Jack Vance – Freibeuter des Alls. SF-Abenteuer

Actionreich: ein interplanetarischer James Bond

Dieser Roman handelt von einem fünfzehnjährigen Jungen, der sich auf eine Reise zum Mond begibt, wo er seinen Vater besuchen will. Doch im All lauern Gefahren, denn ein mysteriöser Pirat, genannt der Basilisk, treibt dort sein Unwesen…
Dieser spannende Science-Fiction-Roman ist ein Jugendbuch für ca. 15-jährige Jungs: flott geschrieben, mit aufregenden Schauplätzen und packenden Zweikämpfen, bei denen das Leben des Helden auf dem Spiel steht.

Handlung

Dick Murdock geht mit seinen 15 Jahren noch zur Schule, aber in den Ferien darf er mal seinen Vater besuchen. Eigentlich wohnt Dick ja auf der Venus im Miracle Valley bei seiner Mutter. Sein Vater arbeitet auf dem Mond, wo er seit ein paar Monaten als Chefastronom das neue Observatorium leitet.

Doch schon die Anreise scheint gefahrvoll zu sein. Zunächst begegnet Dick einem falkengesichtigen, dünnlippigen Mann namens A. B. Sende, der als Funker auf dem Mond arbeiten soll, doch wie sich zeigt, verfügt er über eine Menge anderer Qualitäten. Das Passagierschiff fliegt durch den so genannten „Friedhof“: Hier wurden bereits zwei Raumschiffe von Raumpiraten gekapert und zerstört, wobei alle Passagiere ihr Leben durch Dekompression verloren. Die Raumpiraten sind die des so genannten „Basilisken“, der offenbar eine Flotte mit Kriegsschiffen aufbaut. Wo er sein Versteck hat, weiß niemand. Und die Raumflotte der Erde ist noch zu klein und schwach, um ihm Paroli bieten zu können.

Dicks Passagierschiff entkommt einem weiteren Angriff nur dadurch, dass auf einmal Funk und Radar ausfallen, so dass es sich nicht anpeilen lässt. Merkwürdig, dass A.B. Sende genau zu dieser Zeit verschwunden ist …

Auch auf dem Mond ist es Dick schon bald nicht mehr geheuer. Hier hat es im Teleskop einen tödlichen Unfall gegeben. Der Chefastronom verbrannte, weil jemand den Sonnenlichtfilter entfernt hatte. Dicks Vater rückt nun nach: Wird er das nächste Opfer sein? Denn das Observatorium hat im erdnahen Raum eine Schlüsselposition: Damit lassen sich alle Schiffsbewegungen erfassen. Leider kann der Funk nur über die alte, inzwischen aufgegebene Sicherheitsbasis der Vereinten Nationen in Betrieb gehalten werden. Das könnte ein Schwachpunkt sein …

Wenigstens findet Dick einen netten Freund auf dem Mond: den irren Sam, der so genannt wird, weil er mal die einheimischen Mondbewohner gesehen hat. Mit großen gelben Augen hätte ihn einer mal angestarrt. Dick meint auch: So könnte der „Basilisk“ aussehen. Bekanntlich versteinerte der Blick dieses Fabelwesens denjenigen, der ihn ansah. Mit Sam fliegt Dick auf einem Raumfloß zu einer Gegend, wo sich Edelsteine en masse finden. Dort werden sie fast von einem Felsbrocken erschlagen. Will ihnen jemand an den Kragen?

Je mehr Dick Detektiv spielt und sich damit zunehmend unbeliebt macht, desto mulmiger wird ihm auf dem Mond. Dennoch lässt er sich durch kodierte Funksprüche, fiese Kameraden und weitere Anschläge nicht unterkriegen. Erst als er herausfindet, dass das Leben seines Vaters in ernster Gefahr ist, muss er sich zum Äußersten entschließen. In einer waghalsigen Aktion setzt er sein Leben ein.

Mein Eindruck

Exotisches Universum für den Meistbietenden

Dieses spannende Abenteuergarn für Jungs (Frauen kommen nur als Stewardess vor) versetzt den erstaunten heutigen Leser in die Steinzeit der Science-Fiction, ins Jahr 1952/53. Die Venus stellt sich der Autor als tropisches Paradies à la Südsee vor. Der Mars ist zwar staubtrocken, aber von wasserführenden Kanälen à la Venedig durchzogen und (ebenso wie der Mond!) mit pittoresken Ruinenstädten der Ureinwohner dekoriert. Der Mond ist in den Kratern mit schwarzem Glas und Lava überzogen, die Juwelen warten nur auf den glücklichen Finder.

Allein für die Eroberung dieser Urlaubsparadiese würde sich die Expansion der Erdherrschaft lohnen, suggeriert uns der Autor. Nur der böse, fiese Basilisk macht den Erdträumen einen Strich durch die Rechnung: Er hat selbst Pläne für die Weltherrschaft. Allerdings sind dabei auch eine Million Tote eingeplant.

Der kurze James Bond

Um den Basilisken zu stoppen, stellen sich jedoch alle Erwachsenen als irgendwie zu dämlich oder borniert an. Das findet zumindest Dick Murdock, unser aufgeweckter Junge mit intimen Kenntnissen des Fotografierens, des Code-Entschlüsselns und des Chemiekastens. Dieser Tausendsassa ist ein wahrer James-Bond-Ersatz. Sein Problem ist nur, dass ihn – außer seinem Vater – keiner ernst nimmt. Er muss also noch zwei Jahre drangeben, dann ist er endlich reif für die Aufnahme in die Raumakademie: sozusagen der Ritterschlag für die Rettung des Universums.

Wie man von einem James Bond mit Geheimagentenwissen erwarten kann, ist die Handlung prall mit Action gefüllt, es gilt, die Schurken ausfindig zu machen und auszuschalten. Dass Dick dabei selbst mehrmals sein Leben wagen muss, versteht sich von selbst. Dass dabei so mancher logische Denkfehler auftritt, ist hingegen nicht ohne Weiteres hinzunehmen. Und dass Dick einem Anschlag mit Blausäure entkommt, grenzt schon ans Mirakulöse.

Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs mit anderen Mitteln

An vielen Stellen musste ich daran denken, dass Jack Vance während des Zweiten Weltkriegs in der amerikanischen Handelsmarine diente und dabei mehrmals von japanischen U-Booten torpediert wurde. Deren Rolle nimmt der „Basilisk“ ein. Als wir ihn endlich zu Gesicht bekommen, hat er zwar keine japanischen Schlitz-, sondern nur Glubschaugen, doch die Farbe Gelb ist ebenso dominant: die „Gelbe Gefahr“ ist amerikanischen Jungs (und Seefahrern) zur Genüge bekannt.

Die Kriegsmarine der Erde befindet sich nach dem Rückzug der Vereinten Nationen vom Mond in einer extrem geschwächten Position – genau wie die US-Flotte nach dem Angriff auf Pearl Harbor. Doch dann lief ein beispielloses Flottenbauprogramm an. Und dessen Erfolge zeigen sich schließlich auch in Vances Romanhandlung. Merke: Die Amis mögen zwar angeschlagen und blöd sein, aber sie sind fähig zur Umkehr und sich wieder aufzurappeln – wenn nur die Jugend ordentlich mitmacht. Jungs, der Geheimdienst braucht euch!

Die Übersetzung

… muss wohl in den fünfziger oder frühen sechziger Jahren entstanden sein. Sie ist gespickt mit altmodischen Ausdrücken, die heute niemand mehr benutzen würde. So etwa „galvanische Spannung“ oder „zaudern“ statt „zögern“. Leider steht im Impressum keine Information, von welchem Verlag |Bastei-Lübbe| das Buch lizenziert hat. Könnte ein alter west- oder sogar ein ostdeutscher Verlag gewesen sein.

Unterm Strich

„Freibeuter des Alls“ ist ein kurzweiliges und spannendes James-Bond-Abenteuer für amerikanische Jungs mit Unternehmungsgeist. Dies sorgt für sehr gute Unterhaltung. Dick könnte ein Vorbild sein, wenn er nicht noch klüger als Harry Potter und technikverliebter als Artemis Fowl wäre.

Die unterschwellige Ideologie ist durchgängig die des Kalten Krieges der Eisenhower-Ära, so dass vor dem Missbrauch der Atomenergie keineswegs gewarnt wird. Vielmehr ist der Feind beim Totalitarismus zu suchen, der nicht nur brutale Schurken beschäftigt, sondern auch noch ein doppeltes Gesicht trägt: Russen, Chinesen – Japaner womöglich!

Insgesamt bietet der Roman zwar nicht Heinlein-Niveau, aber auch nicht dessen libertären Militarismus, der zu solchen Machwerken wie [„Starship Troopers“ 495 führte. Vances Helden sind alle Individualisten: Sie verbessern zwar die Welt, brauchen dafür aber weder Familie noch die Army. Das zeigt sich auch in den Dämonenprinz-Detektivromanen.

Der Autor

Jack Vance hat zahlreiche Trilogien und Zyklen geschaffen, die allesamt mit großer Liebe zum Detail geschaffene Vertreter des romantischen Abenteuer-Thrillers sind. Häufig wird die Handlung nach dem Vorbild eines Agententhrillers aufgebaut, so etwa in der |Dämonenprinz|-Serie.

Er gilt als wichtigster Vertreter der |Planetary Romance|, also für Abenteuer, die auf einem ganzen Planeten spielen, wobei der Planet sicherlich eine Hauptrolle spielt. Die |Cadwal|-Chroniken („Araminta Station“ usw.) etwa spielen auf Cadwal, einem Naturschutzgebiet von Planetengröße.

Jack Vance wurde 1916 in San Francisco geboren und wuchs im idyllischen San Joaquin Valley auf. Das prägte seine Liebe für das Land, die selbst in abgewandelten Polizeithrillern wie der „Dämonenprinz“-Serie immer wieder aufscheint.

Vance studierte Bergbau, Physik und schließlich Journalismus. Im 2. Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine und befuhr den Pazifik. Er wurde auf zwei Schiffen Opfer von Torpedoangriffen. Ansonsten weiß man wenig über ihn: Er lebt in Oakland, liebt alten Jazz, spielt Banjo und bereist unermüdlich die Welt.

Seine Karriere begann 1945 mit der Story „The World Thinker“ in dem Magazin „Thrilling Wonder Stories“. Bis 1955 schrieb er abenteuerliche Science-Fiction, die bereits durch farbig geschilderte Schauplätze und spannende Handlungsbögen auffiel. Es war das Goldene Zeitalter der Magazin-Science-Fiction. 1950 wurde sein erstes und berühmtestes Buch publiziert, der Episodenroman „The Dying Earth“. Die Episoden spielen in einer fernen Zukunft, in der die Wissenschaft durch Magie abgelöst wurde. Dadurch spannt sich die Handlung zwischen reiner Science-Fiction und einer Spielart der Fantasy, die nicht ganz von der Logik aufzulösen ist. Herausstechende Stilmerkmale sind bereits die Ironie in Sprache, Handlungsverlauf und Figurenbeschreibung, aber auch schon der Detailreichtum darin. In der Science-Fiction wurde Vance selbst zu einem „world thinker“, der exotische Kulturen mit ulkigen Bräuchen und Sitten erfand, so etwa in der wunderbaren Novelle „Die Mondmotte“ (Musik als eine Form der Kommunikation).

Vance schrieb ab 1957 etwa ein Dutzend Kriminalromane, darunter auch unter dem bekannten Pseudonym Ellery Queen. Er bekam sogar für einen Roman, „The Man in the Cage“, einen |Edgar| verliehen. Dieser kriminalistische Einschlag findet sich in mehreren von Vances Hauptfiguren wieder, darunter bei den galaktischen Spürhunden Magnus Ridolph, Miro Hetzel und Kirth Gersen. Gersen ist der Held der |Dämonenprinz|-Serie, der Rache an fünf grausamen Sternkönig-Aliens nimmt.

Vances Stärke ist sein Prosastil. Er baut in wenigen beschreibenden Detail eine Atmosphäre, eine Stimmung auf, die er dann immer wieder mit wenigen Schlüsselwörtern aufrufen kann. Insofern ist Vance, fernab von jeglicher |Hard SF|, der farbigste und barockeste Autor im Genre, dessen charakteristische Sprache in jedem beliebigen Absatz erkennbar ist.

Leider verstand er es in seinen Werken bis in die 80er Jahre nicht, eine Geschichte durch eine Konstruktion zu stützen, die wenigstens eine kompletten Roman getragen hätte: Er schrieb meistens Episodenromane oder Fix-up-Novels. In ähnlicher Weise ließ auch sein Interesse an Fortsetzungen nach, so dass spätere Romane in einer Serie in der Regel schwächer ausfielen als der Anfangsband.

Vance hat die Kunst der Namensgebung zu wahrer Meisterschaft getrieben: Seine Namen sind phantasievoll und haben stets den richtigen Klang. Ich weiß, woher er seine Einfälle nimmt: aus dem Mittelalter, aus exotischen Kulturen der Erde oder sonstwoher. Im 1. Band der Dämonenprinz-Serie sind dies beispielsweise die Namen „Attel Malagate“, „Lugo Teehalt“ und „Hildemar Dasce“.

Da Vance aber kein einziges Buch geschrieben hat, das ihn durch seine Thematik weltberühmt gemacht hätte – so wie es George Orwell mit „1984“ gelang -, ist er immer ein Geheimtipp, ja ein Kultautor der Science Fiction-Szene geblieben. Das bedeutet nicht, dass Vance unkritisch oder unaktuell gewesen sei: Er griff Themen wie Religion, Sprachwissenschaft, Social Engineering und Ökologie auf, um nur ein paar zu nennen.

Siehe auch die Rezension zum Erzählband „Grüne Magie„.

Taschenbuch: 269 Seiten
Originaltitel: Vandals of the Void, 1953
Aus dem US-Englischen übersetzt von M. W. Andres
Mit Illustrationen von Johann Peterka.
ISBN-13: 9783404232505

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)