Elmore Leonard – Cuba Libre

Ein naiver US-Cowboy gerät 1898 auf der Insel Kuba in die Wirren des dortigen Bürgerkriegs. Er verliebt sich in eine Freiheitskämpferin, legt sich mit der spanischen Kolonialmacht an und fädelt einen lukrativen Betrug ein. Als die USA Spanien den Krieg erklären und auf Kuba einmarschieren, geraten alle Pläne ins Schwimmen … – Autor Leonard zieht alle Register (und bedient sich zahlreicher Klischees), um eine rasante Abenteuergeschichte vor realem historischem Hintergrund zu erzählen: Lesefutter.

Das geschieht:

Nachdem er als Viehzüchter ebenso gescheitert ist wie als Bankräuber, wird Ben Tyler der Boden in Arizona zu heiß. Er tut sich mit seinem Freund Charlie Burke zusammen, um für den Geschäftsmann Roland Boudreaux eine Herde Polo-Pferde auf die Insel Kuba zu schaffen – ein heikles Unternehmen: Die spanische Kolonie wird in diesem Jahr 1898 durch bürgerkriegsähnliche Zustände erschüttert. Dabei kämpft die einheimische Bevölkerung für die Unabhängigkeit, während das Mutterland die Aufstände erbarmungslos niederschlägt.

Die USA planen, sich Kubas selbst zu bemächtigen. Der Vorwand für eine Besetzung der Insel ist rasch gefunden: Kurz bevor Ben und Charlie Kuba erreichen, fliegt das im Hafen von Havanna ankernde US-Schlachtschiff „Maine“ in die Luft, was zahlreichen Matrosen das Leben kostet. In den Vereinigten Staaten verlangen die von einer kriegslüsternen Presse aufgehetzten Bürger Vergeltung.

Ben entdeckt, dass Charlie nicht nur mit Pferden handelt, sondern auch Waffen für die Aufständischen schmuggelt. Zu ihrem Pech hat die berüchtigte „Guardia Civil“ Wind davon bekommen. Ben und Charlie landen im Gefängnis, Charlie stirbt dort, doch Ben wird von kubanischen Freiheitskämpfern befreit. Die schöne Amelia, lange Boudreaux‘ Geliebte aber nun ohne dessen Wissen mit Ben zusammen, hat seine Rettung eingefädelt. Nun schmiedet sie einen neuen Plan, um den reichen Boudreaux um möglichst viel Geld zu bringen. Vorgeblich soll damit die Revolution finanziert werden. Tatsächlich will Amelia sich mit dem Geld aus dem Staub machen.

Zwar gelingt der Coup, doch Inzwischen haben die USA Spanien den Krieg erklärt und setzen zur Invasion der Insel Kuba an. In dem ausbrechenden Chaos werden Amelia und Ben getrennt. Während die US-Streitkämpfe Havanna verheeren, flüchten sie vor dem wütenden Boudreaux, den betrogenen Freiheitskämpfern und der „Guardia Civil“ …

Idealisten und Zyniker: die zwei Pole der Revolution

Elmore Leonard (1925-2013) war viele Jahrzehnte ein bekannter und erfolgreicher Schriftsteller und berühmt für seinen scheinbar simplen, dabei genial konstruierten Thriller und Kriminalgeschichten, seine treffsicheren, lakonischen Dialoge und seine vorzügliche Figurenzeichnungen. Dabei hatte der Autor ersten Ruhm in einem ganz anderen Genre errungen, was er in „Cuba Libre“ aufleben ließ: Aus Leonards Feder stammte eine Reihe von Western-Romanen, die zum Teil verfilmt wurden (z. B. 1965 „Hombre“, dt. „Man nannte ihn Hombre, mit Paul Newman; 1971 „Valdez Is Coming“, dt. „Valdez“, mit Burt Lancaster, 1972 „Joe Kidd“, dt. „Sinola“, mit Clint Eastwood).

Leonards Figuren sind keine Helden. Scheinbar farblose Zeitgenossen, Menschen wie du und ich, vom Leben schon ein wenig zerzaust, stehen im Mittelpunkt seiner Romane; Verlierer auf der Schattenseite des Amerikanischen Traums, die meinen, endlich einen Zipfel vom Glück in die Finger zu bekommen, letztlich aber meist scheitern, wobei Leonard sie jedoch mit einer gewissen Würde untergehen lässt.

Leonards Stil ist diesem Hintergrund entsprechend knapp, prägnant und präzise; in der Regel hat er seine Geschichte in weniger als 300 Seiten erzählt; eine angenehm altmodische Erscheinung in der Literatur-Szene, in der jeder Quark gern allzu breit getreten wird.

Kleine Leute und die große, schmutzige Politik

Mit „Cuba Libre“ betritt der Autor nur zum Teil Neuland. ‚Historisch‘ waren seine Western-Romane auch, und Parallelen zum vorliegenden Werk fallen sofort ins Auge: Ben Tyler und Charlie Burke sind waschechte Cowboys, die indes feststellen müssen, dass ihre Zeit im Jahre 1898 vorbei ist. So ziehen sie weiter, um ihr Glück dort zu suchen, wo Männer mit ihren Fähigkeiten auch an der Schwelle zum 20. Jahrhundert ihr Glück machen können. Allerdings geraten sie in Kuba rasch vom Regen in die Traufe, denn hier verfangen sie sich in den Fußangeln einer Politik, die aus der Nähe betrachtet ein recht schmutziges Geschäft ist.

Kuba im Jahre 1898 – das ist nur auf den ersten Blick der Kampf einer Kolonie um ihre Unabhängigkeit. Die kubanischen Freiheitskämpfer hatten niemals eine echte Chance. Schon lange vor dem Krieg war durch Stärkere entschieden worden, was mit der Insel geschehen würde. Für die USA stellte die Insel eine begehrenswerte Beute dar. Strategisch günstig vor der amerikanischen Ostküste gelegen, konnte eine hier stationierte Flotte praktisch die gesamte Karibik beherrschen. Auch wirtschaftlich war Kuba von Interesse. Von hier aus wurde ein Großteil des Welt-Zuckerbedarfs gedeckt, und schon im 19. Jahrhundert war die Insel für ihren vorzüglichen Tabak berühmt.

Spanien hätte sich von seiner einträglichen Kolonie niemals freiwillig getrennt. Der Unabhängigkeitskampf kam daher den USA wie gerufen. Der zwar bedauerliche aber letztlich auch willkommene Verlust der „USS Maine“ war der Anlass, auf den man gewartet hatte. Etwaige Einwände gegen eine militärische Intervention wurden im Sturm patriotischer Vergeltungsrufe fortgeweht. Die US-Presse rief praktisch zum Krieg auf; der mächtige Zeitungs-Zar William Randolph Hearst steuerte sogar seine Privat-Yacht nach Kuba, um vor Ort den “nach Programm” ausbrechenden Krieg publizistisch auszuschlachten.

Zwischen Totentanz und Narrenspiel

Der Militärmacht USA hatten die spanischen Verteidiger wenig entgegenzusetzen. So wurde Kuba rasch ‚befreit‘ und ging in den Besitz der Vereinigten Staaten über. Dort blieb die Insel mehr als ein halbes Jahrhundert. In dieser Zeit entwickelte sie sich zu einem Tummelplatz korrupter Politiker, zwielichtiger Geschäftsleute und wurde ein beliebter Urlaubsort für amerikanische Gangster vom Schlage Lucky Lucianos, bis einer neuen Unabhängigkeits-Bewegung unter ihrem Anführer Fidel Castro Ende der 1950er Jahre gelang, was sechzig Jahre zuvor misslingen musste.

Vor diesem farbigen Hintergrund spielt „Cuba Libre“. Anders als beispielsweise „Get Shorty“ (1990; dt. „Schnappt Shorty“) und die meisten anderen Romane Leonards stieß das vorliegende Werk in den USA nicht auf die übliche Begeisterung. Die Leserschaft teilte sich deutlich in zwei Lager; die einen liebten das Buch, die anderen hassten es. Die Kritik lässt sich in der Tat nachvollziehen. Leonard ist für sein Talent bekannt, die Verrücktheiten der selbsternannten Eliten dieser Welt mit sarkastischem Witz zu kommentieren. Daher ist es seltsam, dass ihm der Spanisch-Amerikanische Krieg nur als Kulisse für eine eigentlich recht beliebige Geschichte dient.

Zwar geht Leonard durchaus auf die zahlreichen Absurditäten dieses Konfliktes ein und erwähnt beispielsweise die peinliche Tatsache, dass die Amerikaner trotz ihrer erdrückenden Übermacht den Kampf durch absolute Planlosigkeit, Ruhmsucht und die schiere Dummheit ihrer Befehlshaber verlängerten und wesentlich mehr Soldaten im Lazarett als auf dem Schlachtfeld sterben mussten, weil man vergessen hatte, die medizinische Betreuung der Verwundeten zu organisieren. Leider vertieft Leonard solche vielversprechenden Ansätze nicht, sondern folgt seinen Protagonisten, die verständnislos durch das Chaos dieses lächerlichen Krieges taumeln und dabei haarsträubende Abenteuer erleben. Unterhaltsam ist das trotzdem, denn als gewiefter Routinier hält Autor Leonard die Fäden seiner Geschichte stets fest in der Hand. „Cuba Libre“ ist kein Meisterwerk aber ein solider Garant für einige vergnügliche Lesestunden!

Paperback: 349 Seiten
Originaltitel: Cuba Libre (New York : Delacorte Press 1998)
Übersetzung: Christoph Göhler
www.randomhouse.de/goldmann

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