Vance, Jack – Weltraum-Monopol, Das

_Abenteuerliches SF-Fliegengewicht_

Die Erde kennt das Geheimnis des interstellaren Antriebs nicht. Als sich herausstellt, dass das Universum voller reicher Welten ist, macht dies die Heimat der Menschen tatsächlich zu einem Hinterwäldlerplaneten. Paddy Blackthorn will das ändern. Er bricht auf, den Shauls das Geheimnis des überlichtschnellen Fluges zu stehlen – und löst damit die größte Menschenjagd aus, die die Galaxis je erlebt hat … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Handlung_

Paddy Blackthorn ist gerade bei der Lieblingsbeschäftigung eines Iren: Er will einen Schatz heben, einen gut versteckten Raumantrieb, der auf der Erde so viel Reichtum einbringen würde, dass sich Paddy zur Ruhe setzen könnte. Denn die Erde ist vom interstellaren Raumflug abgeschnitten. Dieses Monopol besitzen die fünf Rassen, die von einem einst ausgewanderten Menschen namens Langtry abstammen. Und selbstverständlich lassen sie sich dieses Monopol gut bezahlen. Kein Wunder, dass sie gegenüber den unterprivilegierten Erdlingen ein wenig hochnäsig eingestellt sind.

Im Handumdrehen ist der arme Paddy zum Tode verurteilt. Doch in letzter Sekunde rettet ihm sein unglaubliches Sprachtalent das Leben: Er darf übersetzen, und zwar bei keinem geringeren Ereignis als der Ratsversammlung der fünf „Söhne des Langtry“. Denn die fünf Rassen haben sich im Lauf der Zeit nicht nur biologisch und kulturell auseinander entwickelt, sondern natürlich auch sprachlich, so dass sie einander nicht mehr ohne Weiteres verstehen.

Der Mohr tut seine Schuldigkeit und danach ist ihm klar, dass man ihn nicht mehr braucht und zu eliminieren gedenkt. Doch er benutzt den Antigravitationsapparat, um sowohl alle fünf Söhne Langtrys als auch seine Wachen zu töten. Er nimmt den „Söhnen“ jeweils das goldene Armband ab, auf dem sich angeblich die Daten für den Raumantrieb befinden sollen. Doch als Paddy wieder sicher an Bord eines Raumbootes ist, stellt er zu seiner Enttäuschung fest, dass die vier Pergamente und der ulkig geformte Schlüssel nicht das Geheimnis an sich darstellen, sondern nur fünf raffiniert verschlüsselte Hinweise.

Als nächstes lernt er die hübsche Agentin Fay Bullins kennen. Sie arbeitet für die Erd-Agentur (für wen sonst) und möchte natürlich ebenso gerne wie Paddy das Geheimnis des Raumantriebs für die Erde beschaffen. Daher bietet sie ihm ihre Hilfe an. Und da Paddy jetzt im gesamten Universum gejagt wird und der Weg zur Erde durch eine Blockade versperrt ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als mit ihr die Schnitzeljagd zu den fünf Fundorten der Teilstücke des Raumantriebbauplans aufzunehmen.

Sie schliddern von einem Abenteuer ins nächste, kommen sich dabei aber unverhofft menschlich näher und näher …

_Mein Eindruck_

Der Roman lässt sich locker in wenigen Stunden lesen. Das liegt sowohl an der großen Schrift, die auch auf 150 normale Seiten gepasst hätte, als auch an den zahlreichen – durchaus willkommenen – Illustrationen von Johann Peterka. Es ist ganz einfach wenig Text. Nichts ist von Vances berühmten Planetenbeschreibungen zu finden, von den detaillierten und ironischen Darstellungen kultureller Eigenheiten. Lediglich Andeutungen finden sich, und dann auch nur in recht abfälligem Gebrauch. Von Objektivität keine Spur.

Dennoch kann man sich zumindest über eine spannende und actionreiche Handlung freuen, die mit einem Paukenschlag endet. Aber diese Dramaturgie gab es damals schon im Dutzend billiger, in Form der sogenannten Ace Space Adventures, die später sogar im Doppelpack auf den Markt geworfen wurden: die berüchtigten Ace Doubles, an denen die Autoren nur einen Hungerlohn verdienten (auch der hoch gerühmte Philip Dick musste sich dazu herablassen). Die Klischees werden von einer hauptsächlich in Dialogform vorangebrachten Handlung getragen, die übergangslos von Schauplatz zu Schauplatz springt, dass einem fast schwindlig wird.

Neben der Action hat der Autor noch eine menschliche Komödie eingeflochten, die sich zunehmend als die übliche Romanze zwischen Männlein und Weiblein entpuppt, nur dass sie einander anfangs eben nicht grün sind. Bis Paddy seine Fay eines Abends verführerisch tanzen sieht. Und sobald er ihr einen Heiratsantrag gemacht hat, kann sie ihn nicht mehr im Stich lassen. Gut so, denn sonst wäre der Roman noch viel früher zu Ende.

|Die deutsche Ausgabe|

Angeblich handelt es sich bei der Bastei-Lübbe-Ausgabe nach eigenen Angaben um eine „komplette, originalgetreue Fassung“. Ich will gar nicht wissen, wie die unvollständige Fassung aussah! Denn die vorliegende Version sieht verdächtig genauso aus. Die Übergänge von einem Schauplatz zum nächsten kommen völlig unvermittelt – manchmal nur mit einem einzigen Satz angedeutet, und zack! ist man auf einer anderen Welt.

Die Übersetzung ist von ebenso niedriger Qualität wie der Druck und das Lektorat. Es treten viele Druckfehler auf, hin und wieder fehlt ein Wort oder das Subjekt eines Satzes passt grammatikalisch nicht zum Verb usw. Es vergeht kaum eine Seite ohne irgendeinen Bug. Da vergeht einem die Lust am Lesen wirklich. Einziger Lichtblick sind die schönen Illustrationen Johann Peterkas, welche die Dynamik einer Szene ausgezeichnet darzustellen wissen.

_Unterm Strich_

„The Five Gold Bands“ – der O-Titel ist durch den Inhalt völlig gerechtfertigt – ist ein literarisches Fliegengewicht, das selbst die akribisch dokumentierende „Encyclopedia of Science Fiction“ keiner Erwähnung für würdig befunden hat. Denn Jack Vance ist in der SF durchaus von Gewicht, nicht nur wegen des Umfangs seines Werks, sondern auch wegen seines prägenden Einflusses auf zwei wichtige Topoi: die Sterbende Erde und das Planetenabenteuer (planetary romance). Zu Letzterem zeigt der vorliegende Roman embryonale Ansätze, bleibt aber sonst den Pulp-Magazin-Konventionen der Vierziger verhaftet.

Man muss also dieses Buch nicht kennen, nicht einmal als Vance-Sammler. Und die deutsche Ausgabe ist in keiner Weise ein Beitrag zu einer endgültigen Gesamtausgabe des Vance’schen Werkes. Dafür ist die Übersetzung zu schlecht und der Text zu mängelbehaftet.

Wer wirklich einen Vance-Roman aus dem Jahr 1950 lesen möchte, der greife zu „Die sterbende Erde“: Magie, Charme, Schwerenöter, Romanze, Melancholie und eine wunderbare Ironie gehen hier eine stilprägende Verbindung ein, die so wichtige Autoren wie Michael Moorcock (Elric usw.) stark beeinflusste. Das Lesen macht auch heute noch Spaß.

_Der Autor_

Jack Holbrook Vance wurde 1916 in San Francisco geboren und wuchs im idyllischen San Joaquin Valley auf. Das prägte seine Liebe für das Land, die selbst in abgewandelten Polizeithrillern wie der „Dämonenprinz“-Serie immer wieder aufscheint.

Vance studierte Bergbau, Physik und schließlich Journalismus. Im 2. Weltkrieg war er Matrose bei der Handelsmarine und befuhr den Pazifik. Er wurde auf zwei Schiffen Opfer von Torpedoangriffen. Ansonsten weiß man wenig über ihn: Er lebt in Oakland, liebt alten Jazz, spielt Banjo und bereist unermüdlich die Welt.

Seine Karriere begann 1945 mit der Story „The World Thinker“ in dem Magazin „Thrilling Wonder Stories“. Bis 1955 schrieb er abenteuerliche Science-Fiction, die bereits durch farbig geschilderte Schauplätze und spannende Handlungsbögen auffiel. Es war das Goldene Zeitalter der Magazin-Science-Fiction. 1950 wurde sein erstes und berühmtestes Buch publiziert, der Episodenroman „The Dying Earth“. Die Episoden spielen in einer fernen Zukunft, in der die Wissenschaft durch Magie abgelöst wurde. Dadurch spannt sich die Handlung zwischen reiner Science-Fiction und einer Spielart der Fantasy, die nicht ganz von der Logik aufzulösen ist. Hervorstechende Stilmerkmale sind bereits die Ironie in Sprache, Handlungsverlauf und Figurenbeschreibung, aber auch schon der Detailreichtum darin. In der Science-Fiction wurde Vance selbst zu einem „world thinker“, der exotische Kulturen mit ulkigen Bräuchen und Sitten erfand, so etwa in der wunderbaren Novelle „Die Mondmotte“ (Musik als eine Form der Kommunikation).

Vance schrieb ab 1957 etwa ein Dutzend Kriminalromane, darunter auch unter dem bekannten Pseudonym Ellery Queen. Er bekam sogar für einen Roman, „The Man in the Cage“, einen Edgar verliehen. Dieser kriminalistische Einschlag findet sich in mehreren von Vances Hauptfiguren wieder, darunter bei den galaktischen Spürhunden Magnus Ridolph, Miro Hetzel und Kirth Gersen. Gersen ist der Held der Dämonenprinz-Serie, der Rache an fünf grausamen Sternkönig-Aliens nimmt.

Vances Stärke ist sein Prosastil. Er baut in wenigen beschreibenden Details eine Atmosphäre, eine Stimmung auf, die er dann immer wieder mit wenigen Schlüsselwörtern aufrufen kann. Insofern ist Vance, fernab von jeglicher Hard SF, der farbigste und barockeste Autor im Genre, dessen charakteristische Sprache in jedem beliebigen Absatz erkennbar ist. Leider verstand er es in seinen Werken bis in die Achtzigerjahre nicht, eine Geschichte durch eine Konstruktion zu stützen, die wenigstens eine kompletten Roman getragen hätte: Er schrieb meistens Episodenromane oder Fix-up-Novels. In ähnlicher Weise ließ auch sein Interesse an Fortsetzungen nach, so dass spätere Romane in einer Serie in der Regel schwächer ausfielen als der Anfangsband.

Vance hat die Kunst der Namensgebung zu wahrer Meisterschaft getrieben: Seine Namen sind phantasievoll und haben stets den richtigen Klang. Ich weiß nicht, woher er seine Einfälle nimmt: aus dem Mittelalter, aus exotischen Kulturen der Erde oder sonstwo her. Im 1. Band der Dämonenprinz-Serie sind dies beispielsweise die Namen „Attel Malagate“, „Lugo Teehalt“ und „Hildemar Dasce“, im 3. Band „Jheral Tinzy“ und „Viole Falushe“ bzw. „Vogel Filschner“.

Da Vance aber kein einziges Buch geschrieben hat, das ihn durch seine Thematik weltberühmt gemacht hätte – so wie es George Orwell mit „1984“ gelang –, ist er immer ein Geheimtipp, ja ein Kultautor der Science-Fiction-Szene geblieben. Das bedeutet nicht, dass Vance unkritisch oder unaktuell gewesen sei: Er griff Themen wie Religion, Sprachwissenschaft, Social Engineering und Ökologie auf, um nur ein paar zu nennen.

|Weitere Jack-Vance-Besprechungen auf Buchwurm.info:|
[Grüne Magie 696
[Durdane 740
[Freibeuter des Alls 1369
[Der Palast der Liebe 2181 (Die Dämonenprinzen #3)

|Originaltitel: The five gold bands, 1950
Aus dem US-Englischen von Edda Petri
Illustrationen von Johann Peterka|