive Frau, die aber herzlich und lebensfroh wirkt. Sohn Roderick, der die Leitung der Landwirtschaft übernommen hat, ist seit dem Krieg sehr launisch und wortkarg. Das liegt vor allem an seiner Beinverletzung, die ihn hinken lässt. Dr. Faraday besucht die Familie von nun an regelmäßig und behandelt Rodericks Leiden mit einer neuartigen Therapie.

Eines Tages vertraut ihm Roderick seltsame Ereignisse im Haus an. Gegenstände sollen sich von alleine bewegt haben, unerklärliche Flecken erscheinen an den Wänden. Dr. Faraday schreibt es seinen überspannten Nerven zu. Eines Nachts brechen mehrere Feuer in Rodericks Zimmer aus, deren Ursprung unklar ist. Roderick kommt zu seinem eigenen Schutz in eine Pflegeanstalt. Doch die seltsamen Vorgänge auf Hundreds reißen nicht ab. Bald hören auch Mrs. Ayres, Caroline und das Dienstmädchen Betty die Geräusche …

_Etwas geht um auf Hundreds Hall … _

Sarah Waters ist bekannt für Romane, die das viktorianische England wieder zu Leben erwecken und Atmosphäre mit intrigenreicher Handlung verbinden. „Der Besucher“ spielt zwar in der Nachkriegszeit, steht aber ganz in der Tradition der viktorianischen Schauerromane. Das herrschaftliche Anwesen, immer noch imposant aber bereits im Verfall begriffen sowie seine Bewohner sind ein großartiger Spiegel einer niedergehenden Gesellschaftsschicht. Familie Ayres hält noch am Glanz vergangener Tage fest, als Hundreds regelmäßig der Schauplatz für glamouröse Feiern war. Vor allem Mrs. Ayres ist eine liebenswerte Dame, die allerdings noch in der Zeit der Jahrhundertwende zu leben scheint. Hundreds Hall und seine Bewohner stehen im krassen Gegensatz zum raschen Wandel der Umgebung, der immer weiter fortschreitenden Industrialisierung. Kam Leuten wie ihnen vor Jahrzehnten noch Ehrfurcht und Bewunderung entgegen für ihren gesellschaftlichen Rang und ihr Anwesen, so gelten sie heute im Dorf eher als antiquiert und leicht verschroben. Die beinah klaustrophobische Atmosphäre auf Hundreds nimmt nicht nur Dr. Faraday für sich ein, sondern auch den Leser. Einerseits erscheint das Anwesen faszinierend und strahlt noch etwas vom Glanz alter Tage aus, andererseits ereignen sich dort zunehmend unerklärliche bis unheimliche Vorfälle und es scheint, dass der Herrensitz seiner Familie mehr und mehr Unglück bringt.

|Reizvolle Charaktere|

Besonders gelungen ist an dem Roman die ausgefeilte Darstellung der Charaktere und ihrer Beziehungen untereinander. Die Grundkonstellationen laden zu gewissen Klischees ein – auf die die Autorin aber erfrischenderweise verzichtet. So ist Dr. Faraday kein schmucker junger Mann, kein eleganter Intellektueller, sondern ein Mann Anfang vierzig, der sich mit seiner etwas abgetragenen Kleidung und dem allmählich lichter werdenden Haar nicht besonders attraktiv findet und der als einfacher Landarzt wenig Geld verdient. Es wäre naheliegend gewesen, zwischen ihm und der jungen Caroline schnell eine Romanze einzubauen. Doch stattdessen ist Caroline eher unattraktiv und obwohl sie ein sympathisches Wesen hat, ist das Verhältnis zwischen Dr. Faraday und ihr für sehr lange Zeit nicht durch den geringsten Flirt geprägt. Überhaupt geht die Annäherung zwischen Dr. Faraday und den Ayres nur sehr langsam voran, was die Geschichte so authentisch macht. Er kommt zwar über Wochen regelmäßig zu Besuch, aber als dann eine Abendgesellschaft stattfindet, wird er nur auf Carolines spontane Initiative hin eingeladen, Mrs. Ayres hatte ihn offenbar noch nicht auf eine Stufe mit ihren anderen Bekannten gestellt.

|Ein Schmöker für Geduldige|

Dieses langsame Fortschreiten der Handlung, die ausführlichen Beschreibungen der Räumlichkeiten, das zähflüssige Näherkommen zwischen Dr. Faraday und den Ayres machen einerseits den Reiz des Romans aus – stellen den Leser aber auch auf kleine Geduldsprobe. Viele Seiten passiert nicht viel und man muss es mögen, einfach langsam in diese Atmosphäre einzutauchen und die Charaktere näher kennen zu lernen. Das kann vor allem stören, wenn man auf die Geistererscheinungen wartet, die im Klappentext angekündigt werden. Bis das Klopfen und andere unerklärliche Geschehnisse einen breiten Raum ein der Handlung einnehmen, vergeht eine lange Zeit. Es gibt auch am Ende keine eindeutige Erklärung – zwar eine Andeutung, bei der sich der Leser den Rest zusammenreimen kann, aber es ist genauso möglich, alle Erscheinungen auf rationale Art zu erklären. Darin liegt ohne Frage ein Reiz, wer sich aber speziell auf ein Gruselwerk im Stil von Shirley Jacksons „Spuk von Hill Haus“ gefreut hat, kann leicht enttäuscht werden.

_Als Fazit_ bleibt ein insgesamt sehr gelungener Roman, der in Englands Nachkriegszeit spielt und phasenweise an die Tradition viktorianischer Schauerromane erinnert. Die Charaktere sind gelungen, die Handlung entwickelt nach und nach eine Sogwirkung dank der dichten Atmosphäre. Allerdings muss der Leser Geduld aufbringen, denn die Handlung entwickelt sich nur sehr langsam, die angekündigten unheimlichen Vorgänge kommen auch erst spät ins Spiel und sind etwas weniger dominant, als die Beschreibung vermuten lässt.

_Die Autorin_ Sarah Waters wurde 1966 in Wales geboren. Sie studierte englische Literatur und schrieb ihre Dissertation über Homosexualität in der Literatur, was ihr häufig als Inspiration für ihre Werke dient. Mittlerweile erhielt sie zahlreiche Preise – z. B. den British Book Award Author of the Year, den Crime Writers‘ Association Ellis Peters Historical Dagger, den Sunday Times Young Writer of the Year Award – und war für den Booker Prize nominiert. Weitere Zu ihren Werken zählen „Die Muschelöffnerin“, „Die Frauen von London“ und „Selinas Geister“. Das vorliegende Buch wurde unter dem Titel „Fingersmith“ verfilmt.

|Gebunden: 576 Seiten
Originaltitel: The Little Stranger
ISBN-13: 978-3431038309|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Sarah Waters bei |Buchwurm.info|:_
[„Solange du lügst“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5153

Franz, Andreas – Eisige Nähe

Das inzwischen auch privat miteinander verbandelte Ermittlerteam Sören Henning und Lisa Santos hat einen neuen brisanten Fall: Der deutschlandweit bekannte Star-Musikproduzent Peter Bruhns wird ermordet in seiner Villa aufgefunden. Bei ihm ist die Leiche seiner blutjungen Gespielin, beide wurden erschossen. Henning und Santos stehen unter großem Druck, da die Medien den Tod des skandalfreudigen Produzenten ausschlachten.

Wegen seiner zahlreichen Affären gerät zunächst seine junge Frau in Verdacht, aber trotz des Motivs glauben Henning und Santos nicht recht an ihre Schuld. Zu ihrem Ärger bekommen sie ungewöhnlich großen Druck vom Staatsanwalt, der binnen einer Woche den Täter präsentieren möchte. Während Henning und Santos mittlerweile einen Auftragsmörder als Täter vermuten, ergeben sich bei der Obduktion zwei Überraschungen: Vor dem Tod wurde dem ermordeten Paar ein Gift verabreicht, das sie offenbar quälen sollte.

Noch spektakulärer ist aber der Fund von Fremd-DNA, die mit der der berüchtigten „Phantomfrau“ übereinstimmt, die zehn Jahre lang vergeblich gesucht wurde. Gerade wurde bekannt gegeben, dass die DNA nicht von einer Täterin, sondern von bei der Herstellung verunreinigten Wattestäbchen stammte. Wie kommt nun aber diese DNA an die Körper der Toten? Henning und Santos fürchten, dass von obersten Justiz- und Polizeikreisen etwas vertuscht wurde. Derweil geschehen weitere Morde, die auf das Konto des vermuteten Auftragskillers gehen …

_“Über die Toten_ nichts Schlechtes“, heißt es und Andreas Franz starb überraschend Anfang dieses Jahres im Alter von nur 57 Jahren an Herzversagen – ein bisschen Kritik muss dennoch sein, auch wenn „Eisige Nähe“, der dritte Fall des Ermittlerduos Sören Henning und Lisa Santos, durchaus zu seinen besseren Werken gehört. Henning und Santos sind seit mittlerweile knapp vier Jahren auch privat ein Paar, was in Krimis manchmal störend sein kann, nicht aber hier. Liebesgeflüster und Sex gibt es kaum, dafür durchaus öfter Streitgespräche und konstruktive Dialoge. Sören Henning ist der weitaus Ältere der beiden, vernunftgesteuert, oft ein bisschen eigenbrötlerisch und knurrig. Lisa Santos ist dagegen energisch und temperamentvoll, oft von Emotionen gesteuert und spontan. Die beiden ergänzen sich gut, es gibt aber auch genug Reibungspunkte, die ihr Verhältnis sehr realistisch gestalten.

Nachdem in „Todeskreuz“ sich bereits die Wege von Julia Durant und Peter Brandt, den Ermittlern aus den beiden älteren Krimireihen, kreuzten, hat hier Julia Durant einen Kurzauftritt, indem sie die beiden Kollegen durch Infos per Telefon unterstützt, sehr nett für alle, die auch die Bücher um ihre Fälle kennen. Der Leser erfährt zudem früh, wer der Auftragskiller ist, der die Morde ausführt, recht gut gelungen ist auch der Versuch, für seine Taten – ein bisschen Verständnis abzuringen – denn Hans Schmidt ermordet fast ausnahmslos nur Männer, die selbst für zahlreiche Morde und für Kindesmissbrauch verantwortlich sind, ein anderes Mal befreit er osteuropäische junge Frauen, die als Zwangsprostituierte enden sollten. Spannung ist dennoch gegeben, denn wer hinter den jeweiligen Aufträgen steckt und wer vor allem aus dem Umfeld der Ermittler darin verwickelt ist, erfährt man erst zum Schluss.

Besonders reizvoll ist der aktuelle Bezug des Romans auf die Geschichte des Heilbronner Phantoms oder der „Frau ohne Gesicht“, das tatsächlich durch die Medien ging: Zehn Jahre lang fand sich an allen möglichen Tatorten, unter anderem beim Polizistenmord von Heilbronn, die DNA einer unbekannten Frau, die als Schwerkriminelle gesucht wurde. Bis sich 2009 herausstellte, dass in der Fabrik der Wattestäbchen eine Verpackerin einige Stäbchen berührte und unwissentlich dabei ihre DNA hinterließ, die der Spurensicherung fälschlicherweise eine Fremd-DNA an den Tatorten suggerierte. Andreas Franz greift hier die sicherlich gewagte aber literarisch nicht uninteressante Theorie auf, dass die Erklärung der angeblichen Panne eine Lüge für die Öffentlichkeit war und es die kriminelle Phantomfrau doch gibt. Ganz dezent wird aber in einem Satz auf ein weiteres wahres Verbrechen angespielt, das sicher einigen Lesern noch im Gedächtnis sein dürfte: Henning erwähnt den Fall eines wegen Mordes verurteilten geistig Minderbemittelten, der in Oberfranken ein Mädchen ermordet haben soll – obwohl die Leiche des Kindes nie gefunden wurde und es sogar Anzeichen dafür gibt, dass es noch lebt. Auch wenn Henning das Mädchen „Mandy“ nennt, liegt die Parallele zum Fall „Peggy Knobloch“ auf der Hand und es ist interessant, dass hier durch Hennings Aussage die Theorie, die nicht wenige Einwohner des betroffenen Ortes inklusive des Vaters des Mädchens vertreten, gestützt wird, dass hier tatsächlich ein Unschuldiger als Bauernopfer verurteilt wurde.

Andreas Franz war bekannt für seine akribischen Recherchen und guten Kontakte zum Polizeiapparat, die ihn dafür prädestinierten, Insiderwissen einfließen zu lassen. Da ist es umso brisanter, dass in seinen Büchern wie auch hier, immer wieder zum Thema wird, wie viele schwarze Schafe es in leitenden Kreisen bei Politik, Wirtschaft, Justiz und Polizei gibt. Santos und Henning wissen bald kaum noch, wem sie trauen können, die befreundeten Rechtsmediziner erhalten Anweisungen, die DNA-Spur zu vertuschen, ein Unschuldiger wird von Polizisten erschossen und vom Staatsanwalt als Mörder präsentiert. Es geht allerdings noch weiter, Santos und Henning erhalten detaillierte Auskünfte über Menschen- und insbesondere Kinderhandel, über engagierte Killer, die im Auftrag des Verfassungsschutzes agieren. Auch wenn dahinter sicherlich ein gewisser Anteil an Wahrheit steckt, wiederholt sich hier ein bisschen zu häufig das Motiv der organisierten Kriminalität, die überall ihre Finger im Spiel hat. Wenn man mehrere Bücher von Andreas Franz gelesen hat, erscheinen ganze Passagen bekannt, nicht nur Sören Henning fühlt ein schmerzliches Déjà-vu, dass sie wieder einmal kaum jemandem trauen können, dass höchste Kreise hinter den Morden stecken. Selbst wenn diese Szenarien der Wirklichkeit entsprechen sollten – man mag es nicht hoffen, aber was weiß man schon -, sind sie für eine Geschichte zu dick aufgetragen und ein bisschen weniger an Verschwörung wäre hier mehr gewesen. Das gilt auch für den Epilog, in dem der Erzähler mit ein bisschen zu viel Pathos und erhobenem Zeigefinger über die Dinge spricht, die sich nach dem eigentlichen Finale noch ereignen.

_Der Autor_ Andreas Franz wurde 1956 in Quedlinburg geboren und starb 2011. Bevor er sich dem Schreiben widmete, arbeitete er unter anderem als Übersetzer, Schlagzeuger, LKW-Fahrer und kaufmännischer Angestellter. 1996 erschien sein erster Roman. Franz lebte mit seiner Familie in der Nähe von Frankfurt, wo die meisten seiner Krimis spielen. Weitere Werke von ihm sind u. a.: „Das Verlies“, „Todeskreuz“, „Tod eins Lehrers“ und „Spiel der Teufel“.

_Als Fazit_ bleibt ein lesenswerter Krimi mit kleinen Schwächen. Der dritte und durch den frühen Tod des Autors leider auch letzte Fall von Lisa Santos und Sören Henning, der durch eine packende, spannende Handlung mit aktueller Brisanz und sympathischen Ermittlern besticht. Störend fällt nur auf, dass es sich zum wiederholten Mal um organisierte Kriminalität und Verschwörungen aus höchsten Kreisen dreht, was man schon zu oft bei Andreas Franz gelesen hat.

|Hardcover: 582 Seiten
Titelillustration von FinePic, Müchen
Titelgestaltung von ZERO Werbeagentur, München
ISBN-13: 978-3426663004|
[www.knaur.de]http://www.knaur.de
[www.andreas-franz.org]http://www.andreas-franz.org

_Andreas Franz bei |Buchwurm.info|:_
[„Teuflische Versprechen“ 1652
[„Unsichtbare Spuren“ 3620
[„Spiel der Teufel“ 4937

Winterberg, Liv – Vom anderen Ende der Welt

England, Ende des 18. Jahrhunderts: Mary Linley wird von ihrem Vater, einem Botaniker, in den wissenschaftlichen Lehren ausgebildet. Sie träumt davon, eines Tages die Welt zu umsegeln und als Forscherin neue Entdeckungen zu machen, doch Frauen sind diese Berufe verschlossen.

Eines Tages kehrt ihr Vater nach einer Fahrt zum Kap Hoorn nicht mehr zurück. Die nun verwaiste Mary kommt unter die Obhut ihrer Tante, die sie möglichst schnell verheiraten will. Mary aber will sich nicht in ihr Schicksal fügen. Nachdem sie als Frau keine Chance hat, verkleidet sie sich als junger Mann, präsentiert ihre Arbeiten zur Botanik und heuert auf der „Sailing Queen“ als Zeichner an. Unter der Leitung des Botanikers Carl Belham startet eine Expedition nach Madeira, Feuerland und Tahiti.

Mary alias Marc Middleton hat alle Mühe, ihre wahre Identität zu verbergen. Auf der Reise um die halbe Welt erlebt sie Unwetter, Krankheit und Tod, kann aber auch endlich ihr Können unter Beweis stellen. Erschwerend kommt mit der Zeit hinzu, dass sie sich zu Carl Belham immer mehr hingezogen fühlt …

_Liv Winterbergs Debütroman_ nimmt sich ein im historischen Genre beliebtes Thema vor – „eine Frau verkleidet sich als Mann“, um ihrer heimlichen Berufung nachzugehen und dabei funkt ihr irgendwann die Liebe dazwischen. Dabei orientiert sich die Autorin allerdings an einer tatsächlichen Persönlichkeit, nämlich der Botanikerin Jeanne Baré. Baré gelangte 1768 als Jean Baré an Bord eines Schiffes, das den Südpazifik erkundete und leistete mit ihren Arbeiten einen der bedeutsamen Beiträge zur Botanik im 18. Jahrhundert. Sehr viel ist über Barés Leben nicht bekannt, sodass sie nur zur Inspiration für die Figur Mary Linley diente, das Buch will keinesfalls eine Biographie darstellen.

Mit Mary Linley ist eine reizvolle Protagonistin geschaffen worden, die dem Leser schnell sympathisch ist. Sie ist ihrer Zeit natürlich ungewöhnlich weit voraus, aber angenehmerweise ist sie längst nicht immer souverän. Ihre Unsicherheiten und ihre Probleme mit den für sie völlig neuen Gepflogenheiten an Bord werden anschaulich und überzeugend geschildert. Weitere wichtige Figuren, die der Leser im Laufe der Handlung ins Herz schließt, sind vor allem Franklin, Carl Belhams Assistent, mit dem sich Mary eine Kabine teilen muss, der unerschütterliche Belham selbst, William Middleton, der Bedienstete von Marys Vater, der sie seit der Kindheit kennt und der vergeblich versucht, sie aufzuhalten und der zehnjährige Schiffsjunge Seth, der Sohn des Bootsmanns, der unter seinem strengen Vater leidet und sich an seinen älteren Bruder Nat klammert und in „Marc“ einen guten Freund findet. Liv Winterberg verzichtet auf eine geschönte Darstellung des Alltags auf einem Expeditionsschiff. Vielmehr gibt es einige dramatische und traurige Szenen, in denen liebgewonnene Charaktere ihr Leben lassen müssen, was im ersten Moment schmerzt, letztlich aber eine gute Konsequenz darstellt. Die Handlung birgt aber auch einige heitere Momente, vor allem was das derbe Verhalten der Mannschaft angeht und ein ums andere Mal, wenn Mary mehr von den Männern sieht, als ihr lieb ist.

Zu bemängeln gibt es wirklich nicht viel an diesem Roman. Das Ende ist ein bisschen knapp bemessen, man darf nicht erwarten, dass man erfährt, wie Marys leben in den weiteren Jahrzehnten aussehen wird – das ist der Tatsache geschuldet, dass eben auch von ihrem Vorbild Jean Baré nicht überliefert ist, wie ihr Leben weiter verlief und die Autorin orientierte sich daran. Allerdings gibt es zumindest Andeutungen, die den Leser durchaus zufriedenstellen. Schade ist, dass die Handlung nach dem einseitigen Prolog aus Marys Kindheit sofort zehn Jahre überspringt. Der Leser lernt Marys Vater also leider nur in ihren Erinnerungen kennen.

_Die Autorin_ Liv Winterberg wurde 1971 in Berlin geboren und studierte zunächst Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Vor ihrer Tätigkeit als Romanautorin schrieb sie Drehbücher und recherchierte für Film und Fernsehen. „Vom anderen Ende der Welt“ ist ihr Debütroman.

_Als Fazit_ bleibt ein durchweg unterhaltsamer Historienroman, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Die Handlung ist kurzweilig, gut recherchiert, leicht zu lesen und die Figuren überzeugen. Es gibt nur kleine Schwächen, die insgesamt kaum ins Gewicht fallen.

|Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3423248471|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

Hodgson, William Hope – Herrenlose, Die (Gruselkabinett 53) (Hörspiel)

England um 1900: Nach Abschluss seines Medizinstudiums ist der junge Dr. Dark erschöpft vom vielen Lernen und braucht dringend Erholung. Sein Mentor empfiehlt eine Schiffsreise, die aus finanziellen Gründen nicht in Frage kommt. Dann hat Dr. Dark aber das Glück, von Captain Gannington als Ersatz-Schiffsarzt auf der Bheopte angeheuert zu werden. Die Fahrt wird nach Shanghai gehen und er wird viel Zeit zum Ausruhen haben.

Tatsächlich bedeutet die Reise zunächst vor allem Freizeit für Dr. Dark. In Madagaskar gehen die meisten Passagiere von Bord, dafür kommen die junge Constance Main und ihre Tante Eleanor hinzu und zwischen Dr. Dark und Constance entwickelt sich ein kleiner Flirt. Wie vom Captain angekündigt, wird es bald sehr stürmisch.

Als das Unwetter endlich abzieht, entdeckt die Besatzung in der Nähe ein verlassenes Schiff, eine sogenannte „Herrenlose“, die offenbar seit Jahren ziellos auf dem Meer umhertreibt. Constance Main und Dr. Dark sind neugierig und wollen das Schiff erkunden. Nachdem die Reparaturarbeiten an der Bheopte beendet sind, schauen sie sich gemeinsam mit Captain Gannington und dem Ersten und Zweiten Maat das verlassene Schiff an. Sie ahnen nicht, auf was sie dort stoßen werden – und das Unternehmen wird plötzlich lebensgefährlich …

_Nach „Die obere Koje“_, „Der Fliegende Holländer“ und „Der Tempel“ ist „Die Herrenlose“ die vierte Folge der Gruselkabinett-Reihe, die sich mit unheimlichen Erlebnissen auf See beschäftigt – und das mit gutem Recht, denn auch diese Folge kann fast rundum überzeugen. Als Erzähler fungiert der rückblickende Dr. Dark, heute ein alter Mann, der über die schrecklichen Ereignisse berichtet, die ihm auch Jahrzehnte danach noch sehr präsent sind. Dr. Dark erscheint in der Binnenhandlung als sympathischer junger Mann. Er ist der Einzige, bei dem der Hörer weiß, dass er das Abenteuer überleben wird, da er es ja rückblickend erzählt. Für einige lustige Momente sorgt die altjüngferliche Tante Miss Main, die umso empörter auf den Plan reagiert, das Wrack zu untersuchen. Die Folge erreicht gruselige Effekte mit minimalem Einsatz. Allein schon die Beschreibung des lange verlassenen Schiffes, das mit einem seltsamen Schimmel überzogen ist, sorgt für eine schaurige Atmosphäre. Gebannt verfolgt man, wie die Besatzung der Bheopte hinüberrudert, um zu erforschen, was mit dem Schiff und seiner Mannschaft geschehen sein mag. Alles beginnt als eher amüsanter Nervenkitzel, doch schon bald ist es ein Kampf auf Leben und Tod mit viel Dramatik, bei dem Gruselfreunde ganz auf ihre Kosten kommen.

Die Sprecher sind sehr gut ausgewählt und spielen ihre Rollen ausnahmslos überzeugend. Friedrich Georg Beckhaus, bekannt vor allem als Schauspieler von Raumpatrouille Orion, spricht sehr passend mit bedächtiger, leicht heiserer Stimme den gealterten Erzähler. Den jungen Dr. Dark stellt Johannes Berenz dar, den man als Standardsprecher von Ben Affleck kennt. Almut Eggert, die schon Ursula Andress, Candice Bergen und Farah Fawcett synchronisierte, hat einen kurzen aber markanten Auftritt als liebenswert-schrullige alte Tante. Sehr hervorzuheben ist besonders Hans Teuscher als leutseliger Kapitän. Seine recht hohe, kratzige Stimme kennt man als deutsche Version von Al Lewis alias „Opa“ aus der TV-Serie „Die Munsters“, besonders Kinder kennen ihn auch als Fliegenden Holländer in „Spongebob“ und als ungarischer Janosch in der Hörspielreihe „Bibi und Tina“. Die Regie hat auch bei den Hintergrundgeräuschen wie üblich sehr gute Arbeit geleistet. Das nautische Flair mit den Sturmgeräuschen wirkt sehr authentisch, ebenso wie jedes Knarren und Quietschen beim Untersuchen des Wracks.

Schwächen gibt es in dieser gelungenen Folge kaum zu verzeichnen. Allerdings ist die Handlung an manchen Stellen ein klein wenig zu ausgedehnt. Vor allem die Stelle, bevor an Bord des Wrackls gegangen wird, ist etwas zu ausführlich und zieht sich ein wenig, die Charaktere reden lange, während der Hörer nur darauf wartet, dass sie sich endlich auf den Weg machen. Angesichts des eingeschränkten Personenkreises hätte man auch den Ersten und Zweiten Maat Mr. Berlies und Mr. Selvern ein bisschen ausführlicher darstellen können; Dr. Dark beschreibt zwar zu Anfang ganz kurz ihre Charaktere, aber sie bleiben innerhalb der Geschichte ein bisschen zu austauschbar.

_Sprecher:_

Friedrich Georg Beckhaus: Erzähler
Johannes Berenz: Dr. Dark
Antje von der Ahe: Constance Main
Almut Eggert: Eleanor Main
Hans Teuscher: Captain Gannington
Stefan Kaminski: Mr. Berlies
Michael Deffert: Mr. Selvern

_Der Autor_ William Hope Hodgson wurde 1877 in Essex geboren und starb 1918 in Belgien. Schon als Jugendlicher entschied er sich für eine Zukunft als Schiffsjunge und umsegelte als Maat mehrmals die Welt. Nach einigen Jahren war er das Leben auf See müde und wandte sich ab 1904 dem Schreiben zu und verfasste vor allem unheimliche Geschichten, die auf See spielen. Er starb im Ersten Weltkrieg. Weitere Werke sind u. a. „Die Boote der Glen Carrig“ und „Das Haus an der Grenze“.

_Als Fazit_ bleibt eine sehr gute Folge voller Spannung und dichter Atmosphäre, die sich um ein verlassenes Schiff dreht. Die Sprecher sind sehr gut ausgewählt und überzeugen, nur minimale Längen gibt es zu verzeichnen. Eine empfehlenswerte Episode mit unheimlichem Flair.

|Audio-CD mit 66 Minuten Spielzeit
Originaltitel: „The Derelict“ (1912)
ISBN-13: 978-3-7857-4477-2 |
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| bei |Buchwurm.info|:_
[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
[„Das Bildnis des Dorian Gray (Gruselkabinett 36/37)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919
[„Berge des Wahnsinns (Teil 1)“ (Gruselkabinett 44) (Hörspiel)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6736
[„Berge des Wahnsinns (Teil 2)“ (Gruselkabinett 45) (Hörspiel)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6737
[„Die Maske des roten Todes“ (Gruselkabinett 46)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735
[„Verhext“ (Gruselkabinett 47)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734
[„Die Maske des roten Todes“ (Gruselkabinett 46)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735
[„Die Squaw“ (Gruselkabinett 48)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6774
[„Tauben aus der Hölle“ (Gruselkabinett 52)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7050

Lasky, Kathryn – Rettung, Die (Die Legende der Wächter 3)

_|Die Legende der Wächter|:_

Band 1: [„Die Entführung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6800
Band 2: [„Die Wanderschaft“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6865
Band 3: _“Die Rettung“_
Band 4: „Die Belagerung“ (erscheint am 26.05.2011)
Band 5: „The Shattering“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: „The Burning“ (noch ohne dt. Titel)
Band 7: „The Hatchling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 8: „The Outcast“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „The First Collier“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „The Coming of Hoole“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „To Be a King“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „The Golden Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „The River of Wind“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Exile“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „The War of the Ember“ (noch ohne dt. Titel)

außerdem erschienen:

„A Guide Book to the Great Tree“
„Lost Tales of Ga’Hoole“

Nachdem der Kreischeulerich Ezylryb von einem Flug nicht zurückgekehrt ist, bangen alle Mitglieder von Ga’Hoole und besonders Soren um den strengen aber weisen Lehrer. Die vier Freunde Soren, Gylfie, Morgengrau und Digger beschließen, heimlich Nachforschungen anzustellen und suchen eine Freie Schmiedin auf, die ihnen Näheres berichten kann.

Sie erfahren dabei von „Eisenschnabel“, einer grausamen Eule, deren Gesicht im Kampf entstellt wurde. Seither trägt der finstere Eulerich eine Eisenmaske und lässt sich von seinen Anhängern als „Hoher Tyto“ anbeten. Anschließend finden die Freunde aber auch noch etwas Beunruhigendes über ihren verschwundenen Lehrer Ezylryb heraus, das sie verwirrt.

Es verhärtet sich der Verdacht, dass Ezylryb vielleicht vom Eisenschnabel gefangen gehalten wird. Ezylrybs Nesthälterin Oktavia erzählt den vier Freunden vom großen Eulenkrieg und der wichtigen Rolle des Lehrers darin. Eisenschnabels Ziel ist es, die Herrschaft über das gesamte Eulenreich zu übernehmen – und die Eulenritter müssen das verhindern …

_Fünfzehn Bände hat Kathryn Lasky_ über die Abenteuer der Eulenritter von Ga’Hoole geschrieben, nur die ersten drei haben es bisher nach Deutschland geschafft – doch auch als Trilogie hinterlässt die Reihe beim Leser einen runden Eindruck.

Nachdem sich die vier jungen Eulen Soren, Gylfie, Morgengrau und Digger im zweiten Band in Ga’Hoole einlebten und in verschiedenen Brigaden geschult wurden, haben sie sich im dritten Band bereits zu geschickten Mitgliedern des Eulenritter-Ordens gemausert. Ihre Sorge gilt nach wie dem verschwundenen weisen Lehrer Ezylryb und noch haben sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er nicht tot ist, sondern gefangen gehalten wird. Eine geheimnisvolle Freie Schmiedin bringt sie auf die Spur von „Eisenschnabel“ und die Blindschlange Oktavia enthüllt Ezylrybs bewegende Vergangenheit. Es kommt zu einem entscheidenden Kampf, in dem, die Jungeulen beweisen müssen, dass sie in den vergangenen Monaten viel gelernt haben. Zudem erfährt Soren in diesem Band endlich Näheres zum Schicksal seiner Eltern, die er im Gegensatz zu seiner kleinen Schwester Eglantine bisher nicht wiedergefunden hat – diese Erfahrung ist zwar an sich vor allem traurig, aber auf eine Weise auch tröstlich.

Die Hauptcharaktere erfahren in diesem Band im Gegensatz zum vorherigen keine nennenswerte Wandlung mehr. Soren ist der Entschlossenste der Truppe, der im Fokus der Handlung steht, stets etwas nachdenklich und manchmal gar melancholisch. Gylfie ist nach wie vor seine engste Vertraute, neben seiner Nesthälterin Mrs. Plithiver, der gewissenhaften Blindschlange, die kaum von seiner Seite weicht. Morgengrau ist nach wie vor der stürmische Draufgänger, der einen Kampf kaum erwarten kann und der kleine Höhlenkauz Digger beweist ein ums andere Mal, dass man sich auf ihn verlassen kann. Die besserwisserische Otulissa, die bereits im vorherigen Band durchschimmern ließ, dass auch sie sensible Seiten besitzt, ist auch hier nicht mehr nur die nervtötende Streberin vom Anfang, sondern zeigt Profil, wenn es nötig ist – auch wenn es vor allem zwischen ihr und Morgengrau immer wieder zu spitzen Dialogen kommt. Die Einblicke in Ezylrybs Vergangenheit sind sehr spannend und gleichzeitig bewegend; die Freunde erfahren nicht nur, wie er einst seine Zehe verloren hat, sondern auch, wie sein Leben vor der Lehrerzeit in Ga’Hoole aussah, was einige Überraschungen mit sich bringt.
Zu bemängeln gibt es erneut wenig. Leider ist das Ende nicht so abgeschlossen, wie man es bei einer Trilogie normalerweise erwarten kann, da im Original bereits fünfzehn Bände erschienen sind, die Eulensaga also noch längst nicht zu Ende ist – auf Deutsch sind aber bislang nur diese drei Bände erschienen. Zum anderen hält der Schluss eine kleine Pointe bereit, die der Leser aber bereits schon recht früh ahnt, sodass er längst nicht so überrascht ist wie die Figuren selbst. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist nach wie vor das Zusammenspiel aus realistischem Verhalten der Eulen einerseits und zahlreichen Informationen zu ihrem tatsächlichen Leben in der Wildnis – und andererseits ihren teils doch sehr menschlichen Verhaltensweisen. Die Eulen lesen eifrig Bücher, schmieden sich Waffen und Schutzgegenstände und spielen Musikinstrumente, was manchmal ein bisschen zu viel des Guten zu sein scheint.

_Als Fazit_ bleibt insgesamt ein zufriedenstellendes (vorläufiges) Ende für Leser ab etwa zehn Jahren. Die Handlung ist kurzweilig, spannend und mit interessanten Charakteren ausgestattet, allerdings darf man keinen alles klärenden Schluss erwarten, da die Reihe im Original noch längst nicht beendet ist.

_Die Autorin_ Kathryn Lasky, Jahrgang 1944 und aufgewachsen in Indianapolis, arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie verfasste eine Reihe von Sachbüchern für Kinder, Bilderbüchern, „The Royal Diaries“ und die fünfzehnbändige Eulen-Reihe, deren ersten drei Teile auf Deutsch erschienen.

|Hardcover: 223 Seiten
Originaltitel: Guardians of Ga’Hoole: The Rescue
ISBN-13: 978-3473368099|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de
[www.kathrynlasky.com]http://www.kathrynlasky.com

Lasky, Kathryn – Wanderschaft, Die (Die Legende der Wächter 2)

_|Die Legende der Wächter|:_

Band 1: [„Die Entführung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6800
Band 2: _“Die Wanderschaft“_
Band 3: „Die Rettung“
Band 4: „Die Belagerung“ (erscheint am 26.05.2011)
Band 5: „The Shattering“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: „The Burning“ (noch ohne dt. Titel)
Band 7: „The Hatchling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 8: „The Outcast“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „The First Collier“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „The Coming of Hoole“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „To Be a King“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „The Golden Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „The River of Wind“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Exile“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „The War of the Ember“ (noch ohne dt. Titel)

außerdem erschienen:

„A Guide Book to the Great Tree“
„Lost Tales of Ga’Hoole“

_Vorgeschichte:_ Die Schleiereule Soren und die Elfenkäuzin Gylfie wurden als flugunfähige Küken entführt und als angebliche Waisenkinder in die Eulenakademie St. Ägolius gebracht. Hier werden tausende Eulenkinder gefügig gemacht und zu willenlosen Dienern herangezogen. Soren und Gylfie gelingt die Flucht, auf der sie mit dem Bartkauz Morgengrau und dem Höhlenkauz Digger noch zwei weitere junge Eulen treffen. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem Baum von Ga’Hoole, wo nach der Legende die edlen Eulenritter leben, denen sie sich anschließen wollen …

Soren, Gylfie, Morgengrau, Digger und Sorens Nesthälterin Mrs. Plithiver haben einige Abenteuer zu überstehen auf ihrer Suche nach dem Baum von Ga’Hoole. Nachdem Sorens Freunde schon beinah aufgeben wollen, kommen sie endlich an ihr Ziel, die Schule der Eulenritter. Nach einem zunächst misstrauischen Empfang werden sie aufgenommen.

Hier werden die Jungeulen in verschiedene Brigaden eingeteilt und lernen alle möglichen Flug- und Kampfkünste. Soren und seine Freunde sind Feuer und Flamme für ihre neuen Aufgaben – allerdings erfahren sie auch, dass es offenbar noch eine größere Gefahr gibt als die Eulen von Sankt Ägolius. Auf einem der Kontrollflüge durch den Sturm finden Sorens Freunde schließlich seine verschollene kleine Schwester Eglantine …

_Der zweite Band der Eulen-Reihe_, die in Deutschland bisher als Trilogie erschienen ist, schließt nahtlos an den ersten an. Die ersten Seiten wiederholen noch einmal grob die wichtigsten Ereignisse und machen es sogar möglich, den Band ohne den Vorgänger genießen zu können.

Weiter geht das Abenteuer auf der Suche nach dem Bund der Eulenritter, denen sich die vier Freunde anschließen wollen. Es braucht einige Kapitel, bis sie schließlich dort eintreffen, zuvor gilt es, einige schwierige Situationen zu meistern. Vor allem die geheimnisvollen Spiegelseen sorgen beinah dafür, dass die Mission abgebrochen wird – zu verführerisch ist die seltsame Macht, die von den Spiegelbildern der Seen ausgeht. Die Eulen verlieren, je länger sie sich dort aufhalten, immer mehr das Interesse daran, weiterzufliegen und umkreisen stattdessen immer wieder die gleiche Landschaft. Es braucht einige Überredungskraft von der energischen Blindschlange Mrs. Plithiver und Soren, um den gemeinsamen Weiterflug fortzusetzen. Als sie endlich bei den Eulenrittern ankommen, ist die Ernüchterung zunächst groß: Die vier jungen Eulen werden nicht sofort wie erhofft freudestrahlend in die Riege der Kämpfer für das Gute aufgenommen, sondern ihre Fähigkeiten werden zunächst einmal angezweifelt. Ihre Erfahrungen mit bisherigen Kämpfen werden als zu harmlos abgetan und sie merken, dass es erst einer langen und gründlichen Ausbildung bedarf, ehe sie wirklich mitkämpfen dürfen. Die verschiedenen Abteilungen wie Glutsammler-, Wetter-, Navigations-, Kundschafter oder Rettungsbrigade fordern ihren Schülern vieles ab und sorgen für viele aufregende Szenen. Der Band endet mit einem beinah Cliffhanger zu nennenden Schluss, der den Leser dazu bringt, sich sofort dem Nachfolger zuzuwenden – denn gilt herauszufinden, was mit einer verschwundenen Eule geschehen ist und was mit den wirren Äußerungen über „Tyto“ auf sich hat, die Sorens Schwester Eglantine und andere gerettete Eulenkinder von sich geben.

Der neue Band bringt auch neue Charaktere mit sich. Zu den Markantesten gehört der Kreischeulerich Ezylryb, ein raubeiniger Veteran, um dessen missgestalteten Fuß sich allerlei Gerüchte ranken. Ezylryb ist ihr Ausbilder, ein äußerst belesener und meist wortkarger Geselle, dessen Blick aber nichts entgeht. Die jungen Eulen fühlen sich in seiner Gegenwart zunächst vor allem eingeschüchtert, erkennen aber bald, dass es keinen besseren Lehrer als ihn geben kann. Eine andere gelungene Figur ist die streberhafte Fleckenkäuzin Otulissa, die Harry-Potter-Leser stark an Hermine erinnern dürfte. Otulissa ist ständig darauf bedacht, sich im Unterricht hervorzutun, hält gewissenhaft alle Regeln ein und geht den anderen Eulenkindern meist gehörig auf die Nerven – aber am Ende zeigt sich, dass sie auch ihre liebenswerten Seiten hat. Gelungen ist auch der leutselige Schmied Bubo und die mondäne Sängerin und Harfenspielerin Madame Plonk, die ein Buch über ihre zahlreichen Liebschaften herausgebracht hat. Wie Verschiedenheit der ganzen Figuren sorgt auch immer wieder für amüsante und kindgerecht lustige Momente.

Wie auch beim ersten Band gibt es hier nur wenig zu kritisieren. Etwas nervig ist der gern verwendete Ausdruck „gaga“ für ein seltsames Verhalten, der zu kindisch und salopp wirkt, zumal nicht nur Soren, sondern auch erwachsene Eulen ihn verwenden. Nicht so schön ist außerdem, dass andere Vogelarten gegenüber den Eulen schlecht wegkommen. Möwen und Krähen werden beispielsweise als reichlich dumm beschrieben, dabei gelten gerade Krähen als mit die intelligentesten Vögel. Etwas zwiespältig ist auch die Vermischung von Vermenschlichung und realistischer Darstellung. Einerseits erfährt man einiges über die tatsächliche Lebensweise der Eulen, über ihre Nahrung und Verdauung, ihre Entwicklung und ihre Flugtechniken. Andererseits fertigen die Eulen hier aus Eisen Gegenstände an, lesen Bücher und spielen Musik; gerade bei der Schmiedekunst fragt man sich, wie sie das anatomisch wohl bewerkstelligen. Geschmackssache ist sicherlich auch die militärische Komponente, auch wenn die Eulenritter eine Armee zum Kampf für das Gute darstellen, ist es beispielsweise ein bisschen zweifelhaft, wie sehr der Bartkauz Morgengrau darauf brennt, endlich die eisernen Kampfkrallen anlegen zu dürfen, mit denen Gegner getötet werden können.

_Als Fazit_ bleibt eine gute Fortsetzung des Eulen-Abenteuers mit viel Spannung, interessanten Charakteren und einer abwechslungsreichen Handlung. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten ein guter Fantasyroman für Kinder ab etwa zehn Jahren.

_Die Autorin_ Kathryn Lasky, Jahrgang 1944 und aufgewachsen in Indianapolis, arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie verfasste eine Reihe von Sachbüchern für Kinder, Bilderbüchern, „The Royal Diaries“ und die fünfzehnbändige Eulen-Reihe, deren ersten drei Teile auf Deutsch erschienen.

|Hardcover: 280 Seiten
Originaltitel: Guardians of Ga’Hoole: The Journey
ISBN-13: 978-3473368082|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de
[www.kathrynlasky.com]http://www.kathrynlasky.com

Lasky, Kathryn – Entführung, Die (Die Legende der Wächter 1)

_|Die Legende der Wächter|:_

Band 1: _“Die Entführung“_
Band 2: „Die Wanderschaft“
Band 3: „Die Rettung“
Band 4: „Die Belagerung“ (erscheint am 26.05.2011)
Band 5: „The Shattering“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: „The Burning“ (noch ohne dt. Titel)
Band 7: „The Hatchling“ (noch ohne dt. Titel)
Band 8: „The Outcast“ (noch ohne dt. Titel)
Band 9: „The First Collier“ (noch ohne dt. Titel)
Band 10: „The Coming of Hoole“ (noch ohne dt. Titel)
Band 11: „To Be a King“ (noch ohne dt. Titel)
Band 12: „The Golden Tree“ (noch ohne dt. Titel)
Band 13: „The River of Wind“ (noch ohne dt. Titel)
Band 14: „Exile“ (noch ohne dt. Titel)
Band 15: „The War of the Ember“ (noch ohne dt. Titel)

außerdem erschienen:

„A Guide Book to the Great Tree“
„Lost Tales of Ga’Hoole“

Die kleine Schleiereule Soren lebt mit seinen Eltern, dem älteren Bruder Kludd und der frisch geschlüpften Schwester Eglantine im Reich Tyto. Abgesehen davon, dass Bruder Kludd immer recht hinterhältig ist, fühlt sich Soren hier glücklich. Noch ist er flugunfähig, stark auf seine Eltern angewiesen und darf das Nest nicht verlassen.

Eines Nachts fällt er aus dem Nest, während die Eltern ausgeflogen sind. Ehe er gerettet wird, greift ihn eine riesige Eule und bringt ihn weit fort, ins Eulenwaisenhaus Sankt Ägolius. Hier trifft Soren zahlreiche andere Eulenkinder, die wie er entführt wurden. Den kleinen Eulen stehen harte Arbeit und eine Ausbildung zu düsteren Zwecken bevor: Sie sollen willenlos gemacht werden, um sich dem Regime kampflos unterzuordnen.

Soren und seine neue Freundin, die Elfenkäuzin Gylfie, wollen aber nicht aufgeben. Gemeinsam gelingt es ihnen, sich der Kraft der wirr machenden Mondstrahlen zu unterziehen und sich einen wachen Geist zu bewahren. Auch die Legenden über die Eulenritter vom Königreich Ga’Hoole, die sie von ihren Eltern kennen, machen ihnen Mut. Sie hoffen auf eine günstige Gelegenheit, um zu fliehen …

_Eulen als Hauptfiguren_ in einer Fantasyreihe – warum nicht, wenn die Helden so liebenswerte Charaktere wie Soren und Gylfie sind. Der erste Band der Reihe, die es mittlerweile auch auf die Kinoleinwand geschafft hat, versteht es, kleine und große Leser ab etwa zehn Jahren zu verzaubern und sich von dem Abenteuer der kleinen Eulen fesseln zu lassen.

Protagonist Soren ist wenige Wochen alt, als er entführt und in ein spektakuläres Schicksal getaucht wird. Der winzige Schleiereulerich mausert sich in den nächsten Wochen und Monaten zu einem tapferen Eulenkind, das nichts unversucht lässt, um sich dem Regime zu entziehen. Zusammen mit der ein wenig älteren, aber dafür kleineren Elfenkäuzin Gylfie bildet er ein mutiges Gespann, dem man als Leser gerne das Beste wünscht. Soren ist vor allem zu Anfang ein bisschen naiv, sehr gutgläubig, etwas schüchtern und neigt dazu, leicht zu verzagen. Dagegen ist Gylfie ein energisches Eulenmädchen, das wilde Entschlossenheit zeigt und gerne die Führung übernimmt. Die beiden ergänzen sich gut und jeder für sich ist heilfroh, wenigstens einen Verbündeten gefunden zu haben. Weitere gelungene Charaktere sind das emsige Fleckenkauzmädchen Hortense, das die beiden Freunde zunächst nicht recht einschätzen können, die liebevolle Blindschlange Mrs. Plithiver, die bei Sorens Familie als Nesthälterin für Sauberkeit sorgte, der undurchschaubare Aufseher Grimbel, der möglicherweise auf ihrer Seite sein könnte und später noch der draufgängerische Bartkauz Morgengrau.

Auch wenn hier niedliche Eulenkinder die Hauptrolle spielen, ist der Roman keineswegs ein harmloses Märchen. Die Handlung entpuppt sich als wechselhaftes Fantasy-Abenteuer, in dem Gut und Böse einen heftigen Kampf ausfechten. Einige liebgewonnene Charaktere müssen im Laufe der Geschichte ihr Leben lassen, was bereits zeigt, dass man hier mit vielem rechnen muss, auch wenn sich natürlich alle Schilderungen im kindgerechten Rahmen bewegen. Das Eulenwaisenhaus Sankt Ägolius sammelte hunderte von vermeintlichen Waisenkindern, die zu willenlosen Sklaven herangezogen werden sollen. Die Strahlen des Mondes, das Ansprechen mit einer Nummer statt mit Namen und stundenlange Märsche sollen sie „mondwirr“ machen und ihren Verstand brechen, jegliche Fragen sind verboten und werden hart bestraft und vor den ersten Flugversuchen sorgen Fledermäuse dafür, dass die Kleinen dank Blutarmut zu schwach sind, um einen solchen Kraftakt zu vollbringen. Soren und Gylfie finden heraus, dass der Gedanke an die Legenden von Ga’Hoole und dem Eulenbund Glaux sie davon abhalten, mondwirr zu werden und sie geistig wach halten. Gegenüber den Aufseher müssen sie sich rund um die Uhr wie all die anderen Eulenkinder verhalten, die mechanisch sprechen, Befehle ausführen, ohne zu fragen und wie Schlafwandler durch die Gegend laufen. Insgeheim aber planen die beiden Rebellen ihre Flucht. Dafür müssen sie vor dem ersten Blutsaugen davonfliegen, denn danach werden sie zu schwach dafür sein. Immer wieder geraten sie in brenzlige Situationen und die Handlung bleibt bis zur letzten Seite spannend. Das düstere Waisenhaus, die dramatische Flucht und die langen Mondnächte verbreiten eine magische Atmosphäre und das Ende ist zwar gezwungenermaßen offen, da der zweite Teil direkt anschließt, aber ohne Cliffhanger, sodass man den ersten Teil des Abenteuers erst einmal sacken lassen kann – und sich auf den nächsten Band zu freuen, der die Legende um Ga’Hoole vertiefen wird.

Die Eulen werden in der Geschichte natürlich erheblich vermenschlicht, sowohl was Mimik als auch Gefühle betrifft. Trotzdem werden immer wieder Informationen über ihre Spezies eingeflochten. Kinder lernen beim Lesen ein wenig über die Aufzucht und das Heranwachsen von Eulenküken, über die verschiedenen Arten von Schleiereule über Raufußkauz bis hin zur Schneeeule, über ihr verschiedenes Aussehen oder die Nahrungsgewohnheiten. Das alles geschieht immer wie nebenbei, ohne dass man je das Gefühl hätte, belehrt zu werden, zeitweise ist es auch sehr lustig, wenn etwa von den ersten Stationen „Erste-Knochen“, „Erstes Fleisch“ und „Erstes-Fell“ eines Kükens oder von typischen Eulenschimpfwörter wie „Waschbärkacke!“ die Rede ist. Die Vermenschlichung wurde vielleicht an manchen Stellen übertrieben, etwas nervig ist außerdem die öfter auftauchende Formulierung „Bist du gaga?“, die zu salopp für den restlichen Stil des Buches ist. Zudem ist es bei einer Figur etwas zu unlogisch, wie schnell Gylfie merkt, dass sie hier einen Verbündeten vor sich haben, ein paar mehr Hinweise wären schön gewesen, um es realistischer zu machen, dass sie es riskiert, denjenigen direkt anzusprechen. Davon abgesehen gibt es aber so gut wie nichts zu bemängeln. Sehr schön ist auch das Personenverzeichnis am Schluss, das die wichtigsten Charaktere nochmal aufführt.

_Unterm Strich_ ist es der spannende und sehr unterhaltsame erste Teil einer Fantasy-Trilogie für Kinder ab etwa zehn Jahren. Eulen als Charaktere sind originell gewählt, der Leser erfährt einiges über ihre Lebensweise und die Handlung besticht durch Atmosphäre. Ein sehr lesenswertes Abenteuer für alle, die märchenhafte Gut-gegen-Böse-Geschichten im Stil von Harry Potter und Co. mögen.

_Die Autorin_ Kathryn Lasky, Jahrgang 1944 und aufgewachsen in Indianapolis, arbeitete zunächst als Lehrerin, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie verfasste eine Reihe von Sachbüchern für Kinder, Bilderbüchern, „The Royal Diaries“ und die fünfzehnbändige Eulen-Reihe, deren ersten drei Teile auf Deutsch erschienen.

|Hardcover: 288 Seiten
Originaltitel: Guardians of Ga’Hoole: The Capture
ISBN-13: 978-3473368075|
[www.ravensburger.de]http://www.ravensburger.de
[www.kathrynlasky.com]http://www.kathrynlasky.com

Hammer, Agnes – Dorfbeben

Wegen seines überempfindlichen Gehörs lebt der neunzehnjährige Mattes nicht mehr in der Großstadt Köln, sondern bei seiner Oma und seiner jungen unkonventionellen Tante Lena auf dem Dorf. Nach einem Klinikaufenthalt findet er hier im ländlichen Auroth die nötige Ruhe. Nebenbei spielt er in seiner Band Keyboard, schwärmt für die Bassistin Vane, schreibt melancholische Lieder und verdient sich etwas Geld beim Orgel spielen.

In diesem dörflichen Alltag geschieht plötzlich ein Mord. Mitten auf dem Gemeindeausflug wird während einer Chorprobe Mattes Nachbar, der angesehene Jakob Bähner, erstochen aufgefunden. Verdächtigt wird zunächst der jähzornige Busfahrer Bruno, der Jakob gefunden hat, aber ein klares Motiv gibt es nicht; die Ermittlungen laufen schleppend an, denn die Dorfbewohner verschließen sich gegenüber der Polizei.

Wenig später entdeckt Mattes auf dem Probenmitschnitt Stimmen, die auf den Mörder hinzuweisen scheinen. Zusammen mit der ebenfalls hörbegabten Lena, die bereits als forensische Sprachanalytikerin für die Polizei arbeitete, kommt er der Aufklärung immer näher. Die beiden stoßen auf jahrzehntealte Geheimnisse hinter der Dorfidylle und geraten bei ihren Nachforschungen in Lebensgefahr …

_Ein Mord in der biederen Dorfidylle_ und dunkle Geheimnisse aus der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart ihre Schatten werfen, sind althergebrachte Zutaten für einen Krimi. Dass sich Agnes Hammers „Dorfbeben“ trotz dieses konventionellen Settings als mehr als souveräner Kriminalroman erweist, liegt vor allem den originellen Protagonisten, allen voran das Gespann Mattes und Lena.

Mattes ist ein ungewöhnlicher Neunzehnjähriger, der nach seinem Zusammenbruch Ruhe braucht und dem sein übersensibles Gehör ständig Streiche spielt. Seit ein paar Jahren lebt er auf dem Dorf, ohne rechte Zukunftsperspektive, verdient sich ein Taschengeld mit der Musik und fühlt sich meist als Versager. Die nur wenige Jahre ältere Lena bildet eine gelungene Ergänzung: Ihren Job bei der Polizei verlor sie, nachdem sich herausstellte, dass ihre Analysen fast ausschließlich auf ihrem Gehör statt auf nachweisbarem Computermaterial beruhten. Während ihre Mutter sich um ihre Zukunft sorgt, präsentiert sich Lena als unbekümmerte, spontane junge Frau, die gerne unkonventionelle Wege einschlägt. Trotz ihrer gegensätzlichen Art verstehen sich Mattes und Lena wunderbar, nicht nur das akustische Talent eint sie. Auf unterschiedliche Arten sind sie beide Außenseiter, misstrauisch beäugt von manchen, ruhelos mit einem ungeraden Lebensweg. Andere wichtige Personen in Mattes‘ Umfeld sind vor allem die ruhige Bassistin Vane, für die er insgeheim alle Liebeslieder schreibt und der gutmütige Priester Achim, dem er sein Wissen über Musik verdankt. Die weiteren Dorfbewohner sind eine reizvolle Mischung aus verschrobenen und eigenbrötlerischen Charakteren – der trunksüchtige Bruno, die Klatschtanten Elli und Martha, die gouvernantenhafte Irmgard. Die Autorin zeichnet ein in vielen Szenen amüsantes Bild von der Dorfgemeinschaft, das nach dem Mord auch bedrohliche Züge einer verschlossenen Gemeinschaft erhält.

Sind die Dorfbewohner anfangs noch vor allem liebenswert und amüsant, kristallisiert sich bald heraus, dass einer für einen Mord verantwortlich sein muss. Die Polizei stößt auf Schweigen, ausgerechnet der jähzornige Bruno, den man sich am ehesten als Täter vorstellen kann, scheint unschuldig zu sein. Sowohl Mattes als auch Lena fühlen sich gedrängt, zur Aufklärung beizutragen. Der Mitschnitt der Chorprobe zur Zeit des Mordes enthüllt Wortfetzen, die möglicherweise einen Schlüssel zu den Hintergründen bieten. Es ist nur ein Strohhalm, an den sich Mattes und Lena klammern, doch sie verfolgen ihre Spur beharrlich weiter. Drohbriefe und eine tote Katze lassen sie nicht davon abbringen, sondern ermutigen sie nur in ihren Nachforschungen. Sie stoßen dabei auf gut gehütete Geheimnisse, auf einen mysteriösen Todesfall und eine Vergangenheit mancher Dorfbewohner, die bis ins Dritte Reich und die Zeit der Konzentrationslager zurückführt. Der Leser erhält zusätzlichen Aufschluss durch kurze Rückblenden, die schlaglichtartig einzelne Szenen aus der Vergangenheit erhellen. Was anfangs noch zusammenhanglos zu Gegenwart wirkt, ergibt allmählich einen immer deutlicheren Sinn.

Zu kritisieren gibt es an diesem Roman wenig; die Bezeichnung „Thriller“ auf dem Cover lässt vielleicht andere Erwartungen zu: Über weite Strecken bewegt sich die Handlung in gemächlichen Gefilden, erst gegen Schluss überstürzten sich die Ereignisse und hält thrillertypische Dramatik Einzug. Es dominieren vorwiegend die leisen Töne, wer sich ständig neue Wendungen erhofft, wird unter Umständen enttäuscht. Das Ende kommt vielleicht ein bisschen zu kurz und an manche Informationen gerät Mattes ein bisschen zu zufällig, aber insgesamt gibt es kaum nennenswerte Kritikpunkte.

_Als Fazit_ bleibt ein leiser Dorfthriller mit interessanten Hauptfiguren, der durchweg gut unterhält und sich leicht lesen lässt. Die Atmosphäre wird gut eingefangen und wer ruhige Romane schätzt, ist bei kaum nennenswerten Kritikpunkten mit diesem Werk gut beraten.

_Die Autorin_ Agnes Hammer, Jahrgang 1970, wuchs im Westerwald auf und studierte anschließend Germanistik und Philosophie. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin arbeitete sie in einer Einrichtung für sozial benachteiligte Jugendliche. Weitere Werke sind „Herz, klopf“ und „Bewegliche Ziele“.

|Taschenbuch: 277 Seiten
ISBN-13: 978-3839001196|
[www.script5.de]http://www.script5.de

Neeb, Ursula – Madame empfängt

_Frankfurt, 1836: Das_ junge Dienstmädchen Gerlinde Dietz fällt einem grausamen Giftmord zum Opfer. Da die junge Mutter nebenbei heimlich als Dirne arbeitete, verfolgt die Polizei den Fall nur mit sehr mäßigem Interesse. Bald geschehen weitere Morde nach dem gleichen Schema. Hinweise von Augenzeugen deuten darauf hin, dass der Täter aus der gehobenen Gesellschaft entstammt, aber Behörden wie auch Presse verurteilen eher das verwerfliche Leben der Opfer.

Die Dichterin Sidonie Weiß, Anfang Fünfzig und unverheiratet, ist empört über die nachlässigen Ermittlungen und die Verurteilungen. Zusammen mit ihrem Jugendfreund, dem Lebemann Johann Konrad Friedrich, und dem befreundeten Leicheninspektor Heinrich Hoffmann stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an.

Sidonie lässt sich bei ihren Ermittlungen weder von Behörden noch von der feinen Gesellschaft abhalten. Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht sie, den Giftmörder zu fassen, recherchiert in Frankfurts Halbwelt und gerät dabei immer weiter selbst in Gefahr …

_Die schönen und_ die düsteren Seiten des biedermeierlichen Frankfurt erleben Leser in diesem Historienkrimi, der vor allem durch gelungene Charakterzeichnung besticht.

Sidonie Weiß ist die fiktive Dichterin, die man schon bald nach dem Kennenlernen ins Herz geschlossen hat. Ein kluges Fräulein mit auffälligen roten Locken, das einerseits romantische Gedichte und andererseits schauerliche Romane schreibt, die in der Frankfurter Gesellschaft weggehen wie warme Semmeln. Sidonie hadert nicht damit, niemals eine Beziehung geführt zu haben, sondern begegnet ihrem Status mit selbstironischem Spott. Sie ist eine tapfere Frau, die sich der Gerechtigkeit verschrieben hat, großherzig und scharfsinnig zugleich, ohne dabei auf Standesunterschiede zu achten. Dass auch sie ihre melancholischen Seiten hat, wird angedeutet, als die Rede auf den Dichter Friedrich Hölderlin kommt – ein ehemaliger Geliebter ihrer vestorbenen Schwester, dem einst ihr Herz gehörte, was aber immer eine unausgesprochene Sehnsucht blieb. Ihr Jugendfreund Johann Konrad Friedrich, übrigens auch eine historische, wenngleich heute fast vergessene Figur, bildet die passende Ergänzung – ein charmanter Lebemann, der sich einst in der Armee hervor tat und Frauenherzen brach, ehe er sich nun auf seine alten Tage ein ruhiges Leben gönnt. Sidonies detektivischen Ermittlungen begegnet er anfangs eher mit leisem Spott, unterstützt seine Freundin dann aber, wobei es jedoch immer wieder zu Zwistigkeiten zwischen ihnen kommt – denn Sidonie geht viel zu gerne Risiken ein.

Realität und Fiktion mischen sich auch in der Gestalt des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Jener Dr. Hoffmann, der heute vor allem als Verfasser des „Struwwelpeters“ bekannt ist, erscheint hier als besonders liebenswerte Gestalt – ein Gelehrter, der seiner Zeit voraus ist und sich sehr für die bessere Behandlung der Geisteskranken einsetzt und zugleich seine Umwelt durch seltsamen Humor düpiert – einer seiner Spleens ist es, Vereinigungen für Freigeister wie seinesgleichen zu gründen, denen er absurde Namen gibt wie die „Tutti Frutti und ihre Bäder am Ganges“. Sein Kollege Dr. Varrentrapp erklärt dem barschen Oberinspektor Brand fröhlich, dass sich jedes Mitglied nach einer Frucht benennen muss, er selbst sei die Himbeere, Hoffmann die Mirabelle und er fragt den verdutzten Inspektor, ob er nicht auch Interesse daran habe. Weitere interessante Nebenfiguren sind der transsexuelle Fridolin Brack, der gerne als „Fräulein Rosalind“ leben würde, der Obergendarm Max Wilde, der deutlich vernünftiger und zugänglicher als sein Vorgesetzter agiert, die sechzehnjährige Prostituierte Thekla, der Sidonie gerne helfen möchte und nicht zuletzt die strenge „Miss“, die begehrte Domina aus Madam Zinks Bordell.

Immer wieder gewährt der Roman kleine Einblicke in die zeitgenössischen Umstände, angefangen von der Polizeiarbeit über die gesellschaftlichen Konventionen bis hin zur Krankenbehandlung. Besonders reizvoll ist das Spannungsverhältnis zwischen der teilweise versnobten Oberschicht und ihrer dunklen Geheimnisse, denen Sidonie auf den Grund geht. Bei all diesen Aspekten geht die Kriminalhandlung aber zeitweise ein wenig unter. Lange Zeit beschränken sich Sidonies Ermittlungen auf Befragungen und obwohl sie dem Täter auf die Schliche kommt, wird er schließlich ohne ihr Zutun endgültig überführt, was etwas enttäuschend ist nach all der Mühe. Etwas zwiespältig ist der Epilog: Bei den meisten Figuren ist es interessant, dass noch ein paar Sätze zu ihrem weiteren Lebensweg fallen, teilweise, auch bei Sidonie, sind es aber gravierende Ereignisse, die mehr Raum als diese paar Zeilen verdient hätten. Zudem nehmen sie wohl auch die Hoffnung auf eine Fortsetzung, was doppelt schade ist, denn von der eigensinnigen Sidonie würde man gerne noch mehr lesen.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Historienkrimi mit sehr sympathischer Hauptfigur und interessanten Nebenfiguren. Die Geschichte ist atmosphärisch und gibt ein anschauliches Porträt der Biedermeierzeit wieder. Die Kriminalhandlung verläuft teilweise ein klein wenig schleppend und die Auflösung könnte noch besser konstruiert sein, was den Gesamteindruck aber nur wenig schmälert.

_Die Autorin_ Ursula Neeb, geboren 1957, studierte Kulturwissenschaften, Geschichte und Soziologie und lebte heute als freie Autorin und Archivarin. Sie verfasste einige Essays und ein Sachbuch, ehe 2006 ihr Debütroman „Die Siechenmagd“ erschien. Ihr nächstes Werk war „Der Wundermann“; „Madame empfängt“ ist ihr dritter Roman.

|Broschiert: 419 Seiten
Originalausgabe
ISBN-13: 978-3839210505|
http://www.gmeiner-verlag.de/

Leseprobe zu »Die Bestie von Florenz«

… Spezis Überlegungen wurden von der Ankunft von Hauptkommissar Sandro Federico unterbrochen, der in Begleitung eines Staatsanwaltes namens Adolfo Izzo und den Leuten von der Spurensicherung erschien. Federico hatte die typisch römische, lockere Art und gab sich stets nonchalant und leicht amüsiert. Izzo hingegen war auf seinem ersten Posten und erschien gespannt wie eine Feder. Er sprang aus dem Streifenwagen und stürzte auf Spezi los. „Was haben Sie hier zu suchen?“, fragte er zornig.

„Ich arbeite.“

„Sie müssen den Tatort auf der Stelle verlassen. Sie können hier nicht herumstehen.“

„Schon gut, schon gut …“ Spezi hatte alles gesehen, was er sehen wollte. Er steckte Stift und Notizbuch ein, stieg in seinen Wagen und fuhr zurück zum Polizeipräsidium. Im Flur vor Cimminos Büro lief er einem Wachtmeister über den Weg, den er gut kannte; sie hatten sich hin und wieder einen Gefallen erwiesen. Der Polizist zog ein Foto aus der Tasche und hielt es ihm hin. „Wollen Sie es haben?“

Das Foto zeigte die beiden Opfer lebendig, Arm in Arm auf einer niedrigen Mauer sitzend.

Soezi nahm es. „Ich bringe es später am Nachmittag wieder zurück, wenn wir es kopiert haben.“

Cimmino nannte Spezi die Namen der beiden Opfer: Carmela De Nuccio, einundzwanzig Jahre alt, hatte für das Modehaus Gucci in Florenz gearbeitet. Der Mann hießt Giovanni Focci, war dreißig Jahre alt und Angestellter des örtlichen Stromversorgers. Die beiden waren verlobt. Ein Polizist, der an seinem freien Tag einen Sonntagsspaziergang in den Hügeln gemacht hatte, hatte die beiden um halb elf gefunden. Das Verbrechen war kurz vor Mitternacht geschehen, und es gab gewissermaßen einen Zeugen dafür: einen Bauern, der auf der anderen Straßenseite wohnte. Er hatte John Lennons „Imagine“ aus einem Auto gehört, das auf den Feldern geparkt war. Der Song war mittendrin plötzlich abgebrochen. Er hatte keine Schüsse gehört. Die Schüsse waren aus einer Pistole abgefeuert worden – die zurückgebliebenen Hülsen gehörten zu Geschossen der Winchester Serie H, Kaliber 22. Cimmino sagte, die beiden Opfer seien sauber und hätten keine Feinde, bis auf den Mann, den Carmela verlassen hatte, als sie Giovanni kennengelernt hatte.

„Es ist beängstigend“, sagte Spezi zu ihm. „Ich habe so etwas hier in der Gegend noch nie gesehen … Und wenn man erst daran denkt, was die Tiere mit ihr gemacht -“

„Welche Tiere?“, unterbrach ihn Cimmino.

„Die Tiere, die in der Nacht an der Leiche waren … die das Mädchen so verstümmelt haben … zwischen den Beinen.“

Cimmino starrte ihn an. „Tiere, von wegen! Der Mörder hat das getan.“

Spezi wurde eiskalt. „Der Mörder? Was hat er getan, auf sie eingestochen?“

Kommissar Cimmino antwortete ihm in besonders nüchternem Tonfall, vielleicht seine Art, das Grauen zurückzudrängen. „Nein, er hat nicht auf sie eingestochen. Er hat ihr die Vulva herausgeschnitten … und sie mitgenommen.“

Spezi verstand nicht sofort. „Er hat ihre Vulva mitgenommen? Wohin?“ Sobald er die Frage ausgesprochen hatte, wurde ihm klar, wie dumm sie sich anhörte.

„Sie ist einfach nicht mehr da. Er hat sie eben mitgenommen.“

|[Leseprobe]http://www.droemer-knaur.de/sixcms/media.php/201/LP__Die__Bestie__von__Florenz.pdf der ersten 17 Buchseiten als pdf-Datei|
http://www.prestonchild.de
http://www.knaur.de

Sardou, Romain – Advocatus Diaboli

1288, im südfranzösischen Dorf Cantimpré: Während Pater Guillem Aba gerade die Dorfkinder unterrichtet, stürmt ein Trupp schwarz gekleideter Männer in das Pfarrhaus, tötet einen Jungen, verletzt den Pater schwer und entführt den kleinen Perrot, von dem nur der Pater und die Mutter des Kindes wissen, dass er die Fähigkeit besitzt, andere zu heilen. Kaum hat sich Pater Aba von seinen schlimmsten Wunden erholt, macht er sich auf die Suche nach den Tätern und findet heraus, dass Perrot nur eines von vielen entführten Kindern in der Gegend ist.

In Rom führt zur gleichen Zeit ein junger Gelehrter einen Laden mit der Aufschrift „Benedetto hat auf alles eine Antwort“. Tatsächlich ist Benedetto Gui außergewöhnlich belesen, hat ein phänomenales Gedächtnis und hat bisher jedes Geheimnis entschlüsselt. Außerdem hat er ein Herz für die Armen, denen er gerne hilft.

Jetzt bittet ihn ein junges Mädchen, ihren siebzehnjährigen Bruder Rainero zu finden, der seit Tagen verschwunden ist. Rainero arbeitete im Lateranspalast für den Advocatus Diaboli – den Kirchenanwalt, der als kritische Instanz bei den Verfahren zur Heiligsprechung auftritt. Schon bald ahnt Benedetto, dass Rainero offenbar in eine groß angelegte Kirchenverschwörung geraten ist und dass es einen Zusammenhang zu den Kindesentführern gibt, die Pater Aba verfolgt …

_Schon sein Bestseller_ [„Das dreizehnte Dorf“ 276 spielte im 13. Jahrhundert, sodass Romain Sardou mit der Zeit des Hochmittelalters gut vertraut ist und mit einzelnen Orten und Personen eine Verbindung herstellt, auch wenn es sich um keine direkte Fortsetzung handelt.

|Spannung und Dramatik|

Kirchenverschwörungen sind ein dankbares Thema für Historienthriller und schon gleich zu Beginn wird der Leser mit der machtgierigen und verräterischen Welt des Vatikans konfrontiert. Die Handlung wechselt immer wieder zwischen zwei Strängen: Da ist einmal Benedetto Gui, der sich auf die Suche nach Rainero begibt und dabei den Intrigen des Laterans gefährlich nahe kommt. Sein Weg führt ihn in Skriptorien, zu hilfreichen Verbündeten, lässt ihn in Verkleidungen schlüpfen und immer wieder um sein Leben fürchten. Auch Pater Aba reist zeitweise inkognito und immer neue Enthüllungen verändern die Zusammenhänge. Die Geschichte spielt nicht nur in Rom und in Cantimpré, sondern auch durch Böhmen, Latium, Umbrien und Ancona, bis alle Fäden wieder in Rom zusammen laufen. Spannend sind vor allem die Fragen, ob Rainero noch am Leben ist, ob er fliehen musste oder beiseite geschafft wurde, ob Pater Aba den kleinen Perrot retten kann und was genau hinter der Entführung der Wunderkinder steckt. Mehrfach sterben Menschen, von denen es man nicht unbedingt erwartet hätte, sodass ein guter Ausgang nicht gewährleistet ist, und es gibt Wendungen, die manch einen Charakter als anders präsentieren, als man zunächst dachte. Interessant sind nicht nur die Machtspielchen der hohen Würdenträger, sondern auch die Thematiken rund um die Wunderkinder und um die Heiligenverehrung, die schon damals die Lager spalteten.

|Gelungene Charaktere|

Benedetto Gui ist die erste Hauptfigur des Romans und ein sehr sympathischer Zeitgenosse. Mit stoischer Gelassenheit kommt er jedem Rätsel auf die Spur und er genießt unter der Armenbevölkerung Roms eine ehrfürchtige Bewunderung. Er befasst sich hauptsächlich mit Testamentsstreitigkeiten, Verträgen mit für Laien undurchschaubaren Klauseln und verschlüsselten Nachrichten und komplizierten Übersetzungen, hat aber auch ein detektivisches Gespür. Bei all seiner Gelehrsamkeit besitzt er auch über eine gesunde Portion Humor, die ihn immer wieder zu augenzwinkernden Bemerkungen verleitet und den Leser rasch für ihn einnimmt. Lange Zeit im Dunkeln bleibt dagegen seine Vergangenheit, immer wieder nur vage angedeutet durch die Trauer über seine verstorbene Frau, der er immer noch treu ist und auch wenn man im weiteren Verlauf der Handlung ein bisschen mehr darüber erfährt, wird dieser Aspekt nie ausgiebig thematisiert. Mit seinem fofografischen Gedächtnis und seiner Kombinationsgabe, die ihn ausgerechnet beim wichtigsten Fall seines Lebens, der Aufklärung des Mordes an seiner Frau, im Stich lässt, erinnert er die Leser womöglich ein wenig an die Titelfigur der Krimiserie „Monk“, ohne allerdings über dessen Schrullen zu verfügen.

Ein gelungener Gegenpart zu ihm ist der Protagonist der Parallelhandlung, Pater Guillem Aba. Zu Beginn des Geschehens ist er ein beliebter Geistlicher von fast engelhafter Schönheit, dessen Leben sich binnen weniger Minuten schlagartig wandelt. Die vermummten Eindringlinge töten nicht nur ein Kind vor seinen Augen und entführen ein weiteres, sondern verletzen ihn auch noch so schwer, dass er tagelang ums Überleben kämpfen muss. Vom Überfall trägt er ein von Narben gezeichnetes Gesicht davon und sein Auge muss ihm in einer schmerzhaften Operation entfernt werden. Am stärksten verletzt ist aber seine Seele, denn nur Perrots Mutter weiß, dass der entführte Junge tatsächlich sein Sohn ist. Der Versuch, Perrot wieder zu finden wird zu Abas Lebensinhalt, der gerne bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, und die Verwandlung vom friedfertigen Geistlichen zum düsteren Racheengel ist trotz 180-Grad-Wandlung überzeugend.

|Kleine Schwächen|

Wer sich auf Einblicke in das Kirchenwesen des Mittelalters freut, wird mit Sicherheit zufrieden gestellt – wer aber das Alltagsleben der Zeit kennenlernen möchte, wird unter Umständen enttäuscht. Der Roman verbringt nicht viel Zeit damit, dem Leser Details zu präsentieren, die nicht unmittelbar wichtig für die Handlung sind. Sei es nun, dass man erfahren möchte, was die Menschen damals gegessen haben, wie sie ihren Berufen nachgingen, wie sie eingerichtet sind, das alles wird nur angedeutet oder gar nicht näher beleuchtet. Schade ist das beispielsweise, wenn mehrfach Medizin hergestellt wird, über deren genaue Zusammensetzung der Leser aber nichts erfährt. Das führt dazu, dass das Bild des Mittelalters abseits des Kirchenwesens ein wenig blass bleibt. Das Ende kommt ein bisschen überhastet daher im Vergleich zur vorherigen Handlung. Die Hintergründe des Kompolotts werden so zusammen gefasst, dass dem Leser keine Fragen offen bleiben, allerdings erscheint diese kompakte Präsentation der Zusammenhänge zu gerafft, als habe die Zeit für das letzte Kapitel gefehlt. Stilistisch fällt der übertrieben häufige Gebrauch der Formulung „er erbleichte“ auf, was gerade bei vergleichsweise harmlosen Szenen zu aufgesetzt wirkt. Ein Schnitzer unterlief dem Autor außerdem bei einer Formulierung, in der Pater Aba sich etwas „vor seinen Augen auftat“ – obwohl er doch zu diesem Zeitpunkt nur noch über ein Auge verfügt, was auch noch auf der gleichen Seite eine Rolle spielt.

_Als Fazit_ bleibt ein unterhaltsamer Historienthriller, der im Spätmittelalter spielt. Die Handlung überzeugt vor allem durch die beiden Hauptfiguren und Spannung, der Lesegenuss wird allerdings durch ein paar Kleinigkeiten geschmälert. Empfehlenswert für alle, die Kirchenkrimis aus dem Mittelalter mögen.

_Der Autor_ Romain Sardou wurde 1974 in Boulogne-Billancourt als Sohn des Sängers Michel Sardou geboren. Er arbeitete an der Oper, am Theater und als Drehbuchautor in Los Angeles, ehe er sich dem Romanschreiben widmete. 2004 gelang ihm gleich mit seinem Debütwerk „Das dreizehnte Dorf“ der internationale Durchbruch. Weitere Werke sind: „Salomons Schrein“, [„Kein Entrinnen“ 4566 , „Der kleine Weihnachtsmann“ und „Rettet Weihnachten“.

|Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3896673688
Originaltitel: Delivrez-nous du mal
Deutsch von Hanna van Laak|
http://www.romainsardou.com/

Schriever, Tomke – Und dann war Stille

_Durch Zufall_ ist die Hamburger Psychotherapeutin Hannah Tergarten vor wenigen Monaten in eine Geiselnahme geraten. Der Täter wurde gefasst und wartet nun auf seinen Prozess, Hannah ist zur Verarbeitung in einen einsamen Burgturm in Ostfriesland gezogen. Während sie sich auf den Prozess und ihre Zeugenaussage vorbereitet, versucht sie gleichzeitig, sich in dem kleinen Ort einzuleben.

Einer ihrer ersten Patienten ist die siebzehnjährige Anneke. Das sympathische Mädchen hat Beziehungsprobleme, da sie gern mit ihrem Schwarm Ubbo auf ein Fest gehen will, aber auch die Reaktion ihres altmodischen Vaters fürchtet. Hannah schickt sie mit ein paar guten Ratschlägen weg und misst dem Vorfall keine weitere Bedeutung bei.

Am nächsten Tag wird das Mädchen tot in der Teigmühlenmaschine der Eltern gefunden. Diagnose: Selbstmord, wohl unter Drogeneinfluss. Hannah kann nicht glauben, dass die lebenslustige Anneke sich umgebracht haben soll, ihr Verdacht fällt auf den unsympathischen Ubbo. Während ihrer Nachforschungen trifft sie den ehemaligen SEK-Beamten Enno Heeren, der bei der Geiselnahme schwer verletzt wurde und nun auf Krücken geht. Da Hannah noch unter ihrem Trauma leidet, ist sie zunächst misstrauisch, findet in Enno aber Unterstützung. Neben Annekes Tod setzt der Prozess sie unter zusätzlichen Druck und auch der Geiselnehmer hat noch eine Rechnung offen …

_“Und dann war Stille“_ bildet den Auftakt der Reihe um die Psychotherapeutin Hannah Tergarten, die gleich bei ihrem ersten Auftritt in ein mörderisches Abenteuer verwickelt wird. Schauplatz der Handlung ist Ostfriesland, das die Autorin mit dezentem Lokalkolorit einbaut und eine schöne Kulisse für ihren Roman schafft, die ein sympathisches Bild von Umgebung und Einwohnern macht.

|Spannende Handlung|

Die Spannung spielt sich auf zwei Ebenen ab, die beide unabhängig voneinander Hannahs Leben bestimmen. Da ist einmal die überstandene Geiselnahme, unter deren Nachwirkungen Hannah immer noch leidet. Während der größte Teil des Romans aus Hannahs Sicht erzählt wird, gibt es kleine Einschübe eines personalen Erzählers, der aus dem Gefängnis berichtet, in dem der Geiselnehmer Edgar Kusniz einsitzt. Dieser Teil konzentriert sich auf die Küchenhelferin Sigrid, deren Sohn einer der Insassen ist, den sie verzweifelt versucht, im Gefängnis vor Übergriffen der Mitinsassen zu beschützen. Dabei spielt Edgar Kusniz keine unwesentliche Rolle, der noch lange nicht mit seiner drohenden Verurteilung abgeschlossen hat und stattdessen einen perfiden Plan schmiedet, in den er die ahnungslose Hannah einbaut.

Zum Anderen fesselt die Frage, unter welchen Umständen die liebenswerte Anneke ums Leben kam, die der Leser nur kurz kennenlernen durfte. Es ist schwer vorstellbar, dass Anneke freiwillig Drogen genommen haben soll und auch für einen so grauenvollen Selbstmord in der Teigmaschine gibt es keinen wirklichen Anlass. Die Polizei legt den Fall jedoch schnell zu den Akten, was Hannah Tergarten umso mehr empört. Sie glaubt, dass der eiskalte Ubbo, der im Nachhinein die Beziehung zu Anneke leugnet, seine Hände mit im Spiel hatte – entweder, indem er Anneke bewusst ermordete oder, indem er ihr zumindest Drogen unter mischte, die sie unzurechnungsfähig machten. Aber Beweise zu finden ist schwer, zumal die Polizei Hannah eher für hysterisch hält und nicht alles unbedingt nur auf Ubbo hindeutet – der allerdings stellt sich offen gegen Hannah, dreht nachts auf dem Motorrad seine Runden um ihren Turm und sorgt für eine zusätzliche Bedrohung.

|Solide Charaktere|

Hannah Tergarten entpuppt sich als recht sympathische Protagonistin, die sich gewiss für eine Krimireihe eignet. Schön ist vor allem, dass sie keinen Hehl daraus macht, dass Psychologen keine Hellseher sind und sie in der Beurteilung von Menschen genauso daneben liegen kann wie alle anderen auch. Die traumatischen Erfahrungen bei der Geiselnahme hängen ihr noch deutlich nach und es ist interessant zu sehen, dass auch eine Psychotherapeutin nicht davor gefeit ist, von ihren Ängsten überwältigt zu werden. Ihr Fachwissen wird dezent untergebracht und ist angenehmer Weise nie dozierend.

Ein anfangs zwielichtiger Charakter ist der ehemalige SEK-Beamte Enno, der Hannah nach zu stellen scheint, und auch als sie seine Identität kennt, steht sie ihm noch misstrauisch gegenüber. Interessant ist seine Rolle in dem Geiseldrama, die sich sowohl Hannah als auch dem Leser erst allmählich enthüllt und seine Entwicklung vom eher finsteren Gesellen zu Hannahs Mitstreiter und Vertrauensperson. Recht vielschichtig sind auch Annekes Angehörige. Ihre Mutter Susanne erleidet an einen Nervenzusammenbruch, der streng religiöse Vater ist seltsam unnahbar, die Tante sucht Hannah in ihrer Praxis auf und weist sie auf das besorgniserregende Verhalten von Annekes kleiner Schwester Tinka hin. Hannah wird nicht warm mit dieser Familie und lässt nicht den Verdacht aus den Augen, dass auch einer von ihnen mit Annekes Tod zu tun haben könnte, und sucht doch immer wieder den Kontakt, um die Wahrheit herauszufinden.

|Ein paar Schwächen|

Auf dem Weg zur Klärung des Falls spielt immer wieder der Zufall Hannah in die Hände. Vor allem das Finale aber wirkt zu konstruiert, indem mehrere Personen zufällig zusammentreffen, was ein spektakuläres Actionszenario ergibt, aber eher Effekt haschend als realistisch ist. Etwas schwammig ist außerdem Hannahs Verhalten bezüglich der Geiselnahme: Einerseits hat sie offenbar einige Details verdrängt und leidet darunter, andererseits unternimmt sie zu wenig, um hinter die Fakten zu kommen, die sie vergessen hat. Etwas fragwürdig ist auch die Entwicklung von Liebesgefühlen zwischen Enno und Hannah, die eher plump erscheinen und nicht so recht nachvollziehbar sind. Es wirkt eher gezwungen, dass die beiden schließlich ein zaghaftes Liebespaar bilden, als dass es sich aus der Handlung ergäbe.

_Als Fazit_ bleibt ein solider Krimi, der den Auftakt der Reihe um eine Psychotherapeutin bildet. Die Handlung ist recht spannend, die Charaktere nicht uninteressant, allerdings erhebt sich der Roman letztlich nicht über den Durchschnitt hinaus. Kann man lesen, muss man nicht.

_Die Autorin_

Tomke Schriever ist das Pseudonym der Autorin Helga Glaesener. Glaesener, Jahrgang 1955, studierte zunächst Mathematik, ehe sie nach ihrem Umzug nach Ostfriesland mit dem Schreiben begann. Gleich ihr erstes veröffentlichtes Buch „Die Safranhändlerin“ brachte ihr Erfolg. Sie schreibt vor allem Historienromane wie „Safran für Venedig“, „Die Rechenkünstlerin“ und „Wespensommer“.

|Broschiert: 360 Seiten
ISBN-13: 978-3499248603|
http://www.rowohlt.de/
http://www.helga-glaesener.de/

Crawford, Francis Marion / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – obere Koje, Die (Gruselkabinett 34)

1899: Der junge Reisende Aldous Brisbane freut sich auf seine Fahrt mit dem Passagierdampfer |Kamtschatka| nach New York. Ihm wird die untere Koje in Kabine 105 zugeteilt, was beim Stewart leichtes Entsetzen hervorruft. Brisbane denkt sich zunächst nichts dabei, auch wenn es in der Kabine unangenehm nach Meerwasser riecht. Erst mitten in der Nacht erscheint sein Kabinengenosse, der nicht mit ihm spricht und sich in die obere Koje zurückzieht.

Wenig später wird Brisbane durch seltsames Stöhnen geweckt. Sein Mitreisender scheint seekrank zu sein und gibt ein furchtbares Röcheln von sich. Brisbane spricht ihn an, doch der Vorhang zur oberen Koje bleibt geschlossen. Als Brisbane morgens erwacht, steht zu seiner Empörung das Bullauge weit offen – eine gefährliche Nachlässigkeit auf See, die ihn sehr verärgert. Auf Deck lernt er den Schiffsarzt Hollows kennen, der gar nicht überrascht reagiert auf seinen Bericht. Stattdessen bietet er Brisbane an, für den Rest der Fahrt in seiner Kabine zu wohnen. Brisbane aber lehnt das gut gemeinte Angebot freundlich ab und will der Sache allein auf den Grund gehen.

Von Stewart und Kapitän erfährt er schließlich, dass es in Kabine 105 nicht geheuer sei. Niemand vermag es, das Bullauge dauerhaft zu verschließen, das sich immer wie von Geisterhand öffnet. Auf den letzten Fahrten hat sich jeder Reisende aus der Kabine ins Meer gestürzt. Auch Brisbanes Kabinengenosse aus der oberen Koje ist verschwunden. Inständig drängt der Kapitän darauf, dass er die Kabine verlässt. Doch Brisbane bleibt hartnäckig und will überprüfen, ob wirklich ein Gespenst am Werk ist …

_Eine der zahlreichen unheimlichen Geschichten_ aus der Feder von Francis Marion Crawford lieferte den Hintergrund für diese gelungene Hörspieladaption, die mittlerweile bereits die 34. Folge der „Gruselkabinett“-Reihe aus dem Hause |Titania Medien| ist.

|Spannung und Atmosphäre mit überzeugenden Charakteren|

Die Seefahrt gehört zu den beliebtesten Motiven der unheimlichen Literatur – kein Wunder, denn das Wasser ist per se schon ein gefährliches Element, dem der Mensch bei Unwetter leicht hilflos ausgeliefert ist. Dazu kommen die Abgeschiedenheit auf Meer und die umfangreiche Seemannsgarntradition, die viele unheimliche Gestalten in ihrem Repertoire hat. Den Machern der Serie gelingt es sehr gut, die beklemmende Stimmung an Bord einzufangen und wiederzugeben. Dabei steigert sich die Spannung ganz allmählich. Anfangs ist es nur die merkwürdige Reaktion des Stewarts auf die Kabinennummer, die auch Brisbane stutzen lässt. Das Verhalten seines Kabinengenossen schiebt er auf Seekrankheit, das offene Fenster auf Nachlässigkeit. Erst als sich zeigt, dass sich das Fenster durch keinerlei Vorkehrungen für länger als eine halbe Stunde verschließen lässt, wird deutlich, dass hier übernatürliche Mächte am Werk sind.

Es dauert eine Weile, bis der Geist tatsächlich in Aktion erscheint, aber gerade dieser langsame Aufbau tut der Geschichte gut. Da Brisbane die Geschichte als Ich-Erzähler einleitet, ist von Beginn an klar, dass er das Erlebnis überlebt hat – trotzdem verfolgt man gebannt, wie sich das Geschehen an Bord entwickelt, ob es auch diesmal Tote geben wird und wie sich Brisbane und der Kapitän dem Gespenst widersetzen. Das Geistwesen tritt persönlich erst recht spät in Erscheinung, sorgt dafür aber für ein paar beklemmende und dramatische Momente.

Ein großer Pluspunkt sind auch die Figuren, denen in diesem Kammerspiel-Szenario große Bedeutung zukommt. Im Mittelpunkt steht Aldous Brisbane, der so gar nicht an Gespenster glaubt und sehr ärgerlich auf die Erzählungen vom angeblichen Spuk reagiert. Brisbane ist ein klassischer Zweifler, der für alles Seltsame zunächst eine natürliche Erklärung findet und sich durch nichts abschrecken lässt. Für Aberglaube hat er nur gutmütigen Spott übrig, und je mehr sich die Vorfälle häufen, desto stärker beharrt er darauf, seine Kabine zu behalten. Witzig ist sein entgeisterter Kommentar „Wir sind auf einem Dampfer – wie weit kann ein Mensch da kommen?“ als der Kapitän ihm berichtet, sein Kabinengenosse sei spurlos „verschwunden“, und zeigt sein ganzes Unverständnis darüber, wie selbstverständlich die Besatzung den Gedanken an einen Geist hinnimmt. Selbst bei der ersten Begegnung mit dem Geist weigert sich Brisbane, an etwas Übernatürliches zu glauben. Sein Trotz geht so weit, dass er die Gefahr gerne in Kauf nimmt und lieber an Halluzinationen glaubt als an Spuk.

Anders sieht es bei dem Schiffsarzt Dr. Hollows aus. Obwohl ein Mann der Wissenschaft und durchaus sehr vernünftig, akzeptiert er das Gespenst als solches und sorgt sich ernsthaft um den jungen, unbelehrbaren Passagier. Der Kapitän schließlich ist auch geneigt, an den Spuk zu glauben, erklärt sich aber später tapfer bereit, gemeinsam mit Brisbane der Sache auf den Grund zu gehen.

|Sehr gute Besetzung|

Wie üblich bei |Titania Medien|, wurde auch hier sehr große Sorgfalt auf die Auswahl der Sprecher gelegt. Axel Malzacher, der bereits u. a. Tom Hollander, Cary Elwes und Josh Brolin in mehreren Rollen synchronisierte, spricht die Hauptfigur. Gut gelungen ist der leichte Unterschied zwischen dem ernsten Ton, den er in der rückblickenden Rahmenhandlung anschlägt und der etwas hellen Stimmlage mit einem energischen Unterton, die zu dem ungeduldigen Jüngling passt, den er in der Binnenhandlung darstellt.

Ein Gewinn für jedes Hörspiel ist der brillante Jürgen Thormann, dessen markante, sympathische und leicht aristokratische Stimme als deutsche Version von Sir Michael Caine berühmt ist und der in dieser Folge bereits zum siebten Mal in der Gruselkabinett-Reihe mitwirkt. Der vernünftige und zugleich sehr menschliche Schiffsarzt Dr. Hollows ist eine passende Rolle, die Thormann wunderbar auszufüllen versteht. Eine kleine, aber feine Rolle hat Tobias Nath als Steward Robert, der große Angst vor dem Spuk hat und sehr überzeugend mit ängstlichem und eindringlichem Ton spricht. Die Soundeffekte sind sehr überzeugend eingesetzt. Zwischendurch spielt ganz leise Musik im Hintergrund, dezent genug, um nie den Redefluss zu stören. Für einen besonderen Gruseleffekt sorgt das Raunen und Kichern des Geistes, das sich unheilvoll steigert.

|Kleine Schwächen|

Zunächst ist es ein kleines Manko, dass der Hintergrund des Geistes um Dunkeln bleibt. Der Kapitän erzählt Brisbane zwar von den früheren Geschehnissen in der Kabine, aber was genau sich hinter der Geschichte verbirgt, bleibt offen. Das ist schade, denn nur zu gut hätte in diese Situation eine kleine dramatische bis melancholische Sage gepasst, stattdessen bleibt nur Spekulation. Ein bisschen seltsam und unlogisch ist zudem, dass überhaupt nach den wiederholten Vorfällen noch Passagiere in die Kabine 105 gelassen werden. Würde der Kapitän nicht an das Gespenst glauben, wäre das in Ordnung, da er aber Brisbane selbst dazu rät, nicht dorthin zurückzukehren, fragt man sich unweigerlich, wieso dieses Risiko überhaupt noch eingegangen wird. Zu guter Letzt nimmt es ein klein wenig von der Spannung, dass Brisbane in der Rahmenhandlung als Ich-Erzähler auftritt – denn dadurch weiß man schon, dass er das Abenteuer heil überstanden hat.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr atmosphärisches Hörspiel auf hoher See, das, wie für die Reihe üblich, sehr überzeugend umgesetzt ist. Die Handlung vereint Spannung mit gelungenen Charakteren und die Sprecher sind perfekt besetzt. Der Grusel tritt zwar erst recht spät auf, die Hintergrundgeschichte hätte stärker ausgebaut werden können und es gibt eine kleine Logikschwäche, aber insgesamt ist die Folge absolut zu empfehlen.

_Die Sprecher_:

Aldous Brisbane: Axel Malzacher (dt. Stimme von Sean Patrick Flanery)
Robert, Steward: Tobias Nath (Luke Kirby)
Dr. Morten Hollows: Jürgen Thormann (Michael Caine)
Cpt. Grady: Peter Reinhardt (Jeff Daniels)
Joseph Carlyle: Uwe Büschken (Hugh Grant)
Mitreisender: Markus Pfeiffer (Colin Farrell)
Ertrunkener: Uli Krohm (Omar Sharif)

_Der Autor_ Francis Marion Crawford wurde 1854 in Italien als Sohn amerikanischer Eltern geboren. Sein Studium führte ihn unter anderem an die Universitäten von Heidelberg, Rom und Harvard. 1882 erschien sein erster Roman, der sofort ein Erfolg wurde. Im Laufe seiner Karriere verfasste er mehr als 40 Romane und zahlreiche Kurzgeschichten, die oft in Italien angesiedelt sind, wo er auch 1909 verstarb. Zu seinen Werken gehören unter anderem „Mr Isaacs“, „Khaled“ und „Saracinesca“.

|Originaltitel: The Upper Berth, 1886
60 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3824-5|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)

Mull, Brandon – Fabelheim

Die Eltern der dreizehnjährigen Kendra und des zehnjährigen Seth gehen für knapp drei Wochen auf Kreuzfahrt. In dieser Zeit sollen die Geschwister bei ihren Großeltern in Connecticut wohnen, die sie bisher nur von kurzen Besuchen kennen. Während Oma Ruth verreist ist, empfängt Großvater Stan Sorensen die Kinder sehr freundlich. Sie bekommen ein großes Dachbodenzimmer voller altmodischer, aber origineller Spielsachen und in dem riesigen Garten gibt es einen Swimmingpool.

Allerdings verbietet ihnen ihr Opa, den angrenzenden Wald zu besuchen, da dort Zeckengefahr herrsche. Seth hält sich nicht daran und entdeckt nicht nur einen wunderschönen Garten mit See und Pavillons im Innern, sondern auch eine Hütte mit einer seltsamen alten Frau. Kendra wiederum wundert sich über die vielen Kolibris und Schmetterlinge, die stets den Garten umschweben und denen Milch bereitgestellt wird.

Schließlich weiht ihr Großvater sie in sein Geheimnis ein: Der Wald ist ein geheimer Ort namens „Fabelheim“, seit Jahrhunderten eine der wenigen Zufluchtsstätten für aussterbende magische Geschöpfe wie Elfen, Satyrn und Nixen. Ihr Opa ist der Verwalter, der sie versorgt und sich darum kümmert, dass weder die gefährlichen Wesen hinaus- noch unbefugte Besucher hineinkommen.

Außerdem erfahren sie von der Organisation „Gesellschaft des Abendsterns“, die seit vielen Jahren den Ort finden will, um die Wesen für ihre bösen Zwecke zu benutzen. Kendra und Seth versprechen, niemandem etwas zu erzählen. Doch in der gefährlichen Mittsommernacht, in der alle Geschöpfe Freigang haben, bricht der neugierige Seth eine der Regeln – und am nächsten Morgen ist ihr Opa verschwunden …

Kaum hat sich die Harry-Potter-Welle ein wenig gelegt, wurde die Kinderfantasy durch die Biss-zum-Reihe aufs Neue entfacht. Phantastik für Kinder und Jugendliche genießt Hochkonjunktur, und mit „Fabelheim“ ist der Startschuss zu einer sehr vielversprechenden neuen Buchreihe gefallen, die sowohl Kinder als auch junggebliebenen Erwachsene beste Unterhaltung bringen dürfte.

|Spannende und phantasievolle Handlung|

Alles beginnt wie ein typischer Kinderroman mit zwei Geschwistern, die recht unwillig ihrem Ferienaufenthalt entgegensehen. Ihre kürzlich verstorbenen Großeltern väterlicherseits haben testamentarisch als letzten Wunsch allen erwachsenen Angehörigen eine Kreuzfahrt durch ihre Heimat Skandinavien spendiert, und für diese Zeit sind Opa und Oma Sorensen die einzig infrage kommenden Babysitter. Das beeindruckende Grundstück bietet den Geschwistern allerlei Abwechslung mit einem Baumhaus, einem Swimmingpool, einem geräumigen Dachboden mit einem zahmen Haushuhn und faszinierendem Spielzeug. Trotzdem reizt sie der verbotene Wald, und der abenteuerlustige Seth will schließlich hinter das Geheimnis kommen. Die Wahrheit ist beeindruckender, als sie es sich je hätten erträumen lassen.

Ihr Opa ist einer der Verwalter, die Generation für Generation über Fabelheim wachen. Die Milch einer Riesenkuh lässt Sterbliche die Fabelwesen erkennen, die für normale Augen ohne dieses Hilfsmittel wie gewöhnliche Schmetterlinge oder andere Tiere aussehen. Natürlich wird es jetzt erst richtig spannend, denn ihr Opa weiht die Geschwister längst nicht in alle Geheimnisse über Fabelheim ein, besonders die grausamen oder unheimlichen Details sollen sie nicht erfahren – das kommt alles später, denn unter Umständen werden sie selbst einmal die Verwaltung des Reiches übernehmen. Besonders aufregend wird es in der Mittsommernacht, in der alle Wesen frei ums Haus herumtoben und mit allen möglichen Tricks versuchen, Einlass zu erhalten, und so grauenvolle Dinge anstellen, dass jedem angeraten ist, nicht aus dem Fenster zu schauen.

Nach dem beschaulichen Beginn gibt es eine Menge dramatischer Verwicklungen – sei es, dass Seth sich gegen die Elfen versündigt, indem er einen Leichtsinnsfehler begeht, sei es, dass ihr Opa nach der Mittsommernacht verschwunden ist, oder die Frage, was es mit ihrer Oma auf sich hat, hinter deren Abwesenheit sich offenbar ein weiteres Geheimnis verbirgt. Ein großer Pluspunkt des Buches ist seine Eigenständigkeit. Obwohl es als Start für eine Reihe gedacht ist, bleiben am Ende keine wichtigen offenen Fragen und man ist nicht gezwungen, den nächsten Band zu lesen. Andererseits gibt es dezente Andeutungen dazu, was in den nächsten Bänden stärker thematisiert werden könnte, allem voran die „Gesellschaft des Abendsterns“, die ein Komplott plant, das hier nur am Rande eine Rolle spielt, sowie das geheimnisvolle, mächtige Artefakt, das irgendwo in Fabelheim verborgen liegt.

Die Bewohner Fabelheims sind gängige Wesen aus der Mythologie, aber dennoch originell aufbereitet. Interessant ist vor allem Großvaters Aussage, dass sich ihre Moral stark von derer der Menschen unterscheidet und keines der Wesen „gut“ im menschlichen Sinne ist – vielmehr seien die besten unter ihnen lediglich nicht böse. So wie die meisten Menschen gedankenlos Insekten töten, so denken sich die unsterblichen Fabelwesen nichts dabei, menschliches Leben auszulöschen, das aus ihrer Perspektive quasi wertlos ist. Die hübschen Elfen, die Kendra und Seth in der Literatur als liebevolle Wesen kennen, sind hier vor allem eitel und selbstsüchtig, immer darauf bedacht, sich in einem Spiegel zu betrachten. Die Wichtel helfen zwar tatsächlich wie in der verbreiteten Vorstellung, Ordnung im Haus zu schaffen – aber nie, um den Menschen zu helfen, sondern einfach, weil sie die Ordnung an sich lieben.

Wirklich gefährlich wird es mit den Najaden, den schönen Wasserfrauen, die sich einen Spaß daraus machen, Unschuldige zu sich hinabzuziehen, und der bösen Hexe, die in einer Hütte sitzt und nur darauf lauert, dass jemand vorbeikommt, der ihre magischen Kräfte braucht und ihr als Gegenleistung den Knoten löst, der sie dort gefangen hält. Die Regeln in Fabelheim sind nicht ganz leicht zu durchschauen – so kann man gewöhnlich nicht mit Magie bekämpft werden, solange man keinem Wesen geschadet hat, Hilfe aber kann man wiederum nicht erwarten, denn das Verhalten der Fabelwesen gleicht einer Herde, die dem Tod eines Artgenossen mehr oder weniger gleichgültig gegenübersteht. Das unberechenbare Verhalten, das Kendra und Seth verwirrt, sorgt beim Leser für Spannung, weil es ihn im Ungewissen belässt.

|Gelungene Charaktere|

Kendra und Seth sind zwar nicht besonders originell, aber als Hauptfiguren für einen in erster Linie für Kinder gedachten Roman dennoch gelungen. Seth ist ein kleiner Wildfang, immer auf Entdeckungstour und gerne mal frech und ungehorsam. Kendra übernimmt als ältere Schwester viel Verantwortung, ohne dabei ein langweiliges Mustermädchen zu sein. Ihr Großvater ist zunächst geheimnisvoll und recht schweigsam, dabei aber immer sympathisch.

Ein reizvoller und komplexer Nebencharakter ist Lena, die weit gereiste, ältere Haushälterin, deren Vergangenheit eng mit Fabelheim verbunden ist und deren weiteres Schicksal Potenzial birgt, in einem der folgenden Bände noch einmal aufgegriffen zu werden. Opas Gehilfe, der schweigsame Dale, ist ein bisschen blass geraten, interessanter ist aber sein seit seiner Verzauberung autistisch agierender Bruder, für den er auf eine Erlösung hofft, was sicher ebenfalls noch ausführlich thematisiert wird. Oma Sorensen tritt zwar erst spät in Erscheinung, ist dann aber eine sehr liebenswerte, patente Person mit Sinn für Humor. Überhaupt gibt es etliche lustige Szenen und scharfzüngige Dialoge zwischen den Geschwistern, und die ersten Erfahrungen mit den ungewohnten Wesen sorgen auch für amüsante Momente.

|Nur kleine Schwächen|

Zumindest der erste |Fabelheim|-Roman ist nicht so detailverliebt wie zum Beispiel die Harry-Potter-Bände, in denen die Dichte an wunderbaren Charakteren und immer neuen Entdeckungen kaum ein Ende nimmt. Manche der Kreaturen werden nur kurz gestreift, über ihre Hintergründe erfährt man nicht so viel, wie man es sich wünscht. Ein bisschen nervtötend ist mit der Zeit auch Seth‘ Ungehorsam. Seinen Ausflug in den Wald kann man noch nachvollziehen, die Elfen-Katastrophe vielleicht auch noch, aber sein Verhalten in der Mittsommernacht ist recht unverständlich, vor allem, da er inzwischen am eigenen Leib bereits die Gefahren Fabelheims erlebt hat und gewarnt sein müsste – selbst ein besonders neugieriger Junge dürfte nicht so naiv handeln, daher wirkt sein Verhalten stellenweise eher unrealistisch und konstruiert. Ein bisschen enttäuschend dürfte auch sein, dass man früh über den Geheimbund „Gesellschaft des Abendsterns“ informiert wird, der dann aber doch keine besondere Rolle mehr spielt, sondern erst in den nächsten Bänden ins Geschehen einsteigt.

_Als Fazit_ bleibt ein gelungener Auftakt einer mehrbändigen Fantasyreihe für Kinder und Jugendliche, der vor allem durch eine abwechslungsreiche, spannende Handlung und eine interessante Grundidee besticht. Das Buch lässt sich flüssig lesen, bietet eine ausgewogene Balance zwischen ernsten und lustigen Momenten, sympathische Charaktere und genug Potenzial für die nachfolgenden Bände, die hoffentlich bald auf Deutsch erscheinen. Abgesehen von nur kleinen Mankos ein lesenswertes Buch für Kinder ab etwa zehn Jahren.

_Der Autor_ Brandon Mull stammt aus Connecticut und lebt heute mit seiner Familie in Utah. Schon zu Schulzeiten träumte er davon, eines Tages als Schriftsteller leben zu können. Nach seinem Universitätsabschluss veröffentlichte er den ersten |Fabelheim|-Roman, der ein Bestseller wurde. In den USA sind bereits vier Bände erschienen.

|Originaltitel: Fablehaven
Originalverlag: Aladdin
Aus dem Amerikanischen von Hans Link
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 352 Seiten
ISBN-13: 978-3-7645-3022-8|

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Thiesler, Sabine – Totengräberin, Die

Seit fast zwanzig Jahren sind Magda und Johannes verheiratet und nach außen hin glücklich. Tatsächlich hat Johannes eine Geliebte, die er regelmäßig besucht. Wie jedes Jahr wollen Johannes und Magda den Sommer in ihrem Ferienhaus in der Toskana verbringen. Magda fährt voraus, während sich Johannes zur letzten Aussprache mit Carolina trifft und sich für seine Ehe entscheidet. Er hofft auf einen Neuanfang und darauf, dass seine Frau ihm die Affäre verzeiht.

Er ahnt nicht, dass Magda in der Toskana bereits seinen Tod plant. Am Morgen nach seiner Rückkehr vergiftet sie ihn und vergräbt die Leiche im Gemüsegarten. Freunden und Verwandten sagt sie, er sei für ein paar Tage zu einem Freund nach Rom gefahren. Später meldet sie ihn vermisst und spielt überzeugend die besorgte Ehefrau. Alles läuft nach Plan – bis Johannes‘ Bruder Lukas auftaucht. Schon vor ihrer Hochzeit war er in sie verliebt und begehrt sie immer noch. Gerade ist das Theaterstück, in dem er eine wichtige Rolle spielen sollte, geplatzt und er will sich in Italien eine Auszeit gönnen. Außerdem hofft er, Magda näherzukommen.

Anfangs glaubt Lukas die Vermisstentheorie und hilft Magda, seinen Bruder zu suchen. Doch dann verändert sich Magda plötzlich. Sie spricht Lukas mit „Johannes“ an und scheint ihn ernsthaft für ihren Mann zu halten. Der verwirrte Lukas spielt das Spiel mit und gibt sich auch bei der Polizei als heimgekehrter Ehemann aus. Noch bizarrer wird es, als Lukas Briefe von Magda an ihren verstorbenen Sohn Thorben findet. Offenbar lebt sie in einer Scheinwelt. Und dann taucht auch noch ein Erpresser auf, der Lukas Fotos von seinem toten Bruder schickt …

Nach „Der Kindersammler“ und „Hexenkind“ ist „Die Totengräberin“ der dritte Kriminalroman von Sabine Thiesler, der zum größten Teil in der Toskana spielt, aber qualitativ nicht ganz an die Vorgänger anschließen kann.

|Fesselnde Handlung|

Vom Gesichtspunkt der Spannung aus ist der Roman nahezu einwandfrei gelungen. Der Mord an Ehemann Johannes geschieht früh zu Beginn, und von da an ist alles Weitere erst einmal ungewiss. Magdas Plan klingt zunächst überzeugend: Sie erweckt den Anschein, als sei Johannes für ein paar Tage nach Rom gefahren, und mimt gekonnt die besorgte Ehefrau gegenüber seinen Eltern am Telefon, gegenüber Bekannten im Dorf und gegenüber der Polizei. Auch Lukas fällt darauf herein, und als er in Johannes‘ Handy Nachrichten an die ehemalige Geliebte Carolina entdeckt, steht für ihn fest: Johannes hat sich vermutlich absichtlich abgesetzt und will eine Auszeit oder Magda sogar ganz verlassen. Daher glaubt er zunächst nicht an ein Verbrechen, sondern freut sich insgeheim über diese Entwicklung, da er Chancen sieht, seiner immer noch verehrten Magda näher zu kommen.

Als Lukas anonym die Fotos seines toten Bruders erhält, wagt er es nicht, Magda einzuweihen. Mehr noch, er ahnt, dass ironischerweise er der Hauptverdächtige der Polizei sein würde, denn seine Liebe zu Magda ist ein ideales Motiv, während die Eheprobleme niemandem außer ihm bekannt sind. Natürlich verdächtigt Lukas zunächst den Fotoabsender, den er auch bald kennenlernt. Es ist der schmierige Literaturkritiker Stefano Topo, der sich durch Erpressung eine Finanzspritze erhofft. Nur der Leser weiß, dass die beiden einander des Mordes verdächtigen, ohne es auszusprechen. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Spannungsbogen – Lukas muss das geforderte Erpressungsgeld aufbringen und Topos Gegenwart ertragen, der dreist Magdas Bekanntschaft schließt.

Topo wiederum ahnt nicht, dass er den falschen Täter im Visier hat und die Lage falsch einschätzt. Hinzu kommt im späteren Verlauf Johannes‘ Exgeliebte Carolina, die es nach einer Aussprache drängt und spontan eine Fahrt in die Toskana plant. Sie weiß, dass Johannes als vermisst gilt und will den Dingen auf den Grund gehen, ohne die wahren Hintergründe zu ahnen. Die ganze Zeit über wird der Spannungspegel konstant hoch gehalten. Im Raum stehen die Fragen, ob Magda weitere Morde begehen wird, ob das Grab unter dem Olivenbäumchen gefunden wird und wer als Erster die verzwickten Hintergründe durchschaut.

|Interessante Rückblicke|

Es braucht eine Weile, ehe der Leser hinter Magdas komplizierten Charakter steigt. Sehr erhellend sind die immer wieder eingestreuten Rückblenden in ihre Kindheit und in die vergangenen Jahre. Zum einen erfährt der Leser hier anschaulich, weshalb sie so sensibel auf das Thema Fremdgehen reagiert. Magda hat traumatische Kindheitserfahrungen mit ihrem Vater erlebt und ist durch das Leid und Verhalten ihrer Mutter geprägt. Einerseits sind diese Enthüllungen informativ, andererseits erschreckend und verleihen der Handlung einen Hauch von emotionaler Tiefe. Weiterhin erfährt man, was es mit Thorben auf sich hat, der bereits vor einem Jahr ums Leben gekommen ist. Man erfährt die Umstände und weiß nun endgültig, dass Magda schon lange psychisch gestört ist, da sie nach wie vor liebevolle Briefe an ihren Sohn schreibt, den sie im Internat glaubt.

Für ein bisschen Humor bei den Charakteren sorgt Kommissar Neri, der schon in „Hexenkind“ eine Rolle spielte und ein nettes Wiedersehen beschert, ohne dass man diesen Roman fürs Verständnis gelesen haben müsste. Neri ist ein bemühter, aber recht trotteliger Polizist, der nach den letzten Misserfolgen von Rom in die Provinz versetzt wurde und sich sehnlichst wieder einen spektakulären Fall wünscht, der ihn rehabilitieren könnte. Mit von der Partie ist seine temperamentvolle Frau Gabriella, die es erst recht zurück nach Rom drängt und die ihn bei den aktuellen Ermittlungen auf eigene Faust tatkräftig unterstützt, indem sie Magda aushorcht.

|Mangelnde Glaubwürdigkeit|

Leider gibt es auch mindestens eine erhebliche Schwäche im Roman, nämlich das teilweise unglaubwürdige Verhalten von Magda und Lukas. Anfangs sieht es aus, als sei Magda eine kaltblütige Mörderin. Sie besorgt sich das Gift geschickt aus der Apotheke, in der sie arbeitet, indem sie den Verdacht auf jemand anderen lenkt. Aber bald nach dem Mord schwenkt dieser Eindruck um. Magda hält Lukas nach kurzer Zeit bereits für Johannes und verdrängt ihre Tat vollkommen. Ihre psychische Störung ist zwar ein interessanter Zug, kommt aber für den Leser zu plötzlich und ist ein fast enttäuschender Umschwung, nachdem man sich bereits auf ihre berechnende Art eingewöhnt hat.

Sehr seltsam ist zudem das Verhalten von Lukas. Anfangs reagiert er verwirrt und geschockt auf Magdas Äußerungen und wagt es nicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Das ist zunächst verständlich, dass er sich dann aber entscheidet, das Spiel dauerhaft mitzumachen, ist eher lächerlich. Er genießt es einfach, nun seinen fast zwanzigjährigen Traum zu verwirklichen und eine Beziehung mit Magda zu führen. Dass sie ihn „Johannes“ nennt, blendet er aus und auch die Suche nach seinem Bruder steht erst einmal im Hintergrund. Nicht nur, dass er Magda gegenüber die Rolle als Johannes einnimmt, er sorgt auch dafür, dass die Polizei ihre Ermittlungen nach dem Vermissten einstellt und lässt sich von jedem als Magdas Ehemann vorstellen. Selbst als er weiß, dass Johannes ermordet wurde, vertraut er sich niemandem an. Auch gegenüber seinen Eltern am Telefon lügt er, dass Johannes in Ordnung und nur gerade verhindert sei. An vielen Stellen im Roman handelt er unlogisch, obwohl völlig offensichtlich ist, dass er sich selbst immer tiefer in eine fatale Lage verstrickt. Während man es am Ende zumindest teilweise nachvollziehen kann, weil da ein Zurück kaum mehr möglich ist, wirken seine ersten Handlungen sehr unüberlegt und naiv.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr spannender Toskana-Kriminalroman über eine Mörderin, der aber auch Schwächen besitzt. Das Buch lässt sich leicht lesen und fesselt den Leser durchgehend, aber die unlogischen Verhaltensweisen der beiden Hauptcharaktere trüben im weiteren Verlauf das Gesamtbild.

_Die Autorin_ Sabine Thiesler studierte Germanistik und Theaterwisenschaften und arbeitete als Bühnenschauspielerin, ehe sie Schriftstellerin wurde. Sie verfasste auch einige Theaterstücke und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie „Tatort“ und „Polizeiruf 110“. Von ihr erschienen zuletzt die Romane „Der Kindersammler“ und „Hexenkind“.

|511 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-453-43275-8|
http://www.heyne.de

_Sabine Thiesler auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Kindersammler“ 3317
[„Hexenkind“ 4319