Zwei Stunden Action und Phantasie
Dies ist das zweite Hörspiel, das nicht dem Originaltext Tolkiens folgt, sondern vielmehr die Filmfassung Peter Jacksons voll integriert, komplett mit allen Darstellern (s. u.) und deutschen Synchronstimmen. Das bedeutet beispielsweise, dass der Hörer nicht mehr auf die liebliche Arwen Abendstern zu verzichten hat, weil sie im Original nicht vorkommt. Und das bedeutet, dass man auch in den Genuss der fantastischen, OSCAR-prämierten Filmmusik Howard Shores gelangt.
Hörspiel-Folge 1: „Die Gefährten“
Der Autor
Professor John R. R. Tolkien (1892-1973) hat das „wichtigste Buch des 20. Jahrhunderts“, so die Umfrageergebnisse, geschrieben: „Der Herr der Ringe“ (1954/55). Nicht allzu viele Menschen hingegen wissen, dass die Ereignisse, die in HdR geschildert werden, nur die Spitze des Eisbergs dessen darstellen, was Tolkien zeit seines Lebens geschaffen hat. Dieses imaginäre Universum findet sich zu großen Teilen (aber nicht vollständig) im „Silmarillion“ wieder, das erst vier Jahre nach dem Tod des Oxford-Professors erscheinen konnte, so kompliziert war die Arbeit daran.
_Die Filmgrundlage_
O-Titel: The Lord of the Rings: The Two Towers (2000)
Regisseur: Peter Jackson
Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens, Stephen Sinclair
Buch: J. R. R. Tolkien (1954/55/66)
Musik: Howard Shore (inkl. Orchestrierung und Dirigierung)
|Die Rollen und ihre Darsteller:|
Gandalf: Ian McKellen (gesprochen von Joachim Höppner, 1946 – 2006)
Bilbo Beutlin: Ian Holm (Mogens von Gadow)
Frodo Beutlin: Elijah Wood (Timmo Niesner)
Arwen Undomiel: Liv Tyler (Elisabeth Günther)
Aragorn, Streicher, Elessar: Viggo Mortensen (Jacques Breuer)
Galadriel: Cate Blanchett (Dörte Lyssewski)
Gimli: John Rhys-Davies (Wolfgang Hess)
Legolas: Orlando Bloom (Philipp Moog)
Elrond: Hugo Weaving (Wolfgang Condrus)
Saruman: Christopher Lee (Otto Mellies)
Sam Gamdschie: Sean Astin (Patrick Bach)
Merry: Billy Boyd (Stefan Krause)
Pippin: Dominic Monaghan (Alexander Doering)
König Théoden: Bernard Hill (Reinhard Glemnitz)
Eomer: Karl Urban (Marcus Off)
Eowyn: Miranda Otto (Alexandra Wilcke)
Gollum: Andy Serkis (Andreas Fröhlich)
Faramir: David Wenham (Nicolas Böll)
und andere.
_Der Sprecher_
Reiner Schöne (* 19. Januar 1942 in Fritzlar) ist laut Wikipedia ein deutscher Schauspieler, Sänger/Songwriter (neun CDs) und Autor. Mehr Info: http://www.reinerschoene.com.
Das ZDF schreibt: „Er ist einer der wenigen deutschen Künstler mit einer internationalen Karriere. Ein Abenteurer, der im Beruf auf vielen Hochzeiten tanzt und sich in den unterschiedlichsten Rollen erprobt hat: als Liedermacher, Rock ’n‘ Roller (mit der Reiner-Schöne-Band) sowie als Musical-Star in „Hair“ (1968) und „Jesus Christ Superstar“ (1972), als Theatermann im „Hamlet“ und „Jedermann“ und als erfolgreicher Film- und Fernsehschauspieler.
1985 führte ihn die Disney-Serie „Die Rückkehr zur Schatzinsel“ nach Los Angeles. Er drehte Filme mit Clint Eastwood, Kris Kristofferson sowie eine Reihe von TV-Movies und spielte in populären TV-Serien wie Star Trek, Mac Guyver und Babylon.
2002 kam Reiner Schöne zurück nach Deutschland. 2004 erschien sein erstes Buch „Let the sunshine in“ und 2005 die CD „Schönes Chaos“, aufgenommen mit seiner neuen Band „Reiner Schöne & die Cowboys“. Mit seinem Live-Programm „Songs & Stories“ ist er zwischen den Dreharbeiten unterwegs.“
Wikipedia: „Auch als Synchronsprecher ist Reiner Schöne sehr beliebt, so lieh er Willem Dafoe in mehreren Filmen seine Stimme, war für Mickey Rourke in ‚Sin City‘ zu hören. Und er sprach für Ralf Möller in ‚Gladiator‘. Zuletzt sprach er „Darth Vader“ in ‚Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith‘, „Captain Teague“ in ‚Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt‘ sowie „Optimus Prime“ in der deutschen Version von ‚Transformers‘.“
_Das Studio_
Regie führte Günter Merlau (|Lausch|), der auch den Schnitt ausführte. Das Drehbuch und den Erzählertext lieferten Oliver Elias & Günter Merlau. Für die Aufnahme war Frieder Schölpple zuständig. Für die Produktion zeichnet Alex Stelkens von |WortArt| verantwortlich.
_Handlung_
Nach Boromirs Tod und Gandalfs Sturz sind die Gefährten in drei Gruppen zersplittert, doch müssen sie sich weiterhin mit Sarumans und Saurons Schergen auseinandersetzen. Aragorn, Gimli und Legolas jagen die Uruk-hai und Orks, die Merry und Pippin verschleppten, drei Tage lang bis an den Rand des alten Fangorn-Waldes, wo sie auf Reiter aus Rohan treffen, die ihnen eine schlimme Nachricht überbringen: Die Pferdeherren Rohans unter dem Kommando Eomers haben die Bande Uruk-hai und Orks bis auf den letzten Mann getötet. Sind ihre Freunde tot?
Ringträger Frodo und sein Freund Sam treffen unterdessen im Gebirge auf die schizophrene Kreatur Gollum, die ihnen den Weg zu Saurons Reich weist – zuerst zum Schwarzen Tor, später durch das gondorische Waldland Ithilien. Dort werden sie von Faramir, dem Hauptmann der Waldläufer Gondors und Borormirs Bruder, gefangen genommen. Er verschleppt sie weiter nach Osgiliath, um den Einen Ring seinem Vater, dem Statthalter von Gondor, zu übergeben.
Doch Merry und Pippin sind den Uruk-hais und Orks entkommen, woraufhin sie im Fangornwald in den Ents mächtige Verbündete gefunden haben, während Aragorn, Gimli und Legolas sich als letzte Hoffnung für das Volk von Rohan erweisen. Unerwartet ist auch die Begegnung mit dem totgeglaubten Gandalf, der sich nun in weißer Gestalt als energischer Heerführer erweist.
Sie befreien den König von Rohan, Théoden, vom Bann Sarumans und verjagen Sarumans Agenten Gríma Schlangenzunge. Doch statt sich Sarumans Horden und den Wilden Menschen von Dunland zu stellen, die Théodens Sohn auf dem Gewissen haben, zieht sich das Volk Rohans zurück in die uneinnehmenbare Festung von Helms Klamm.
Allerdings werden die Flüchtlinge unterwegs von Sarumans Wargreitern angegriffen. Bei diesem Scharmützel fällt Aragorn in eine Schlucht. Nicht nur Théodens Nichte Eowyn, die sich in den Recken verliebt hat, ist darüber sehr betrübt. Auch Aragorns Freunde verzagen beinahe. Deshalb fügt es sich hervorragend, dass Aragorn kurz vor der Schlacht um die Festung wieder auftaucht, um die Verteidigung zu organisieren.
_Mein Eindruck_
Der erste Teil der Filmtrilogie diente mehr als Exposition: Er lieferte die Vorgeschichte Mittelerdes und des Einen Rings, stellte die wichtigsten Schauplätze und Figuren vor, um sodann auf einem Nebenschauplatz – dem Auenland – eine Art Road Movie zu beginnen, das sehr wenig mit Menschen und viel mit exotischen Völkern (Elben, Zwergen, Orks) und Monstern (das Balrog, der Wächter im Moria-Teich) zu tun hat.
Ganz anders hingegen dieser zweite, mittlere Teil. Bis auf wenige Ausnahmen spielt das Geschehen zwischen Menschen oder zumindest menschenähnlichen Kreaturen wie den Uruk-hai. Die Ausnahmen bilden die Ents und die Flugungeheuer der Nazgûl. Ich lasse die Hobbits mal als Menschen gelten, so dass auch Gollum dazuzählt, ein durch den jahrhundertelangen Besitz des Einen Ringes stark veränderter und völlig durchgeknallter Ex-Hobbit namens Sméagol. (Seine Geschichte wird im Prolog zum dritten Teil erzählt.)
Nun müssen die meisten Figuren nicht mehr eingeführt werden und können im Zusammenspiel sowohl größere Dynamik entfalten als auch eine erste Entscheidung im Krieg um Mittelerde herbeiführen. Der Kampf um Helms Klamm ist entschieden, der um Mittelerde beginnt jedoch erst – und das sehen wir dann im dritten Teil.
Merry und Pippin gewinnen der Begegnung mit dem Baumhirten Baumbart ein paar humorvolle Seiten ab, besonders in der erweiterten DVD-Fassung, als sie das Heim des Ents erkunden. Baumbart hingegen ist eine Verkörperung von Tolkiens altem Freund und Mitliteraten Clive Staples Lewis („Narnia“), der angeblich ebenfalls solch pompöse Reden geschwungen haben soll wie der Ent. Zum Glück ist das in der Kinofassung auf ein Minimum reduziert, so dass die Reise durch Fangorn keineswegs langatmig, sondern vielmehr recht kurzweilig erfolgt.
Diese heitere Seite des Films muss mehrere recht düstere Kapitel und die wirklich ergreifende Lovestory zwischen Aragorn und Arwen ausgleichen (Arwen verlässt auf Geheiß ihres Vaters Bruchtal Richtung Westen). Das gelingt mit Ach und Krach, doch was wäre ein Drama ohne höchste emotionale Anspannung?
Den Höhepunkt dieses Mittelteils bildet in jeder Hinsicht die Schlacht um Helms Klamm. Nicht umsonst hat man das Set sieben Monate lang erbaut, um es dreieinhalb Monate lang in ein Schlachtfeld zu verwandeln, auf dem sich höchst dramatische Szenen abspielen.
|Sound und FX|
Die Effekte für Helms Klamm sind schon das absolut Machbare, das man zurzeit aus dem Computer zaubern kann: virtuelle Armeen, die wie Hitlers Nazis beim Nürnberger Reichsparteitag aufmarschieren – mit Saruman als stimmgewaltigem Verführer und Feldherr. Auch die Figur Gollum stammt völlig aus dem Rechner, doch der englische Schauspieler Andy Serkis hätte für seine Leistung als Gollum-Vorlage einen OSCAR verdient gehabt. Er wurde zumindest in England als bester Schauspieler gewürdigt. (Er hat ein Buch namens [„Gollum“ 161 geschrieben, das ich auch in der Übersetzung des Verlags |Klett-Cotta| wärmstens empfehlen kann.)
Man merkt es nicht gleich, aber die Toneffekte sind vom Raffiniertesten, das man sich vorstellen kann. Dafür gab es dann 2003 den OSCAR. Ziemlich gut zu analysieren sind die Toneffekte in der Schlacht vor dem Fangornwald, als Merry und Pippin die Flucht gelingt. Dies sehen wir nämlich nicht direkt, sondern erst dann, als Aragorn, der Waldläufer, die Spuren der beiden verfolgt und daraus folgert, was sich abgespielt haben muss. Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird durch eine Verzerrung des Sounds verdeutlicht.
Eine weitere Trickserei der Soundtüftler ist das Erscheinen Gandalfs des Weißen vor Aragorn & Co. Zunächst überlagern sich die Stimmen Gandalfs und – man höre und staune! – Sarumans, ebenso wie deren Gesichter. Man könnte meinen, der Maia Olórin, der in Mittelerde als „Gandalf“ bekannt ist, habe sich noch nicht ganz für eine bestimmte Gestalt entschieden, in der er zurückkehrt. Auch Baumbart erwähnt immer nur einen „Weißen Zauberer“. Das kann sowohl Saruman als auch Gandalf sein. Sehr clever erzählt.
Die letzte Szene, in welcher der Sound überdeutlich dramaturgisch eingesetzt wird, ist der Angriff des Nazgûl auf Osgiliath. Unter seinem Bann verliert Frodo sein Gehör: Sams Worte prallen von ihm ab. Folglich nimmt er unter dem Einfluss des Einen Rings Sam nicht mehr als Gefährten, sondern als Feind wahr. Als er wieder zu sich kommt, wird Frodo klar, dass diese Mission sein Leben fordern wird.
Im Rückblick auf die Trilogie bleibt „Die zwei Türme“, benannt nach dem Bündnis zwischen Saruman und seinem Herrn Sauron, vor allem durch Gollum, Baumbart, Rohan und Helms Klamm in Erinnerung. Da aber der Mittelteil wie stets weder Anfang noch Ende haben kann, sind wir alle schon neugierig auf den dritten Teil in Hörspielfassung. Er soll Ende dieses Jahres erscheinen.
|Der Sprecher/Die Bearbeitung|
Um es kurz zu machen: Diese Version folgt der Kinoversion des zweiten Teils, ist aber noch einmal um einige Szenen gekürzt, wenn sie nicht unbedingt zum roten Faden beitragen. Man kann sich also als erstes sämtliche Szenen wegdenken, die in der Special Extended Edition zu finden sind. Das mag vielleicht ein wenig schade sein, aber es ist noch zu verschmerzen. Man kann trotzdem leicht ins Träumen geraten.
Der positive Eindruck ändert sich mit jedem Überleitungstext, den Reiner Schöne vorliest. Er hat ja eine schöne, tiefe und doch weiche Stimme, die ihn zum Erzähler solcher epischer Stoffe geradezu prädestiniert. Allerdings handelt es sich bei den Überleitungen um Formulierungen, die der Tolkienleser wohl eher von einem Videogame für Zwölfjährige erwarten würde statt von einem Literaturprofessor.
Außerdem spricht er den Namen „Sam“, der im Film stets mit [a] ausgesprochen wird, durchgehend als amerikanisches [säm] aus, was einfach unpassend ist. Man könnte meinen, der Sprecher habe die Filmsequenzen gar nicht gehört!
Bei mindestens zwei Formulierungen rollten sich mir die Zehennägel hoch, besonders beim allerletzten Wort: „ins Lande Mordor“. (Richtig müsste es heißen: „im Lande Mordor“ oder „nach Mordor“.) Okay, das sind stilistische Feinheiten, die viel mit der deutschen Grammatik zu tun haben. Aber das macht die Überleitungen noch lange nicht zu gutem Deutsch.
_Unterm Strich_
Dies ist pures Kopfkino. Man bekommt die Kinofassung des zweiten Peter-Jackson-Films in sehr guter Tonqualität (PCM-Stereo) geboten, die ich mir auf Kopfhörer gegönnt habe. Allerdings hat die Bearbeitung des Stoffes Vor- und Nachteile, die es zu beachten gilt. Statt drei Stunden und entsprechendes Sitzfleisch muss man nun nur gute zwei Stunden aufwenden, um fast das gleiche Erlebnis zu erhalten (von den Bildern mal abgesehen, die man sich hinzu vorstellen muss).
Der Sound bietet leider nur wenig Stereoeffekte, wenn man sie mit der Fassung in DD 5.1 vergleicht. Dabei sind diese doch sehr wichtig (siehe oben). Verfügt man über eine gute Heimkinoanlage, bekommt man den satten Kinosound, aber ohne Stereoeffekte wie etwa die Ansteuerung separater Kanäle zu hören. Dafür sind sämtliche Bässe sehr satt und grollend vorhanden.
Die Stimmen fand ich durchgehend zu basslastig und in den Obertönen abgeschnitten, weshalb mir einige deutsche Stimmen wie etwa die von Aragorn, Baumbart oder Gandalf (Achim Höppner) falsch vorkamen. Deren Stimmen werden ja gerade durch ihre Obertöne charakterisiert, und wenn genau diese fehlen, kommt die Stimme als die eines Fremden zum Ausdruck. Diesen Eindruck konnte ich durch Einsatz der CD auf mehreren CD- und DVD-Playern bestätigen.
Das Booklet bietet auf acht Seiten Standfotos der eindrucksvollen Filmszenen dieses zweiten Teils. Auf der letzten Seite ist eine Karte von Mittelerde zu finden, damit sich der Hörer halbwegs orientieren kann. Allerdings ist sie so klein, dass Details wie etwa Helms Klamm nur mit der Lupe auszumachen sind. Kommentare fehlen.
Wem solche Finessen schnurzpiepegal sind, den erwartet ein ausgezeichnetes Fantasyabenteuer in gutem HiFi-Sound, der die Filmmusik voll zur Geltung bringt. Und man muss nicht mehr auf jene Multi-CD-Monsterwerke aus dem Hause |Hörverlag| ausweichen, die sich die Münchner eine Stange Geld kosten lassen. Diese Doppel-CD kostet nur 14,95 Euro. Aber ich finde es schade und ein wenig seltsam, dass man den Namen TOLKIEN erst im Kleingedruckten unter den Copyright-Angaben findet.
127 Minuten auf 2 CDs
Basierend auf: The Lord of the Rings: The Two Towers, 1954
ISBN-13: 978-3-93865-208-4
http://www.wortart.de