Frank Goldammer – Roter Rabe

Manchmal ist das große Ganze wichtiger als das Schicksal eines Einzelnen

Im Spätsommer 1951 kehrt Oberkommissar Heller mit seiner Familie aus dem staatlich genehmigten Ostseeurlaub nach Dresden zurück. Für seine Frau Karin geht die Fahrt gleich weiter, denn sie hat überraschend die Reiseerlaubnis in den Westen zu Sohn Erwin erhalten, den sie seit dem Krieg nicht mehr gesehen hat. Heller ist besorgt. Wer kümmert sich in der Zwischenzeit um Pflegetochter Anni? Wird Karin die Chance womöglich nutzen, um im Westen zu bleiben?

Außerdem fordert ein neuer Fall Hellers ganze Aufmerksamkeit: Zwei unter Spionageverdacht stehende Männer, Zeugen Jehovas, sterben in ihren Gefängniszellen, und Hellers Vorgesetzte verlangen eine sofortige Aufklärung. Als es zu weiteren mysteriösen Todesfällen kommt, gerät Heller immer mehr unter Druck, zumal Assistent Oldenbusch plötzlich verschwunden ist. Eine schreckliche Ahnung beschleicht Heller. Sind alle Mordfälle Teil eines gefährlichen Plans, mit dem ein mächtiger und skrupelloser Gegner die gesamte Stadt bedroht? Die Zeit rennt Heller davon. Und noch immer ist kein Telegramm von Karin angekommen… (Verlagsinfo)

Inhalt und Eindrücke:

Max Heller und seine Ehefrau Karin kehren mit Pflegekind Anni gelöst aus dem Urlaub an der Ostsee nach Dresden zurück. Die Zeiten sind, sechs Jahre nach Kriegsende, noch immer hart und obwohl aus dem Ostsektor mit der DDR inzwischen ein eigener Staat geworden ist, mischen sich die Russen nahezu in alles ein.

Hellers Sohn Erwin lebt seit seiner Rückkehr zum Kriegsende in Köln und hat seine Eltern bislang noch gar nicht wiedergesehen. Da es Heller als Polizisten untersagt ist, den Westen zu betreten, während Karin überraschend eine Reisegenehmigung erhält, setzt Heller sie schweren Herzens in den Zug, kaum dass sie aus dem gemeinsamen Urlaub zurückgekehrt sind. Ein mulmiges Gefühl macht sich unterdessen in ihm breit: wird Karin vom Besuch bei Erwin zurückkommen? Es wäre nicht das erste Familienschicksal, welches sich an der neuen innerdeutschen Grenze entscheidet.

Doch zunächst einmal hat der Oberkommissar kaum Zeit, sich darüber allzu viele Gedanken zu machen, da er sich um zwei mysteriöse Todesfälle kümmern muss. Zwei Männer, beide Mitglieder der Zeugen Jehovas, begehen in Haft etwa zur gleichen Zeit auf nicht eben gewöhnliche Art Selbstmord. Das Pikante: beide waren wegen Spionageverdacht inhaftiert und die Russen geben hingegen den Gefängniswärtern die Schuld am Tod der Männer.

Heller und sein Vorgesetzter Niesbach sind gleichermaßen verunsichert. Kann es wirklich sein, dass etwas Anderes als ein Suizid dahinter steckt? Und was wäre die Konsequenz auf dieses Ermittlungsergebnis? Es tauchen einige Personen auf, die bereits in den Vorgängerromanen von Goldammer mitspielten. So zum Beispiel Alexej Saizev, der Max Heller schon früher freundschaftlich gewogen war. Saizev ist inzwischen beim Geheimdienst und warnt den Kommissar in aktueller Sache eindringlich vor falschen Schlüssen.

Es kursieren zudem Gerüchte, dass die Amerikaner etwas Großes zur Entmachtung der Russen planen. Sogar von einer Atombombe ist die Rede und Saizev tut geheimnisvoll, wenn er Heller von dem amerikanischen Top-Spion erzählt, den sie „Raben“ nennen.

Die Arbeit wird allerdings auch durch weitere Besonderheiten erschwert. Neu im Team um Heller ist nun auch der Kollege Salbach. Während Hellers Assistent Oldenbusch dem Unterkommissar misstraut, weil er in ihm einen Spion und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit vermutet, ist Max Heller entsetzt über das Klima der Zeit, in dem Misstrauen und Verfolgungswahn auf der Tagesordnung weit oben stehen. Fast täglich gibt es neue Flugblätter, die vor Spionen und feindlichen Abhöraktionen warnen sollen. Als mehr und mehr Zeugen plötzlich verschwinden oder ums Leben kommen, wird das Team um Heller immer ratloser und die Befürchtung wächst, dass hier etwas von viel größerem Ausmaß als gedacht hinter steckt.

Gleichzeitig wächst die Sorge um Ehefrau Karin, die sich noch nicht, wie vereinbart, per Telegramm aus dem Westen gemeldet hat – werden Hellers Befürchtungen wahr? Wird sie letzten Endes bei ihrem Sohn Erwin in Köln bleiben und nicht nach Dresden zurückkehren? Er fühlt sich mit Pflegetochter Anni und der inzwischen reichlich vergesslich gewordenen Vermieterin Frau Marquardt allein gelassen.

Mein Fazit:

„Roter Rabe“ ist ein sorgfältig recherchierter Kriminalroman mit viel Detailtreue und einer recht komplexen Handlung. Es ist bereits der vierte Band der Serie um den besonnenen Oberkommissar Max Heller in Dresden und eine Lektüre der Bände in der richtigen Reihenfolge ist zwar sicher kein Muss, aber dennoch empfehlenswert, da gesellschaftspolitische Hintergründe in der noch jungen Zeitgeschichte der DDR dadurch klarer werden. Autor Goldammer hat die Handlung des Kriminalromans sehr schlüssig in die Zeit verpackt und bringt einige unerwartete Wendungen mit sich.
Trotzdem ist für mich dieser Band der Reihe jedoch leider nicht der spannendste und ich habe zwischendrin ein paar Teile als unnötige Längen empfunden.

Broschiert: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3423262095

www.dtv.de

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