Paul Hoffman – Die linke Hand Gottes

Thomas Cale ist Novize und lebt in der Ordensburg der „Erlösermönche“. Auch wenn sie Gott – dem „Erlöser“ – dienen, so ist die Botschaft, die sie überbringen, meistens nicht die des Friedens, denn sie sind eher Gesandte des Todes.

Das Leben für die vielen Jungen ist äußert unbarmherzig. Der Kriegerorden kennt so etwas wie Gnade und Erbarmen nicht. Ihre Ausbildung ist voller Enthaltsamkeit, dafür regiert die Gewalt hinter den Klostermauern. Schon von Kindesbeinen an wird ihr Willen systematisch gebrochen, um sie später als Kriegsmaschinen gegen die Antagonisten einzusetzen: Ketzer und Abtrünnige vom wahren und einzigen Glauben an den göttlichen „Erlöser“.

Eine Flucht aus der Ordensburg scheint unmöglich, und selbst wenn die Flucht einem Novizen oder einem Mönch gelingen mag, so wird dieser gejagt und getötet – öffentliche Abschreckung, die ihre Wirkung bei den Novizen nicht verfehlt. Auch sonst sind tägliche drakonische Strafen das eigentliche Programm für Disziplin, und gelegentlich kommt es vor, dass Novizen oder Angehörige spurlos verschwinden.

Als Cale und zwei seiner Freunde die Ordensburg durchstreifen und Cale sowieso mit den Gedanken an eine Flucht beschäftigt ist, wird er Zeuge eines grausamen Mordes. Ein ranghoher und gefürchteter Mönch seziert ein noch junges Mädchen bei lebendigem Leibe, ein zweites, gefesseltes Mädchen ist die verschreckte Zuschauerin dieses bestialischen Mordes. Cale verliert, außer sich vor Wut, die Kontrolle und tötet den Mönch nach kurzem Kampf. Mit diesem Mord ist Cale ein praktisch schon zum Tode verurteilter Mann, und so flieht er zusammen mit seinen zwei Freunden und dem Mädchen aus der düsteren Ordensburg.

Doch damit ist das Quartett noch lange nicht in Sicherheit, denn als die Mönche von Cales Tat erfahren, jagen sie die Abtrünnigen durch das manchmal unwirtlich bergige Land. Als sie endlich die prächtige Stadt Memphis erreichen, sind sie zwar vorübergehend in Sicherheit vor den Mönchen, doch werden sie weder freundlich noch herzlich empfangen.

Die aristokratisch geordnete Welt ist eine ganz eigene für sich. Von dem Krieg zwischen den Erlösern und den Antagonisten ist nicht viel bekannt, auch von der kriegerischen Ausbildung ahnen die Stadtväter nichts, bis eines Tages die Tochter eines Herrschenden von den Mönchen entführt wird. Cales Talent offenbart sich und es wird klar, dass Cale eine tödliche Waffe ist. Fast zeitgleich formiert sich ein Heer der Erlösermönche vor den Stadtmauern, das zum Angriff bereit ist. Warum legen die kriegerischen Mönche so viel Wert auf Cale und seine Freunde? Welche Geheimnisse sind es wert, einen Krieg um sie zu entfachen?

Kritik

„Die linke Hand Gottes“ ist der erste in Deutschland veröffentlichte Roman des Autors Paul Hoffmann und der Beginn einer Trilogie um Thomas Cale. Angesiedelt wird der Roman vom Verlag im Genre Fantasy, und da ist er auch durchaus passend aufgehoben. Allerdings bedient sich Hoffmann nicht düsterer Magie oder finsterer Geschöpfe der Nacht. Seine Protagonisten sind allzu menschlich, mit allen Facetten und Eigenarten, die uns auszeichnen.

Die Atmosphäre ist anhaltend düster; bereits die ersten Kapitel in der Ordensburg der Erlöser geben Anlass zu der Vermutung, dass es wenig Hoffnung und Liebe in dieser Geschichte geben wird. Gewalt und die Angst der Novizen werden dem Leser eindrucksvoll vor Augen gehalten. Analysiert man den Glauben der Erlösermönche, so kommt dieser dem vor allem mittelalterlich geprägten christlichen Glauben recht nahe, denn immer tauchen der Sündenbegriff oder der Satan darin auf. Und auch der Erlöser, der sich für die Menschheit geopfert hat, besitzt natürlich einen gewissen Wiedererkennungswert für den Leser.

Dass Religion immer wieder für Menschen ein legitimer Vorwand ist, um anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen, wird hier drastisch dargestellt. Mit Erlösung hat die Erziehung der Novizen gar nichts zu tun. Wer nicht ins Muster passt, wird aussortiert, und die nächste Station ist dann wohl das Jenseits. Auch der Krieg gegen die Antagonisten, die Ketzer, scheint nur ein Vorwand zu sein. Die Mönche geben sich selbst sehr weltlich und sündhaft, und erst am Ende des Romans erwartet den Leser ein kurzer Einblick in die religiösen Motive der Kriegerkaste. Doch ist das nur der Anfang, und noch lange ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt.

Zeitweise liest sich der Roman wie ein Drehbuch, sodass man durchaus merkt, aus welchem Bereich der Autor kommt und wo er seine ersten Erfahrungen sammeln konnte. Betrachten wir nun die Protagonisten des Romans nur unter der Perspektive, dass der ganze Roman sich als Einleitung versteht. Die Schachfiguren sind aufgestellt, der Krieg kann beginnen und Thomas Cale ist der König des Ganzen, der Mittelpunkt und die (Er-)Lösung für viele Parteien.

Sein Talent wird offenkundig, und seine innere Rebellion und sein Hass auf die Mönche reichen bis tief in sein Innerstes, so dass der junge Mann nach Rache für die vielen Verletzungen und Schmähungen lechzt und völlig verbittert und kalt wirkt. Durch seine Ausbildung, und das erfährt der Leser erst nach und nach, offenbart sich die ganze Persönlichkeit, aber auch seine Angst und Verletzlichkeit. Für Cale und seine Freunde beginnt in Memphis ein neues Leben, und vor allem müssen sie viel lernen, denn aufgrund der lebenslangen Ausbildung mit und an Waffen ist das Abenteuer Liebe und Mitgefühl völlig neues und unentdecktes Terrain für sie.

Thomas Cale und viele andere Haupt- und Nebencharaktere sind dabei nicht eindimensional gezeichnet. Cale wirkt verschlossen, und jegliche Gefühle sind ihm scheinbar fremd. Er kämpft, wie er es erlernt hat, effektiv, schnell und tödlich, dabei aber nicht grausam, sondern eher wie ein komplexes aber schnelles Uhrwerk – eine Maschine, die aufs Töten programmiert wurde, denn Cale beherrscht nicht nur die unterschiedlichen Waffen, sondern ist auch ein begnadeter Taktiker und Stratege. Auch seine beiden Freunde weisen Talente auf, die jeglichen Krieger der Stadt in den Schatten stellen. Das gerettete Mädchen besitzt ebenfalls besondere Talente: Sie ist nichts anderes als eine besondere Geisha, ausgebildet, um Männern ihre sexuellen Wünsche zu erfüllen. Alles weitere zu ihrer Person bleibt erst einmal ein Rätsel.

Als alleiniger Kritikpunkt ist anzumerken, dass im Eröffnungsband viele Fragen noch offen bleiben, was hinsichtlich der Handlung und der Charaktere verwirrend sein kann. Von der Ausbildung der Mönche liest man noch nicht viel, ebenso wenig über den Krieg gegen die Antagonisten. Der Spannungsbogen baut sich stark auf und ist von Überraschungen gesäumt; der Leser erfährt häppchenweise von den Hintergründen und kann so das zunächst grobe inhaltliche Bild allmählich verfeinern.

Fazit

„Die linke Hand Gottes“ von Paul Hoffmann ein sehr gelungener Auftakt zu einer neuen Fantasy-Trilogie. Spannungsbogen und Action haben in diesem Auftakt noch lange nicht den Höhepunkt erreicht. Das Warmlaufen für den eigentlichen Wettkampf deutet auf eine explosive Entwicklung hin: Thomas Cale, der Engel des Todes, ein Junge und zugleich Erlöser, wird seinen Weg gehen – nur wohin?

Der Autor

Paul Hoffman hat nach seinem Anglistik-Studium in über zwanzig verschiedenen Berufen gearbeitet, unter anderem als Buchmacher, Kurierfahrer, Lehrer und als Gutachter für den Britisch Board of Film. Teile seines ersten Romans „The Wisdom of Crocodiles“ wurden mit Jude Law verfilmt. Als Drehbuchautor hat er neben vielen anderen mit Francis Ford Coppola gearbeitet. „Die linke Hand Gottes“ ist sein erster Roman bei Goldmann und der erste Teil seiner Trilogie.

Originaltitel: The Left Hand of God
Übersetzung von Reinhard Tiffert
480 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3442312320
Verlagsspezial: http://www.randomhouse.de/webarticle/webarticle.jsp?aid=22181
www.goldmann-verlag.de