Den abenteuerreichen Aufstieg eines jungen Kriegerführers schildert dieser erste Band eines neuen Heroic-Fantasy-Zyklus des einschlägig bekannten britischen Autors David Gemmell. Der Rigante-Zyklus wendet sich wie schon der Drenai-Zyklus an ein junges männliches Publikum, und dieses weiß er hervorragend zu unterhalten.
Inzwischen sind vier Rigante-Romane veröffentlicht. Man darf davon ausgehen, dass weitere folgen. Die deutsche Ausgabe ist sehr schön aufgemacht – mit einem verzierten Hardcover-Einband. Das Sammeln lohnt sich also.
Die Rigante-Saga:
Band 1: „Sword in the Storm“ (1998; dt. als „Die steinerne Armee„)
Band 2: „Midnight Falcon“ (1999, dt. als „Die Nacht des Falken”)
Band 3: „Ravenheart“ (2000, dt. als „Rabenherz”)
Band 4: „Stormrider“ (2001, dt. als „Sturmreiter„)
Handlung
Im Mittelpunkt der Geschichte steht das Schicksal des jungen Connavar, der später einmal König des Rigante-Volkes werden wird. Dessen Stammesgebiet ähnelt dem Norden Englands und dem südlichen Schottland. Das Meer ist nirgends weit entfernt, und ab und zu landen wikingerhafte Seeräuber an der Küste der großen Insel, die es zurückzuschlagen gilt.
Jenseits des großen Wassers liegt ein Kontinent, welcher ebenfalls von „Keltoi“-Stämmen besiedelt ist. Doch die „steinerne Armee“ (genauer: die Armee des Staates Stone) erobert ein Volk nach dem anderen: Ein sehr römisch organisiertes Heer unter der Führung des Generals Jasaray, der viel Ähnlichkeit mit Gaius Julius Caesar hat, vernichtet eine Armee der Keltoi nach der anderen, weil sie eine ganz andere Kampftaktik praktiziert und das eroberte Gebiet sofort kolonisieren lässt.
Man braucht kein Hellseher oder Druide zu sein, um sich auszurechnen, dass diese unbesiegbare und unersättliche Armee über das Meer setzen wird, um die Insel der Rigante zu erobern und zu unterwerfen. Das wäre nicht so schlimm, wenn nicht Connavar mit eigenen Augen sehen würde, dass General Jasaray Männer, Frauen und „verwertbare“ Kinder in die Sklaverei verkauft und die Kinder und Säuglinge, die zu klein für den Sklavenmarkt sind, einfach abschlachten lässt.
Diese und andere Szenen, die Connavar auf dem Kontinent erlebt, machen ihn ziemlich verbittert – zumal er durch seine Mitwirkung an der Unterwerfung eines feindlichen Volkes dazu beigetragen hat, dass solche Gräuel stattfinden können.
Nun macht sich der 17-Jährige auf den Weg nach Hause, wo man ihn bereits als Helden kennt, der gegen einen wilden Bären nur mit dem Messer gekämpft und der einen „bösen König“ getötet hat.
Doch die Rigante zu einer Armee zusammenzuschweißen, ist natürlich nicht einfach. Connavar muss mehrere Neuerungen einführen und dann noch den bisherigen „Langen Laird“, einen Quasi-König, beerben, bevor er sich durchsetzen kann.
Außerdem wird er zum Opfer mehrerer unglücklicher Verkettungen von Umständen: Seine geliebte Gattin Tae stirbt, weil er sich von einer früheren Geliebten becircen und aufhalten ließ. Sicher hat auch ab und zu die Göttin des Streits und des Todes, die Morrigu, ihre Finger im Spiel.
Am Schluss des Roman steht wie so oft bei Gemmell eine entscheidende Schlacht an: Diesmal gilt es noch nicht, die steinerne Armee zu bekämpfen, sondern einen feindlichen Stamm, der sich mit Seeräubern verbündet hat: rund 18.000 Mann. Denen stehen lediglich 10.000 Rigante-Kämpfer gegenüber.
Doch dies wäre kein Gemmell-Roman, wenn nicht dennoch klar wäre, dass die Minderzahl nicht entscheidend ist. Es kommt darauf an, wer den größeren Kampfeswillen und die bessere Strategie in der Schlacht hat. Na, dann kann’s ja losgehen.
Mein Eindruck
Man könnte aus diesem groben Abriss der Haupthandlung den Eindruck gewinnen, dass es in diesem Buch a) nur um Kampf und Krieg geht und dass b) Frauen praktisch kaum vorkommen. Das Gegenteil ist jeweils der Fall. Kampf und Krieg sind die jeweiligen negativen Höhepunkte einer unglücklichen Entwicklung: Niemand unter den Rigante will Krieg – es wird sogar Wergeld gezahlt, um eine Fehde zu beenden -, doch man ist auch bereit, wenn sich der Kampf nicht vermeiden lässt, um Leib und Leben zu verteidigen.
Zu Leib und Leben gehören in vielen Fällen die Frauen, die für den Fortbestand des Volkes sorgen und für dessen Gedeihen. Zu den wichtigsten Frauengestalten in „Sword in the Storm“ (dies ist Connavars geheimer Name; Kelten hatten stets mehrere Namen) gehören neben Conns Geliebter (Arian) und seiner Gattin (Tae) natürlich seine Mutter (Meria) sowie die Frau seines besten Freundes und Mentors Banouin. Diese Vorna war einmal eine so genannte Hexe, Hebamme und Heilerin in Connavars Dorf. Doch nachdem sie den durch den Bären tödlich verletzten Conn geheilt hatte, verlor sie ihre Magie. Erst Conns Intervention bei den Naturgeistern führt dazu, dass sie ihre Kraft wiedererlangt.
Diese Naturgeister bilden ein eigenes Reich, das seit Anbeginn der Welt bestand und nun nur noch in verbotenen, weil verzauberten Wäldern existiert. Die Naturgeister, hier Seidh (sprich „schih“) genannt, spielen eine wichtige Rolle in Conns Leben. Die täuschende Todesgöttin Morrigu habe ich bereits erwähnt. Wohlwollend ist eher der Thagda, der alte weise Mann des Seidh-Volkes. Weil Conn, als er noch ein kleiner Junge war, den Thagda in dessen magischer Gestalt als Rehkitz gerettet hatte, bekam er zum Dank ein Seidh-Messer und später ein Seidh-Schwert. Beide machten ihn zum unsterblichen Helden und außerdem praktisch unbesiegbar.
Zunehmend scheint David Gemmell sich um die Psychologie seiner Figuren zu kümmern. Dies gilt besonders für die des Helden Connavar. Conn ist zwar wie alle Kelten aufbrausend und wankelmütig, weiß aber doch ein Versprechen zu halten (meistens jedenfalls; siehe oben) und Familie, Freunde und Volk mit dem eigenen Leben zu verteidigen. Leider ist die Liebe oft nicht das, was man sich wünscht. Das verbittert auch Conn und führt zu tragischen Verwicklungen.
Auch ist Conn kein blindwütig hassender Haudrauf, obwohl er durchaus einmal dem Berserkerwahnsinn zum Opfer fällt (bei der Vergeltung für den Mord an seiner Gattin): In ihm steckt eben beides, im Zaum gehaltene Wildheit wie auch liebevolle Zuneigung und Aufopferung.
Dies ist der klassische Werdegang eines sogenannten „Helden“ und künftigen Königs. Zuweilen gemahnt sein Schicksal an Artus, doch ohne dabei in hohles Pathos umzuschlagen. Conn ist uns sympathisch durch Mut, Tapferkeit und seine unglücklich verlaufende Liebe. Doch er nicht so sympathisch, dass wir ihn nicht aus einer kritischen Distanz betrachten könnten.
Unterm Strich
„Die steinerne Armee“ ist Heroic Fantasy aus der ersten Riege: meisterhaft erzählt, breit angelegt, mit packenden wie auch anrührenden Szenen, die einem eindeutigen Höhepunkt zustreben: der ultimativen Bewährungsprobe des Helden. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Volle Punktzahl!
Der Rigante-Zyklus im Überblick
Band 1: „Die Steinerne Armee“
Band 2: „Die Nacht des Falken“
Band 3: „Rabenherz“
Band 4: „Sturmreiter“
Hardcover: 521 Seiten
www.luebbe.de