Adam Christopher – Dunkelheit in Flammen (Spider Wars 1)

Das geschieht:

In dieser Zukunft des 30. Jahrhunderts hat die Menschheit den Weg in den Weltraum längst gemeistert. Da die Grenze der Lichtgeschwindigkeit dank technischer Tricks überwunden wurden, konnten auch erdferne Planeten besucht, besiedelt und ausgebeutet werden. Manchmal stieß man dabei auf fremde Intelligenzen, von denen einige feindlich auf die irdischen Besucher reagierten.

Als furchtbarer Gegner erwiesen sich die „Spinnen“, vernunftbegabte Roboter, die Planetengröße erreichen und ganze Himmelskörper in Stücke reißen können. Der Krieg gegen diese Kreaturen hat nicht nur zahllose Opfer gefordert. Vor allem dort, wo Kontrollen schwierig sind, ist das Militär dazu übergegangen, Kriege mit schmutzigen Methoden zu führen.

Im erdfernen Upsilon-System kreist die Forschungsstation „Coast City“ um die Sonne „Schatten“, deren ‚toxisches‘ Licht die Untersuchungen erschwert. Nun wird die Station aufgelöst und abgebaut – eine öde Routine-Prozedur, die der gerade pensionierte Captain Abraham Idaho „Ida“ Cleveland überwachen soll. Man empfängt ihn unfreundlich auf der bereits weitgehend menschenleeren und demontierten Station.

Ida langweilt sich und bastelt ein Funkgerät, mit dem er heimlich weil verbotenerweise den Subraum überwacht. Von dort erreicht ihn die Stimme einer sowjetischen Kosmonautin, die Anfang der 1960er Jahre im Erdorbit verschollen aber nicht gestorben ist: Ludmilla wurde ein Wesen des Subraums, den sie inzwischen besser kennt, als ihr lieb ist, denn dort hausen Kreaturen, die nur darauf warten, in die Realität vorstoßen zu können, um dort ihr Unwesen zu treiben.

Man muss ihnen aus dem Diesseits eine Pforte öffnen. Eine besonders bösartige Dämonin hat „Coast City“ ins Visier genommen. Zwar kommt ihr Ida auf die Schliche, doch längst hat das Wesen Besitz von der Station und ihrer Besatzung genommen …

Spuk-Station im Weltall

Die Kombination von Science-Fiction und Horror ist beinahe so alt wie das Genre SF selbst. Wen wundert’s, bieten sich doch das dunkle, nur scheinbare ‚leere‘ All oder fremde Planeten als Brutstätten unheimlicher Kreaturen förmlich an. In der „Pulp“-Ära vor dem Zweiten Weltkrieg tappten mutige (oder dumme) Raumfahrer immer wieder in die Fallen grässlicher Außerirdischer, die umgekehrt die Erde attackierten (wo sie es aus unerfindlichen, biologisch nie sinnvoll geklärten Gründen auf hübsche Menschenfrauen abgesehen hatten).

Eine direkte Verbindung zwischen dieser vor allem den Faktor Fremdenfurcht bedienenden Schauergeschichten und der nur scheinbar subtiler gewordenen SF der Gegenwart lässt sich über drei Schwerpunkte herstellen. Am Anfang steht „Discord in Scarlet“ (dt. „Ungeheuer an Bord“), eine Story des SF-Autoren A. E. van Vogt (1912-2000), die 1939 in der Dezember-Ausgabe des Magazins „Astounding Science Fiction“ erschien: Das aus einem Kosmos vor der Urknall stammende, in den Weiten des Weltraums beheimatete Wesen Ixtl überfällt ein irdisches Raumschiff, um die Besatzung geistig und körperlich zu unterjochen. Die heute eher simpel wirkende Erzählung floss in das Drehbuch zum Film „Alien“ (1979) ein (wie van Vogt vor Gericht zu belegen wusste), der wiederum das Muster für viele, meist miserabel kopierte SF-Horror-Filme und TV-Serien wurde.

Dazu gehört auch „Dunkelheit in Flammen“, der dem Gros seiner Vorgänger immerhin eine gewisse erzählerische Eleganz voraushat. Das ist wichtig, da neue Ideen ansonsten gänzlich fehlen. Die Einbettung der Story in eine Rahmenhandlung, die drei Bände umfassen wird, ändert daran nichts – glücklicherweise, denn nachdem die Katze aus dem Sack bzw. die Subraum-Dämonin zurück in die Ewigkeit befördert ist, könnten das nunmehr zum „Spinnenkrieg“ überblendende Geschehen sowie eine kosmische Verschwörung für Space-Opera-Action sorgen.

Das Gegenstück rasselnder Ketten

Dass sich in den Falten des Raum-Zeit-Kontinuums ungebetene Gäste aufhalten könnten, vermutete auch H. P. Lovecraft (1890-1937), der darauf den Cthulhu-Mythos gründete. Adam Christophers in den Subraum verbannte Dämonin würde in die Galerie der von Lovecraft kreierten Finsterlinge passen. Doch Christopher fehlt der Willen (oder das Talent) zur Etablierung einer vor allem fremden Macht, deren Motive dem Menschen unverständlich und damit unheimlich bleiben. Wie gut dies funktioniert, demonstriert Christopher (unfreiwillig?) an den „Spinnen“, deren zerstörerisches Wirken ohne Erklärung bleibt.

Dagegen erhält besagte Dämonin nicht nur eine menschliche Gestalt (und einen Namen), sondern sogar eine (kurze) Biografie, die eher für Kopfschütteln als für Klarheit sorgt: Wer in jenem Subraum haust, dessen absolute Fremdartigkeit der Autor immer wieder beschwört, sollte über triviale Rachsucht und galaktische Eroberungsträume erhaben sein. Womöglich ist dieser Kosmos nach Christopher jedoch tatsächlich ein profaner Ort, dem der Alltag näher als das Wunder steht.

Zumindest funktioniert das geschilderte Umgebungsmilieu: Auch in fernen Sonnensystemen ist Dienst vor allem Dienst, und Schnaps ist Schnaps, selbst wenn er den Space-Marines streng verboten ist (aber klischeekonform heimlich gebrannt und konsumiert wird). Schon das Ambiente sorgt dafür, dass sich der Soldat überall heimisch fühlt, denn sämtliche Raumschiffe und Stationen der Flotte sind aus Standardteilen gefertigt, die modular zusammengefügt bzw. nach Gebrauch demontiert werden können.

Denken und handeln: hier kein Idealgespann

Abermals stammt die Vorgabe aus dem „Alien“-Universum; hier ist es allerdings „Aliens – Die Rückkehr“, jener Film, mit dem James Cameron die Serie 1986 fortsetzte. Abgebrühte, intellektuell eher träge aber dafür durchtrainierte und großwaffentaugliche Soldaten werden an die Fronten des Alls gekarrt, um dort befehlsgemäß niederzuwerfen, was sich ihnen entgegenstellt. Das Klischee erfordert, dass irgendwann der Verdacht aufkeimt, verraten, verkauft & verheizt zu werden, worauf hinterfragt wird, wem man eigentlich dient. In unserem Fall übernimmt „Ida“ Cleveland die Ripley-Rolle als Katalysator dieser Entwicklung, der sich nach und nach diverse Hau-drauf-Marines anschließen, die für das turbulente Finale = die Konfrontation von Gut und Böse benötigt werden.

Bis es soweit ist, geht es einerseits mächtig um auf in bzw. auf „Coast City“. Christopher versucht, eher ‚gotischen‘ Gruseleffekte der klassischen Art mit zukünftiger Hightech zu koppeln. In erster Linie lässt er in quasi-klaustrophischen Kulissen – die Station ist bereits zur Hälfte demontiert – dauernd das Licht ausfallen bzw. epileptisch flackern, denn Dunkelheit jagt auch im 30. Jahrhundert noch Furcht ein und gibt gleichzeitig den Spukgestalten Schattendeckung, damit sie sich an ihre (jederzeit völlig überraschten) Opfer heranpirschen können. Zudem wird es buchstäblich grabeskalt, bevor das geschieht, sodass sich diese über kalte Füße und ihren kondensierenden Atem gruseln können.

Immerhin hält das Jenseits auch Verstärkung bereit: Kosmonautin Ludmilla kommt aus dem Jahre 1961 zur Hilfe, wobei sie sich – abermals genrekonform – sehr kontraproduktiv verhält, d. h. in mysteriösen Andeutungen ergeht und erst Klartext redet, als es zu spät ist bzw. sogar der notorisch begriffsstutzige Ida längst begriffen hat, was da aus dem Subraum drängt. Anders ausgedrückt: Ludmilla ist keine besondere Hilfe – dem armen Ida so wenig wie dem Leser, der irgendwann merkt, dass dem gewaltigen Theaterdonner, den Christopher um Ludmilla entfesselt hat, nur ein Kurzauftritt als ektoplasmatisches Helferlein folgt.

immer in Bewegung bleiben!

Die Figurenzeichnung ist der Handlung angemessen, um es möglichst neutral auszudrücken: „Dunkelheit in Flammen“ ist ein SF-Garn, mit dem der Autor sein Publikum einspinnen = unterhalten will. Jegliche Tiefe ist höchstens behauptet (und ähnlichen Garnen ‚entliehen‘). Es schmerzt den Leser beinahe so wie Ida sein dramaturgisch angedichtetes Hinkebein, wenn er (und natürlich auch sie) mit Klischees und ‚tragischen‘ Rückblenden bombardiert wird.

Womöglich ist dies kein kritikwürdiger Punkt und eine Frage des Alters: Jüngere Leser, die noch nicht wissen, dass Christopher sich inhaltlich wie formal höchstens aus dem Baukasten der Populär-Unterhaltung bedient, könnten durchaus zufrieden und im Recht sein: Diesem Zielpublikum bietet „Dunkelheit in Flammen“ auf jeden Fall spannendes Lesefutter.

Es könnte außerdem besser werden: Die „Spider Wars“ gehen in die zweite Runde. Dies gibt Christopher die Chance, den nur schlecht austarierten und deshalb von Episode zu Episode schlingernden Handlungsbogen zu festigen. Noch kann er sich auf den Handlungsüberbau berufen, wenn er wild durch Raum und Zeit springt, aber es kommt der Punkt, an dem er die Karten auf den Tisch legen und Erklärungen bieten muss, die er hoffentlich hat!

Autor

Adam Christopher McGechan wurde am 2. Februar 1978 in Auckland, der Hauptstadt der Doppelinsel Neuseeland, geboren. Hier wuchs er auf, hier lebte er, bis er sich 2006 im nordwestlichen England niederließ.

Bevor er selbst professionell zu schreiben begann, war Christopher aktiv in der Fan-Szene der TV-Serie „Doctor Who“, die auch in Neuseeland viele Anhänger besitzt. Zwischen 2003 und 2009 gab Christopher neun Ausgaben des Who-Fanzines „Time/Space Visualiser“ heraus, wofür er 2010 mit einem Sir-Julius-Vogle-Preis ausgezeichnet wurde.

Christophers Romandebüt wurde 2011 „Empire State“, gleichzeitig Start einer gleichnamigen, bereits fortgesetzten Serie, die in einem räumlich und zeitlich parallelen New York spielt. 2014 startete die „Spider-Wars“-Serie, 2015 die Retro-SF-„L.-A.-Trilogie“. Darüber hinaus verfasst Christopher Romane zur TV-Serie „Elementary“.

Mehr über Adam Christopher

Paperback: 397 Seiten
Originaltitel: The Burning Dark (New York : Tor Books 2014)
Übersetzung: Claudia Kern
www.cross-cult.de

eBook: 1,46 MB
ISBN-13: 978-3-86425-703-2
www.cross-cult.de

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