Schlagwort-Archive: Dean Koontz

Dean Koontz – Irrsinn

Billy Wiles arbeitet als Barkeeper in einer Kneipe. Er ist ein ruhiger Mensch, der den Gästen lieber zuhört als selber erzählt. In seiner Freizeit beschäftigt er sich mit Holzschnitzereien. Sein Lebensmittelpunkt ist seine Freundin Barbara, die seit vier Jahren im Koma liegt und die er, so oft es geht, in der Klinik besucht, ohne große Hoffnung darauf, dass sie je wieder erwacht.

Eines Tages findet Billy einen Zettel an seiner Windschutzscheibe. Ein Unbekannter kündigt einen Mord an: Geht Billy zur Polizei und macht Meldung, wird eine ältere Frau sterben, geht er nicht, stirbt eine junge Lehrerin. Verunsichert fragt Billy einen befreundeten Polizisten um Rat, der die Nachricht für einen harmlosen Streich hält. Am nächsten Tag jedoch ändert er seine Meinung, denn tatsächlich wurde eine junge Lehrerin zu Tode gequält.

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Dean Koontz – Schattenfeuer

Das Grauen der Genetik

Aus der städtischen Leichenhalle verschwindet der Leichnam eines brillianten Genetikers. Ein Toter kehrt zu den Lebenden zurück. Nur die Frau des Wissenschaftlers ahnt die schrecklichen Zusammenhänge. Überall stößt sie auf die Spuren ihres toten Mannes: Spuren einer sinnlosen Rache und Zerstörungswut. In einem Hexenkessel von panischer Angst kommt sie dem Geheimnis nahe… (Verlagsinfo)

Der Autor
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Koontz, Dean – Schattennacht (Odd Thomas)

_Frankenstein trifft Dr. Jekyll und Mr. Hyde_

Nach den Ereignissen in [„Seelenlos“ 4825 hat sich Grillkoch Odd Thomas, der die Toten sehen kann, in ein einsam gelegenes Kloster in der Sierra Nevada zurückgezogen. Doch nach sieben Monaten des Friedens verschwindet einer der Mönche spurlos, und die Bodachs tauchen im nahegelegenen Internat auf, bösartige Schattenwesen und die Vorboten blutiger Katastrophen.

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 400 Millionen Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt, so etwa „Watchers“. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

Der Odd-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als „Die Anbetung“)
2) Forever Odd (2005, deutsch 2007 als „Seelenlos“)
3) Brother Odd (2006, deutsch 2008 als „Schattennacht“)
4) Odd Hours (Mai 2008)
4) In Odd We Trust (Graphic Novel, Juli 2008)

Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:

[„Die Anbetung“ 3066
[„Seelenlos“ 4825
[„Todeszeit“ 5423
[„Todesregen“ 3840
[„Irrsinn“ 4317
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

_Handlung_

Odd Thomas hat in Pico Mundo gelebt, einer 40.000-Seelen-Stadt irgendwo in Südkalifornien unweit einer Luftwaffenbasis, und arbeitete in einer besseren Frittenbude als Garkoch. Eines Tages musste er sehr zu seinem Leidwesen feststellen, dass er die Fähigkeit besitzt, die Toten zu sehen. Jedenfalls diejenigen, die sich noch an irdische Dinge klammern, so etwa Elvis Presley, der ständig flennt. Aber er sieht auch hyänenartige Schattenwesen, die er nach einem englischen Ausdruck „Bodachs“ nennt. Sie erscheinen dort, wo der Tod bald seine Arbeit verrichten wird, denn sie nähren sich von Todesangst und Verzweiflung.

Doch als im letzten August ein Irrer ein Massaker in einem Einkaufszentrum anrichten wollte, da war es Odd, dem es gelang, die meisten der Eingesperrten vor der Lastwagenbombe in Sicherheit zu bringen. Bei 41 gelang ihm dies nicht, und 19 von ihnen starben, darunter auch seine geliebte Freundin Stormy. In seinem letzten Abenteuer wurde sein bester Freund von einer Sekte entführt. Nachdem Odd es gelungen ist, ihn zu befreien, fühlt er sich ausgelaugt. Also ist er in die Sierra Nevada gezogen, um im Kloster der Mönche von St. Bartholomew seinen Frieden zu finden.

|Sieben Monate später|

Ein Schneesturm ist im Anzug, und als Odd nicht schlafen kann, geht er Patrouille. Sowohl für die Abtei der Mönche, in deren Gästehaus er logiert, als auch für das Nonnenkloster und das angeschlossene Internat hat er einen Generalschlüssel. Sein sechster Sinn führt ihn in das Wohnheim für behinderte Kinder, und er folgt einem Bodach, der schnurstracks in Zimmer 32 eindringt.

Dort stehen bereits zwei weitere Bodachs um das Bett von Justine herum, dem zehnjährigen Mädchen, das geistig behindert ist, seit sein Daddy versucht hat, es zu ertränken. Justine sieht Odd genau und da sie selbst nicht sprechen kann, benutzt ihr Geist die Zunge ihrer Bettnachbarin Annamarie. Odd ist erschüttert: Es ist die Stimme Stormys, seine toten Freundin. Doch er reagiert nicht, denn er weiß, dass er sie erst in der nächsten Welt wiedersehen wird.

Das Erscheinen der Bodachs verheißt eine Bluttat in der nahen Zukunft, und er warnt sowohl die Mutter Oberin als auch den Abt, die beide in sein Geheimnis eingeweiht sind. Außerdem spricht er mit Bruder John, einem ehemaligen Physiker und vierfachen Milliardär, der immer noch in einem Hochsicherheitslabor experimentiert, und mit dem verdächtigen Russen Rodion Romanovich. Doch nichts bereitet ihn auf den bewusstlos daliegenden Mönch Timothy vor, der die computerisierte Betriebsanlage zu überwachen hat. Als er sich über den schweren Mann beugt, um ihn umzudrehen, erhält er einen schweren Schlag auf die Schulter, der seinem Kopf gegolten hat. Er rollt sich gewandt ab und bringt sich in Sicherheit. Als er zurückkehrt, ist der Mönch ebenso weg wie der Angreifer.

Ob er sich den Männern des Sheriffs anvertrauen soll? Er fragt Bruder Knoche, einen ehemaligen Handlanger der Mafia, der zum Glauben bekehrt worden ist. Knoche warnt ihn eindringlich, dass die Cops keine Ahnung haben, was mit den Mönchen hier los ist. Die meinen sogar, Bruder Timothy sei nach Reno ins Spielkasino gefahren – was für ein Blödsinn. Der Schneesturm zwingt die Bullen dazu, wieder abzuziehen, um sich um verunglückte Autofahrer zu kümmern.

|Die Kreatur|

Die Abtei versinkt zunehmend in Schneemassen, wie sie der Wüstenbewohner Odd noch nie in seinem Leben gesehen hat. Wieder verlässt sich Odd auf seinen sechsten Sinn. Der führt ihn erneut zum Nonnenkloster. Im Schneegestöber kann er kaum vier Meter weit sehen. Aus dem Augenwinkel bemerkt er eine Bewegung und beeilt sich, den Eingang des Klosters zu erreichen. Es ist kein Bodach, denn das Wesen ist weiß wie Eis. Und es verfolgt ihn.

Kaum hat er die Tür hinter sich geschlossen, beobachtet er, wie das weiße, halb durchsichtige Wesen gegen die Türscheibe klatscht und dann gegen die Scheibe des benachbarten Fensters drückt. Die Scheibe knackt und bekommt einen Sprung. Odd wird mit Schrecken erfüllt. Das Wesen hat kein Gesicht, erinnert an zusammengesetzte Knöchelchen, die sehr beweglich sind.

Er starrt ihm hinterher, als es bereits verschwunden ist. Da legt sich eine Hand auf seine Schulter, und eine Stimme sagt: „Kind …“

_Mein Eindruck_

Dean Koontz hat einfach zu viele Frankenstein-Romane geschrieben, will mir scheinen. Er schreibt ja die Romane, die eigentlich für eine TV-Serie gedacht waren (es gibt nur den Pilotfilm), alleine und mit Ko-Autoren fort. Wieder einmal haben wir es mit einem solchen Burschen zu tun. Aber ich werde nicht verraten, um welchen der Mönche es sich handelt (wenn ich das nicht schon getan habe). Wieder einmal zeigen sich Koontz‘ Wurzeln in der Sciencefiction und dem Horror vor Technik, die dem Menschen nicht nützt, sondern schadet. Von unerfreulichen Nebenwirkungen wie etwa mörderischen Skelettwesen mal ganz abgesehen.

Von geruhsamer Meditation in reiner Bergluft kann jedenfalls für Bruder Odd keine Rede mehr sein. Er muss sich vielmehr wie weiland Sherlock Holmes, den er des Öfteren ironisch zitiert, um die Aufklärung eines mysteriösen Falls von Verschwinden kümmern: Wo ist Bruder Timothy abgeblieben? Da der Schneesturm die Abtei und das Kloster ähnlich isoliert hat wie in Stephen Kings „Shining“ das Overlook-Hotel, ist a) die Zahl der Verdächtigen begrenzt, und b) kann er in aller Ruhe die Katakomben der Heizungs- und Maschinenräume erforschen. Ein treuer Geisterhund leistet ihm ebenso Gesellschaft wie der gute alte Elvis, der auch nicht in die nächste Welt weiterziehen will.

|Psychologie|

Das Auftreten unheimlicher Wesen wie der Skelettmaschinen und der Bodachs hat durchaus einen psychologischen Grund. Diesen versucht Oddie durch eingehende Befragungen der behinderten Kinder im Internat herauszufinden. Unglaublich, welchen familiären Katastrophen er dabei auf die Spur kommt. Justine und Annamarie habe ich bereits erwähnt, aber die Stimme Stormys weist Oddie auf einen jungen Mann namens Jacob hin. Jacob kann phantastisch zeichnen, hat sich aber von der Welt abgekapselt, als wäre er ein Autist. Zudem ist sein Gesicht deformiert.

Durch geduldiges, mehrmaliges Befragen gelingt es Odd, einen schrecklichen Moment in Jacobs Vergangenheit ausfindig zu machen, der dessen Psyche traumatisierte. Als er krank im Krankenhaus lag, wollte sein Vater, der deformierte und behinderte Menschen ablehnte, ihn sterben lassen. Jacob nennt seinen Vater den „Nimmerwar“, denn „nimmer war“ er für seine Familie da, und schon gar nicht für seinen Sohn. Jacobs zweites Trauma rührt von der Aschenbestattung seiner Mutter her, die auf See stattfand, als er etwa 15 Jahre alt war. Wieder war Nimmerwar abwesend.

|Finale|

Die Zusammenführung des Frankensteinthemas und des Geheimnisses, das Jacobs Vater umgibt, bildet den psychologischen Kulminationspunkt der Handlung. Dieses Finale wird begleitet vom Angriff der Skelettwesen auf Jacob und diejenigen Klosterbrüder, die ihn verteidigen. Dabei erweist es sich als nützlich, dass Rodion Romanovich alles andere als ein russischer Bibliothekar aus Indianapolis ist. Das war nur seine Tarnung …

|Die Hauptfigur|

„Odd“ bedeutet im Englischen „ungleich, schräg, sonderbar“. Doch das ist das Letzte, das Odd Thomas sein will. Denn es bedeutet, einsam zu sein und jede Hoffnung zu verlieren. Er ist auf seine Freunde angewiesen, und seine Freundin Stormy liebte er innig, auch wenn sie ihn ständig triezte. Aber wie sich herausstellt, ist Odd um einiges normaler und menschlicher als so mancher seiner Zeitgenossen. Sein Sinn für Humor ist ziemlich sarkastisch, und die Art, wie er über die Auswüchse des modernen amerikanischen Lebens, wie etwa Fernsehshows und gefährliche „Politiker mit einer Idee“, herzieht, ist erstens lesenswert und sorgt zweitens für eine Reihe von Lachern.

Andererseits ist dieser Humor nur der Ausgleich für das bei Koontz‘ Odd-Thomas-Romanen immer wieder zu findende Predigen: über die Schlechtigkeit der Menschen, ihren Dünkel, ihre Barbarei ganz allgemein. Sicher, die Predigten, die sich in „Intensity“ fanden, sind sehr kurz gehalten, aber wenn man sie summiert, bilden sie eine harsche Kritik am modernen Leben. Leider bietet auch das Klosterleben keine Alternative. Denn auch hier verbergen sich wie überall Gier, Dünkel und Überheblichkeit – wieder sind wir beim Frankensteinthema, sogar bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Das Einzige, was Odd Thomas wirklich befürwortet, sind Demut und Liebe, für seine Mitmenschen und besonders für jene, die sich im Namen Gottes für die Armen, Schwachen und Behinderten einsetzen.

|Die Gabe|

Odd selbst kann sich nicht entscheiden, ob die Gabe, Totengeister und Bodachs – sie erinnern an die „Besucher“ in „The Gathering“ – sehen zu können, ein Segen oder ein Fluch ist. Doch mit dem Helden in der Christopher-Snow-Trilogie hat Odd gemein, dass er zwar außerhalb der Gesellschaft der Normalos steht, ihr aber zu Hilfe und Beistand verpflichtet ist. Denn nur dort findet er jene menschliche Wärme, die ihm Vater und Mutter verweigerten. Dass ihn dies zu einer Art Samariter oder klassischem Marvel-Comics-Supermenschen macht, ist klar, ihm aber nicht bewusst. Und wenn man Odds Weg ein paar Stunden lang gefolgt ist, dann will man garantiert nicht mehr mit ihm tauschen.

|Die Übersetzung|

Bernhard Kleinschmidt hat sehr gut übersetzt, und zwar häufig genauso, wie man sich in Deutschland ausdrücken würde, also beispielsweise mit „Denkste!“ und dergleichen. Aber unter einem „Karpaltunnelsyndrom“ konnte ich mir beim besten Willen nichts vorstellen. Ich tippe mal auf eine Eins-zu-eins-Übersetzung, denn „carpal tunnel syndrome“ gibt es. Es ist wohl hierzulande besser unter der Bezeichnung „Handwurzelentzündung“ bekannt, das bei Vielschreibern auftritt.

_Unterm Strich_

Ich habe den Roman in nur zwei Tagen gelesen. Es ist ja bekannt, dass Koontz ungemein lesbar und verständlich schreibt, dabei aber auch die Spannung nicht vergisst. Jede Menge Rätsel wollen gelöst sein. Odd Thomas zeichnet sich zudem durch seine Gabe als „Sprecher für die Toten“ und seinen scharfen Witz aus, der auch vor Politikern nicht Halt macht. (Keine Angst: Es werden nie Namen genannt.)

Der vorliegende dritte Band der Reihe könnte Besorgnis wecken, dass es aufgrund des religiösen Schauplatzes besonders um Gottes- und Glaubensfragen geht. Das mag schon zutreffen, besonders im Finale. Doch die Gottesmänner und -frauen sind alles andere als Heilige. Bei einigen ist es sogar lediglich Tarnung. Doch diejenigen, die echt sind, behandelt Koontz mit Respekt, denn sie versuchen, nichts Böses mehr zu tun und zudem zum Wachsen des Guten beizutragen, etwa durch Kinderpflege und -unterricht.

Ein wenig übertrieben fand ich Koontz‘ gewohntes Predigen, das er Odd Thomas in den Mund legt. Und ebenso übertrieben fand ich die Vorstellung, dass alleine schon zwei besondere Kinderbücher ausreichen könnten, um einen Mafia-Handlanger vom „Pfad des Bösen“ abzubringen. Bei diesen Kinderbüchern handelt es sich um [„Die wundersame Reise von Edward Tulane“ 2621 und „Despereaux – Von einem, der auszog, das Fürchten zu verlernen“. Beide Bücher stammen stammen von Kate DiCamillo. Sie sind auch in Deutschland ziemlich erfolgreich. Aber wer weiß: Sobald ich sie gelesen haben, werde ich vielleicht auch bekehrt, böser Junge, der ich bin …

|Originaltitel: Brother Odd, 2006
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt
400 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-453-26584-4|

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Dean Koontz – Forever Odd (Odd Thomas 2)

Spannend & fesselnd: Kampf gegen die Todesgöttin

Odd Smith, ein Koch in einer Frittenbude in Südkalifornien, hat eine einzigartige Fähigkeit: Er kann die Toten sehen. Nur sehr wenige Mitmenschen wissen davon, doch einer seiner Freunde hat einem Außenseiter davon erzählt. Dieser Außenseiter ist gekommen, um sich Odds Fähigkeit anzueignen. Wenn er sie nicht bekommt, wird Odds bester Freund dafür mit dem Leben bezahlen. Odd muss nicht nur seinen übernatürlichen Spürsinn einsetzen, sondern auch sein Köpfchen, um Danny aus dieser Patsche zu helfen.

Diese Besprechung basiert auf der englischsprachigen Originalausgabe.

Der Autor

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ -, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 250 Millionen Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

Der Odd-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als [„Die Anbetung“) 3066
2) Forever Odd (2005)
3) Brother Odd (2006)

|Dean Koontz auf Buchwurm.info:|

[„Irrsinn“ 4317
[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

Handlung

Odd Thomas lebt in Pico Mundo, irgendwo in Südkalifornien unweit einer Luftwaffenbasis, und arbeitet hier in einer besseren Frittenbude als Garkoch. Eines Tages musste er sehr zu seinem Leidwesen feststellen, dass er die Fähigkeit besitzt, die Toten zu sehen. Jedenfalls diejenigen, die sich noch an irdische Dinge klammern, so etwa Elvis Presley. Doch als im letzten August ein Irrer ein Massaker in einem Einkaufszentrum anrichten wollte, da war es Odd, dem es gelang, die meisten der Eingesperrten vor der Lastwagenbombe in Sicherheit zu bringen. Bei 41 gelang ihm dies nicht, und 19 von ihnen starben, darunter auch seine Freundin Stormy.

Odd Thomas ist es inzwischen gelungen, sowohl dank seiner Freunde den Verlust zu verwinden als auch von den Medien unbehelligt zu bleiben, was er vor allem der Unterstützung durch Sheriff Wyatt Porter zu verdanken hat, der ihn wie einen Sohn behandelt. Sein bester Freund ist Danny Jessup, doch dieser intelligente junge Mann ist mit Glasknochen (vgl. „Unbreakable“) gestraft, die nicht nur leicht brechen, sondern ihn, nachdem viele Knochen ungleich zusammengewachsen sind, wie einen Krüppel aussehen lassen. Die Schmerzen, die er hat, wenn er sich bewegt, sieht man ihm natürlich nicht an.

In dieser Nacht weckt Odd Thomas die Erscheinung von Dannys Ziehvater, des Radiologen Dr. William Jessup. Der Umstand, dass Jessup nichts sagt, macht Odd klar, dass es sich um einen Geist handelt. Aber wo ist der dazugehörige Tote? Ein Gang zu Jessups Haus zeigt ihm den vermissten Körper, der übel zugerichtet ist. Von Danny jedoch keine Spur. Wurde er entführt? Nach einer kurzen Verfolgung durch die Nacht und den anbrechenden Morgen weiß Odd, wohin die Leute verschwunden sind, die Danny entführt haben. Denn Odd hat einen übernatürlichen Spürsinn für Lebende – er nennt dies seinen psychischen Magnetismus.

Die Spur führt durch ein gigantisches Wasserabflusssystem unter dem Luftwaffenstützpunkt hin zu den Hügeln, in denen die Panaminta-Indianer ein Spielcasino errichtet hatten. Ein Erdbeben ließ hier vor fünf Jahren ein Feuer ausbrechen, das aber Hotel und Spielhölle keineswegs einäscherte. Aufgrund des nachfolgenden Prozesses sind Instandsetzung und Nutzung des Komplexes unterblieben, ja, sogar untersagt. Die psychomagnetische Spur führt hierher.

Aber garantiert wird Odd bereits von Dannys Entführern erwartet. Die Geister der Toten im Casino schrecken ihn nicht, nur die lauernden Leibwächter Dannys – es müssen zwei sein – und deren Anführer, möglicherweise eine Frau, denn Odd hat ihre Fußspuren im Schwemmsand der Kanalröhren gelesen. Sein sechster Sinn warnt Odd vor den Schützen, und so nimmt er den Weg durch einen Aufzugschacht – ins zwölfte Stockwerk.

In Zimmer 1242 sitzt Danny tatsächlich. Odd ist froh, ihn lebend wiederzusehen. Die schlechte Nachricht: Danny sitzt auf einer Bombe und kann sich nicht davon entfernen. Die Bombe kann von der Anführerin der Kidnapper ferngezündet werden. Dieses Problem kann Odd trotz seiner vielen Talente nicht beheben. Bleibt nur das Gespräch mit der Frau, die Geister sehen will. Und das Hoffen auf eine günstige Gelegenheit.

Draußen vor dem Casino-Komplex bricht ein Gewitter los …

Mein Eindruck

„Odd“ bedeutet im Englischen „ungleich, schräg, sonderbar“. Doch das ist das Letzte, das Odd Thomas sein will. Denn es bedeutet, einsam zu sein und jede Hoffnung zu verlieren. Er ist auf seine Freunde angewiesen, und das ist der Hauptgrund, warum er Danny Jessup retten will. Doch dies stellt sich als gar nicht so einfach heraus. Odd kann zwar viel Humor aufbringen, aber bei dieser Gegnerin ist Humor glatter Selbstmord.

Datura, so nennt sich die Frau, war mal Pornodarstellerin, bis sie von ihrem verstorbenen Mann eine Firma für Telefonsex erbte. Über diese lernte sie Danny kennen. Weil sie ein intensives Interesse an allem Okkulten hat, fand sie die Gespräche mit Danny erst dann interessant, als er ihr von Odd Thomas, seinem Freund, erzählte. Doch wo Odd seine übernatürlichen Fähigkeiten stets nur zum Guten einsetzt, will Datura mit solchen Kräften nur ihre Macht vergrößern. Sie hat bereits zwei Muskelmänner zu ihren Zombies gemacht, die ihr aufs Wort gehorchen, aber nie selbst ein Sterbenswörtchen sagen.

Als die ehemalige Pornoqueen mit einem der Totengeister des Casinos spricht, die Odd gerufen hat, enthüllt sie ihre grenzenlose Bosheit. Odd wird geradezu schlecht davon. Glücklicherweise befindet sich unter den Geistern auch ein Poltergeist, der in der Lage ist, unbelebte Objekte zu bewegen. Der von ihm entfachte Sturm aus Trümmern bringt Datura zur Räson – ein wenig. Odd hat endlich die Gelegenheit, sich abzusetzen. Später muss Datura feststellen, dass es noch einen Bewohner des Casinos gibt, und dieser betrachtet es als sein Jagdrevier und Datura demzufolge als seine Beute. So wie Datura kennt die Natur kein Erbarmen – aber auch keine Bosheit.

Manche Elemente der Geschichte erinnerten mich an die Hauptfigur Christopher Snow aus „Geschöpfe der Nacht“ und „Im Bann der Dunkelheit“. Dazu gehören der sonderbare männliche Hauptdarsteller, das unterirdische Tunnelsystem, die mysteriöse Luftwaffenbasis und natürliche die Auseinandersetzung mit übernatürlichen Phänomenen. Doch von Zeitreisen und dergleichen Scherzen hat sich Koontz, der in den 1970er Jahren selbst mal Science-Fiction veröffentlichte, längst verabschiedet. Außer psychischem Magnetismus, Totengeistern und zombieähnlichen Muskelmännern kommen in den Odd-Romanen keine außergewöhnlichen Phänomene vor. Dadurch eignen sie sich auch für Leser von Mainstream-Unterhaltung, die sonst nur einen Krimi in die Hand nehmen würden.

Wie in vielen seiner Romane kommt auch hier ein Schriftsteller vor. Zu allem Überfluss ist der fettleibige Ozzie Boone auch noch ein Autor von Krimis (die im Englischen „Mystery“ heißen, aber nichts mit Mysterien zu tun haben). Mit Odd versteht sich Ozzie ausgezeichnet, und die Unterhaltung, die sie an Ozzies Frühstückstisch führen, ist eine der vergnüglichsten, schrägsten Lektüren, die ich in den letzten Jahren genießen durfte. Nur Ozzies Kater „Terrible Chester“ bereitet Odd wirklich Sorgen, weil er ihn unverwandt anstarrt.

Odd ist ein Ausbund an Selbstironie. So entschuldigt er sich einmal, dass er nicht der Ritter sei, den den schrecklichen Jabberwock erlegt. Das ist ein Hinweis auf das gleichnamige Nonsensgedicht „Jabberwocky“ von Lewis Carroll, dem Schöpfer von Alice im Wunderland (es steht im zweiten Band). Warum sollte sich ein junger Mann mit einem Ritter vergleichen, den sowieso niemand ernst nehmen kann? Das ist ja gerade der Witz.

Auch die Begegnungen mit Elvis „The King“ sind einerseits ironisch, andererseits von echtem Mitgefühl geprägt. Odd hat wie der King seine Mutter verloren und kann nachfühlen, wie es Elvis geht. Wie jeder, der Elvis‘ Biografie gelesen hat, weiß, liebte er seine Mutter Gladys über alles, doch sie starb, bevor er noch den Gipfel seines Ruhm erklommen hatte und geriet – wie sie gesagt hätte – auf Abwege, indem er Drogen missbrauchte und von Medikamenten abhängig wurde. Daher starb er bereits mit 42 Jahren. Der Geist des toten Elvis kann nicht von der Erde lassen, weil er hofft, durch Odd noch einmal seine Mutter sehen zu können – oder weil er fürchtet, was seine Mutter zu ihm als Tadel sagen würde, würde er ihr in die jenseitige Welt folgen. Dem Lesepublikum des Autors dürfte diese Geschichte ganz besonders nahegehen.

Unterm Strich

Ich habe den Roman in zwei Tagen gelesen, denn wie alle Koontz-Romane seit „Dunkle Flüsse des Herzens“ liest sich das Buch leicht, flüssig, amüsant und vor allem spannend. Das Buch ist eine Abrechnung mit den Auswüchsen des Okkultismus, der gerade auch in USA, wo es viele Sekten gibt, verbreitet ist. Datura, die Odd stark an die hinduistische Todesgöttin Kali erinnert, ist eine Art Sektenführerin, und sie ist deshalb so furchteinflößend, weil sie die Macht besitzt, ihre Anhänger in willenlose Zombies und Henkersmaschinen zu verwandeln. Das Gleiche versucht sie natürlich auch bei Odd, doch da beißt sie auf Granit.

Wird es einmal so spannend, dass der Leser an den Nägeln zu kauen beginnt, dann legt der Ich-Erzähler wieder einmal eine seiner Denkpausen ein – und macht als nächstes etwas ganz Anderes als das, was man erwartet hat. So benutzt Odd Thomas beispielsweise Schusswaffen nur im äußersten Notfall und muss sich häufig mit einer alternativen Strategie aus der Patsche helfen.

Das fand ich sehr sympathisch, denn es zeigt Waffenfetischisten (von denen es in Koontz‘ Heimat jede Menge gibt), dass man sich auch auf andere Weise verteidigen kann. Überhaupt ist Odd bzw. Koontz in der Lage, die Amerikaner auch von außen in ihren Eigenarten anzusehen, was bei einem amerikanischen Unterhaltungsschriftsteller ein seltenes Phänomen ist. Vielleicht hat ja seine deutsche Frau Gerda dazu beigetragen.

Auch wenn der Roman für den Krimifan ein paar Längen bereithält und mir einige Elemente schon bekannt vorkamen, so wusste mich die Geschichte von Odd Thomas‘ zweitem Abenteuer zu fesseln und zu unterhalten. Ich werde auf jeden Fall noch sein erstes Abenteuer lesen.

Ausblick

Am Schluss entschließt sich Odd, sich von all den Aufregungen erholen zu wollen und einen „ruhigen“ Ort aufzusuchen. Er erhält die Erlaubnis der katholischen Kirche, der er angehört, als Laie ein Jahr lang in einem Kloster wohnen zu dürfen. Diesen Aufenthalt schildert der Roman „Brother Odd“, der bereits veröffentlicht ist.

Koontz, Dean R. – Eiszeit

_Eisberg-Thriller, so gut wie Alistair McLean_

Ein nervenzerfetzender Thriller aus der Arktis, dessen Handlung in nur zwölf Stunden abläuft – aber in einem Countdown, spannend bis zur letzten Sekunde. Laut Verlag stand dieser Roman wochenlang auf den US-Bestsellerlisten.

_Handlung_

Das Buch beginnt mit einer Art Prolog, der aus Meldungen besteht: Seit Jahren schwören internationale Wissenschaftler auf die Möglichkeit, aus den Eisbergen der Arktis und Antarktis reines Trinkwasser zu gewinnen, das man während Dürreperioden gebrauchen könnte, beispielsweise in Kalifornien. Natürlich gilt es zunächst, die Machbarkeit eines solchen Vorhabens zu erkunden.

Nun haben Harry Carpenter und vier weitere Forscher und Helfer den letzten Schritt gewagt, ein Lager in Grönland aufgeschlagen und bereiten eine enorme Sprengung vor: Der so produzierte Eisberg soll nach Süden zu wartenden Fischereischiffen treiben, die ihn zum Festland schleppen sollen. Das war der Plan.

Doch was sich schon seit Tagen angekündigt und worauf Harry nicht gehört hatte, wird nun schreckliche Wahrheit: ein Seebeben löst eine riesige Tsunami-Welle aus, die das Randeis, auf dem sich Harry und Co. befinden, einfach wie einen Kartoffelchip zerbricht: Nun sitzen Harrys Leute plötzlich selbst auf einem Eisberg fest. Dieser treibt in die arktische See, auf ein Sturmgebiet zu.

Nicht genug damit: Sie haben ihre Sprengung noch nicht ausgelöst, doch die sechzig Bomben, die sie noch eben so fleißig platziert haben, werden pünktlich um Mitternacht ferngezündet: genau unter ihren Füßen. Zum Glück haben sie ein Funkgerät dabei, so dass sie mit der Zentralstation Verbindung halten können. Wenig später findet Harry einen der Männer aus seiner Gruppe bewusstlos geschlagen auf dem Eis – unter ihnen befindet sich ein potenzieller Mörder.

Als ob das noch nicht Grund genug wäre, jetzt völlig durchzudrehen, taucht zu guter Letzt ein russisches Spionage-U-Boot auf, das die Eisbrüchigen retten möchte. Leider kann es weder am Eisberg anlegen noch können die Eisbrüchigen zu ihm hinabsteigen. Der Sturm wird stärker, und die Lage ist verzweifelt.

_Fazit_

In einem Nachwort verrät der Autor, dass er diesen Roman als Hommage an den Thrillerautor Alistair MacLean schrieb. MacLean schrieb unter anderem die verfilmten Roman „Eisstation Zebra“ und „Die Kanonen von Navarone“. „Ich wollte nur mal sehen, ob ich so etwas schreiben könnte“, meint Koontz etwas flapsig. Er hat das Experiment mit Bravour durchgeführt. Natürlich musste der „etwas holprige Stil des Originals“ aufpoliert werden. Außerdem brachte Koontz die Fakten auf den neuesten Stand: So schreibt einer der Helden vom Eisberg nicht einen Brief, sondern eine E-Mail.

Bei aller Action und all dem Tempo und dem Zeitdruck bleibt doch immer wieder Zeit, in die Vergangenheit der einzelnen Figuren zurückzublenden und ihre psychologischen Tiefen auszuloten. So ist etwa Harrys Frau ein Opfer von krankhafter Angst vor Eis, Kälte und Schnee, weil sie als sechsjähriges Mädchen ihre Eltern in einer Lawine verloren hatte und selbst stundenlang darunter begraben war. Andere Kollegen entkamen nach traumatischen Erlebnissen in die Freiheit. Doch ausgerechnet der Psychopath in Ritas Gruppe wird nicht vorgestellt, lediglich sein Tagebuch verrät ihn. Natürlich verschweigt uns der Autor seinen Namen.

Unterm Strich geht es um zwei hohe Werte: um stilles Heldentum und die Völkerverständigung, die von verantwortungsbewussten Einzelnen wie dem U-Boot-Käptn realisiert wird. Und dies auch nur deshalb, weil der Kalte Krieg vorüber ist und die kommunistischen Sowjets die Macht abgegeben haben – und keine Kalten Krieger auf US-Seite dazwischenpfuschen.

Ist dies also ein U-Boot-Thriller à la Tom Clancy? Keineswegs, wie uns Koontz klar macht. Die ätzende Technikverliebtheit und der Militarismus des Amerikaners fehlen hier. Im Vordergrund stehen die Einzelschicksale einer bunt zusammengewürfelten Wissenschaftlergruppe einerseits – und der U-Boot-Besatzung andererseits, die unglaublich diszipliniert agiert. Kurzum: ein spannender Thriller, in dem Menschen sowohl gegen die feindliche Natur als auch gegen ihre eigenes inneres Wesen ankämpfen müssen, um zu überleben.

|Originaltitel: Icebound, 1993
Aus dem US-Englischen übertragen von Uwe Anton|

Koontz, Dean R. – Wächter, Der

_Metaphysisch: Willkommen in der Truman-Show!_

Mysteriöse Drohsendungen erreichen die Luxusvilla eines Hollywood-Stars: Schnecken, Käfer, ein Apfel mit einem Puppenauge im Innern. Unter Hochdruck versucht Sicherheitschef Ethan Truman, die Bedeutung der Nachrichten zu zu entschlüsseln. Schon bei seinen ersten Ermittlungen gerät er in eine albtraumhafte Situation, die ihn fast das Leben kostet. Dadurch entgeht ihm, dass Fric, der zehnjährige Sohn des Schauspielers, schreckliche Anrufe bekommt – anonyme Warnungen, die ihm einen grausamen Tod ankündigen … (Verlagsinfo, die leider nicht ganz zutreffend ist)

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ –, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King, welcher ja jetzt im Ruhestand ist, wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 250 Mio. Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz’ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

_Handlung_

Der Palazzo Rospo ist das luxuriöse Domizil des Hollywood-Superstars Channing Manheim. Der hat die Villa aber nicht erbaut und auch nicht so genannt: Palazzo Rospo, so lautet einer der vielen Insiderwitze des Romans, heißt übersetzt nichts anderes „Krötinhall“, Domizil von Herrn Kröterich in „Der Wind in den Weiden“. Kleiner Scherz am Rande – aber Aelfric, der zehnjährige Sohn von Mahnheim, kennt solche Insiderwitze.

|Die Zielperson|

Er ist ein aufgewecktes Kerlchen, nur leider sehr von seinen Eltern vernachlässigt. Fric, wie er von allen genannt wird, nennt zwar eine riesige Eisenbahnanlage und einen eigenen Villentrakt sein Eigen, aber seine Eltern bekommt er nur wenige Male im Jahr zu sehen. Deshalb freut er sich ja auch so auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Sein „Schattenpapa“ will pünktlich da sein, aber ob seine Quasi-Mama erscheint, bezweifelt Fric stark: Freddie Nielander, das Superdupermodel, hat nur ihre Karriere im Sinn.

Am Tag vor Weihnachten erhält Fric den ersten anonymen Anruf. Auf seiner Privatleitung. Der Anrufer nennt seinen Namen nicht, warnt den Jungen aber, dass er ihn überall finden werde – auch in jenem Panikraum, wo diese seltsamen Haken von der Decke hängen und Fric sich gerne versteckt. Auch im Weinkeller werde er ihn finden, selbst hinter der dortigen Geheimtür. Einfach überall. Fric spürt, wie ihn ein Asthmaanfall zu überkommen droht …

|Der Sicherheitschef|

Von dieser Entwicklung ahnt Sicherheitschef Ethan Truman – ein Name wie das Inbild von Zuverlässigkeit – am Morgen dieses entscheidenden Tages noch nichts. Aber er weiß, dass er den Absender der rätselhaften Drohsendungen erwischen wird. Dieser Rolf Reynerd war nämlich bei der letzten Botschaft ebenso blöd wie dreist vorgegangen. Als er die neueste schwarze Schachtel über riesige Gittertor warf, hatten ihn die Überwachungskameras ebenso erfasst wie das Nummernschild seines Wagens. In der Schachtel befand sich ein Apfel, in den ein Puppenauge eingefügt ist. Sehr witzig.

Reynerd, so ergibt die Recherche, ist ein kleiner Schauspieler. Truman fährt zu seinem Haus und hat ein sehr seltsames Erlebnis. Ohne Übergang stellt er sich realistisch vor, in Reynerds Wohnung zu gehen, den völlig zugedröhnten Schauspieler auszufragen und schließlich von diesem eiskalt erschossen zu werden. Da findet er sich plötzlich wieder im Sitz seines Wagens wieder. Aber woher kommt dann das frische Blut unter seinen Fingernägeln?

Wenig später erhält Truman die Nachricht, dass sein Jugendfreund Duncan, genannt Dunny, der in die Mafiaszene abgerutscht war, tot im Leichenschauhaus liege und ob er, Truman, ihn wohl identifizieren könne? Klar kann er, auch wenn Dunny einst die gleiche Frau, Hannah, begehrt hatte, die dann ihn, Truman, geheiratet hatte. Dunny war lange Zeit im Koma gelegen. Als Truman die Leiche sehen will, ist diese unauffindbar. Soso, die Leichen spazieren in diesem Hospital zur Tür hinaus. Nehmen wohl gar eine Dusche? Ganz genau, Mr. Truman! Und in Dunnys Luxusappartement fehlt natürlich das Foto von Hannah. Auf Hannahs Grab liegt ein frischer Strauß roter Rosen.

|Das FBI und der Anarchist|

Truman wird der Fall zu schräg. Er bittet seinen alten Kumpel Yancy Hazard vom FBI, nach Reynerd zu sehen. Hazard hat keine Mühe, sich einen guten Grund für seinen Besuch dort einfallen zu lassen. Als Reynerd ihm die Tür öffnet, ist er tatsächlich bis zum Stehkragen mit der Modedroge Methamühetamin zugedröhnt. Hazard ist – mit Recht – auf der Hut, doch da passiert etwas Unvorhergesehenes: Ein Besucher klingelt, Reynerd macht die Tür auf – und wird eiskalt abgeknallt! Offenbar will jemand um jeden Preis verhindern, dass Reynerds Hintermänner auffliegen.

Ist einer dieser Hintermänner vielleicht Corky Laputa, der Anarchist? Corky, eigentlich ein Literaturprofessor, tritt in seinem gelben Regenmantel wie ein anarchistisches Rumpelstilzchen auf, als er in der Innenstadt seine Verwirrung, Neid und Missgunst stiftenden „Geschenke“ verteilt. Corky hat jedenfalls genaue Lagepläne von Channing Manheims Villa vorliegen und weiß, wie und wann man am besten hineingelangen könnte. Um was zu tun?

|Der Spiegelmann|

Als Truman abends wieder in sein Büro zurückkehrt, begegnet er Fric. Der erzählt ihm von den anonymen Anrufen, die er erhalten hat. Truman wird misstrauisch, doch er glaubt nicht, dass Fric ihm eine Lüge auftischt. Seltsam ist nur, dass seine Anlage für die Telefonüberwachung keine derartigen Anrufe aufgezeichnet hat. Dafür merkt er jetzt, wie Anrufe auf Leitung 24 eingehen. Dieser Anschluss ist für Anrufe aus dem „Reich der Toten“ reserviert. Trumans Arbeitgeber ist ein eifriger Anhänger des Okkulten.

Unterdessen merkt Fric, der einsame Junge, dass es ihm nichts nützt, die besten Verstecke im ganzen Palazzo Rospo zu kennen. Ein geisterhafter Mann tritt aus einem der zahlreichen Wandspiegel und verfolgt ihn hartnäckig. Wenn er ihn erwischt, wird es sein Vater sein, der ein einsames Weihnachtsfest verbringen wird …

_Mein Eindruck_

Jeden Moment erwartet der Leser also, dass ein Schachtelteufelchen oder sogar ein |deus ex machina| sich als Bösewicht, Retter in der Not oder finsterer Strippenzieher entpuppt. Allerdings und Gottseidank passiert im Palazzo Rospo nichts dergleichen. Allenfalls könnte man die Anrufe auf Leitung Nummer 24, um die sich Truman noch kümmern wird, so nennen. Leider viel zu spät, um noch einen Unterschied zu machen.

Der Autor vermeidet es also relativ erfolgreich, in die Fallen der Klischees für den Plot zu tappen und organisiert das spannende Finale, auf das natürlich alles oben Gesagte hinausläuft, aus dem vorhandenen Personal. Alles, was er noch tun muss, besteht darin, dieses Personal ganz genau zu charakterisieren, damit jede einzelne Figur halbwegs glaubwürdig erscheint und wir an ihrem Schicksal beziehungsweise an ihren Interessen Teilnahme empfinden. Natürlich gilt es auch dabei, etliche Klischeeklippen zu umschiffen. Koontz ist schon einmal übers Ziel hinausgeschossen: In [„Der Geblendete“ 1629 erschuf er Karikaturen statt Menschen und machte so seinen Plot zu einem Panoptikum der Spektakel, deren Ende nicht die Bohne interessierte: Es war einfach zu beliebig.

Aber auch diesmal erlaubt sich Koontz gewisse Extravaganzen, was die Glaubwürdigkeit anbelangt. Doch der langjährige Koontz-Fan erwartet nicht, dass aus Koontz über Nacht ein puristischer Thrillerautor wie Michael Connelly wird: eine Prise Mystery à la „Akte X“, vielleicht sogar Fantasy (Trumans Zeitverschiebung), auf jeden Fall aber Metaphysik darf’s gerne sein. Wenigstens gelingt es dem Autor, bei all diesen Zutaten auf eine eigenständige Weise vorzugehen und nicht bei der Konkurrenz abzukupfern wie so mancher Schriftstellerkollege (z.B. Jeff Long).

|Universum in der Nussschale|

Der „Krötenpalast“ ist ein kleines Universum für sich, vielleicht sogar ein Zerrbild der Welt um uns herum. Daddy ist immer bei der Arbeit (und hat sehr viel Ähnlichkeit mit Tom Cruise) und Mommy ist viel zu egoistisch (und geschieden), um nach ihrem kleinen Sohn zu sehen. Fric ist eine virtuelle Waise und somit relativ schutzlos. Das kommt Corky Laputa und seinen Auftraggebern gerade recht. Der Palazzo mag noch so gut bewacht und gesichert sein, Corky, der „Sohn des Chaos“, wird dennoch einen Weg hineinfinden.

Der einzige taugliche Wächter scheint Ethan Truman zu sein, und in der Tat entwickelt er für Fric, den jungen intelligenten Prinzen im Palast, eine fast schön väterliche Zuneigung. Er ist der Einzige, der seinerseits von Fric respektiert wird, und kann so zum Ersatzvater werden. Allerdings gibt es einen Haken: Fric vertraut dem Angestellten (noch) nicht an, was ihm an bizarren Dingen zugestoßen ist und welchen Bedrohungen er ausgesetzt ist. Vielleicht muss Truman erst selbst lernen, dass es „mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt“ (Hamlet).

Truman erlebt deshalb seinen eigenen Tod nicht nur einmal (bei Rolf Reynerd), sondern sogar zweimal (außerhalb des Friedhofs, wo Hannah begraben liegt). Er ist ein Mann, der sehr viel Bekanntschaft mit dem Tod gemacht hat. Vielleicht zu viel, um sich um reiche Leute wie die Manheims zu kümmern? Nein, noch besteht Hoffnung für ihn. Und somit auch für Fric, der auf Truman angewiesen ist.

Zuerst dachte ich, Truman verfüge über die besondere Fähigkeit der temporalen Teleportation, so wie der junge Held in „Der Geblendete“. Als könne Truman sich selbst in der Zeit so bewegen, dass er seinen Tod voraussehen kann. Wie sich zeigt, ist jedoch etwas oder jemand anderes dafür verantwortlich, Trumans Tod zu verhindern. Wer oder was das ist, soll hier nicht verraten werden. Nur eins ist sicher: Truman darf nicht sterben.

|Kampf zwischen Himmel und Hölle|

Wie in fast allen seinen Romanen seit „Dunkle Flüsse des Herzens“, in dem Koontz der Durchbruch auf eine höhere Qualitätsstufe gelang, findet in der Handlung ein exemplarisches Ringen um die Seele und das Glück eines oder zweier Menschen statt. Truman und sein Kumpel Yancy Hazard kämpfen um die Unversehrtheit von Fric und bemühen sich um die Verfolgung und Bekämpfung desjenigen, der es auf Fric abgesehen hat: Corky, der Sohn des Chaos.

Das Chaos kann bekanntlich sehr vielfältige Gestalt annehmen, und das tut Corky auch: Er nimmt zahlreiche Verkleidungen an, beispielsweise als Agent der National Security Agency (NSA). Wie seine Pendants in „Der Geblendete“ und [„Stimmen der Angst“ 1639 ist Corky ein arrogantes Arschloch mit einem total verdrehten Hirn. Aber der Autor gewährt uns einen ungehinderten Einblick in das Innenleben dieses Ungeheuers und tut sein Bestes, um ihn uns sympathisch zu machen. Das kann lange versuchen, wir verabscheuen Corky trotzdem, solange wir noch das Herz auf dem rechten Fleck haben. Aber genau das bezweckt der Autor: Seine Darstellung des Bösen zwingt uns, einen Standpunkt einzunehmen und Farbe zu bekennen. Stehen wir auf Corkys Seite, dann können wir uns nicht für Fric erwärmen – und umgekehrt.

|Der Engel, dein Freund und Helfer|

Was dieses Ringen zwischen den Vertretern des Guten und des Bösen auf eine metaphysische Ebene hebt, ist der Auftritt eines Schutzengels. Nun ja, zumindest gibt sich dieses Wesen – seine Identität sei nicht verraten – gegenüber einem Kind wie Fric erst einmal als „Schutzengel“ aus. Das Wesen, das einmal ein Mensch war, existiert in einem Zwischenreich zwischen Lebendig- und Tot-Sein, aber auch zwischen Gut und Böse. In diesem Limbus kann es sich gedankenschnell bewegen, um an Ort und Stelle zu sein, wenn es gebraucht wird. Allerdings sind der Art und Weise seines Eingreifens durch seinen Vorgesetzten „Mr. Typhon“ strenge Grenzen vorgegeben. Daher muss der „Schutzengel“ eher psychologische statt physische Mittel einsetzen, um seine Schützlinge dahin zu führen, wo er sie haben will. An diesem Punkt wird es relativ interessant, wie er das anstellt. Es gelingt ihm nicht immer. Auch Engel müssen sich ihre Flügel erst verdienen.

Es gibt noch einen zweiten Engel, wie Truman herausfindet. Leider hat dieser Engel erhebliche Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Selbst die Leitung Nr. 24 hilft ihm nicht, denn das Zimmer, wo seine dringenden Anrufe – immerhin 56 in zwei Tagen! – aufgezeichnet werden, ist für Truman tabu. Der Guru von Manheim, ein gewisser Ming du Lac (noch so ein krasser Name), hat das Zimmer für die Geister der Toten reserviert. Als Truman trotz des Verbots dort eindringt, hat er ein bizarres Erlebnis. Aber auch eine Erleuchtung: Endlich findet er heraus, worin die Botschaft der sechs Drohsendungen besteht. (Gut zu wissen, das bei Koontz alle Rätsel eine Lösung finden, nicht wahr? Es gibt keine losen Enden bei diesem Autor.)

|Engels Höllenfahrt?|

Nach vollbrachtem Werk besteigt Engel Nummer 1 einen Fahrstuhl. Zunächst ist er sich keineswegs sicher, wohin dieser Fahrstuhl fährt. Aber auf dem Weg nach unten passiert die Liftkabine viel zu viele Stockwerke, um noch in einer irdischen Dimension landen zu können. Als der Lift anhält, ist Engel Nummer 1 auf das Schlimmste gefasst. Gibt es eine Chance für ihn? Schließlich hat er sich redlich auf Erden bemüht, und wie wir von Goethes Faust wissen, wird der erlöst, „der immer strebend sich bemüht“. Und tatsächlich, das Wunder geschieht, denn auch jetzt gilt, was Goethe in den letzten Versen von „Faust II“ schreibt: „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.“ Dann endlich erhält der Originaltitel „The Face“ eine tiefere Bedeutung.

Es sind solche Extravaganzen, wo der gewöhnliche Thrillerfreund geistig aus der Kurve fliegt und Konntz den Laufpass (wenn nicht Schlimmeres) gibt. Es sind diese Stellen, die den Koontz-Freund bei der Stange halten, so dass er seinem Lieblingsautor treu bleibt. Das ist schon seit dem fabelhaften „Intensity“ so, und das wird noch eine ganze Weile so bleiben.

Denn Koontz ist ein äußerst produktiver Autor, der mittlerweile schon sechs Romane veröffentlicht hat, die bei uns noch nicht einmal angekündigt worden sind. Dazu gehören „The Taking“, „Odd Thomas“, „Son of Frankenstein I + II“, „Life Expectancy“ und zuletzt „Velocity“. Hoffentlich hab ich keinen vergessen.

|Die Übersetzung|

… durch Bernhard Kleinschmidt erschien mir nicht nur als makellose Übertragung ins Deutsche, sondern auch als hundertprozentig fehlerfrei (ein wichtiger Grund für mich, nur noch gebundene Bücher lesen zu wollen). Das dachte ich zumindest, bis ich auf Seite 679 auf einen klaren stilistischen, wenn nicht sogar semantischen Fehler stieß. Kugeln, die an einem Menschen vorbeifliegen, „verpassen“ ihn nicht, wie Kleinschmidt formuliert, sie verfehlen ihn. Ich kann einen Bus verpassen, aber keine Kugel. Ich werde nämlich niemals so schnell sein können wie eine abgeschossene Kugel. Merke: Nobody’s perfect.

_Unterm Strich_

„Der Wächter“ hat mich wieder einmal von den erzählerischen Qualitäten des Autors Koontz überzeugt. „Der Geblendete“ war ein klarer Schuss in den Ofen und hatte mich umso mehr enttäuscht, als „Stimmen der Angst“ davor ein Glanzpunkt im Werk von Koontz gewesen war. „Der Wächter“ wird nichtsdestotrotz alle puristischen Thrillerfreund enttäuschen, weil es sich dieser Autor nicht nehmen lässt, seine Geschichte mit metaphysischen Erkenntnissen und Phänomenen zu kombinieren, die den einen oder anderen Leser garantiert vor den Kopf stoßen werden.

Die Lektüre von Goethes „Faust“ und vor allem von „Faust II“ kann erheblich dazu beitragen, ein paar Dinge auf dieser metaphysischen Bedeutungsebene klarzustellen. So zum Beispiel die Sache mit dem Pakt und dass man sich hienieden auch dann noch bewähren muss, wenn man schon glaubt, tot zu sein. Die Welt – und das ist nicht nur die physische „Erde“ – ist für Koontz ein Schlachtfeld, und jeder Einzelne von uns spielt darauf eine Rolle, und sei es nur durch einfache An- oder Abwesenheit. (Eines Tages wird es kluge Studenten geben, die über die „Metaphysik im Werk des Horrorschriftstellers Dean Koontz in den Jahren von 1976 bis 2006“ eine Seminararbeit, eine Abschlussarbeit oder eine Dissertation schreiben werden. Diesen Kelch lasse ich an mir vorübergehen.)

Wer also nichts gegen ein paar schräge Beschreibungen und seltsame Phänomene in dieser Geschichte einzuwenden hat, wird mit einer annehmbar spannenden Story belohnt werden. Leider gibt es noch keine preisgünstige Taschenbuchausgabe, aber auch diese ist nur eine Frage der Zeit.

|Originaltitel: The Face, 2003
720 Seiten
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt|

Koontz, Dean – Nacht der Zaubertiere (Lesung)

_Passionsgeschichte: Kampf um den Spielzeugmacher_

Als Zaubertiere hat sie Isaak Bodkins in seiner kleinen Fabrik erschaffen: Bär, Kaninchen, Hund, Katze und Elefant, dazu bestimmt, Kinder zu erfreuen und zu trösten. Nun ist Isaak tot, und sein Nachfolger muss das Erbe am gleichen Tag übernehmen, damit die Kraft des Guten wirksam bleibt. Denn im Keller der Fabrik herrscht von alters her eine andere, finstere Macht – böse Spielsachen, die jetzt ihre Stunde für gekommen halten und alles daransetzen, ihr grausames Regime auf der Erde zu errichten … Die Zaubertiere haben eine abenteuerliche Reise durch die nächtliche Stadt durchzustehen, um Isaaks Nachfolgerin zu informieren.

Empfohlen ab 10 Jahren.

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 250 Mio. Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

_Dean Koontz auf |Buchwurm.info|:_

[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht “ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt« “ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

_Der Sprecher_

Jürgen Kluckert hat an der Schauspielschule „Ernst Busch“ studiert und spielte Rollen im „Tatort“, bei „SOKO“ und „Liebling Kreuzberg“. Auch am Theater und als Synchronstimme, unter anderem von Morgan Freeman, Nick Nolte, Robbie Coltrane und Chuck Norris, wurde er bekannt. 1994 übernahm er die Synchronisation von Benjamin Blümchen. Er ist auch die Stimme von „Mr. Krabs“ in „SpongeBob“.

_Handlung_

Isaak Bodkins, der Schöpfer der Zaubertiere, ist gestorben. Aber der Spielzeugmacher hat Vorkehrungen für diesen Fall getroffen und den Stoffbären Amis zum Anführer seiner Geschöpfe bestimmt. Diese Geschöpfe sind außergewöhnlich insofern, als sie sprechen, denken, fühlen und sich bewegen können. Sie wissen (noch) nicht, warum dies woanders anders sein sollte. Isaak hat Amis daran erinnert, was die Aufgabe der Zaubertiere sei, nämlich jedes der Kinder, dem sie geschenkt werden, zu trösten, zu beschützen und ihm Rat zu erteilen. Darin bestünde ihre Magie. Doch bei Erwachsenen sei sie schwach und deshalb dürften sie sie nur im Kinderzimmer anwenden und sich ansonsten vor Erwachsenen in Acht nehmen. Issak sagte, der Tod sei nicht sein Ende, sondern nur eine Durchgangsstation. Um die Magie nicht vergehen zu lassen, müssten seine Geschöpfe seine Nachfolgerin besuchen, Mrs. Martha Miller, und sie zur neuen Spielzeugmacherin machen.

Es gibt nur ein Problem. Mrs. Miller, der der Spielzeugladen gehört und an die Isaak alle seine Spielzeuge verkauft hat, lebt am anderen Ende der Stadt. Nur die tapfersten Spielzeuge können auf die Expedition mitgehen, zu der ihr Anführer sie nun aufruft. Folgende sind bereit, Amis in die kalte, stürmische Nacht zu folgen: Einstein, der Elefant; Der Gestiefelte Kater, sein Degen ist aus Hartgummi; Caramel, das Hundemädchen; Skippy, der Hase; und Der Alte, dessen Gattung nicht ganz klar ist, der aber alles über die Zaubertiere und Isaak Bodkins weiß. Sie überlassen die Werkstatt den Affen und anderen Tieren, klettern aus einem Kellerfenster und machen sich auf den Weg.

Doch da nun die Magie des Spielzeugmachers schwächer wird, regt sich zwei Stockwerke tiefer neues Leben. Dorthin ist Isaak nie gekommen und so wusste er nicht, dass hier die Spielzeuge seines Vorgängers eingelagert sind: Cerberus Toys. Als Erster regt sich ihr Anführer. Rex ist eine Marionette ohne Fäden, in feinem Smoking und Zylinder, doch in seinem Spazierstock steckt ein ausfahrbares Messer. Er weckt und befreit die anderen Spielzeuge: Lizzie, das Tanzmädchen aus den 1920er Jahren, ist auch eine fadenlose Marionette, doch ihre Zigarettenspitze glüht und kann ein Feuer entzünden; Eisenbeißer ist ein Roboter und leider ein wenig einfältig und monomanisch in seinem Zerstörungsdrang; Jack Weasel ist ein Kastenteufel mit einem Clownsgesicht; seine Lippen sind blutrot; Die Stecherin ist eine fliegende Hornisse, die über einen Stachel im Hinterleib verfügt, der so groß ist wie eine Taschenmesserklinge. Zusammen mit den anderen Cerberus Toys macht sich die Stecherin an den Aufstieg nach oben und findet den Weg aus dem Haus. Die Zeit ist gekommen, dass das Böse die Herrschaft übernimmt. Und so machen sie sich daran, die „Wattebäuche“ zu verfolgen, um ihnen den Garaus zu machen.

|Victor Bodkin|

Victor Bodkin ist der Neffe des verstorbenen Spielzeugmachers. Er ist ein lediger Buchhalter ohne Kinder und denkt nur an Profitmaximierung. Folglich will er das große Grundstück seines verstorbenen Onkels versilbern. Für dessen Beruf hat nichts als Kopfschütteln übrig. Doch als der 35-Jährige an diesem Abend zu dessen Haus fährt, bemerkt er sonderbare Bewegungen auf der Straße. Er stoppt und sieht sechs Stofftiere über die Straße laufen, die bei seinem Anblick erstarren. (Achtung, ein Erwachsener!) Er steigt aus. Auf Befehl des Bären eilen sie weiter und verschwinden zwischen den Bäumen des nahen Parks.

Doch der Spuk ist noch nicht vorüber. Aus der Richtung, aus der die Stofftiere kamen, taucht ein kleiner Roboter auf. Doch statt beim Anblick eines Erwachsenen stehenzubleiben, haut ihm der Roboter voll auf die Schuhe. Damit nicht genug, zückt eine Marionette im Smoking ein Messer und greift an. Eine Hornisse fliegt im Sturzflug heran und verfehlt Victors Kopf nur deshalb, weil er sich zu Boden wirft. Er tritt den strategischen Rückzug an und versucht sich verwirrt einen Reim auf das Gesehene zu machen. Spielzeuge, die sich bewegen?! Das muss er genauer sehen. Er folgt ihnen.

|Nick Jack|

Aus dem Süden kommend, ist Nick Jack endlich in der Stadt eingetroffen, in die ihn eine Stimme gerufen und ihn wie ein Magnet gezogen hat. Nick wurde erst am Morgen aus dem Knast entlassen, wo er 15 Jahre abgesessen hat. Er ist bis zur Halskrause von Hass erfüllt, von Hass auf alles und jeden. Das Einzige, was ihn erfreut, sind Tränen in gequälten Kinderaugen.

In einer Busstation hat Nick einen Schlüssel gefunden. Auf dem Schlüssel stand eine Schließfachnummer, und in dem Schließfach fand er einen großen Koffer. In dem Koffer befinden sich zwei Millionen Dollar in kleinen Scheinen. Das Gesicht, das er im Spiegel statt seines eigenen gesehen hat, verlangte von ihm, den Koffer einem Mann namens Victor Boskin zu geben. Es ist der Kaufpreis für dessen Spielzeugfabrik. Diese Fabrik soll Nick übernehmen, denn er sei der neue Spielzeugmacher in Diensten des Herrn der Finsternis. Und seine Spielzeuge werden sich die Welt untertan machen.

_Mein Eindruck_

Auch wenn die Geschichte wie ein Märchen aussieht, so werden hier doch metaphysische Konflikte verhandelt, die sich zwischen Gott und Teufel, Gut und Böse abspielen. Allerdings erweist sich diese Konstruktion als äußerst simpel. Aber immerhin gibt es eine Bekehrung und zwei Bestrafungen.

Ist Gott ein Spielzeugmacher?, fragen sich die Zaubertiere. Nein, aber wenn er Kinder mag, dann mag er bestimmt auch Spielzeug. Und Isaak Bodkin sowie Martha Miller, seine Nachfolgerin, sind Gottes Diener, quasi seine Bischöfe. Sie senden ihre Jünger aus, um die Kinder der Menschen zu trösten, zu beschützen – und zu unterweisen. Macht nichts, wenn die Kinder sie vergessen, sobald sie erwachsen sind. Hauptsache, sie habe ihre Kindheit seelisch unbeschadet überstanden.

Eine Zeit großer Gefährdung, wie die Spielzeuge deutlich machen, die Cerberus Toys produziert hat. „Cerberus“ ist der Sage nach der dreiköpfige Hund, der die Tore zur Unterwelt bewacht. Womit wir schon beim Thema wären. Das Böse lauert unten in der Finsternis und wartet nur auf seine Chance, um die Guten zu verderben und die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen. Dazu hat der Herr der Finsternis seinen Knecht Rex auf die Mission geschickt, die Zaubertiere Isaac Bodkins zu töten, bevor sie ihren Auftrag erfüllen können. Aber er hat auch Nick Jack (Old Nick ist ein umgangssprachlicher Beiname für den Widersacher) ausgeschickt, um einen wichtigen Menschen zu verführen: Victor Bodkin, Isaacs Neffen.

Wie in zahlreichen religiös angehauchten Romanen, seien sie nun historisch oder phantastisch ausgerichtet, ist Victors Seele ein Schauplatz widerstreitender Kräfte. Sein Materialismus macht ihn dem Angebot Nick Jacks geneigt, doch zum Glück kommen ihm ernsthafte Zweifel an dessen Seriosität. Victors Stunde schlägt, als Amis von Rex‘ Hand stirbt. Victor muss sich entscheiden, ob er diesen kaltblütigen Mord hinnehmen will. Amis ist die Jesusfigur im Stück, deren Opfertod eine entscheidende Wende, vulgo: Bekehrung, in seinen Mitmenschen bewirkt. Ob es funktioniert, soll hier nicht verraten werden. Victor ist unser Jedermann und unser Stellvertreter. Die Auferstehung Jesu, pardon: von Amis, ist nur eine Frage weiterer Opfer, die als Gabe der Liebe gegeben werden.

Für diese Interpretation spricht, dass andauernd irgendwelche inneren und äußeren Stimmen und mystische Erscheinungen wie Spiegelgesichter Anweisungen geben und so die Akteure durch die Nacht treiben, um den Konflikt auszutragen. Das letzte Wort haben: der Herr der Finsternis, der seinen versagenden Diener zu sich ruft, um ihm Lenkfäden zu verpassen; die Polizei, die einige bohrende Fragen an den Ex-Knacki Nick Jack hat; und Martha Miller, frischgebackene Spielzeugmacherin für Zaubertiere.

Wie man sieht, handelt es sich bei „Nacht der Zaubertiere“ um eine Passionsgeschichte, die zwar einfach gestrickt ist, aber von jedem Kind – ab zehn Jahren – verstanden werden sollte. Sie lässt sich auch gut zur Weihnachtszeit erzählen oder anhören.

_Der Sprecher_

Jürgen Kluckert beherrscht die hohe Kunst der Charakterisierung vieler verschiedener Figuren mit stimmlichen Mitteln. Jede Figur der Stofftiere und der Cerberus Toys hat ihre eigene stimmliche Charakteristik, so dass man alle Figuren sofort auseinanderhalten kann. Nicht genug damit: Die Stimmen passen auch. Der Elefant spricht tief und langsam, der Bär mit vertraueneinflößender Autorität, der Hase hoch und schnell, das Hundemädchen ein wenig naiv und der gestiefelte Kater (ähnlich wie in „Shrek“) ein wenig adelig-kultiviert, aber tapfer. Jedes Kind kann sich sofort in diese Figuren verlieben.

Rex, die Anführermarionette, klingt entsprechend herrisch, doch seine Autorität flößt keineswegs Vertrauen ein, sondern Furcht. Dito der verrückte Kastenteufel Jack Weasel und die ziemlich stumme Lizzie. Eisenbeißer hingegen will alles niedertrampeln und redet wie eine Maschine. Die Hornisse Stecherin summt und sirrt und zischt, wenn sie spricht – Kluckert gestaltet sie wundervoll.

Doch Charakterisierung alleine reicht nicht für einen guten, kindgerechten Vortrag. Nun müssen sich die Figuren auch wie lebende Wesen verhalten und Gefühle äußern. Kluckert lässt sie wüten, jammern, flehen, triumphieren und trauern – und noch vieles mehr. Er führt sein eigenes kleines Kasperletheater auf, lässt die Figuren „Puha!“ rufen, hämisch lachen. Ganz besonders hat mir sein furchterregendes „Klickediklick!“ gefallen, das der Kastenteufel verursacht, wenn er seine Opfer sucht. „Klickediklick!“

_Musik_

Dies ist ein Hörbuch der neuen |Lübbe Audio|-Hörbuchreihe „Wellenreiter“, die sich an ausdrücklich an Kinder und Jugendliche wendet (genauso wie „Silberfisch“ bei |Hörbuch Hamburg|). Das ganze Akustik-Design ist völlig anders als in der Erwachsenenreihe.

Zuerst erklingt der Jingle für die Reihe, ohne Gesang, aber mit einer flotten Surfermusik. Danach folgt das In- und Outro , welches von einem modernen musikalischen Motiv bestritten wird. Am Schluss des Hörbuchs wiederholt sich das Ganze in umgekehrter Reihenfolge.

Geräusche gibt es leider keine, so dass man sich jederzeit voll auf den Vortrag des Sprechers konzentrieren kann. Ein paar Soundeffekte hätten aber wirklich nur gestört.

_Unterm Strich_

Dean Koontz erzählt überaus einfach in bester erprobter Kinderbuchsprache. Er lässt aber trotz dieser literarischen Verantwortung auch den Humor nicht zu kurz kommen. Was diesem Schreibstil widerspricht, ist jedoch der Inhalt, den man Kindern bis zehn Jahren kaum zumuten mag.

Da werden Plüschbäuche aufgeschlitzt, rasiermesserscharfe Klingen ausgefahren und Schrotflinten abgefeuert, dass es eine „Pracht“ ist. Das personifizierte Böse hat seinen festen Platz, und das böseste Spielzeug ist eine Marionette. Welches Kind würde nach dieser Lektüre noch eine solche Puppe anfassen? Man kann vielleicht seine Aggressionen ausleben, lautet eine Theorie, aber was ist, wenn das Kind im Dunkeln einzuschlafen versucht und die Bilder von aufgeschlitzten Puppen vor Augen hat?

Kontz scheint hier manchen Kritikern über das Ziel hinauszuschießen und zu viel Schrecken und Grusel in seine Geschichte hineinzupacken. Jugendliche hingegen, die man für die alternative Zielgruppe halten könnte, finden wahrscheinlich wenig Gefallen an der Kinderbuchsprache, denn sie sind Geschichten im Stil eines „Herr der Ringe“ gewohnt. Ich denke, dass heutige Kinder mit zehn schon so weit sind, auch Greueltaten wie die Ermordung eines Teddybären zu verkraften. Aber das müssen die Eltern selbst entscheiden.

Jürgen Kluckert liebt hörbar Kinder als Zuhörer, und wer sich nicht an einen Märchenonkel erinnert fühlt, sollte sich zurück in seine Kindheit versetzen lassen. Kluckert entfaltet mit seinen beträchtlichen Mitteln seine Sprach- und Stimmmagie – er braucht keine Zaubertiere mehr, denn das sind schon wir, seine Zuhörer.

|Originaltitel: Oddkins, 1988
Aus dem US-Englischen übersetzt von Sybil Gräfin Schönfeldt
Empfohlen ab 10 Jahren
235 Minuten auf 3 CDs|
http://www.luebbe-audio.de

Koontz, Dean R. – Stimmen der Angst

_Tödliche Haikus_

Koontz erschafft diesmal einen furchterregenden Schurken: einen Psychotherapeuten, wie sie in Kalifornien so in Mode sind. Doch dieser stellt finstere Sachen mit den Seelen seiner Patientinnen – oder richtiger: Opfer – an.

_Handlung_

Zwei schreckliche Ereignisse zerstören das verhältnismäßig glückliche Leben von Martie und Dusty Rhodes. Martie ist eine Designerin von PC-Spielen, er der Leiter einer Anstreicherkolonne. Sie leben in Newport Beach südlich von Los Angeles, an der Küste, einem ansonsten friedlichen Örtchen.

Zur selben Zeit, als Dustys drogensüchtiger Bruder Skeet droht, sich von einem Hausdach in die Tiefe zu stürzen, weil er einem mysteriösen „Todesengel“ folgen will, hat Martie zu Hause ihren ersten Anfall einer unheimlichen Phobie vor sich selbst. Zunächst kann sie nicht glauben, dass sie ohne Grund entsetzliche Furcht vor ihrem eigenen Schatten, dann auch vor ihrem Spiegelbild hat. Und warum betrachtet sie plötzlich einen gezackten Autoschlüssel als potenzielle Mordwaffe?

Doch der charmante Psychiater Dr. Mark Ahriman kann ihr und Skeet vielleicht helfen. Schließlich behandelt er bereits Marties beste Freundin Susan wegen ihrer Agoraphobie, der Furcht vor offenen Plätzen. Leider zeigt sich schon bald, dass Dr. Ahrimans Hypnosesitzungen einem ganz anderen Zweck dienen als der Heilung von Kranken. Ahriman programmiert seine Patienten, ihm zu Willen zu sein und Aufträge auszuführen. Doch die Frage bleibt natürlich, warum er es ausgerechnet auf Dusty und Skeet abgesehen hat.

Da Dusty ein unglaublich cleverer Bursche ist und auch Martie bald ungeahnte Qualitäten an den Tag legt, gelingt es ihnen, Dr. Ahriman stets einen halben Schritt vorauszusein und ein altes Familiendrama der Rhodes‘ ans Licht zu bringen, in dessen Folgen alle umzukommen drohen. Doch das Attentat auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten können auch sie nicht mehr verhindern.

(Ich sollte hier wirklich nicht mehr verraten, denn sonst geht die Lust am Entdecken verloren; jedenfalls öffnet sich unter jedem gefundenen Stück Wahrheit stets noch eine weitere Falltür …)

_Eindrücke_

Was für ein Wälzer! Über 800 Seiten stark ist das Buch im Original – diesmal kann es Koontz locker mit Stephen Kings Ziegelsteinen à la „ES“ und „Sara“ aufnehmen. Aber die Geduld des Lesers lohnt sich: Koontz geht diesmal noch ein Stück weiter in seiner Erkundung der Phobien und Unzulänglichkeiten des Menschen.

Er führt den Leser noch ein Stück weiter auf die Nachtseite des real existierenden Lebens – und erschafft nicht nur ein einziges Ungeheuer, sondern mehrere. Das macht dieses Buch noch wesentlich beunruhigender und unheimlicher als die Romane, die er seit dem wunderbaren „Intensity“ vorgelegt hat.

Es ist mir wirklich schwer gefallen, dieses Buch aus der Hand zu legen. Obwohl es deutliche Einschnitte und zahlreiche witzige Intermezzi gibt, die zur Pause einladen, drängen sich doch so viele Rätsel auf, dass ich unbedingt erfahren wollte, wie es weitergeht und ob Dusty, Martie und Skeet überleben. Es ist die reinste Achterbahnfahrt zwischen atemloser Spannung und irrwitzigem Humor der schwärzesten Art.

Am Ende war ich froh, dass alles vorbei war. Puh! Eine verdammt lange Fahrt – sie umfasst zwar nur knapp eine Woche, ist aber so mit Einzelheiten angefüllt, die weit in die Tiefe und die Vergangenheit reichen, dass der Eindruck eines vielen größeren Zeitraums entsteht, den der Leser durchmisst, wenn ihn Dean Koontz an der Hand nimmt.

Ahriman – das Wort kommt aus dem Altpersischen und ist der Name eines Gottes – ist ein Monster, kein Zweifel. Andere Menschen sind seine Spielzeuge, und er veranstaltet mit ihnen Spiele, als befänden sie sich auf einem Schachbrett, auf dem „der Doktor“ sie wie Zinnsoldaten von hier nach da verschiebt.

Dieses Monster ist zwar ein Psychiater wie Dr. Hannibal Lecter und auch Ahriman ergötzt sich an fleischlichen Genüssen. Doch verspeist er nicht die Leiber seine Opfer, sondern ihre Seelen: Nachdem er sie „programmiert“ hat, gehören sie ihm, auf ein Stichwort hin erfüllen sie seinen Willen, so dass er sie leiden lassen kann – an Phobien etwa. Sobald er sich an ihren Tränen buchstäblich delektiert hat, wirft er sie weg wie alte Puppen, so beispielsweise die unglückliche Susan, Martys Freundin.

Die Programmierung erfolgt mit Hilfe von Stichwörtern in Haikus, wunderschönen japanischen Naturgedichten. Nach der Lektüre von „Stimmen der Nacht“ ist die Freude an diesen Gedichten weiß Gott nicht mehr ungetrübt.

Koontz erschuf das Monster Ahriman nicht um dessen selbst willen oder um einen tollen Horroreffekt zu erzielen. Ahriman ist ein Symbol, ein Symbol für vieles, was Koontz an der amerikanischen bzw. westlichen Kultur und Gesellschaft nicht (mehr) zu stimmen scheint.

Dazu gehört nicht nur die Herrschaft der Medien, die zum fließenden Übergang zwischen Wahrheit/Realität und Fiktion/Fantasy führt. Dazu gehört auch die Herrschaft der Pseudo-Religion Psychologie. „Pop-psych gurus“ sind Koontz ein Greuel, und er führt sie allesamt ad absurdum. Er nimmt sie aber immerhin so ernst, dass er die Hintermänner Ahrimans als Drahtzieher auf den höchsten Ebenen der Politik aufscheinen lässt. Ahriman wird nämlich von ganz oben gedeckt, er kann darauf zählen, dass er ungestraft mit Menschen spielen darf. Als er tot ist, weiß natürlich niemand mehr von ihm, man wendet sich mit geheucheltem Grausen ab.

Dr. Ahriman ist kein Monster aus der Retorte, sondern ist in Kalifornien aufgewachsen, erzogen und ausgebildet worden. Seine Tochter war Dustys im Kindbett gestorbene Schwester Dominique. Und als Dusty hier tiefer gräbt, merkt er, dass es noch größere Ungeheuer als Dr. Ahriman geben kann.

_Fazit_

Ein sehr gelungener Koontz, der nicht nur eine sehr spannende Geschichte erzählt, sondern darüber hinaus zum Nachdenken über unsere moderne Kultur anregt. Die Geduld und Ausdauer für diesen umfangreichen Roman lohnen sich, und er wird an keiner Stelle langweilig.

|Originaltitel: False Memory, 1999
Aus dem US-Englischen übertragen von Waltraud Götting|

Koontz, Dean – Meer der Nacht

_Frank Sinatra und die Atombomben_

Eine übermenschliche Kraft zerrt am Grillkoch Odd Thomas, der die Toten sehen kann, und führt ihn an die Küste, in eine scheinbar beschauliche kleine Stadt. Bald nach der Ankunft quält ihn ein Albtraum: Das Meer erhebt sich in einer blutroten, apokalyptischen Flut, der Himmel brennt orange wie Feuer. Bei einem Abendspaziergang auf dem Pier überkommt ihn eine ähnliche Vision – und schon kurz darauf bricht das reale Grauen aus. Drei finstere Gestalten beginnen, ihn gnadenlos zu jagen. Doch nicht nur ihn: Sie haben unzählige Opfer im Visier … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ -, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 300 Mio. Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt, so etwa „Watchers“. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

Der |Odd|-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (Die Anbetung)
2) Forever Odd (Seelenlos)
3) Brother Odd (Schattennacht)
4) In Odd We Trust (Graphic novel)
5) Odd hours (Meer der Finsternis)

_Handlung_

Odd Thomas, der Garkoch mit den besten Omelettes der Welt, hat Pico Mundo und das Kloster auf dem Berg verlassen, um, gezogen von einer magnetischen Anziehungskraft, in Magic Beach sein Glück zu versuchen. Hier bekocht er einen alten Ex-Schauspieler namens Hutch Hutchison, der mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, und hat ein Auskommen. Odd wird verfolgt von einem Albtraum, in dem unter einem roten Himmel eine große rote Welle über das Küstenstädtchen Magic Beach hereinbricht. Aber auch eine geheimnisvolle Frau kommt in dem Traum vor.

Regelmäßig spaziert er mit einem zutraulichen Geisterhund namens Boo auf die Pier, setzt sich auf eine Bank und harrt der Dinge, die da kommen sollen, wie er aus Erfahrung weiß. Und eines Tages sitzt sie da, die Frau aus dem Traum. Sie heißt Annamaria und ist hochschwanger, außerdem trägt sie ein silbernes Glöckchen an einem Band um den Hals. Hat sie ihn erwartet? Beide schauen den drei Männern zu, die sich auf der Pier getroffen haben. Zwei Rotschöpfe mit von Meth geschädigten Zähnen in Daunenjacken begrüßen einen Muskelberg, der sicher zwei Meter groß ist und gelbe Augen hat. Das Trio beäugt Odd und Annamaria wie ein Rudel Wölfe seine Beute.

Vorsichtshalber schickt Odd die Frau weg und geht auf das Trio zu. Er drückt dem Muskelberg die Hand – und erlebt erstmals, dass dieser erstaunt die gleiche Schreckensvision wie Odd selbst erblickt. Klar, dass Odd jetzt ihre volle Aufmerksamkeit hat. Doch die drei Typen tun nichts – noch nicht. Odd versteckt sich im Balkenwerk, das die Pier stützt, bis die Typen mit einem Motorboot hier nach ihm suchen.

Er schlägt ihnen ein Schnippchen, klaut das Boot und geht an Land – und gerät genau in die Arme eines vierten Mannes. Nach einem Kampf geht der Kerl K. o. und Odd kann sich genau ansehen, was das für ein Typ ist: jemand von der Hafenmeisterei. Er lässt ihm sein Geld und nimmt nur die Ausweise mit. Zu Hause bemerkt Hutch nichts von Odds schwer lädiertem Zustand.

Annamarias Heim kann er leicht per Magnetismus aufspüren. Sie hat ihn schon erwartet. Aber die Zeit wird knapp, denn auf das Trio kommt – mit einem Wagen der Hafenmeisterei – um Annamaria zu besuchen. Sie verstecken sich, bis die Kerle wieder weg sind, die sicher nichts Gutes im Schilde führen. Aber was wollen sie eigentlich von der Frau, fragt sich Odd – denn sie selbst sagt immer nur: „Alles zu seiner Zeit.“ Zusammen gehen sie los, um eine Freundin zu besuchen, bei der Annamaria sich verstecken kann. Unterwegs verscheucht die geheimnisvolle Annamaria ein Rudel hungriger Coyoten: „Ihr gehört hier nicht her!“ Das magische Glöckchen aus Silber gibt sie Odd ebenso mitgegeben wie zahlreiche Rätsel und Ratschläge.

Odd zieht seinerseits los, um das Haus von Sam Whittle, dem Schläger von der Hafenmeisterei, zu durchsuchen. Aus Erfahrung weiß er, dass man über seinen potentiellen Gegner nie genug wissen kann. In der Tat stößt er auf ein paar aufschlussreiche Funde: eine erschossene Leiche in der Badewanne (Whittle himself), den sprachlos gewordenen Geist des unglücklichen Mordopfers sowie einen finsteren Dämon aus dem Badspiegel, der selbigen Geist zu sich holt. Und das ist noch längst nicht alles …

_Mein Eindruck_

Die Odd-Thomas-Romane sind eine Kombination aus übernatürlichem Horror, weltlicher Action und Odds ureigener Zutat: schräge Philosophie über die Welt und seine Mitmenschen. Alle diese Bauteile finden sich auch in der vierten Romankonstruktion wieder. Der Bauplan war vielleicht gut, doch mit der Ausführung haperte es diesmal. Das Ergebnis ist an vielen Stellen gähnende Langeweile.

Keine Bodachs künden das Unheil an, jene unheimliche schwarzen Geister, die als Zuschauer einer Katastrophe quasi als übernatürliche Touristen von Unglücksort zu Unglücksort vagabundieren. Das sollte Odd eigentlich in Alarmzustand versetzen. Denn er weiß ja, dass ihm der Traum eine Warnung geschickt hat: roter Himmel, rotes Meer, Riesenwelle – kein gutes Omen. Die Abwesenheit der Bodachs kann nur bedeuten, dass die Katastrophe bereits geschieht und Magic Beach dem Untergang geweiht ist.

Was für Odd, wie in allen Abenteuern zuvor, herauszufinden ist: Worin besteht das Unheil und wie kann er es verhindern? Denn die Macht, die ihn per psychischem Magnetismus hierher gezogen hat (die „Vorsehung“?), muss sich wohl etwas dabei gedacht haben. Die drei schrägen Typen, die Odd auf der Pier trifft, sind nur die Vorhut der Schurken, die Nummer vier ist der „Lampenmann“, der Odd eins mit der Taschenlampe über den Schädel zieht. Steckt die Hafenmeisterei dahinter? Der Fall ist so nebulös wie der dichte Dunst, der ganz Magic Beach wie in eine Art übernatürliche Watte packt.

|Das „Verhör“|

Ein großer Teil der Rätel findet seine Antwort, als die Cops ihn wegen eines verräterischen Reverends erwischen und auf die Polizeistation schaffen. Dort findet sich Odd bald in einer fensterlosen Zelle an einen Blechtisch gekettet – nicht gerade seine Auffassung von bürgerlicher Freiheit. Sheriff Shackett setzt sich ihm und starrt ihn erstmal eine Minute lang an. Odd starrt zurück. Und wie Odd erleichtert bemerkt, schaut der Geist von Frankie Sinatra ihrem Blickduell zu. Da kommt Odd eine fiese Idee.

Odd nennt sich im Verhör Harry Lime. Diesen Namen kennt der Sheriff offenbar nicht, aber jedem Krimi- und Filmfreund ist Harry Lime als der Agent in Graham Greenes Thriller „Der dritte Mann“ bestens bekannt. Und natürlich auch der im Nachkriegs-Wien herrschende Nebel, der die Undurchsichtigkeit aller Identitäten symbolisiert. Shackett nimmt Odds Hand und erlebt die gleiche Schreckensvision, die schon sein Handlanger, der Muskelberg Utgard auf der Pier erfahren hat. Dieser Harry Lime ist ein ungewöhnlicher Bursche, so viel ist mal klar, aber was will er in Shacketts schönem Städtchen – und zwar ausgerechnet jetzt?

Der Verlauf des Verhörs ist relativ außergewöhnlich, um es vorsichtig auszudrücken, denn Frank Sinatra betätigt sich mit Odds kräftiger Anstachelung als effektiver Poltergeist. Shackett und der hinzugekommene Riese Utgard werden in dem kleinen Vernehmungsraum mächtig vermöbelt, nachdem sich Odd, alias Harry Lime, bereits daraus verkrümelt hat. Aber Odd hat nun die meisten Antworten, die er suchte: Es geht um den Schmuggel von Atomwaffen in die USA und deren Zündung in amerikanischen Großstädten. Aber wozu? Ein Senator scheint dahinterzustecken …

|Der Showdown|

Nun muss sich Odd etwas einfallen lassen, um die Einfuhr illegaler thermonuklearer Sprengköpfe im Hafen von Magic Beach zu verhindern. Doch der Showdown findet auf hoher See statt, auf einem kleinen Schlepper. Odd bedauert es sehr, Waffen einsetzen zu müssen. Sein ungewöhnlichster Gegner ist indessen nicht der Muskelprotz Utgard, sondern eine zierliche Blondine mit dem klangvollen Namen Valonia Fontenelle. Sie trägt Fuchspelz und langes Haar, das wie gesponnenes Gold glänzt, ein Luxusgeschöpf voller Privilegien. Leider kennt sie weder Shakespeares „Hamlet“ noch „Harry Lime“, was ein Fehler ist.

„Du siehst nicht aus wie eine Frau, die ganze Großstädte in die Luft sprengen will“, findet Odd und trifft den Nagel auf den Kopf. Valonia ist das Töchterlein des Senators, der die Strippen zieht. Sie erwartet, dass er die Welt neu ordnen wird, denn die Welt ist so alt und müde geworden, dass sich etwas ändern muss. Allerdings hat sie auch etwas gegen ungebetene Zeugen, die bei der Übergabe thermonuklearer Sprengköpfe zuschauen …

Dieser ersten Action folgt ein zweiter Showdown, der noch wesentlich mehr Bluttaten mit sich bringt. Aber irgendwer muss ja auch Chief Shackett und seinen Verbündeten das Handwerk legen, oder?

|Philosophisches Beiwerk|

Nach Mystery und Action bleibt noch die Odd-Philosophie übrig, die es zu würdigen gilt. Der „Oddismus“ ist eine typisch amerikanische Mischung aus lebensnaher Erfahrung, schrägen Ansichten über das Leben, besonders das nach dem Ableben des Körpers, und schließlich über den Sinn und Zweck des menschlichen Lebens an sich. Odd gibt an keiner Stelle vor, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Er hat sie auch nicht mit der Muttermilch eingesogen, denn seine Mutter war eine verrückte Schreckschraube (sie tritt im zweiten Band auf).

Viel wichtiger für den „Oddismus“ ist Stormy Llewellyn, Odds interessante Freundin, die bereits im ersten Band ihr junges Leben lassen musste. Sie hat nicht nur ganz eigene Ansichten über ihre Aufgabe im Diesseits, sondern begreift sich auch als Wanderin auf dem Weg zum endgültigen Jenseits. Die Stationen auf diesem Weg zur Endstation erklären auch die Anwesenheit von Geistern in Odds Leben. Als Geister treten Hunde und Coyoten, aber auch Bodachs und andere Monster auf, nicht zu vergessen auch Elvis the King und Frank Sinatra.

|Sinatra und Shakespeare|

Odd weiß praktisch alles über Frankie Boy, der sich aus dem Italiener-Ghetto von Little Italy hinauf zum Olymp der Gesangsbühnen kämpfte und als Idol für Millionen endete. Nach ein wenig Vorgeplänkel kommt es zu dem extrem aufschlussreichen Verhör in Chief Shacketts Gefängniskeller. Odd drückt sämtliche Knöpfe in Sinatras Psyche, um ihn auf die Palme zu bringen. Das klappt ganz hervorragend. Aber abgesehen vom Unmittelbaren der Aktivierung eines Poltergeists geht es Odd auch um Sinatras Erlösung. Warum hängt Sinatra hier noch herum, statt sich auf den Weg ins Jenseits zu machen? Es scheint ihm ähnlich zu gehen wie Hutch, dem alten Schauspieler, der seiner längst vergangenen Glanzzeit nachhängt und sich täglich seine eigenen alten Filme reinzieht: Ist es Nostalgie oder Stolz?

Auch Shakespeare spielt eine zentrale Rolle. „Macbeths Hexen“ werden laufend zitiert, aber auch „Hamlet“ und diverse andere Stücke. Offenbar ist „etwas faul im Staate Dänemark“, nur dass diesmal die USA gemeint sind. Feinde aus dem Inneren wie der Senator machen sich daran, die legitimierte Ordnung umzustürzen und eine faschistische Diktatur zu errichten. Das riecht schon stark nach dem Königsmörder Macbeth, der sich zum verruchten Tyrannen aufschwingt. Valonia Fontenelle spielt Lady Macbeth, bis Odd auftaucht, um den Macduff zu geben, der beiden die nukleare Suppe versalzt.

|Annamaria|

Die rätselhafte Frau vom Strand, eine hochschwangere Verbündete, gibt nicht nur Odd eine Menge Rätsel auf. Sie hat eine eindeutige Verbindung zum Jenseits, denn das silberne Glöckchen bannt dessen Geister. Auch die Weisheiten und Kenntnisse, die sie wie selbstverständlich preisgibt, verraten einen Kontakt zu jemandem, der schon längst aus Odds Leben verschwunden ist: Stormy Llewellyn. Doch wie sagt Annamaria so schön? „Alles zu seiner Zeit.“ Im nächsten Band werden wir hoffentlich mehr über die neue Begleiterin des Helden erfahren – und über ihr Kind.

_Die Übersetzung_

99,9% des Textes sind fehlerfrei und daher sehr flüssig zu lesen, aber es haben mich doch ein paar Fehlerchen gestört. Die üblichen Flüchtigkeitsfehler will ich gar nicht aufzählen. Aber auf Seite 97 musste ich doch stutzen. Da heißt es: „Hätte mich jemand hinter (dem Fenster) beobachtet, so hätte ich eine Gestalt gewesen, die sich matt von der Schwärze der lichtlosen Zimmer abhob.“ Was will uns der Autor damit sagen? Zuerst dachte ich, es müsse korrekt „gesehen“ statt „gewesen“ heißen, aber das ergibt auch keinen logischen Sinn. Vielmehr sollte es wohl „wäre“ statt „hätte“ heißen – Odd höbe sich als Gestalt „matt von der Schwärze der lichtlosen Zimmer“ ab. Das ergibt einen Sinn.

Auf Seite 118 heißt es in der ersten Zeilen „wandten sich die Finger um den Türstock“. Aber die Finger wenden sich nicht, sondern sie winden sich. Und dann muss es „wanden“ heißen statt „wandten“.

Auf Seite 124 heißt es in der letzten Zeile: „Ja, aber mir müssen uns hier in der Nähe der Zäune halten.“ Okay, „mir“ kann man in Schwaben und sogar in Bayern sagen („mir san mir“), aber nicht im Hochdeutschen. Dort muss es „wir“ heißen. Auch die übrigen Fehler sind lauter solche Druck- und Flüchtigkeitsfehlerchen.

_Unterm Strich_

Bevor es zu den beiden actionreichen Showdowns kommen kann, verabreicht uns Odd Thomas eine gehörige Dosis seiner privaten Philosophie. Verschlüsselt in zahlreichen Szenen macht der Autor eine Bestandsaufnahme des amerikanischen Lebens in einem Küstenort, der ein wenig an die Truman-Show erinnert: ein Scheinleben, in dem nur noch Rollen gespielt werden, aber von echten Menschen.

Abgehalfterte Schauspieler (Hutch) und Geist gewordene Sänger (Sinatra) trauern einer Vergangenheit nach, von der sie in ihrem Stolz nicht lassen mögen. Kein Wunder also, dass das Senatorentöchterlein Valonia Fontenelle die Welt alt und müde findet. Folglich betreibt sie den Umsturz. Das beste Mittel dazu scheinen ihr ein paar Atomschläge zu sein.

Es dauert lange, bis sich dieses Szenario herausschält, ungefähr bis zur Hälfte des Buches. Hier bildet die Vernehmung durch Sheriff Shackett den Wendepunkt. Von hier ab ist klar, was Odd zu tun hat. Es gibt danach eine Menge Action, allerdings auch dunkle Andeutungen, dass sich im Untergrund von Magic Beach Unheilvolles tue. Aber das kennen wir bereits aus Koontz‘ Romanen „Geschöpfe der Nacht“ und „Im Bann der Dunkelheit“. Auch dort tritt mit Christopher Snow ein Außenseiterheld auf, der von einem Hund begleitet wird und die Welt vor der Katastrophe bewahrt.

An vielen Stellen findet sich die feine Ironie, die Odd kennzeichnet. Anspielungen auf Literatur, Philosophie und Film sorgen für assoziative Untertöne und ermöglichen dem Leser, sich seinen eigenen Reim auf das Geschehen zu machen. Alle diese Anspielungen sind jedoch an die ungebildeten Landsleute Odds völlig verloren. Stattdessen tragen sie Revolver in Damenhandtäschchen herum und schippern thermonukleare Sprengköpfe auf Hafenschleppern durch die Gegend.

Wer sich intensiver mit diesem und den anderen Odd-Romanen befasst, dürfte Koontz‘ eigene Sicht auf Amerika herausschälen können, doch in dieser Rezension ist nicht der geeignete Ort dafür. Dieses Amerika macht Angst – und genau das will Koontz ja. Diese Absicht zu erkennen, macht die Lage aber auch nicht besser.

|Für wen sich das Buch eignet|

Ich habe mich nur im zweiten Teil des Romans gut unterhalten gefühlt. Die erste Häfte plätschert so vor sich hin. Da hätte der Autor mehr draus machen können, fühlte ich und las nur weiter, weil ich die ganze „Odd Thomas“-Reihe lesenswert finde. Aber wer eine kriminalistische Ermittlung erwartet, ist hier an der völlig falschen Adresse. Dann schon lieber den neuen Mo Hayder oder Michael Connelly lesen.

|Taschenbuch: 382 Seiten
Originaltitel: Odd hours
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt
ISBN-13: 978-3453266131|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de
[oddthomas.deankoontz.com]http://oddthomas.deankoontz.com/

_Dean Koontz bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Anbetung“ 3066
[„Seelenlos“ 4825
[„Schattennacht“ 5476
[„Meer der Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5942
[„Meer der Finsternis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6119
[„Todeszeit“ 5423
[„Todesregen“ 3840
[„Irrsinn“ 4317
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

Dean Koontz – Die Anbetung (Odd Thomas 1)


Die schwarze Kammer des Bösen

Odd Thomas, ein Koch in einer Frittenbude in Südkalifornien, hat eine einzigartige Fähigkeit: Er kann die Toten sehen. Nur sehr wenige Mitmenschen wissen davon, darunter seine Freundin Stormy, eine Eisverkäuferin, und Sheriff Porter. Ein merkwürdiger Fremder taucht in Pico Mundo auf, und wegen seines Aussehens nennt Odd ihn den Pilzmann.

Den Pilzmann umgeben hyänenartige Schattenwesen, die Odd als Vorboten und Zuschauer eines fürchterlichen Todes kennt. Odd muss nicht nur seinen übernatürlichen Spürsinn einsetzen, sondern auch sein Köpfchen, denn er hat Angst vor Waffen. Kann er die sich anbahnende Katastrophe verhindern?

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ -, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 325 Millionen Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

Der |Odd|-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als „Die Anbetung“)
2) Forever Odd (2005, deutsch 2008 als „Seelenlos“)
3) Brother Odd (2006)
4) Odd Hours (Mai 2008)
5) Odd Passenger: mehrere Web-Episoden (Webisoden) online (auf YouTube)
6) In Odd We Trust (Juli 2008, Graphic Novel)

|Dean Koontz auf Buchwurm.info:|

[„Seelenlos“ 4825
[„Irrsinn“ 4317
[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

_Handlung_

Odd Thomas lebt in Pico Mundo, einer 40.000-Seelen-Stadt irgendwo in Südkalifornien unweit einer Luftwaffenbasis, und arbeitet hier in einer besseren Frittenbude als Garkoch. Eines Tages musste er sehr zu seinem Leidwesen feststellen, dass er die Fähigkeit besitzt, die Toten zu sehen. Jedenfalls diejenigen, die sich noch an irdische Dinge klammern, so etwa Elvis Presley, der ständig flennt. Aber er sieht auch hyänenartige Schattenwesen, die nach einem englischen Ausdruck „Bodachs“ nennt. Sie erscheinen dort, wo der Tod bald seine Arbeit verrichten wird.

Er sieht sie wieder, als sie eines Morgens in das Grillrestaurant eindringen, in dem er arbeitet, und sich die Gäste ansehen. Besonders einen umschwärmen sie: einen Weißen mit einem käsigen, schwammigen Gesicht. Odd nennt ihn bei sich den „Pilzmann“. Er spürt, dass von ihm Unheil droht. Er sieht ihn wieder, als Odd seine Freundin Stormy Llewellyn besucht, die in der Einkaufspassage Eis verkauft. Daraufhin folgt er ihm, nachdem er Chief Porter Bescheid gegeben hat. Der Sheriff ist wie ein Vater für ihn.

Vor dem Haus des Pilzmannes wartet er, bis dieser das Haus wieder verlässt. Das Eindringen ist kinderleicht. Seltsamerweise scheint die Wohnung zwei gegensätzliche Persönlichkeiten widerzuspiegeln, die eine schlampig, die andere pedantisch. Letztere zeigt sich im Büro des Pilzmannes: ein penibel geführtes Archiv von Massen- und Serienmördern. An der Wand hängen Poster von Charles Manson und Mohammed Atta, dem Anführer der Al-Kaida-Attentäter vom 11. September.

Das Allerseltsamste ist jedoch ein Raum, in dem schwarzes Nichts jedes Licht verschluckt. Nur ganz hinten scheinen zwei rote Lichter böse zu brennen. Mutig begibt sich Odd hinein und stellt fest, dass es sich nicht nur um eine andere Dimension handelt, sondern auch um eine Zeitmaschine. Er kehrt ein paar Minuten vor dem Zeitpunkt zurück, zu dem er sie betreten hat und kann sein früheres Ich sehen, wie es die Kammer betritt. Äußerst merkwürdig. Indem er ein zweites Mal hineingeht, schließt er die Kammer. Sie wird zu einem ganz normalen Raum: dem Archiv des Bösen. Und Odds Kopie verschwindet ebenfalls. Stattdessen dringen aus der Kammer weitere Bodachs hervor …

Jetzt ist Odd klar, dass seiner Stadt und all den geliebten Menschen darin schlimmstes Unheil droht. Ein prophetischer Albtraum, den er Stormy und Porter erzählt, zeigt ihm ermordete Menschen, doch wo das ist, kann er nicht erkennen. Er weiß nur, wann es passiert: Im Tageskalender des Pilzmannes ist der 15. August angestrichen, und das ist bereits am nächsten Tag.

Odd ist sicher, dass ihm weniger als 24 Stunden bleiben, um Pico Mundos Menschen vor der bevorstehenden Katastrophe zu bewahren. Doch der Gegner, mit dem er es zu tun hat, hat erkannt, dass er erkannt worden ist, und bereitet einen Gegenschlag vor …

_Mein Eindruck_

„Odd“ bedeutet im Englischen „ungleich, schräg, sonderbar“. Doch das ist das Letzte, das Odd Thomas sein will. Denn es bedeutet, einsam zu sein und jede Hoffnung zu verlieren. Er ist auf seine Freunde angewiesen, und seine Freundin Stormy liebt er innig, auch wenn sie ihn ständig triezt. Aber wie sich im Laufe der Handlung herausstellt, ist Odd um einiges normaler und menschlicher als so mancher seiner Zeitgenossen.

Das gilt natürlich für die durchgeknallten Typen, die den Anschlag vorbereiten, sowieso. Aber auch Odds Besuche bei seinem Vater, einem sorglos lebenden Sexprotz mit jungen Gespielinnen, und seiner Mutter, die partout keine Verantwortung übernehmen will und ihn mit einem Revolver verjagt, machen deutlich, dass es Schlimmeres gibt als mit Odds Gabe versehen zu sein.

|Die Gabe|

Odd selbst kann sich nicht entscheiden, ob die Gabe, Totengeister und Bodachs – sie erinnern an die „Besucher“ in „The Gathering“ – sehen zu können, ein Segen oder ein Fluch ist. Doch mit dem Helden in der Christopher-Snow-Trilogie hat Odd gemein, dass er zwar außerhalb der Gesellschaft der Normalos steht, ihr aber zu Hilfe und Beistand verpflichtet ist. Denn nur dort findet er jene menschliche Wärme, die ihm Vater und Mutter verweigerten. Dass ihn dies zu einer Art Samariter oder klassischem |Marvel|-Comics-Supermenschen macht, ist klar, ihm aber nicht bewusst. Und wenn man Odds Weg ein paar Stunden lang gefolgt ist, dann will man garantiert nicht mehr mit ihm tauschen.

|No guns!|

Wird es einmal so spannend, dass der Leser an den Nägeln zu kauen beginnt, dann legt der Ich-Erzähler wieder einmal eine seiner Denkpausen ein – und macht als nächstes etwas ganz anderes als das, was man erwartet hat. Weil seine Mutter ihn regelmäßig mit einer Pistole bedrohte, hat Odd Angst vor Waffen aller Art und benutzt Schusswaffen nur im äußersten Notfall. Er muss sich häufig mit einer alternativen Strategie aus der Patsche helfen.

Das fand ich sehr sympathisch, denn es zeigt Waffenfetischisten (von denen es in Koontz‘ Heimat jede Menge gibt), dass man sich auch auf andere Weise verteidigen kann. Überhaupt ist Odd bzw. Koontz in der Lage, die Amerikaner auch von außen in ihren Eigenarten anzusehen, was bei einem amerikanischen Unterhaltungsschriftsteller ein seltenes Phänomen ist. Vielleicht hat ja seine deutsche Frau Gerda dazu beigetragen.

|Selbstironie|

Odd ist ein Ausbund an Selbstironie. So entschuldigt er sich einmal, dass er nicht der Ritter sei, den den schrecklichen Jabberwock erlegt. Das ist ein Hinweis auf das gleichnamige Nonsensgedicht „Jabberwocky“ von Lewis Carroll, dem Schöpfer von Alice im Wunderland (es steht im zweiten Band). Warum sollte sich ein junger Mann mit einem Ritter vergleichen, den sowieso niemand ernst nehmen kann? Das ist ja gerade der Witz.

|Elvis|

Auch die Begegnungen mit Elvis „The King“ sind einerseits ironisch, andererseits von echtem Mitgefühl geprägt. Odd hat wie der King seine Mutter verloren und kann nachfühlen, wie es Elvis geht. Wie jeder, der Elvis‘ Biografie gelesen hat, liebte dieser seine Mutter Gladys über alles, doch sie starb, bevor er noch den Gipfel seines Ruhm erklommen hatte, und er geriet – wie sie gesagt hätte – auf Abwege, indem er Drogen missbrauchte und von Medikamenten abhängig wurde. Daher starb er bereits mit 42 Jahren. Der Geist des toten Elvis kann nicht von der Erde lassen, weil er hofft, durch Odd noch einmal seine Mutter sehen zu können – oder weil er fürchtet, was seine Mutter zu ihm als Tadel sagen würde, würde er ihr in die jenseitige Welt folgen. Dem Lesepublikum des Autors dürfte diese Geschichte ganz besonders nahegehen.

|Der Auftrag|

Wie in vielen von Koontz‘ Romanen kommt auch hier ein Schriftsteller vor. Zu allem Überfluss ist der fettleibige Ozzie Boone auch noch ein Autor von Krimis (die im Englischen „Mystery“ heißen, aber nichts mit Mysterien zu tun haben). Mit Odd versteht sich Ozzie ausgezeichnet, und die Unterhaltung, die sie an Ozzies Tisch führen, ist eine der vergnüglichsten, schrägsten Lektüren, die ich in den letzten Jahren genießen durfte. Nur Ozzies Kater „Terrible Chester“ bereitet Odd wirklich Sorgen, weil er ihn unverwandt anstarrt und ihm hin und wieder auf die Schuhe pinkelt. Es ist Ozzie, der Odd den Auftrag gegeben hat, über seine ungewöhnlichen Erlebnisse vor der Katastrophe am 15. August zu ein Buch zu schreiben.

|Spannung der Diskrepanz|

Dieses Buch ist durchaus spannend zu lesen, und zwar nicht bloß wegen des Attentats auf Chief Porter oder der drohenden Katastrophe, sondern weil es der Autor/Erzähler versteht, eine Art psychologische Dauerspannung zu erzeugen, indem er durch den Kontrast „Normalleben“ und „Odd-Leben“ eine Diskrepanz aufzeigt, die einen ständigen Widerspruch erzeugt, der niemals aufzulösen ist.

Und selbst dann, als Odd, der Ich-Erzähler – und mit ihm der Leser – meint, jetzt sei alles überstanden und in Butter, kann dieser Widerspruch doch nicht aufgelöst werden, ohne dass Odd verrückt wird. Daher gibt es am Schluss noch einen überraschenden Schlenker, der den Leser unvorbereitet trifft und ihn deshalb umso treffsicherer schockieren wird.

|Die Übersetzung|

Bernhard Kleinschmidt hat sehr gut übersetzt, und zwar häufig genau so, wie man sich in Deutschland ausdrücken würde, also beispielsweise mit „Denkste!“ und dergleichen. Die meisten Fehler, die ich fand, sind banale Druckfehler, so etwa auf Seite 383 „Bewohnter“ statt „Bewohner“. Auf Seite 465 fragte ich mich aber, ob das Wort „Entzückung“ nicht besser durch das geläufigere „Entzücken“ ersetzt werden sollte. Gemeint ist ja das Gleiche, aber „Entzücken“ scheint mir korrekt zu sein.

_Unterm Strich_

Wie danach in [„Seelenlos“ 4825 geht es auch in „Die Anbetung“ um das, was eine teuflische Sekte in einer (mehr oder weniger) friedlichen Stadt anstellen kann. Diesmal sind die Satanisten am Werk, im Folgeband ist es eine Sektenführerin. Die Satanisten scheinen aber sehr viel destruktiveres Potenzial zu besitzen. Sie sind geradezu eine Kombination aus Charles Manson, Timothy McVeigh (der das Verwaltungsgebäude von Oklahoma City in die Luft jagte) und Mohammed Atta.

Die Spannung rührt vor allem von der Frage her, ob es Odd, diesem seltsamen Garkoch, gelingt, die Stadt binnen 24 Stunden vor der schlimmsten Katastrophe ihrer Geschichte zu bewahren. Aber auch die Kluft zwischen Odds Leben und dem seiner Mitmenschen erzeugt eine psychologische Spannung. Es ist eine weitere Dimension der Wahrnehmung, eine Weltsicht, die so manchem Angst einjagen würde.

Odds Freundin Stormy sieht die Welt anders: Das erste Leben ist das Ausbildungslager für das nächste, das dem „Dienst“ gewidmet ist. Doch der Lohn für den Dienst erfolgt erst im dritten Leben. Nicht nur Odd zweifelt daran, ob dieser Belohnungsaufschub inklusive Sublimierung die richtige Einstellung ist, aber hey: Stormy ist damit zufrieden. Und diese Religion ist wesentlich weniger schädlich als die Teufels-Anbetung, wie sie Pico Mundo hinwegzufegen droht. Merke: Die Welt ist das, was wir aus ihr machen – Himmel oder Hölle.

Dieses fast schon philosophische Konzept zieht sich durch alle Odd-Thomas-Romane und viele andere Werke Koontz‘. Es ist erstaunlich, auf welch vielfältige Weise es ihm gelingt, das Gute oder was man landläufig dafür ausgibt, auf die Probe zu stellen. [„Irrsinn“ 4317 ist beispielsweise solch ein Roman. Und wie immer ist das sehr spannend zu lesen.

|479 Seiten (Taschenbuchausgabe)
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt
ISBN der Taschenbuchausgabe August 2007: [978-3-453-43244-4]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3453432444/powermetalde-21 |
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Koontz, Dean – Rabenmann, Der

_Angriff der Dämonen, Widerstand der Kinder _

Zwei Jahrzehnte ist es her, dass Alton Turner Blackwood, der Rabenmann, vier Familien brutal ermordete. Seine blutige Serie endete erst, als der vierzehnjährige Sohn der letzten Familie ihn erschoss: John Calvino.

Doch nun taucht plötzlich ein Mörder auf, der die Untaten von einst exakt kopiert. John, der damals die eigene Familie nicht mehr retten konnte und seitdem schwer gezeichnet ist, ermittelt als Polizist in dem Fall. Voller Entsetzen entdeckt er, dass der Täter offensichtlich feststeht: Es war wohl Billy Lucas, der vierzehnjährige Sohn der Familie, der seine engsten Angehörigen grausam tötete.

Als Detective hält sich John Calvino sonst nur an klare Fakten. Aber könnte dieser Junge – bislang ein braver Musterschüler – tatsächlich vom Bösen besessen sein? Und wenn ja: Wie sollten John, seine Frau, die Töchter und der bald vierzehnjährige Sohn Zach der Rache des Rabenmanns entrinnen? (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ -, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird und einer ihrer Vertreter auftritt.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in 38 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 400 Mio. Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt, so etwa „Watchers“. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

„Der Rabenmann“ ist die direkte Fortsetzung von „Schwarze Feder“, einen Kurzroman, den es bei |Heyne| nur als Download gibt. Nähere Infos dazu finden sich im Buch, ebenso eine Leseprobe.

_Handlung_

Es ist zwei Jahrzehnte her, dass John Calvino seine Familie verlor. Sie war eine von vier Familien, die Alton Turner Blackwood, der besessene Serienmörder, auslöschte – er wurde als „Der Rabenmann“ bekannt. Dem 14-jährigen John Calvino gelang es damals, den Killer zu töten, aber erst, nachdem er seine vier weiblichen Verwandten ausgelöscht hatte. In seiner Polizeiausbildung lernte er alles über diesen Mann: Wie er vorging, wenn er seine Opfer fand und tötete, was er alles mit ihnen tat, jedes kleinste Detail.

Dies alles ist ihm präsent, als er nun in der Psychiatrie Billy Lucas besucht, der kürzlich seine ganze Familie ausgelöscht hat. Billy ist ebenfalls erst 14 Jahre alt, so wie seinerzeit John (und wie bald Johns Sohn Zach). Aber er sitzt für gewöhnlich hinter Panzerglas. Nicht so heute, denn John hat keine Furcht vor dem vierfachen Killer. Das Unheimlichste an Billy ist die Tatsache, dass er bei seiner Bluttat exakt so vorging wie Blackwood, als er die Paxtons, seine letzten Opfer, tötete. Und kann es wirklich ein Zufall sein, als Billy nun John Calvino den gleichen Grund für seine Tat angibt wie seinerzeit Blackwood: „Verderbnis“?

Bei der Besichtigung des Lucas-Hauses stellt John mit seinen feinen Sinnen mehrere Ungereimtheiten fest. Ein Fleck aus Milch und Blut schimmelt in der Küche, obwohl die Spurensicherung ihn schon längst hätte entfernen müssen; die Uhren im ganzen Haus blinken „12:00“, und alle Telefone läuten. Als er an Billys Handy geht, meint er die geflüsterte Bezeichnung „Sklave“ zu hören. So nannte Blackwood seine männlichen Opfer, damit sie ihm in der Hölle dienen würden.

Die wertvollste Entdeckung macht John im Zimmer von Billys Schwester Celine (die er vor ihrer Tötung vergewaltigte): Glöckchen als Ohranhänger, die in Blütenform klingeln können. Auf einem davon ist Blut zu sehen. Sehr beunruhigend ist allerdings, dass er auf Billys PC die Fotos seiner eigenen Familie findet. Und die jüngsten sind erst einen Monat alt. John bekommt definitiv Angst um seine Familie. „Es hat begonnen“, murmelt er, als er ins Auto steigt. Aber was es ist, ahnt er noch nicht.

|Bei den Calvinos|

John Calvino gehört nicht der gewöhnlichen 08/15-Familie an, die man in Suburbia findet. Seine Frau Nicolette ist eine sehr erfolgreiche Kunstmalerin, und ihre drei Kinder Zach (13), Naomi (11) und Minette (8) werden nicht etwa an der Schule, sondern zu Hause von Privatlehrern unterrichtet, die zu ihnen kommen, nicht umgekehrt. Das Sahnehäubchen bildet das Ehepaar, das die Mahlzeiten zubereitet. Zum Glück ist auch das Haus groß genug, um allen ein Dach überm Kopf zu bieten.

Als Nicolette heute ihre Zähne mit Zahnseide reinigt, erblickt sie erst hinter sich einen unbekannten Mann, dann vor sich im Spiegel. Der Spiegel explodiert, und sie fällt in Ohnmacht. Ungefähr zur gleichen Zeit, etwa 1:30 Uhr am Nachmittag, befindet sich Zach auf dem Zwischenboden, wo die Brenner und die Klimaanlage stehen. Er will einem finsteren Verdacht nachgehen, der ihm gekommen ist, steigt die Falltür hoch und sieht sich, bewaffnet mit einer langzinkigen Truthahngabel und einer Taschenlampe, um. Nichts.

Da geht das Licht ebenso aus wie seine Taschenlampe. Er gerät nicht in Panik, o nein, denn Zach, der in wenigen Monaten 14 Jahre alt wird, will ein Marine werden, und Marines verlieren nicht den Kopf. Niemals. Außer jetzt, als er einen Mann in der dunkelsten und kältesten Ecke spürt. Der packt ihn am Handgelenk und verdreht seine Truthahngabel, als bestünde sie aus Schokolade: „Jetzt kenne ich dich.“

Ebenfalls zur gleichen Zeit gehen Naomi und Minnie einer merkwürdigen Beschäftigung in ihrem Kinderzimmer nach. Weil sie vergangene Nacht einen unbekannten Mann im Spiegel des begehbaren Kleiderschranks gesehen haben, montiert die kleine Minnie den Spiegel ab, während Naomi noch mit ihr hadert, dass der Spiegel doch eine mögliche Tür in eine andere Welt sei, wo ihr Prinz auf sie wartet, damit sie ihm beisteht und über das Königreich herrscht.

Mit unbestechlichem Sinn für Realität macht Minnie ihrer verträumten Schwester klar, dass der Spiegel gefährlich sei. Als sie ihn auf den Boden legt, kräuselt sich dessen Oberfläche. Und als sie eine Traube darauffallen lässt, verschwindet diese. Ganz klar: Der Spiegel muss fort! Doch bevor Minnie dies tun kann, macht Naomi den Fehler, ihre Hand auf die wieder stabile Oberfläche zulegen. Eine männliche Stimme voller Hass und Zorn sagt in ihrem Kopf: „Jetzt kenne ich dich, du dumme kleine Schlampe!“

|Piper’s Gallery|

Als John Calvino die Galerie betritt, aus der der Glöckchen-Anhänger stammt, ahnt er nichts von den sinistren Vorgängen in seinem Heim. Und als ihn ein Kollege bei einem weiteren Besuch im Lucas-Haus ertappt, bekommt er unangenehme Fragen gestellt. John ist nur eines klar: Was auch immer den armen Billy Lucas besessen hat, wird sich schon bald ein neues Gefäß suchen, das es benutzen kann, um Tod und Zerstörung zu säen – denn am 25. Oktober jährt sich der Tag, an dem seine eigene Familie überfallen wurde, zum 20. Mal …

_Mein Eindruck_

Der Titel des Thrillers könnte genauso gut „Besessen“ lauten, denn um Besessenheit geht es die ganze Zeit. Billy Lucas ist für Calvino der wichtigste Zeuge, wie diese Besessenheit aussieht. Urplötzlich verwandelt sich ein netter Junge oder ein unbescholtener Zeitgenosse in ein mordendes Ungeheuer. Dieses Opfer lässt sich als Pferd bezeichnen, das geritten und an die Kandare genommen wird. Der freie Wille geht dabei natürlich flöten.

Zunächst hat es den Anschein, als sei es der teuflische Geist von Alton Turner Blackwood, der die Gewalt über Billy Lucas etc. übernommen habe. Später erfahren wir, wer oder was sich hinter „Verderbnis“ verbirgt: Es ist ein Dämon aus der Hölle. Klingt nach dem „Exorzisten“? Tatsächlich sucht Calvino einen ehemaligen Exorzisten auf. Doch Peter Abelard darf nicht mehr praktizieren, seit es der katholischen Kirche peinlich ist, die Existenz des absolut Bösen zuzugeben.

Verderbnis als Dämon zu etablieren, ist ja gut und schön, aber im Opfer muss genau dies existieren, damit Verderbnis die Lenkung übernehmen kann, sozusagen eine Lücke in der seelisch-moralischen Rüstung. Unversehens wird aus dem Horror-Thriller eine höchst moralische Parabel, aber das sollte uns bei Dean Koontz nicht verwundern, denn fast alle seine Thriller (beispielsweise „Dunkle Flüsse des Herzens“ oder „Intensity“) basieren darauf. Letzten Endes sind 95 Prozent des Horrorgenres moralische Parabeln, und das fing schon bei E. A. Poe an.

|Der Rabenmann|

Bevor wir zum Finale kommen, sollten etwas über den Anfang von „Verderbnis“ gesagt werden, genauer über Alton Turner Blackwood, den Rabenmann. In regelmäßigen Abständen ist dessen Tagebuch in Auszügen eingeschoben. Darin entdeckt der rund 14 bis 15 Jahre alte Alton die Wahrheit über seine feine Familie. Der Filmproduzent Teejay Blackwood ist sein Großvater, denkt er. Aber er ist auch sein Vater, sein Onkel und sein Bruder!

Teejay Blackwood hat es sich nämlich aus Überzeugung zur Gewohnheit gemacht, seine nächsten weiblichen Verwandten zu schwängern. Sein Ziel: die Züchtung der schönsten Frauen der Welt. Da er dies mit männlichen Nachkommen nicht tun kann, erstickt er die neugeborenen Söhne nach der Geburt und verscharrt ihre Leichen in einem nahegelegenen Wäldchen. Dort findet Alton auf seinen nächtlichen Streifzügen auch die Gebeine seiner lange und schmerzlich vermissten Mutter. Alle haben ihn angelogen, erkennt er. Warum nur musste sie sterben? „Tante“ Regina und ihre „Tochter“ Melissa, beide inzwischen schon wieder schwanger, geben die Wahrheit freimütig zu …

Auf seinen Streifzügen genoss der entstellte Alton, der nur aufgrund der flehentlichen Bitten (und des Opfers) seiner Mutter am Leben gelassen worden ist, eine bis dato unbekannte Freiheit. Er lernte alles, was die Nacht weiß (O-Titel) und was ihm ein geheimnisvoller Rabe zeigte. Freizügig tötete er jede Art von Tier, bis er zum Herrn des Waldes wurde. Bis er auf die Gebeine und die Lügen stieß.

Nun ist er nicht mehr Herr des Waldes, sondern der angehende „Rabenmann“. Doch wann er den Dämon „Verderbnis“ traf und von ihm erfüllt wurde, erzählt Koontz nicht in diesem Buch und auch nicht in dem Kurzroman „Die schwarze Feder“, den es für zwei Euro zum Download gibt und der angeblich als Vorgeschichte fungieren soll.

|Die Natur des Bösen|

Ist das Böse also eine von außen kommende Macht, die der Macht des Guten Paroli bietet? Da meinte zumindest der Philosoph Mani aus dem 3. Jahrhundert, weshalb sein Modell der Manichäismus heißt. Gut und Böse verhalten sich wie Schwarz zu Weiß, dazwischen gibt es nichts.

Dass dieses Modell nicht funktionieren kann, zeigt sich schnell. Denn wozu sonst müsste der Dämon „Verderbnis“ erst seine Opfer vorbereiten, um eine Lücke in ihrer moralischen Rüstung zu öffnen, durch die er Zugang zu ihrem Geist und ihrer Seele findet? Voraussetzung ist also auch ein Makel im Opfer. Bei John Calvino sind es seine Schuldgefühle gegenüber seinen ermordeten Anverwandten – während sie gemeuchelt wurden, hatte er Sex mit Cindy Schooner, einer 16-jährigen Schlampe aus der Nachbarschaft.

In Naomi nützt „Verderbnis“ deren mädchenhafte Schwärmerei für jede Art von Fantasy und Magie im Stile von „Harry Potter“ aus (Hogwarts wird sogar namentlich erwähnt). Naomi braucht nur von einem „Pferd“ durch einen „Flug durch die Dimensionen“ in ihr angestammtes Königreich gebracht zu werden, damit sie alles tut, was man von ihr verlangt – wenn man sich ausdrückt wie in einem ihrer Bücher. Sie wollte ja schon immer „Mylady“ genannt werden.

Zach Calvinos Schwäche ist seine Entschlossenheit, ein harter Marine zu werden, ein Macho, wie er – ebenfalls – im Buch steht. Seine Träume sind erfüllt von einem Kerl namens Al, der ihn mit seinen Schwestern unaussprechlich eklige Dinge tun lässt, bis Zach sich erbrechen muss. Und Nicolette? Ihre Schwäche ist ihre Malerei, in der sie vielfach ihre amilie festgehalten hat. Bis auf einem der Fotos ein merkwürdiger Männerumriss in einem der Spiegel auftaucht …

Die einzigen Ausnahmen sind Minette, die kleine Achtjährige, und der verstorbene Golden Retriever Willard. Seit ihrer schweren Erkrankung vor zwei Jahren kann Minette Geister sehen – und deshalb auch den Geist von Willard, dem hilfreichen Hund. Diese Fähigkeit steht nur scheinbar im Gegensatz zu ihrem Realismus, mit dem sie Naomis Schwärmerei unterminiert.

Die Familie Calvino weist also zahlreiche Schwächen auf, über die „Verderbnis“ und der Rabenmann sie angreifen können. Und sie haben Bedienstete, die wiederum Verwandte haben, die wiederum unverhofften Besuch bekommen, nachdem ihr Verhalten eine ungewöhnliche Veränderung aufweist …

|Der Haken|

Calvino ist ein Cop, und als Cop analysiert er Muster. Das Wichtigste ist die Reihenfolge und der Abstand von Blackwoods Taten: 33 Tage. Also rechnet er sich den 10. Dezember als Datum aus, an dem der Rabenmann angreifen wird. Falsch gedacht, erklärt ihm seine Frau. Hätte er nur mal (wie wir) Blackwoods Tagebuch gelesen. Die Reihenfolge Opfer, nach der Calvino rechnet, stimmt nicht. Also ist der Termin schon viel früher. Und warum nicht schon am 20. Jahrestag?

Calvino weiß also, was er zu erwarten hat. Und er weiß auch, wie das aussehen wird. Aber keiner wird ihm glauben, dass die Opfer, die Blackwoods „Pferd“ im städtischen Hospital gefunden und gefordert hat, auf das Konto eines vor 20 Jahren getöteten Geistes gehen. Doch was nützt ihm all dies Vorauswissen schlussendlich? Das ist die Frage, die das nahende Finale so spannend macht. Parallel dazu enthüllt das Tagebuch Blackwoods immer dramatischere Ungeheuerlichkeiten.

Es kommt also auf mindestens zwei Ebenen zu einer Krise, die sich in einem ausgedehnten Kampf im Hause Calvino äußern muss. Darüber werde ich natürlich nichts verraten. Nur so viel: Minette hat seit ihrem Krankenhausaufenthalt etwas aus Lego-Steinen gebaut, das Ähnlichkeit mit einem Rad hat und das nun auf unerwartete Weise zu einem Hilfsmittel wird – für eine Zeitreise …

_Die Übersetzung _

Bernhard Kleinschmidt, der inzwischen standardmäßige Koontz-Übersetzer beim |Heyne|-Verlag, hat hier wieder eine ausgezeichnete Übersetzung abgeliefert. Der Erzählstil klingt natürlich, und Umgangssprache ist kein Tabu, was sich besonders in den Dialogen zwischen den Mädchen bemerkbar macht („Jesses!“).

Allerdings sind Kleinschmidt zwei kleine Fipptehler unterlaufen. Auf S. 215 steht: „Das ist der Moment, indem in Besitz genommen wird.“ Sieht korrekt aus? Falsch gedacht. „indem“ ist ein eigenständiges Wort, das hier aber getrennt geschrieben gehört: „der Moment, in dem“.

Doch das Wort „jüngsteres“ auf S. 420 ist schon auf den ersten Blick nicht ganz koscher. Es geht um das „jüngere“ Mädchen der Calvinos, also Minette. Das „jüngste“ Mädchen wäre nicht korrekt gewesen, denn es ist ein Superlativ, der drei Vergleichsstufen erfordert. Und bei zwei Mädchen gibt es bloß zwei Stufen, also wäre „jüngere“ korrekt.

_Unterm Strich_

Das Inzestmotiv erinnert an Poes klassische Horrorgeschichte über Roderick und Madeleine Usher und ihre tabubrechende Untat, die sich nun, nach Jahren, rächen muss. Auch an Alton Turner Blackwood wurden zahlreiche moralische Verbrechen begangen, vom Inzest über ungeheure Lügen bis zum Tod seiner Mutter. Doch ist dies alles ausreichend, um ihn zum Opfer des Dämons „Verderbnis“ (er könnte auch Beelzebub, Asmodis oder Belial heißen) zu machen?

Diese Frage lässt sich mit Bestimmtheit nur aufgrund der Lektüre von „Die schwarze Feder“ beantworten. Klar ist aber, dass diese Verbrechen den Weg für den Eintritt von „Verderbnis“ gebahnt haben. Und es sollte nicht verwundern, wenn „Verderbnis“ dafür sorgen würde, dass Blackwood, der Rabenmann, sich an seiner Familie rächt und dem ganzen Inzestspuk ein blutiges Ende bereitet. Das wäre dann „Der Untergang des Hauses Blackwood“.

„Der Untergang des Hauses Calvino“ hingegen wird über 400 Seiten lang vorbereitet. Das geschieht in mehreren Stufen, in denen Calvino Gelegenheit hat, das Angriffsmuster zu erkennen (das ihm niemand glaubt), den verbleibenden Abstand bis zum Datum des Angriffs auszurechnen (wobei er sich irrt) und sich mit seiner Familie zu verschanzen (wobei der Feind schon innerhalb der Mauern lauert). Das Finale ist denn auch entsprechend actionreich und gruselig. Als Leser kann man es „in vollen Zügen“ (sogar im ICE) genießen.

|Schwächen|

Was dem europäischen Leser ein wenig sauer aufstoßen dürfte, ist die christlich-moralische Botschaft der Geschichte. „Der Exorzist 2.0“ ist es ja nicht gerade, denn sowohl der Exorzist, der außer Dienst gestellt wurde, als auch dessen Opfer sind längst nicht mehr das, was sie bei [Peter Blatty]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=516 waren. Jeder, der auch nur einigen Dreck am Stecken hat, etwa korrupte Cops oder verkappte Kindermörderinnen, ist ein potentielles „Pferd“, das der Dämon „Verderbnis“ entern und das Blackwood lenken kann.

Und wie es aussieht, ist die US-amerikanische Gesellschaft, die ihre Mittelschicht eliminiert hat, sowohl in den armen wie auch in den reichen Schichten überreif dafür, von „Verderbnis“ übernommen zu werden. Koranverbrennungen, geschändete Muslime, Abu-Ghraib – all diese Vorfälle sprechen Bände. „Verderbnis“ feiert Triumphe, fast jeden Tag.

Dean Koontz fühlt sich bemüßigt, seine – meist ältere – Leserschaft (denn die junge Generation nutzt entweder Facebook, MP3-Player oder e-Reader) explizit darauf hinzuweisen, was mit Amerika nicht stimmt. Das müsste er nicht. Er müsste auch nicht mehrmals rekapitulieren, was geschehen ist. Aber wahrscheinlich hat ihm sein Lektor gesagt, dass er das tun muss, damit seine älteren Leser kapieren, was vor sich geht und nicht den Faden verlieren. O ja, es gibt auch einen Dämon namens „Demenz“. Und auch der feiert traurige Triumphe.

|Info: What the night knows, 2010
472 Seiten plus Leseprobe
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt
ISBN-13: 978-3453267350|
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Zwei Dutzend weitere Rezensionen zum Werk von Dean Koontz findet ihr in unserer [Rezensions-Datenbank.]http://buchwurm.info/book/

Koontz, Dean – Seelenlos (Odd Thomas)

_Kampf gegen die Todesgöttin_

Odd Smith, ein Koch in einer Frittenbude in Südkalifornien, hat eine einzigartige Fähigkeit: Er kann die Toten sehen. Nur sehr wenige Mitmenschen wissen davon, doch einer seiner Freunde hat einem Außenseiter davon erzählt. Dieser Außenseiter ist gekommen, um sich Odds Fähigkeit anzueignen. Wenn er sie nicht bekommt, wird Odds bester Freund dafür mit dem Leben bezahlen. Odd muss nicht nur seinen übernatürlichen Spürsinn einsetzen, sondern auch sein Köpfchen, um Danny aus dieser Patsche zu helfen.

„Seelenlos“ ist die direkte Fortsetzung von [„Die Anbetung“, 3066 in dem Odd Thomas seinen ersten Auftritt hatte.

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren, musste in seiner Jugend hungern, schrieb Schundromane für einen Hungerlohn, lernte seine Frau Gerda kennen und konnte schließlich mit ihr nach Kalifornien ziehen, wo das Ehepaar seither stets mit einem Golden Retriever zusammenlebt. Es gibt kein einziges Koontz-Buch der letzten Jahre – etwa seit „Geschöpfe der Nacht“ -, in dem nicht mindestens ein Loblied auf diese Hunderasse angestimmt wird.

Die zahlreichen Thriller und Horror-Romane des schärfsten Konkurrenten von Stephen King wurden sämtlich zu Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat Koontz laut Verlag über 300 Millionen Exemplare verkauft. Leider wurden bislang nur wenige von Koontz‘ Büchern verfilmt. Die beste Verfilmung ist meiner Meinung nach „Intensity“, aber der Film strapaziert die Nerven derart, dass er höchst selten gezeigt wird.

Der |Odd|-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als „Die Anbetung“)
2) Forever Odd (2005)
3) Brother Odd (2006)
4) Odd Hours (Mai 2008)
5) In Odd We Trust (Juli 2008, Graphic Novel)

|Dean Koontz auf Buchwurm.info:|

[„Irrsinn“ 4317
[„Todesregen“ 3840
[„Frankenstein: Das Gesicht“ 3303
[„Die Anbetung“ 3066
[„Kalt“ 1443
[„Der Wächter“ 1145
[„Der Geblendete“ 1629
[„Nacht der Zaubertiere“ 4145
[„Stimmen der Angst“ 1639
[„Phantom – »Unheil über der Stadt«“ 455
[„Nackte Angst / Phantom“ 728
[„Schattenfeuer“ 67
[„Eiszeit“ 1674
[„Geisterbahn“ 2125
[„Die zweite Haut“ 2648

_Handlung_

Odd Thomas lebt in Pico Mundo, irgendwo in Südkalifornien unweit einer Luftwaffenbasis, und arbeitet hier in einer besseren Frittenbude als Garkoch. Eines Tages musste er sehr zu seinem Leidwesen feststellen, dass er die Fähigkeit besitzt, die Toten zu sehen. Jedenfalls diejenigen, die sich noch an irdische Dinge klammern, so etwa Elvis Presley. Doch als im letzten August ein Irrer ein Massaker in einem Einkaufszentrum anrichten wollte, da war es Odd, dem es gelang, die meisten der Eingesperrten vor der Lastwagenbombe in Sicherheit zu bringen. Bei 41 gelang ihm dies nicht, und 19 von ihnen starben, darunter auch seine Freundin Stormy.

Odd Thomas ist es inzwischen gelungen, sowohl dank seiner Freunde den Verlust zu verwinden als auch von den Medien unbehelligt zu bleiben, was er vor allem der Unterstützung durch Sheriff Wyatt Porter zu verdanken hat, der ihn wie einen Sohn behandelt. Sein bester Freund ist Danny Jessup, doch dieser intelligente junge Mann ist mit Glasknochen (vgl. „Unbreakable“) gestraft, die nicht nur leicht brechen, sondern ihn, nachdem viele Knochen ungleich zusammengewachsen sind, wie einen Krüppel aussehen lassen. Die Schmerzen, die er hat, wenn er sich bewegt, sieht man ihm natürlich nicht an.

In dieser Nacht weckt Odd Thomas die Erscheinung von Dannys Ziehvater, des Radiologen Dr. William Jessup. Der Umstand, dass Jessup nichts sagt, macht Odd klar, dass es sich um einen Geist handelt. Aber wo ist der dazugehörige Tote? Ein Gang zu Jessups Haus zeigt ihm den vermissten Körper, der übel zugerichtet ist. Von Danny jedoch keine Spur. Wurde er entführt? Nach einer kurzen Verfolgung durch die Nacht und den anbrechenden Morgen weiß Odd, wohin die Leute verschwunden sind, die Danny entführt haben. Denn Odd hat einen übernatürlichen Spürsinn für Lebende – er nennt dies seinen psychischen Magnetismus.

Die Spur führt durch ein gigantisches Wasserabflusssystem unter dem Luftwaffenstützpunkt hin zu den Hügeln, in denen die Panaminta-Indianer ein Spielcasino errichtet hatten. Ein Erdbeben ließ hier vor fünf Jahren ein Feuer ausbrechen, das aber Hotel und Spielhölle keineswegs einäscherte. Aufgrund des nachfolgenden Prozesses sind Instandsetzung und Nutzung des Komplexes unterblieben, ja, sogar untersagt. Die psychomagnetische Spur führt hierher.

Aber garantiert wird Odd bereits von Dannys Entführern erwartet. Die Geister der Toten im Casino schrecken ihn nicht, nur die lauernden Leibwächter Dannys – es müssen zwei sein – und deren Anführer, möglicherweise eine Frau, denn Odd hat ihre Fußspuren im Schwemmsand der Kanalröhren gelesen. Sein sechster Sinn warnt Odd vor den Schützen, und so nimmt er den Weg durch einen Aufzugschacht – ins zwölfte Stockwerk.

Die gute Nachricht: In Zimmer 1242 sitzt Danny tatsächlich. Odd ist froh, ihn lebend wiederzusehen. Die schlechte Nachricht: Danny sitzt auf einer Bombe und kann sich nicht davon entfernen. Die Bombe kann von der Anführerin der Kidnapper ferngezündet werden. Dieses Problem kann Odd trotz seiner vielen Talente nicht beheben. Bleiben nur das Gespräch mit der Frau, die wie Odd Thomas die Geister sehen will – und das Hoffen auf eine günstige Gelegenheit …

_Mein Eindruck_

„Odd“ bedeutet im Englischen „ungleich, schräg, sonderbar“. Doch das ist das Letzte, das Odd Thomas sein will. Denn es bedeutet, einsam zu sein und jede Hoffnung zu verlieren. Er ist auf seine Freunde angewiesen, und das ist der Hauptgrund, warum er Danny Jessup retten will. Doch dies stellt sich als gar nicht so einfach heraus. Odd kann zwar viel Humor aufbringen, aber bei dieser Gegnerin ist Humor glatter Selbstmord.

Datura, so nennt sich die Frau, war mal Pornodarstellerin, bis sie von ihrem verstorbenen Mann eine Firma für Telefonsex erbte. Über diese lernte sie Danny kennen. Weil sie ein intensives Interesse an allem Okkulten hat, fand sie die Gespräche mit Danny erst dann interessant, als er ihr von Odd Thomas, seinem Freund, erzählte. Doch wo Odd seine übernatürlichen Fähigkeiten stets nur zum Guten einsetzt, will Datura mit solchen Kräften nur ihre Macht vergrößern. Sie hat bereits zwei Muskelmänner zu ihren Zombies gemacht, die ihr aufs Wort gehorchen, aber nie selbst ein Sterbenswörtchen sagen.

Als die ehemalige Pornoqueen mit einem der Totengeister des Casinos spricht, die Odd gerufen hat, enthüllt sie ihre grenzenlose Bosheit. Odd wird geradezu schlecht davon. Glücklicherweise befindet sich unter den Geistern auch ein Poltergeist, der in der Lage ist, unbelebte Objekte zu bewegen. Der von ihm entfachte Sturm aus Trümmern bringt Datura zur Räson – ein wenig. Odd hat endlich die Gelegenheit, sich abzusetzen. Später muss Datura feststellen, dass es noch einen Bewohner des Casinos gibt, und dieser betrachtet es als sein Jagdrevier und Datura demzufolge als seine Beute. So wie Datura kennt die Natur kein Erbarmen – aber auch keine Bosheit.

Wieder einmal hat Koontz sein Urthema umgesetzt: Der Kampf gegen das Böse fordert Freundschaft und Menschlichkeit gleichermaßen heraus. Diesmal haben die „Guten“ aber auch die Toten und die Natur auf ihrer Seite.

|Vorbilder|

Manche Elemente der Geschichte erinnerten mich an die Hauptfigur Christopher Snow aus „Geschöpfe der Nacht“ und „Im Bann der Dunkelheit“. Dazu gehören der sonderbare männliche Hauptdarsteller, das unterirdische Tunnelsystem, die mysteriöse Luftwaffenbasis und natürlich die Auseinandersetzung mit übernatürlichen Phänomenen. Hier ist also nichts Neues zu erhalten.

Doch von Zeitreisen und dergleichen Scherzen hat sich Koontz, der in den 1970er Jahren selbst mal Sciencefiction veröffentlichte, längst verabschiedet. Außer psychischem Magnetismus, Totengeistern und zombieähnlichen Muskelmännern kommen in den Odd-Romanen keine außergewöhnlichen Phänomene vor. Dadurch eignen sie sich auch für Leser von Mainstream-Unterhaltung, die sonst nur einen Krimi in die Hand nehmen würden.

|Autor|

Wie in vielen seiner Romane kommt auch hier ein Schriftsteller vor. Zu allem Überfluss ist der fettleibige Ozzie Boone auch noch ein Autor von Krimis (die im Englischen „Mystery“ heißen, aber nichts mit Mysterien zu tun haben). Mit Odd versteht sich Ozzie ausgezeichnet, und die Unterhaltung, die sie an Ozzies Frühstückstisch führen, ist eine der vergnüglichsten, schrägsten Lektüren, die ich in den letzten Jahren genießen durfte. Nur Ozzies Kater „Terrible Chester“ bereitet Odd wirklich Sorgen, weil er ihn unverwandt anstarrt.

|Ritter|

Odd ist ein Ausbund an Selbstironie. So entschuldigt er sich einmal, dass er nicht der Ritter sei, der den schrecklichen Jabberwock erlegt. Das ist ein Hinweis auf das gleichnamige Nonsensgedicht „Jabberwocky“ von Lewis Carroll, dem Schöpfer von Alice im Wunderland (es steht im zweiten Band). Warum sollte sich ein junger Mann mit einem Ritter vergleichen, den sowieso niemand ernst nehmen kann? Das ist ja gerade der Witz.

|The King|

Auch die Begegnungen mit Elvis „The King“ sind einerseits ironisch, andererseits von echtem Mitgefühl geprägt. Odd hat wie der King seine Mutter verloren und kann nachfühlen, wie es Elvis geht. Wie jeder, der Elvis‘ Biografie gelesen hat, weiß, liebte er seine Mutter Gladys über alles, doch sie starb, bevor er noch den Gipfel seines Ruhm erklommen hatte, und er geriet – wie sie gesagt hätte – auf Abwege, indem er Drogen missbrauchte und von Medikamenten abhängig wurde. Daher starb er bereits mit 42 Jahren. Der Geist des toten Elvis kann nicht von der Erde lassen, weil er hofft, durch Odd noch einmal seine Mutter sehen zu können – oder weil er fürchtet, was seine Mutter zu ihm als Tadel sagen würde, würde er ihr in die jenseitige Welt folgen. Dem Lesepublikum des Autors dürfte diese Geschichte ganz besonders nahegehen.

|Die Übersetzung|

Die Übersetzung durch Bernhard Kleinschmidt zeugt von großer Sorgfalt und einem breitgefächerten wie auch tiefreichenden Verständnis der amerikanischen Sprache (die sich deutlich von der britischen unterscheidet). Wie ich an dem Originaltext von „Seelenlos“ nachgelesen habe, ist Koontz ein äußerst präzise beschreibender Stilist, der selbst für die ausgefallensten Tätigkeiten und Dinge stets das einzige genau passende Wort findet.

Das stellt hohe Anforderungen an jeden Übersetzer, denn manchmal ist die deutsche Sprache nicht präzise genug, um die genaue Entsprechung liefern zu können. Dann muss sich der Übersetzer einen Ersatz einfallen lassen, der nicht plump und nach Umgangssprache klingt. Kleinschmidt ist dies durchweg überzeugend gelungen.

_Unterm Strich_

Ich habe den Roman in zwei Tagen gelesen, denn wie alle Koontz-Romane seit „Dunkle Flüsse des Herzens“ liest sich das Buch leicht, flüssig, amüsant und vor allem spannend. Das Buch ist eine Abrechnung mit den Auswüchsen des Okkultismus, der gerade auch in den Vereinigten Staaten, wo es bekanntlich viele Sekten gibt, verbreitet ist.

Datura, die den Helden stark an die hinduistische Todesgöttin Kali erinnert, ist eine abgebrühte Sektenführerin, und sie ist deshalb so furchteinflößend, weil sie die Macht besitzt, ihre Anhänger in willenlose Zombies und Henkersmaschinen zu verwandeln. Das Gleiche versucht sie natürlich auch bei Odd, doch da beißt sie auf Granit.

Wird es einmal so spannend, dass der Leser an den Nägeln zu kauen beginnt, dann legt der Ich-Erzähler wieder einmal eine seiner Denkpausen ein – und macht als Nächstes etwas ganz anderes als das, was man erwartet hat. So benutzt Odd Thomas beispielsweise Schusswaffen nur im äußersten Notfall und muss sich häufig mit einer alternativen Strategie aus der Patsche helfen.

Das fand ich sehr sympathisch, denn es zeigt Waffenfetischisten (von denen es in Koontz‘ Heimat jede Menge gibt), dass man sich auch auf andere Weise verteidigen kann. Überhaupt ist Odd bzw. Koontz in der Lage, die Amerikaner auch von außen in ihren Eigenarten anzusehen, was bei einem amerikanischen Unterhaltungsschriftsteller ein seltenes Phänomen ist. Vielleicht hat ja seine deutsche Frau Gerda dazu beigetragen.

Auch wenn der Roman für den Krimifan ein paar Längen bereithält und mir einige Elemente schon bekannt vorkamen (siehe oben), so wusste mich die Geschichte von Odd Thomas‘ zweitem Abenteuer zu fesseln und zu unterhalten. Ich werde auf jeden Fall noch sein erstes Abenteuer lesen.

|Ausblick|

Am Schluss entschließt sich Odd, sich von all den Aufregungen erholen zu wollen und einen „ruhigen“ Ort aufzusuchen. Er erhält die Erlaubnis der katholischen Kirche, der er angehört, als Laie ein Jahr lang in einem Kloster wohnen zu dürfen. Diesen Aufenthalt schildert die Fortsetzung „Brother Odd“, die bereits im Original veröffentlicht wurde.

|Originaltitel: Forever Odd, 2005
368 Seiten, Hardcover
Aus dem US-Englischen von Bernhard Kleinschmidt|
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Dean Koontz – Schwarze Fluten (Odd Thomas 5)

Die Methusalem-Maschine

Eigentlich ist Odd Thomas ein bescheidener, sympathischer Schnellimbisskoch. Doch er hat besondere Fähigkeiten: Er kann die Geister der Toten sehen. Diesmal ist es eine ermordete Frau, die seine Hilfe sucht. Er soll ihren kleinen Sohn retten – vor dem eigenen Vater.

Gemeinsam mit seiner hochschwangeren Begleiterin Annamaria gelangt Odd Thomas auf den Landsitz eines mächtigen Filmproduzenten. Da Odd geradezu körperlich angezogen wird von dunklen Geheimnissen und unmenschlicher Gewalt, überrascht ihn eine unheilvolle Geistererscheinung dort nicht: Eine ermordete Frau erscheint ihm und fleht ihn an, ihr Kind zu retten, das in tödlicher Gefahr schwebt.

Also durchstreift Odd das Anwesen, findet aber zunächst statt eines Kindes nur weitere Schrecken: ein Mausoleum voller ermordeter Frauen, am helllichten Tag einbrechende Nacht und dunkle, menschenähnliche Kreaturen, die gnadenlos Jagd auf ihn machen. Offensichtlich hat sich der Hausherr mit bösen Kräften verbunden. Aber zu welchem Zweck? (Verlagsinfo)

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[NEWS] Dean Koontz – Opferweg (Odd Thomas 7)

Odd Thomas ist am Ende seiner Reise angekommen. Seit seine Freundin ermordet wurde, hat er Entsetzliches erlebt und grauenhafte Untaten verhindert, er hat blinden Hass und Mordlust kennengelernt, aber auch tiefste menschliche Liebe. Nun kehrt er zurück in seinen Heimatort Pico Mundo, wo seine Feinde ein letztes blutiges Komplott planen. Sie sind viel mächtiger als er, der Tod scheint ihm gewiss – aber wer sollte sonst seine Freunde retten? (Verlagsinfo)

Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: Saint Odd
Heyne

[NEWS] DEAN KOONTZ: Frankenstein: Die tote Stadt

Dean Koontz‘ Frankenstein-Saga geht bei Heyne in die fünfte Runde: „Die tote Stadt“.

Der Kampf gegen die Menschheit ist voll entbrannt. Im kleinen Ort Rainbow Falls, Montana, rotten sich die wenigen Überlebenden zusammen, um Frankensteins Kreaturen aufzuhalten. Doch selbst dessen erstes Monster und mutigster Widersacher Deucalion scheint ihnen nicht mehr helfen zu können. Das Überleben der Menschheit hängt am seidenen Faden.

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden in 38 Sprachen übersetzt und sämtlich zu internationalen Bestsellern. Weltweit wurden bislang 400 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft.

(Verlagsinfos)

Originaltitel: Frankenstein 5 – The Dead Town
Originalverlag: Bantam
Aus dem Amerikanischen von Ursula Gnade
Deutsche Erstausgabe
Taschenbuch, Broschur, 400 Seiten
ISBN: 978-3-453-43644-2

Der Verlag bietet unter dieser Adresse eine Leseprobe an.

[NEWS] DEAN KOONTZ: Schwarze Fluten

Eigentlich ist Odd Thomas ein bescheidener, sympathischer Schnellimbisskoch. Doch er hat besondere Fähigkeiten: Er kann die Geister der Toten  Rachel Aaron: Meister der Stimmensehen. Diesmal ist es eine ermordete Frau, die seine Hilfe sucht. Er soll ihren kleinen Sohn retten – vor dem eigenen Vater. Schon bald merkt Odd, dass noch viel mehr Menschenleben auf dem Spiel stehen.

Gemeinsam mit seiner hochschwangeren Begleiterin Annamaria gelangt Odd Thomas auf den Landsitz eines mächtigen Filmproduzenten. Da Odd geradezu körperlich angezogen wird von dunklen Geheimnissen und unmenschlicher Gewalt, überrascht ihn eine unheilvolle Geistererscheinung dort nicht: Eine ermordete Frau erscheint ihm und fleht ihn an, ihr Kind zu retten, das in tödlicher Gefahr schwebt. Also durchstreift Odd das Anwesen, findet ab
er zunächst statt eines Kindes nur weitere Schrecken: ein Mausoleum voller ermordeter Frauen, am helllichten Tag einbrechende Nacht und dunkle, menschenähnliche Kreaturen, die gnadenlos Jagd auf ihn machen. Offensichtlich hat sich der Hausherr mit bösen Kräften verbunden. Aber zu welchem Zweck? Als Odd Thomas seinen Schützling endlich findet, erkennt er, dass nicht nur Timothys und sein Leben in Gefahr ist. Sondern das unendlich vieler Menschen.

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden in 38 Sprachen übersetzt und sämtlich zu internationalen Bestsellern. Weltweit wurden bislang 400 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft.
(Verlagsinfos)

Originaltitel: Odd Apocalypse
Originalverlag: Bantam
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 400 Seiten
ISBN: 978-3-453-26795-4

Der Verlag bietet unter dieser Adresse eine Leseprobe an.

Dean Koontz auf Buchwurm.info:
„Meer der Finsternis“
„Der Rabenmann“
„Die Anbetung“
„Seelenlos“
„Schattennacht“
„Meer der Nacht“
„Meer der Finsternis“
„Todeszeit“
„Todesregen“
„Irrsinn“
„Frankenstein: Das Gesicht“
„Kalt“
„Der Wächter“
„Der Geblendete“
„Nacht der Zaubertiere“
„Stimmen der Angst“
„Phantom – »Unheil über der Stadt«“
„Nackte Angst / Phantom“
„Schattenfeuer“
„Eiszeit“
„Geisterbahn“
„Die zweite Haut“

Dean Koontz – Meer der Finsternis

Der Odd-Zyklus bislang:

1) Odd Thomas (2004, deutsch 2006 als „Die Anbetung“)
2) Forever Odd (2005, deutsch 2007 als „Seelenlos“)
3) Brother Odd (2006, deutsch 2008 als „Schattennacht“)
4) Odd Hours (2008, deutsch 2009 als „Meer der Finsternis“)
5) In Odd We Trust (Graphic Novel, Juli 2008)

Der Meister des mystischen Thrillers hat sich in den letzten Jahren noch einmal von seiner fleißigsten Seite gezeigt: Dean Koontz legt im aktuellen Jahrzehnt noch einmal ein enormes Pensum vor, hat sich unterdessen aber nicht mehr so häufig von der Unberechenbarkeit seiner Ideen treiben lassen. Mit Odd Thomas hat Koontz letztlich einen Charakter geformt, der immer mehr zu seinem persönlichen Helden geworden ist und inzwischen die wohl wichtigste Figur seiner Romane darstellt.

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Koontz, Dean – Trauma

_Handlung_

Kurz vor Jimmy Tocks Geburt liegt sein Großvater im Sterben und sagt die genaue Größe und das Gewicht des zu erwartenden Kindes voraus. Aber nicht nur das, denn er prophezeit seinem Enkel noch fünf furchtbare Tage in seinem zukünftigen Leben, samt der genauen Daten. Und gleich bei seiner Geburt scheinen sich die bösen Omen zu verdichten, denn ein wahnsinniger Clown läuft im Krankenhaus Amok und richtet ein Blutbad an. Kurz vor der Flucht verspricht der wahnsinnige Mörder Jimmy Tocks Vater, dass er ein Auge auf dessen Familie werfen wird …
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